Urteil des OLG Brandenburg vom 15.03.2017

OLG Brandenburg: wichtiger grund, freiwillige gerichtsbarkeit, bezirk, nachlass, erblasser, abgabe, zwangsvollstreckung, berechtigung, link, sammlung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 AR 70/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1960 BGB, § 1961 BGB, § 46
Abs 1 FGG, § 75 S 2 FGG
Nachlasspflegschaft: Wichtiger Grund für die Abgabe an ein
anderes Gericht; Bedeutung des Gläubigerinteresses für die
Abgabe
Tenor
Zuständig ist das Amtsgericht Oranienburg.
Gründe
I.
Die eine Nachlasspflegschaft beantragende Gläubigerin berühmt sich verschiedener
Rückgewähransprüche wegen dem Erblasser gewährter Darlehen. Sie verfügt über die
vollstreckbare Ausfertigung wenigstens einer notariellen Urkunde, in der sich der
Erblasser wegen einer Buchgrundschuld der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen
hat. Diese Grundschuld lastet auf einem dem Erblasser zur ideellen Hälfte gehörenden
Grundstück, das im Bezirk des Amtsgerichts O. belegen ist. Zudem ist die Gläubigerin
die Inhaberin diverser weiterer Buchgrundschulden, die überwiegend auf im Bezirk des
Amtsgerichts O. belegenen, dem Erblasser zur ideellen Hälfte bzw. zur gesamten Hand
gehörendem Grundeigentum lasten. Auch das übrige bekannte Vermögen des
Erblassers befindet sich im Land Brandenburg. Demgegenüber ist von
Nachlassgegenständen am letzten Wohnsitz des Erblassers in B. nichts bekannt. Die
bekannten gewillkürten und gesetzlichen Erben des Erblassers haben die Erbschaft
ausgeschlagen. Die Gläubigerin hat bekundet, ihre Ansprüche gerichtlich geltend
machen zu wollen.
Das als Gericht des letzten Wohnsitzes des Erblassers angerufene Amtsgericht B. hat
das Amtsgericht O. um Zustimmung zur Übernahme der Nachlasspflegschaft ersucht.
Das Amtsgericht O. hat die Zustimmung mit der Begründung verweigert, dass ein
Sicherungs- und Fürsorgebedürfnis für den in seinem Bezirk belegenen Nachlass nicht
bestehe (aufgrund der Anordnung der Pflegschaft lediglich im Gläubigerinteresse und
mangels Alleineigentums des Erblassers). Daraufhin hat das Amtsgericht B. das
Verfahren dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung über die
Abgabe vorgelegt.
II.
1. Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat nach § 75 Satz 2, § 46 Abs. 2 Satz 1
FGG über die Frage zu entscheiden, ob das an das Amtsgericht O. gerichtete
Übernahmeersuchen des Amtsgerichts B. gerechtfertigt ist. Denn die
Nachlasspflegschaft soll an das Amtsgericht O. abgegeben werden, das zum Bezirk des
Brandenburgischen Oberlandesgerichts gehört.
2. Die sachlichen Voraussetzungen für die Bestellung eines Nachlasspflegers gemäß §§
1961, 1960 Abs. 1 BGB liegen vor. Die Erben sind unbekannt. Die antragstellende
Gläubigerin hat ein berechtigtes Interesse an der Nachlasspflegschaft, weil sie ihre
Ansprüche schlüssig und substantiiert dargelegt hat (vgl. Klingelhöffer,
Vermögensverwaltung in Nachlasssachen, 2002, § 1961 BGB Rdnr. 78). Davon
abgesehen genügt es für die Pflegerbestellung, dass es ihrer zur Durchführung der
Zwangsvollstreckung bedarf (§ 778 Abs. 1 ZPO; OLG Oldenburg, RPfl 1984, 102;
Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 778 Rdnr. 6; Klingelhöffer, a. a. O., Rdnr. 79).
3. Das an das Amtsgericht O. gerichtete Übernahmeersuchen des Amtsgerichts B. ist
gerechtfertigt, weil sich der wesentliche Nachlass im Bezirk des ersuchten Gerichts
befindet. Ein wichtiger Grund für die Abgabe im Sinne von § 75 Satz 2, § 46 Abs. 1 Satz 1
FGG liegt namentlich vor, wenn der Nachlass hauptsächlich aus Grundstücken in einem
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FGG liegt namentlich vor, wenn der Nachlass hauptsächlich aus Grundstücken in einem
anderen Bezirk besteht (vgl. Jansen, FGG, 2. Aufl. 1970, § 75 Rdnr. 3;
Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 15. Aufl. 2005, § 75 Rdnr. 6). Das
Amtsgericht B. hat bei dem Übernahmeersuchen ferner ermessensfehlerfrei auf das
Auseinanderfallen von Belegenheitsort und letztem Wohnsitz des Erblassers abgestellt.
Angesichts der räumlichen Entfernung zwischen B. und dem Bezirk des Amtsgerichts O.
erscheint eine Bestellung des Nachlasspflegers durch das Amtsgericht B. in der Tat
unzweckmäßig, weil dadurch die Wahrnehmung seiner weitreichenden Pflichten und
Befugnisse bei der Begleitung der Pflegschaft erschwert würde (§ 1962, § 1915 Abs. 1, §§
1828-1831, 1837, 1846 BGB).
Der Berechtigung des Übernahmeersuchens steht nicht entgegen, dass es für die
Bestellung eines Nachlasspflegers im Falle des § 1961 BGB auf das Erfordernis eines
berechtigten Interesses des Gläubigers (siehe oben 2.) ankommt. Das Amtsgericht O.
verkennt, dass der Pfleger auch dann die Sicherung des Nachlasses zu besorgen hat,
wenn die Pflegschaft nicht aus diesem Rechtsgrund angeordnet worden ist. Dies ergibt
sich schon daraus, dass die Nachlasspflegschaft nicht eine Pflegschaft für den Nachlass
als Vermögensmasse, sondern eine Personenpflegschaft für den oder die unbekannten
Erben ist (statt vieler Klingelhöffer, a. a. O., § 1960 BGB Rdnrn. 36, 72). Daraus folgt des
Weiteren, dass die Mitberechtigung eines Dritten an den Grundstücken unerheblich ist.
Dieser mag aus eigenem Antrieb für die gegenständliche Sicherung des Nachlasses
sorgen. Die über diesen Teilaspekt hinaus reichenden Sicherungsinteressen des oder
der Erben vermag nur der Nachlasspfleger (gegebenenfalls auch gegen den
mitberechtigten Dritten) wirksam zu vertreten.
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