Urteil des OLG Brandenburg vom 12.07.2006

OLG Brandenburg: bedürftige partei, ausgleichung, gegenpartei, vergütung, vertretung, gerichtsgebühr, vergleich, quelle, sammlung, link

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 W 195/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 59 Abs 1 S 2 RVG, § 106 ZPO,
§ 126 ZPO
Kostenfestsetzung: Berechnung des Erstattungsanspruchs bei
einer Kostenverteilung nach Quoten und Bewilligung von
Prozesskostenhilfe für eine Partei
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Kläger wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des
Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 12.7.2006 – 12 O 35/06 – in der Fassung des
teilabhelfenden Beschlusses vom 8.9.2006 teilweise abgeändert und unter
Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wie folgt neu gefasst:
Aufgrund des von den Parteien vor dem Landgericht Frankfurt (Oder geschlossenen
Vergleichs vom 4.5.2006 sind von dem Beklagten an Kosten
1.594,37 €
(i. B. Eintausendfünfhundertvierundneunzig und 37/100 EUR)
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB
seit dem 29.5.2006 an die Kläger zu erstatten.
Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger 1/5, der
Beklagte 4/5 zu tragen. Eine Gerichtsgebühr gemäß Nr. 1811 KV GKG wird nicht
erhoben.
Der Beschwerdewert beträgt 1.038,68 €.
Gründe
I.
Die beiden Kläger, im Rechtsstreit durch einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten
vertreten, nahmen den Beklagten jeweils auf Zahlung von 14.029 € in Anspruch.
Außerdem beantragte die Klägerin zu 1.) festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist,
ihr entstandene anwaltliche Gebühren zu erstatten. Das Landgericht bewilligte dem
Kläger zu 2.) antragsgemäß Prozesskostenhilfe für den von ihm verfolgten Anspruch und
ordnete ihm seinen Prozessbevollmächtigten zu den Bedingungen eines ortsansässigen
Anwalts bei.
Die Parteien schlossen vor dem Landgericht einen Vergleich, nach dessen
Kostenregelung von den Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs der Beklagte 5/7
und die Kläger als Gesamtschuldner 2/7 tragen sollten. Das Landgericht setzte den
Streitwert für den Rechtsstreit und den Vergleich auf bis zu 28.100 € fest.
Der Rechtspfleger des Landgerichts hat mit Beschluss vom 12.7.2006 die von dem
Beklagten an die Kläger zu erstattenden Kosten auf 761,81 € festgesetzt und
festgestellt, dass ein Erstattungsbetrag in Höhe von 607,42 € auf die Landeskasse
übergegangen ist. Dabei hat er nach Ausgleichung der außergerichtlichen Kosten einen
den Klägern zustehenden Erstattungsbetrag in Höhe von 1.369,23 € ermittelt, wobei er
bei den Klägern von außergerichtlichen Kosten in Höhe von 3.197,66 € ausgegangen ist.
Zu dem Betrag von 1.369,23 € hat er einen Betrag von 1.066,62 € hinzugerechnet, den
der Klägervertreter für die Vertretung des Klägers zu 2.) aus der Staatskasse als PKH-
Vergütung erhalten hat. Von der Summe hat er 2/7 der gesamten außergerichtlichen
Kosten abgezogen und einen vom Beklagten zuviel zu erstattenden Betrag von 607,42 €
ermittelt, der auf die Landeskasse übergegangen ist, diesen von 1.369,23 € abgezogen
und daraus den zu erstattenden Betrag von 761,81 € errechnet.
Gegen diesen Beschluss, der ihnen am 10.8.2006 zugestellt worden ist, wenden sich die
Kläger mit ihrer am 16.8.2006 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit
der sie zum einen beanstanden, dass eine Verrechnung der Gerichtskosten nicht erfolgt
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der sie zum einen beanstanden, dass eine Verrechnung der Gerichtskosten nicht erfolgt
sei. Zum anderen meinen sie, ihr Prozessbevollmächtigter könne von jedem von ihnen
die anwaltlichen Gebühren nach dem auf sie entfallenden Streitwert beanspruchen. Sie
seien mit insgesamt 4.836,28 € an anwaltlichen Gebühren belastet.
Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 8.9.2006 dem Rechtsbehelf
teilweise abgeholfen, soweit es von den Klägern gezahlte und beim Beklagten
verrechnete Gerichtskosten in Höhe von 242,85 € angeht, und deshalb die von dem
Beklagten zu erstattenden Kosten auf 1.004,66 € festgesetzt. Im Übrigen hat er dem
Rechtsmittel nicht abgeholfen.
Der Beschwerdesenat hat dem Bezirksrevisor beim Landgericht Frankfurt (Oder) als
Vertreter der Landeskasse Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und
2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig.
Die sofortige Beschwerde ist, soweit ihr nicht abgeholfen worden ist, überwiegend
begründet.
1.) Sind die Kosten, wie hier, nach Bruchteilen verteilt und ist Prozesskostenhilfe bewilligt
worden, so sind die Parteikosten gleichwohl so zu berechnen, wie wenn keine
Prozesskostenhilfe bewilligt worden wäre. Es ist deshalb innerhalb eines einzigen
Beschlusses eine Ausgleichung gemäß § 106 ZPO vorzunehmen, dies auch dann, wenn
der beigeordnete Rechtsanwalt seine Gebühren gemäß § 126 ZPO beitreibt.
Es ist nicht etwa die Kostenquote der PKH-Partei zugunsten des beigeordneten Anwalts
ohne Rücksicht auf die Kosten des Gegners einerseits und die Kostenquote des Gegners
der bedürftigen Partei andererseits ohne Rücksicht auf die Kosten der bedürftigen Partei
separat in zwei Beschlüssen festzusetzen. Dies hat der 6. Zivilsenat in Abkehr von der
Rechtsprechung des inzwischen aufgelösten 8. Zivilsenates des Brandenburgischen
Oberlandesgerichts in zwei Grundsatzentscheidungen vom 16.1.2007 (6 W 135/06 und 6
W 9/07) entschieden.
Nur wenn man der Rechtsprechung des aufgelösten 8. Zivilsenates des
Brandenburgischen Oberlandesgerichts folgt und wenn eine derartige separate
Festsetzung erfolgt, muss das rechnerisch richtige Ergebnis einer Ausgleichung durch
eine Aufrechnungserklärung des Prozessgegners der bedürftigen Partei herbeigeführt
werden. Dies ist hier nicht erforderlich. Denn der hier tätig gewordene Rechtspfleger des
Landgerichts Frankfurt (Oder) ist, anders als andere Rechtspfleger desselben Gerichts
und als die Praxis der Rechtspfleger beim Landgericht Potsdam, der Rechtsprechung des
8. Zivilsenates des Brandenburgischen Oberlandesgerichts nicht gefolgt und hat eine
Ausgleichung ohne Rücksicht auf die Bewilligung der Prozesskostenhilfe vorgenommen.
Deshalb geht die Aufrechnungserklärung des Beklagten in seinem auf den 31.10.2006
datierten Schriftsatz ins Leere. Seine eigenen Kosten sind im Rahmen der Ausgleichung
bereits berücksichtigt worden.
Das Landgericht hat hier die auf Seiten der Kläger entstandenen anwaltlichen Gebühren
zutreffend berechnet.
Der Klägervertreter kann nur eine 1,3 Verfahrensgebühr aus dem Gesamtstreitwert von
28.058 € berechnen.
Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt, dass die
0,3-Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 RVG für einen weiteren Auftraggeber nicht
entstanden ist. Zwar hat er die beiden Kläger in derselben Angelegenheit vertreten.
Nach I und II der amtlichen Anmerkung zu Nr. 1008 VV RVG tritt eine Erhöhung der
Verfahrensgebühr jedoch nur ein, wenn der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit für
mehrere Auftraggeber derselbe ist; außerdem tritt die Erhöhung nur nach dem Betrag
ein, an dem die Auftraggeber gemeinschaftlich beteiligt sind. Der Gegenstand der
anwaltlichen Tätigkeit war vorliegend nicht derselbe. Die beiden Kläger haben jeweils
ihren eigenen Pflichtteilergänzungsanspruch geltend gemacht. Außerdem sind sie an
den beiden geltend gemachten Zahlbeträgen nicht gemeinschaftlich beteiligt.
Richtig hat das Landgericht deshalb die Gegenstandswerte gemäß § 22 RVG addiert und
hieraus die anwaltlichen Gebühren berechnet. Zu Unrecht berechnet der Klägervertreter
im Beschwerdeverfahren nunmehr aus jedem Gegenstandswert für jeden Kläger
Gebühren. Da er die Kläger in derselben Angelegenheit vertreten hat, kann er die
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Gebühren. Da er die Kläger in derselben Angelegenheit vertreten hat, kann er die
Gebühren nur einmal fordern, § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG. Die Verfahrens-, Termins- und
Einigungsgebühr entstehen in einem einheitlichen Rechtsstreit nur einmal.
Es besteht auch keine Veranlassung, nur einmal angefallene Fahrtkosten im
Ausgleichungsverfahren doppelt zu berücksichtigen.
Der Klägervertreter kann daher lediglich 3.197,66 € Gebühren bei den Klägern
berechnen. Richtig hat das Landgericht auch den von dem Beklagten an die Kläger zu
erstattenden Betrag von 1.369,23 € errechnet.
2.) Jedoch hat das Landgericht § 59 RVG nicht zutreffend angewandt. Es hat zu Lasten
des Klägervertreters den Übergang seines Vergütungsanspruchs auf die Staatskasse
geltend gemacht. Dies ist fehlerhaft.
Nach § 59 Abs. 1 Satz 2 RVG kann der Übergang des Erstattungsanspruchs des
Rechtsanwalts gegen den ersatzpflichtigen Gegner auf die Staatskasse nicht zum
Nachteil des Rechtsanwalts geltend gemacht werden. Daraus wird allgemein
geschlossen, dass der Rechtsanwalt die Zahlungen der Staatskasse zunächst auf
diejenigen Kosten verrechnen kann, für welche die Gegenpartei nicht haftet, wenn der
von der Gegenpartei zu erstattende Betrag - wie hier - die gesetzliche Vergütung, die
dem Rechtsanwalt als Wahlanwalt zusteht, nicht voll deckt (OLG Brandenburg, JurBüro
1999, 419; OLG München, JurBüro 1982, 417; jeweils zitiert nach Juris).
Vorliegend ist eine fiktive Berechnung vorzunehmen, weil der Klägervertreter hier auch
für eine nicht bedürftige Partei tätig geworden ist. Wäre der Klägervertreter allein für den
bedürftigen Kläger zu 2.) tätig geworden, betrüge die Wahlanwaltsvergütung 2.418,14 €.
Nur hierauf kann er die Zahlungen der Staatskasse verrechnen. Der
Prozessbevollmächtigte der Kläger hat wegen seiner Vertretung des Klägers zu 2.)
1.066,62 € aus der Staatskasse erhalten, so dass noch 1.351,52 € an
Wahlanwaltsvergütung offen sind. Hinsichtlich des überschießenden Betrages von 17,71
€ (1.369,23 €- 1.351,52 €) ist der Erstattungsanspruch des Klägers zu 2.) auf die
Staatskasse übergegangen.
Der Berechnung des Bezirksrevisors des Landgerichts Frankfurt (Oder) konnte deswegen
in geringfügigem Umfang nicht gefolgt werden. Sie berücksichtigt nicht, dass die Klägerin
zu 1.) keine Prozesskostenhilfe erhalten hat.
Zugunsten der Kläger waren mithin 1.351,52 € festzusetzen zuzüglich der von ihnen
verauslagten und auf die Kostenschuld des Beklagten verrechneten Gerichtskosten,
mithin insgesamt 1.594,37 €.
Der Beklagte ist durch diese Entscheidung nicht beschwert. Er hat 1.369,23 € an
außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Vorliegend war lediglich der Empfänger des
Erstattungsbetrages dahingehend zu ändern, dass dies weit überwiegend die Kläger sind
und nicht die Staatskasse.
III.
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des
Beschwerdeverfahrens folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO, weil die sofortige Beschwerde teilweise
bereits im Abhilfeverfahren und teilweise vor dem Beschwerdesenat erfolgreich war. Da
das Rechtsmittel überwiegend Erfolg hatte, hat der Beschwerdesenat von der ihm durch
Nr. 1811 KV GKG eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, zu bestimmen, dass
eine Gebühr nicht zu erheben ist.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf den §§ 47 Abs. 1 GKG, 3 ZPO. Die
Kläger haben mit ihren Kostenfestsetzungsanträgen vom 24.5.2006 und 27.6.2006
anwaltliche Gebühren in Höhe von insgesamt 3.461,44 € angemeldet. Nur über diesen
Antrag - nicht über einen Ausgleichungsantrag mit anwaltlichen Gebühren in Höhe von
4.836,28 € - hat der Rechtspfleger in dem angefochtenen Beschluss entschieden, nur
insoweit führt dieser Beschluss zu einer Beschwer der Kläger. Dies hätte bei einer
Ausgleichung zu Erstattungsansprüchen in Höhe von 1.557,64 € geführt. Festgesetzt
waren lediglich 761,81 €. Die Differenz von 795,83 € zzgl. zunächst nicht berücksichtigter
242,85 € Gerichtskosten ergibt den Beschwerdewert von 1.038,68 €. Die
Beschwerdewertfestsetzung erfolgt für die außergerichtlichen Gebühren der Parteien.
Die Gerichtsgebühr ist eine wertunabhängige Festgebühr.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2
ZPO nicht vorliegen.
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