Urteil des OLG Brandenburg vom 15.03.2017

OLG Brandenburg: wiedereinsetzung in den vorigen stand, gemeinnützige arbeit, verfügung, geldstrafe, säumnis, rechtsmittelbelehrung, mangel, quelle, sammlung, kopfschmerzen

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 Ws 154/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 217 Abs 1 StPO
Leitsatz
Wenn das Berufungsgericht die Ladungsfrist des § 217 Abs. 1 StPO, die auch für das
Berufungsverfahren gilt, verletzt, hindert dies weder die Verwerfung der Berufung (vgl. BGHSt
24, 143; BayObLG JR 1967, 190; OLG Düsseldorf StV 1982, 216, 217; OLG Hamm, NStZ-RR
2008, 380; OLG Hamm, NStZ-RR 2009, 314) noch begründet dies für sich genommen die
Wiedereinsetzung in die Berufungshauptverhandlung, wenn der Ladungsmangel weder kausal
für das Nichterscheinen war noch der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auf
Mängel in der Ladung gestützt wird.
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Landgerichts
Potsdam vom 23. April 2008 wird als unbegründet verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens trägt der Angeklagte.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Nauen hat den Angeklagten und Beschwerdeführer mit Urteil vom 22.
Juli 2008 (28 Cs 59/07) wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe in Höhe von 30
Tagessätzen zu je 20,00 € verurteilt. Gegen das in Anwesenheit des Angeklagten und
seines damaligen Verteidigers ergangene Urteil hat dieser mit dem beim Amtsgericht
Nauen am 23. Juli 2008 eingegangenen Anwaltschriftsatz Berufung eingelegt und mit
weiterem Anwaltschriftsatz vom 13. Oktober 2008 begründet. Mit Beschluss vom 28.
April 2009 hat das Landgericht Potsdam das Verfahren gem. § 153a Abs. 2 StPO
vorläufig eingestellt und dem Angeklagten aufgegeben, 80 Stunden gemeinnützige
Arbeit binnen 3 Monaten nach Absprache mit den Sozialen Diensten der Justiz zu leisten.
Nachdem der Angeklagte der Auflage nicht nachgekommen war, hat die Vorsitzende
Richterin der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts Potsdam mit Verfügung vom 11.
August 2009 die Fortsetzung des Verfahrens angeordnet und Termin zur
Hauptverhandlung zunächst auf den 10. September 2009 anberaumt. Nach Krankheit
des Angeklagten hat die Vorsitzende mit Verfügung vom 23. Oktober 2009 erneut
Termin für den 29. April 2010 bestimmt und die förmliche Ladung des Angeklagten
angeordnet. Die Verfügung ist ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle erst am 22.
April 2010 ausgeführt worden. Ausweislich der Zustellungsurkunde ist die Ladung dem
Angeklagten am 24. April 2010 zugegangen. Am 26. April 2010 rief der Angeklagte auf
der Strafrechtsgeschäftsstelle an und fragte nach, um welche Sache es sich handele zu
der er geladen worden war. Nach entsprechender Auskunft seitens der Geschäftsstelle
erwiderte der Angeklagte, dass ihm die Sache bekannt sei. Dem Hinweis auf die
Anwesenheitspflicht entgegnete der Angeklagte mit den Worten:
(vgl. Vermerk, Bd. 2, Bl. 259 R GA).
Zur Berufungshauptverhandlung am 29. April 2010 erschien der Angeklagte nicht,
weshalb die 6. kleine Strafkammer des Landgerichts Potsdam die Berufung des
Angeklagten gem. § 329 Abs. 1 StPO verwarf.
Ein in der Akte befindliches Attest, das die Arbeitsunfähigkeit des Angeklagten vom 27.
April bis zum 30. April 2010 bescheinigt und erst am 29. April 2009 bei Gericht
eingegangen ist, hat ausweislich des Vermerks der Geschäftsstellenbeamtin erst um
15:30 Uhr vorgelegen, mithin nach der Hauptverhandlung. Einem weiteren Vermerk der
Vorsitzenden Richterin der 6. kleinen Strafkammer vom 3. Mai 2010 ist zu entnehmen,
dass der behandelnde Arzt auf telefonische Nachfrage angegeben hatte, bei dem
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dass der behandelnde Arzt auf telefonische Nachfrage angegeben hatte, bei dem
Angeklagten sei Alkoholabusus festgestellt worden, er habe über Kopfschmerzen
linksseitig geklagt und ihm sei als Schmerzmittel „Paracetamol“ mitgegeben worden.
Eine Verhandlungsunfähigkeit habe nicht bestanden.
Eine Ausfertigung des Verwerfungsurteils ist dem Angeklagten am 26. Mai 2010
(Mittwoch) förmlich zugestellt worden. Mit Schreiben vom 3. Juni 2010 (Donnerstag) hat
der Angeklagte „Widerspruch“ gegen die Entscheidung eingelegt und darauf
hingewiesen, dass er zurzeit der Hauptverhandlung krank gewesen war.
Die 6. kleine Strafkammer des Landgerichts Potsdam hat das Schreiben des
Angeklagten vom 3. Juni 2010 als Antrag auf Wiedereinsetzung in die
Berufungshauptverhandlung ausgelegt und diesen Antrag mit Beschluss vom 23. Juni
2010 als unbegründet verworfen. Gegen diese, dem Angeklagten am 6. Juli 2010 nebst
Rechtsmittelbelehrung zugestellte Entscheidung hat dieser mit weiterem Schreiben vom
selben Tag ebenfalls „Widerspruch“ eingelegt.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat mit ihrer Stellungnahme
vom 3. September 2010 beantragt, auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten den
Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 23. Juni 2010 aufzuheben und dem
Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der
Berufungshauptverhandlung zu gewähren.
II.
1.
sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 23. Juni
2010 ausgelegt werden, da er sich darin generell gegen seine Verurteilung richtet. Die
Wochenfrist des § 46 Abs. 3 iVm. § 311 Abs. 2 StPO ist beachtet, auch erweist sich die
eingelegte sofortige Beschwerde im Übrigen als formgerecht eingelegt.
2.
a)
3 iVm. § 44 ff. StPO erweist sich zwar als unzulässig. Denn des Verwerfungsurteil ist dem
Beschwerdeführer am 26. Mai 2010 (Mittwoch) förmlich zugestellt worden, so dass die
einwöchige Antragfrist (§ 45 Abs. 1 StPO) mit Ablauf des 2. Juni 2010 (Mittwoch) endete,
mithin der mit Schreiben vom 3. Juni 2010 (Donnerstag) gestellte Antrag verfristet war.
Jedoch ist die durch die 6. kleine Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 23. Juni
2010 ergangene Sachentscheidung dahin gehend auszulegen, dass dem Angeklagten
und Beschwerdeführer Wiedereinsetzung in die Frist zur Beantragung der
Wiedereinsetzung in die Berufungshauptverhandlung gewährt worden ist.
b)
Zwar hat das Berufungsgericht die Ladungsfrist des § 217 Abs. 1 StPO, die auch für das
Berufungsverfahren gilt (§ 323 Abs. 1 StPO; vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl. 2010),
verletzt, jedoch hindert dies weder die Verwerfung der Berufung (vgl. BGHSt 24, 143;
BayObLG JR 1967, 190; OLG Düsseldorf StV 1982, 216, 217; OLG Hamm, NStZ-RR 2008,
380; OLG Hamm, NStZ-RR 2009, 314) noch begründet dies für sich genommen die
Wiedereinsetzung in die Berufungshauptverhandlung. Es ist in der Rechtsprechung
weitgehend anerkannt, dass eine Wiedereinsetzung entsprechend §§ 329 Abs. 3, 44, 45
StPO in Betracht kommt, wenn der Angeklagte nicht ordnungsgemäß geladen war und
damit eine Säumnis nicht vorlag. Voraussetzung dafür ist aber neben der fehlenden
ordnungsgemäßen Ladung, dass (1.) der Ladungsmangel kausal für das Nichterscheinen
war und (2.) ein fristgerecht eingegangener Wiedereinsetzungsantrag mit den nach §§
44, 45 Abs. 2 StPO erforderlichen Tatsachenangaben vorliegt (vgl. OLG Hamm NStZ-RR
2008, 380; OLG Hamm NStZ 1982, 521; OLG Köln NStZ-RR 2002, 142 jeweils m.w.N.).
Hier fehlt es an beidem. (1.) Ausweislich des Vermerks der Geschäftsstellenbeamtin
vom 26. April 2010 hatte der Angeklagte und Beschwerdeführer die Ladung erhalten,
zudem war er auf seine Anwesenheitspflicht nochmals hingewiesen worden, so dass der
Mangel in der Ladung nicht kausal für das Fristsäumnis war. (2.) Auch stützt der
Antragsteller seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gerade nicht auf
Mängel in der Ladung.
Überdies kommt der Wille des Beschwerdeführers zur Fortsetzung des Verfahrens in
dessen Schreiben vom 6. Juli 2010 und vom 3. August 2010 gerade nicht zum Ausdruck
(vgl. dazu OLG Düsseldorf a.a.O.; OLG Hamburg a.a.O.; SK-Frisch, StPO, Loseblatt,
Oktober 2001, § 329 Rdnr. 58; KK-Maul, StPO, 6. Aufl., § 46 Rdnr. 17). In diesen
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Oktober 2001, § 329 Rdnr. 58; KK-Maul, StPO, 6. Aufl., § 46 Rdnr. 17). In diesen
Schreiben weist der Beschwerdeführer ausschließlich auf die fehlende finanzielle Mittel
zur Zahlung der Geldstrafe hin, was sogar gegen einen Willen zur Fortsetzung des
Verfahrens spricht.
Der Senat weist ergänzend daraufhin, dass der Beschwerdeführer gem. § 459a StPO
hinsichtlich der erkannten Geldstrafe Zahlungserleichterungen bei der
Staatsanwaltschaft als zuständige Vollstreckungsbehörde beantragen kann.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, 7 StPO.
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