Urteil des OLG Brandenburg vom 15.03.2017

OLG Brandenburg: wohl des kindes, unterbringung, eltern, anhörung, obhut, jugendamt, freiheitsentzug, diagnose, sammlung, quelle

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 WF 177/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1631b BGB, § 49 Abs 1
FamFG, § 57 FamFG, § 58
FamFG, § 111 Nr 2 FamFG
Unterbringung: Antrag der Kindeseltern wegen Selbstverletzung
(Ritzen), Alkoholkonsums und Schuleschwänzens durch einen
Minderjährigen
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten der Mutter zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 1.500 € festgesetzt. Der Wert des erstinstanzlichen
Verfahrens wird unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses ebenfalls auf 1.500 €
festgesetzt.
Gründe
I.
Ob die Beschwerde der Mutter zulässig ist, kann dahin stehen (vgl. dazu BGH, NJW-RR
2006, 1346, 1347, Tz. 4; Prütting/Helms/Abramenko, FamFG, § 68, Rz. 16). Denn die
Beschwerde ist, was nachfolgend unter II. ausgeführt wird, jedenfalls unbegründet.
Bei der von den Eltern angeregten Unterbringung des minderjährigen Kindes gemäß §
1631 b BGB handelt es sich um eine Kindschaftssache, § 151 Nr. 6 FamFG, und damit
eine Familiensache, § 111 Nr. 2 FamFG. Ob mit Rücksicht darauf entsprechende
Entscheidungen im Verfahren der einstweiligen Anordnung nach § 57 S. 1 FamFG
unanfechtbar sind, weil die Unterbringung Minderjähriger in den Katalog der
anfechtbaren Familiensachen in § 57 S. 2 FamFG nicht aufgenommen worden ist (so
OLG Koblenz, NJW 2010, 880 mit Anmerkung Bruns, FamFR 2010, 100), oder ob mit
Rücksicht auf den möglichen erheblichen Grundrechtseingriff gemäß Artikel 2 Abs. 2 S. 2
GG die Beschwerde gemäß § 58 Abs. 1 FamFG ebenso wie im Verfahren der
Unterbringung Volljähriger gegeben sein muss, zumal die entsprechenden Verfahren
nach § 167 Abs. 1 FamFG ohnehin grundsätzlich gleich zu behandeln seien (so OLG
Celle, NJW 2010, 1678 und OLG Celle, BeckRS 2010, 07953, jeweils m.w.N.) und insoweit
ein Versehen des Gesetzgebers vorliege (vgl. Ernst, FamFR 2010, 173), bedarf keiner
Entscheidung, da das Rechtsmittel unbegründet ist.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für den Erlass der begehrten
einstweiligen Anordnung liegen nicht vor. Eine vorläufige Maßnahme kann nicht getroffen
werden, da dies nach den für das Rechtsverhältnis maßgebenden Vorschriften nicht
gerechtfertigt ist, so dass es auf die Frage, ob ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges
Tätigwerden besteht, nicht ankommt, § 49 Abs. 1 FamFG.
Die Mutter verfolgt mit der Beschwerde das erstinstanzliche Begehren beider Elternteile
weiter, eine Genehmigung des Familiengerichts für eine mit Freiheitsentziehung
verbundene Unterbringung des Kindes zu erreichen. Eine solche Unterbringung ist
gemäß § 1631 b S. 2 BGB nur zulässig, wenn sie zum Wohl des Kindes, insbesondere zur
Abwendung einer erheblichen Selbst- oder Fremdgefährdung, erforderlich ist und der
Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch andere öffentliche Hilfen, begegnet
werden kann. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
Dass die Minderjährige andere Personen gefährden könnte, machen die Eltern selbst
nicht geltend. Hinreichende Anhaltspunkte für eine erhebliche Selbstgefährdung
bestehen ebenfalls nicht. Der allgemeine Hinweis in der Beschwerdeschrift, die
Minderjährige habe sich bereits seit geraumer Zeit Verletzungen zugefügt (Ritzen), und
regelmäßig unkontrolliert alkoholische Getränke in großen Mengen konsumiert, reicht
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regelmäßig unkontrolliert alkoholische Getränke in großen Mengen konsumiert, reicht
insoweit nicht aus. Die Verfahrensbeiständin hat, wie sich ihren ausführlichen
Stellungnahmen in erster und zweiter Instanz entnehmen lässt, mehrfach längere
Gespräche mit der Minderjährigen geführt und Anzeichen auf eine erhebliche
Selbstgefährdung nicht wahrgenommen. Nach der Stellungnahme vom 20.8.2010 hat
die Verfahrensbeiständin mit der Minderjährigen sehr offen darüber gesprochen, ob sie
Suizidgedanken habe. Dies habe die Minderjährige zu verschiedenen Gelegenheiten
verneint und geäußert, am Leben zu hängen; das einzige, was ihr Probleme bereite,
seien ihre Eltern. Diese Äußerung ist glaubhaft, zumal sich aus den Berichten der
Verfahrensbeiständin ebenfalls ergibt, dass die Minderjährige enge Bindungen nicht nur
an ihren Freund, sondern auch an einen weiteren Freundeskreis hat.
Auch im Übrigen ist eine Unterbringung nicht zum Wohl des Kindes erforderlich. Soweit
die Eltern – ohnehin nur pauschal – bei Einleitung des Verfahrens auf Probleme wie
„Schulschwänzen“ und Alkoholkonsum hinweisen, ist dem zunächst durch öffentliche
Hilfen zu begegnen. Entsprechend ist die Minderjährige mit Zustimmung der Eltern vom
Jugendamt in Obhut genommen und in eine Jugendhilfeeinrichtung gebracht worden.
Die offensichtlich bestehenden Probleme der Minderjährigen im Umgang mit ihren Eltern
rechtfertigten eine mit Freiheitsentzug verbundene Unterbringung ebenfalls nicht.
Insbesondere kann eine solche Unterbringung nicht dazu dienen, einen stationären
Aufenthalt der Minderjährigen zu ermöglichen, um eine genaue Diagnose hinsichtlich
etwaiger psychischer Störungen zu ermöglichen. Allerdings bedürfen die Probleme, die
zwischen der Minderjährigen und ihren Eltern bestehen, offensichtlich dringend der
Aufarbeitung. Dazu kann aber auch eine Familientherapie, zu der die Minderjährige sich,
so bei ihrer Anhörung durch das Amtsgericht, ausdrücklich bereiterklärt hat, dienen.
Auch insoweit ist die Inanspruchnahme öffentlicher Hilfen möglich.
Von einer erneuten Anhörung der Beteiligten wird gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG
abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Wertfestsetzung auf §§ 45, 46, 42
Abs. 3, 41 FamGKG. Der erstinstanzliche Verfahrenswert ist entsprechend abzuändern, §
55 Abs. 3 FamGKG.
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