Urteil des OLG Brandenburg vom 10.01.2006

OLG Brandenburg: wahrscheinlichkeit, sammlung, quelle, link, voraussehbarkeit, abweisung, unterhaltsrente, vollstreckbarkeit

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 UF 22/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Norm:
§ 1613 Abs 2 Nr 1 BGB
Kindesunterhalt: Kosten einer Klassenfahrt als Sonderbedarf
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 10.
Januar 2006 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte dem Kläger, seinem 16 Jahre alten Sohn,
Kosten für die Jugendweihe und eine Klassenfahrt nach London erstatten muss. Das
Amtsgericht hat die Klage auf Erstattung der hälftigen Kosten der Jugendweihe
abgewiesen und den Beklagten zur Zahlung von 189,25 €, den hälftigen Kosten der
Klassenfahrt, verurteilt.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf
das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit der Berufung und macht im
Wesentlichen geltend, dass es sich bei den Kosten für die Klassenfahrt nicht um
Sonderbedarf handele, den der Kläger neben dem laufenden monatlichen Unterhalt von
408 € verlangen könne.
Der Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat die von ihm eingelegte Berufung gegen die Abweisung der Klage auf
Erstattung der hälftigen Kosten der Jugendweihe zurückgenommen und beantragt im
Übrigen
die Zurückweisung der Berufung.
Der Kläger macht geltend, dass die Kosten für die Klassenfahrt außergewöhnlich hoch
seien und die Inanspruchnahme des Beklagten rechtfertigten.
Wegen des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt
der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist unabhängig vom Wert des Beschwerdegegenstandes, der 600 € nicht
erreicht, aufgrund der Zulassung des Amtsgerichts, an die der Senat gebunden ist (vgl.
Zöller/ Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 511, Rz. 41), zulässig, § 511 Abs. 4 Satz 2 ZPO.
Die Berufung ist auch begründet. Der Beklagte muss dem Kläger die allein noch im
Streit befindlichen hälftigen Kosten der Klassenfahrt von 189,25 € nicht erstatten.
Ausnahmsweise kann das unterhaltsberechtigte Kind, auch für die Vergangenheit, neben
dem laufenden Barunterhalt weiteren Unterhalt verlangen, wenn ein unregelmäßiger
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dem laufenden Barunterhalt weiteren Unterhalt verlangen, wenn ein unregelmäßiger
außergewöhnlich hoher Bedarf (Sonderbedarf) vorliegt, § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
Unregelmäßig in diesem Sinne ist ein Bedarf nur, wenn er nicht mit Wahrscheinlichkeit
vorauszusehen war und deswegen bei der Bemessung der laufenden Unterhaltsrente
nicht berücksichtigt werden konnte. Dabei hängt die Voraussehbarkeit nicht von der
Höhe des unregelmäßigen Bedarfs ab. Selbst ein außergewöhnlich hoher Bedarf steht
dem Unterhaltsgläubiger deswegen neben dem laufenden Unterhalt dann nicht als
Sonderbedarf zu, wenn er mit Wahrscheinlichkeit voraussehbar war und der Gläubiger
sich deswegen darauf einstellen konnte (BGH, FamRZ 2006, 612 ff., 614 m. w. N.).
Handelt es sich nicht um außergewöhnlich hohe Kosten, scheidet ein zusätzlich
geschuldeter Sonderbedarf schon deswegen aus (BGH, a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann der Kläger die Kosten der Klassenfahrt
von 189,25 € nicht als Sonderbedarf verlangen. Dabei kann dahinstehen, ob es sich
schon nicht um außergewöhnlich hohe Kosten handelt. Denn die Kosten sind jedenfalls
nicht überraschend entstanden. Da in weiterführenden Schulen regelmäßig in
bestimmten Klassenstufen Klassenfahrten unternommen und jedenfalls zu Beginn des
Schuljahrs oder zumindest einige Monate vor Reiseantritt angekündigt werden, sind die
Kosten der Klassenfahrt mit Wahrscheinlichkeit voraussehbar und können daher nicht
zusätzlich zum laufenden Unterhalt als Sonderbedarf verlangt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 516 Abs. 3 ZPO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
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