Urteil des OLG Brandenburg vom 15.03.2017

OLG Brandenburg: vollrente, auskunft, anteil, alter, umrechnung, versicherung, deckungskapital, realteilung, rückgriff, sammlung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 UF 80/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1587 Abs 2 BGB, § 1587b Abs
1 BGB, § 3b Abs 1 Nr 1
VersorgAusglHärteG, § 4 Abs 1
VAÜG
Versorgungsausgleich geschiedener Ehegatten im
Beitrittsgebiet: Einbeziehung einer privaten
Berufsunfähigkeitsrente; Beteiligung angleichungsdynamischer
und nicht angleichungsdynamischer Anrechte der gesetzlichen
Rentenversicherung Ost bzw. West
Tenor
Auf die befristete Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der angefochtene
Beschluss abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Von dem Versicherungskonto der Antragstellerin bei der Beteiligten zu 1., Vers.-
Nr.: …, werden auf das Versicherungskonto des Antragsgegners bei der Beteiligten zu
1., Vers.-Nr.: …, angleichungsdynamische Rentenanwartschaften der gesetzlichen
Rentenversicherung in Höhe von monatlich 3,12 Euro sowie
nichtangleichungsdynamische Rentenanwartschaften der gesetzlichen
Rentenversicherung in Höhe von monatlich 0,09 Euro, jeweils bezogen auf das Ende der
Ehezeit am 31. Mai 2003, übertragen.
Die zu übertragenden angleichungsdynamischen Rentenanwartschaften sind in
Entgeltpunkte (Ost) umzurechnen. Die zu übertragenden
nichtangleichungsdynamischen Rentenanwartschaften sind in Entgeltpunkte
umzurechnen.
Der Ausgleich der weiteren nichtangleichungsdynamischen Versorgungsrechte
bleibt dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben;
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Der Beschwerdewert wird auf 2.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Beschwerde der Beteiligten zu 1. führt in der
Sache zum Erfolg.
Die angefochtene Entscheidung des Amtsgerichts kann keinen Bestand haben, weil das
Familiengericht den Versorgungsausgleich auf Grund einer unzutreffenden
Ehezeitauskunft für die Antragstellerin durchgeführt und zu Unrecht die bei der
Beteiligten zu 2. bestehenden Versorgungsrechte der Antragstellerin unberücksichtigt
gelassen hat.
1.
Auf Seiten der Parteien sind folgende Versorgungsrechte zu berücksichtigen:
a.
Die Antragstellerin hat berücksichtigungsfähige Anrechte sowohl in der gesetzlichen als
auch in der privaten Rentenversicherung erworben.
aa.
Während der Ehezeit im Sinne des § 1587 Abs. 2 Satz 1 BGB (1. April 1998 bis 31. Mai
2003) hat sie nach der korrigierten Auskunft der Beteiligten zu 1. vom 27. April 2006 (Bl.
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2003) hat sie nach der korrigierten Auskunft der Beteiligten zu 1. vom 27. April 2006 (Bl.
99 HA) angleichungsdynamische Anwartschaften auf eine Vollrente wegen Alters aus der
gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 52,06 Euro und
nichtangleichungsdynamische Anwartschaften auf eine Vollrente wegen Alters aus der
gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 0,09 Euro erworben.
bb.
Außerdem wurde ihr ausweislich der Auskunft der Beteiligten zu 2. (Bl. 12 Sonderheft
VA) aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung eine monatliche Rente in Höhe von 255,70
Euro gezahlt. Diese Rente unterfällt dem Versorgungsausgleich.
Zwar handelt es sich bei der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung um eine
Risikoversicherung, aus der grundsätzlich kein Deckungskapital gebildet wird. Tritt aber
der Versicherungsfall ein, bilden die Versicherungsgesellschaften ein Deckungskapital,
aus dem heraus dann Leistungen erbracht werden. Voraussetzung für die Einbeziehung
einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung in den Versorgungsausgleich ist daher,
dass aus dieser Versicherung spätestens bei Ehezeitende eine Rentenleistung erbracht
wird (BGH, FamRZ 2005, 1530; vgl. auch BGH, FamRZ 2006, 260, 261 und OLG
Nürnberg, FamRZ 2006, 711).
Zwar ist das Ende der Ehezeit hier der 31. Mai 2003, und die Beteiligte zu 2. hat der
Antragstellerin die Zahlung der Berufsunfähigkeitsrente erst im Juli 2003 bewilligt. Der für
diese private Versicherung maßgebende Rentenfall ist aber im November 2002, also 6
Monate vor dem Ehezeitende, eingetreten. Demgemäß ist auf den bereits vor dem
Ehezeitende gestellten Antrag der Antragstellerin (die Antragstellerin hat im Mai 2003
die Rente beantragt) auch die rückwirkende Zahlung seit November 2002 bewilligt
worden. Insoweit ist unschädlich, dass die tatsächliche Rentenleistung erst nach dem
Ehezeitende erfolgt ist. Maßgebend ist vielmehr, dass bei einer rückwirkenden
Bewilligung der Rente aus der Berufsunfähigkeitsversicherung der Bewilligungszeitpunkt
innerhalb der Ehezeit im Sinne des § 1587 Abs. 2 BGB liegt. Denn bereits ab diesem
Zeitpunkt bilden die privaten Versicherer Deckungskapitale, weshalb dann gemäß den
vorangestellten Grundsätzen die Einbeziehung in den Versorgungsausgleich zu erfolgen
hat.
Für die Umrechnung der Berufsunfähigkeitsversicherung ist zu berücksichtigen, dass die
mit Wirkung ab Juni 2006 aktualisierte BarwertVO (vgl. 3. Verordnung zur Änderung der
Barwertverordnung vom 3. Mai 2006, BGBl. 2006 I, S. 1144) zu Grunde zu legen ist.
Gemäß § 5 Abs. 2 der BarwertVO folgt die Ermittlung des Barwerts einer bereits
laufenden statischen Versorgung, die zeitlich begrenzt ist, den Regeln des § 5 Abs. 1
BarwertVO. Anzuwenden ist damit die Tabelle 7 der BarwertVO.
Ausgehend von dem Lebensalter der Antragstellerin von 25 Jahren bei Ende der Ehezeit
- die Antragstellerin ist am … 1977 geboren, das Ehezeitende ist der 31. Mai 2003 -
ergibt sich hieraus ein Vervielfacher von 11,5. Ein Abschlag gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2
BarwertVO ist von dem zu ermittelnden Barwert nicht vorzunehmen, da nach Auskunft
der Beteiligten zu 2. die Berufsunfähigkeitsrente erst im Jahre 2032 endet und daher
eine höhere Restlaufzeit als 10 Jahre besitzt. Auch die gemäß § 5 Abs. 2 Satz 3
BarwertVO vorzunehmende Vergleichsberechnung führt nicht zu einer Korrektur des
Barwertes, da die Vergleichsberechnung in der Summe höhere zu erwartende
Leistungen als der zu ermittelnde Barwert ergibt, wie aus den nachstehenden
Berechnungen folgt:
monatlicher ehezeitlicher Anteil der Rente
jährlicher ehezeitlicher Anteil der Rente
Barwert
Alter bei Ehezeitende in Jahren
Barwert gem. Tabelle 7 BarwertVO
Barwert der Rente
Umrechnung in eine Rentenanwartschaft
Umrechnungsfaktor Beitrag in Entgeltpunkte
ergibt Entgeltpunkte
allgemeiner Rentenwert zum Ehezeitende
Rentenanwartschaft
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Vergleichsberechnung nach § 5 Abs. 2 S. 3 BarwertVO
monatliche Rente
Alter bei Ehezeitende in Jahren
restliche Laufzeit der Rente (Juli 2032) in Jahren
zu erwartende Leistungen
b.
Demgegenüber hat der Antragsgegner nach der unter dem Datum des 1. März 2006
erteilten Auskunft der Beteiligten zu 1. (Bl. 55 Sonderheft VA) während der
vorgenannten Ehezeit angleichungsdynamische Anwartschaften auf eine Vollrente
wegen Alters aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 45,82
Euro und nichtangleichungsdynamische Anwartschaften auf eine Vollrente wegen Alters
aus der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von monatlich 4,99 Euro erworben.
Damit sind sowohl die angleichungsdynamischen als auch die
nichtangleichungsdynamischen Anwartschaften der Antragstellerin höher als diejenigen
des Antragsgegners.
Bei dieser Sachlage kann nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 b VAÜG der Versorgungsausgleich
durchgeführt werden.
2.
Die Ausgleichsbilanz ergibt Folgendes:
1. Angleichungsdynamische Rechte
gesetzliche Rentenversicherung/Ost
Summe
Differenz
Hälfte = Ausgleichsbetrag
2. Nichtangleichungsdynamische Anrechte
gesetzliche Rentenversicherung/West
laufende private Berufsunfähigkeitsrente
Summe
Differenz
Hälfte = Ausgleichsbetrag
3.
Der Ausgleich hat zunächst im Wege des Splittings gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB betreffs
der Differenz der angleichungsdynamischen Rechte der Parteien zu erfolgen.
Hinsichtlich des Ausgleichs der nichtangleichungsdynamischen Anrechte ist zu
berücksichtigen, dass ein Splitting gemäß § 1587 b Abs. 1 BGB ausscheidet, da die
Rechte der gesetzlichen Rentenversicherung/West der Antragstellerin geringer als
diejenigen des Antragsgegners sind. Da sowohl eine Realteilung gemäß § 1 Abs. 2
VAHRG als auch ein Quasisplitting gemäß § 1 Abs. 3 VAHRG ausscheiden, bleibt allein
der erweiterte Ausgleich gemäß § 3 b
Abs. 1 VAHRG. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass ein Rückgriff im Wege des so
genannten Supersplittings auf die vorhandenen angleichungsdynamischen Anrechte der
gesetzlichen Rentenversicherung (Ost) der Antragstellerin auf Grund der
unterschiedlichen Dynamik der Anrechte wegen der in § 4 Abs. 1 VAÜG getroffenen
Regelung ausscheidet (vgl. dazu Brandenburgisches OLG FamRZ 2005, 1489, 1490).
Damit können hier allein die vorhandenen nichtangleichungsdynamischen Anrechte der
gesetzlichen Rentenversicherung/West der Antragstellerin herangezogen werden. Von
dem Ausgleichsbetrag an nichtangleichungsdynamischen Anrechten von insgesamt
77,04 Euro sind daher 0,09 Euro im Wege des so genannten Supersplittings gemäß § 3 b
Abs. 1 Nr. 1 VAHRG dem Antragsgegner zu übertragen.
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Der Ausgleich des restlichen Ausgleichsbetrages ist, da eine Beitragszahlung gem. § 3 b
Abs. 1 Nr. 2 VAHRG der Antragstellerin jedenfalls nicht wirtschaftlich zumutbar ist,
sodann gemäß § 2 VAHRG dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorzubehalten.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 93 a Abs. 1 ZPO, 21 GKG; die Entscheidung zum
Beschwerdewert folgt aus § 49 Nr. 3 GKG.
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