Urteil des OLG Brandenburg vom 02.12.2009
OLG Brandenburg: bürge, rechtsmissbrauch, link, quelle, sammlung, mehrheit, ausnahmefall, vergleich, rückzahlung, einspruch
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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 W 51/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 91 ZPO
Kostenfestsetzung: Erstattungsfähigkeit von Prozesskosten bei
Geltendmachung von Ansprüchen gegen Hauptschuldner und
Bürgen in verschiedenen Prozessen
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des
Landgerichts Cottbus vom 2.12.2009 – 5 O 43/08 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Klägerin hat die Beklagte auf Rückzahlung von Courtagevorschüssen in Anspruch
genommen. Gleichzeitig hat sie gegen den für ihre Schuld selbstschuldnerisch
haftenden Bürgen Klage erhoben (Landgericht Cottbus 5 O 42/08).
Die Parteienvertreter telefonierten am 31.3.2009 und am 1.4.2009 miteinander und
erörterten, ob die Forderung anerkannt oder ob ein Vergleich geschlossen wird. Das
Landgericht hat der Klage mit Versäumnisurteil vom 2.4.2009 stattgegeben. Ihren
dagegen eingelegten Einspruch hat die Beklagte zurückgenommen.
Der Rechtspfleger des Landgerichts hat mit Beschluss vom 2.12.2009 die von der
Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 3.079,30 € festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss, der ihr am 28.12.2009 zugestellt worden ist, wendet sich die
Beklagte mit ihrer am 11.1.2010 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit
der sie geltend macht, die Terminsgebühr sei in dem Verfahren gegen sie und gegen
den Bürgen insgesamt nur einmal angefallen, dasselbe gelte für das Abwesenheitsgeld.
Außerdem hätten sich die Parteien am 20.5.2009 auf Ratenzahlungen geeinigt, die
Kosten seien bereits bezahlt.
Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 26.3.2010 dem Rechtsbehelf nicht
abgeholfen und ihn dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung
vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und
2, 569 Abs. 1 ZPO überwiegend zulässig.
Soweit die Beklagte sich allerdings gegen eine doppelte Berücksichtigung des
Abwesenheitsgeldes wendet, ist die Beschwerde mangels Beschwer unzulässig. Denn
das Landgericht hat bei der Kostenfestsetzung in den Verfahren 5 O 42/08 und 5 O
43/08 das zur Festsetzung angemeldete Abwesenheitsgeld in Höhe von 60,00 € jeweils
nur in Höhe von 30,00 € berücksichtigt.
Der Wert der Beschwer beträgt für die Beklagte 3.079,30 € und übersteigt damit den
Beschwerdewert von 200 €.
Die sofortige Beschwerde ist im Wesentlichen aus den zutreffenden Gründen des
angefochtenen Beschlusses und des Nichtabhilfebeschlusses, auf die zur Vermeidung
von Wiederholungen verwiesen wird, nicht begründet.
1.) Die Klägerin kann sowohl von der Beklagten als auch von dem Bürgen die Erstattung
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1.) Die Klägerin kann sowohl von der Beklagten als auch von dem Bürgen die Erstattung
der Terminsgebühr beanspruchen. Die Terminsgebühr ist auf Seiten der Klägervertreter
zwei Mal entstanden.
Die Klägervertreter könnten die Gebühr nur einmal beanspruchen, wenn es sich bei der
Inanspruchnahme des Beklagten und der Hauptschuldnerin um dieselbe Angelegenheit
i. S. von § 15 Abs. 2 RVG handeln würde. Die beiden Rechtsstreitigkeiten stellen jedoch
nicht dieselbe Angelegenheit dar.
Unter einer "Angelegenheit" ist das gesamte Geschäft zu verstehen, das der
Rechtsanwalt für den Auftraggeber besorgen soll. Eine Angelegenheit kann auch
mehrere Gegenstände umfassen. Ob mehrere Gegenstände dieselbe oder mehrere
Angelegenheiten darstellen, hängt davon ab, ob sie von einem einheitlichen Auftrag
umfasst werden, zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und der
Rechtsanwalt einen einheitlichen Tätigkeitsrahmen wahrt.
Wird ein Anwalt in einem gerichtlichen Verfahren tätig, ist die Angelegenheit mit dem
Verfahren identisch. Mehrere Verfahren bedeuten deshalb grundsätzlich mehrere
Angelegenheiten (Hartmann, Kostengesetze, § 15 RVG Rn 37). Denn die Durchführung
verschiedener gerichtlicher Verfahren wird insbesondere im Hinblick darauf, dass von
den Möglichkeiten der objektiven Klagehäufung oder der Verbindung von Verfahren kein
Gebrauch gemacht wurde, regelmäßig dafür sprechen, dass ein innerer Zusammenhang
zwischen den Verfahrensgegen-ständen nicht besteht und der Rechtsanwalt wegen der
unterschiedlichen materiellrechtlichen und prozessualen Voraussetzungen und
Anforderungen an einer einheitlichen Vorgehensweise gehindert ist.
Zwar ist nicht ausnahmslos von der Identität von Verfahren und Angelegenheit in der
Weise auszugehen, dass mehrere Verfahren auch zwingend mehrere Angelegenheiten
darstellen. Ob ein Ausnahmefall vorliegt, ist in Anwendung der dargelegten allgemeinen
Abgrenzungskriterien zu entscheiden. Dabei wird die Annahme "derselben
Angelegenheit" vor allem in Fällen paralleler Verfahren in Betracht kommen, wenn z. B.
gegen einen Beklagten mehrere Klagen erhoben werden, die auch zusammengefasst
hätten erhoben werden können. Anders ist es dagegen zu beurteilen, wenn der
Rechtsanwalt auftragsgemäß unterschiedliche verfahrensrechtliche Besonderheiten zu
beachten hat.
Gemessen hieran ist vorliegend davon auszugehen, dass mehrere Angelegenheiten
vorliegen. Dies liegt schon daran, dass die Parteien in den beiden Rechtsstreitigkeiten
nicht identisch sind und der Klägerin aus unterschiedlichen Rechtsgründen haften.
Die doppelt entstandenen Gebühren sind auch in voller Höhe zu erstatten. Werden wie
hier Ansprüche in identischer Höhe gegen mehrere Schuldner aus unterschiedlichen
Rechtsgründen geltend gemacht, kann zwar im Einzelfall die Geltendmachung von
Kostenerstattungsansprüchen rechtsmissbräuchlich sein, wenn zureichende Gründe für
die getrennte Geltendmachung fehlen (Zöller/Herget, ZPO, § 91 Rn 13 Stichwort
"Mehrheit von Prozessen"). Dies wird man bei der Geltendmachung von Ansprüchen
gegen Hauptschuldner und Bürgen in zwei Prozessen jedoch nicht annehmen können
(so auch OLG Koblenz, Rpfleger 1991, 80, zitiert nach Juris). So gibt es nachvollziehbare
Gründe, den Hauptschuldner vom Bürgen getrennt in Anspruch zu nehmen, weil bei der
Klage gegen den Hauptschuldner Bürgschaftsfragen nicht geklärt werden müssen. Hier
kommt hinzu, dass die Klägerin die Durchführung des Mahnverfahrens gewählt hat, um
die Kosten niedrig zu halten. Dass mit den Widersprüchen der Beklagten und des Bürgen
mangels zwischen ihnen bestehender Gesamtschuldnerschaft zwei getrennte Verfahren
entstanden sind, ist ein Umstand, der der Klägerin nicht als Rechtsmissbrauch
entgegengehalten werden kann.
2.) Der Einwand der Beklagten, sie und der Bürge hätten die festgesetzten Kosten
bereits bezahlt, ist ein materiellrechtlicher Einwand, der im Kostenfestsetzungsverfahren
nicht berücksichtigt werden kann.
Das Kostenfestsetzungsverfahren hat nur den Zweck, die nicht bezifferte
Kostengrundentscheidung des Versäumnisurteils der Höhe nach zu beziffern. Außerhalb
dieser Zielsetzung liegende sonstige Streitigkeiten werden nicht mit entschieden.
Deshalb sind materiellrechtliche Einwendungen gegen den Erstattungsanspruch nicht zu
berücksichtigen. Es ist deshalb im vorliegenden Kostenfestsetzungsverfahren nur zu
entschieden, welchen Betrag die Beklagte der Klägerin zu erstatten hat. Der Streit der
Parteien, wie die Zahlungen der Beklagten und des Bürgen auf die Forderungen der
Klägerin zu verrechnen sind, wird deshalb im vorliegenden Verfahren nicht entschieden.
III.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des
Beschwerdewertes unterbleibt, weil sich die Gerichtsgebühren nicht nach dem Streitwert
berechnen, vgl. § 63 Abs. 1 GKG. Im Beschwerdeverfahren wird eine Festgebühr
erhoben, wenn die Beschwerde erfolglos bleibt, Nr. 1812 KV GKG, anderenfalls entstehen
keine Gerichtsgebühren.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2
ZPO nicht vorliegen.
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