Urteil des OLG Brandenburg vom 15.03.2017

OLG Brandenburg: auskunft, versorgung, umrechnung, deckungskapital, rente, mittelwert, gewinnbeteiligung, link, sammlung, quelle

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 UF 27/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1587a Abs 3 BGB, § 12 FGG
Versorgungsausgleich: Amtsermittlungspflicht bei
unterschiedlichen Auskünften eines Versorgungsträgers; Pflicht
zur Ermittlung des Mittelwerts einer betrieblichen
Altersversorgung
Tenor
Die in Ziffer 2) des Tenors des angefochtenen Urteils getroffene Regelung des
Versorgungsausgleiches wird aufgehoben. Das Verfahren über den
Versorgungsausgleich wird zur erneuten Durchführung an das Amtsgericht, das auch
über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat, zurückverwiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 2.000 € festgesetzt.
Gründe
Die gemäß § 621 e ZPO statthafte und in zulässiger Weise eingelegte befristete
Beschwerde hat insoweit Erfolg, als die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das
Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen ist. Die amtsgerichtliche Entscheidung
zum Versorgungsausgleich leidet an schweren Verfahrensmängeln, die die Aufhebung
und Zurückverweisung gebieten.
1. Das Verfahren über den Versorgungsausgleich ist im Scheidungsfall von Amts wegen
zu betreiben; es bedarf für die Durchführung des Versorgungsausgleiches insbesondere
keines Antrages einer der Eheleute oder eines sonstigen Beteiligten, § 623 Abs. 1 Satz 3
ZPO. Da sich das Verfahren über den Versorgungsausgleich nach den Vorschriften des
FGG bestimmt (§ 621 Abs. 1 Ziff. 6, § 621 a Abs. 1 ZPO), gilt für die Ermittlungen von
Amts wegen § 12 FGG. Hiernach hat das Gericht die zur Feststellung der Tatsachen
erforderlichen Ermittlungen zu veranlassen und die geeignet erscheinenden Beweise
aufzunehmen. Die Ermittlungspflichten aus § 12 FGG betreffen sämtliche Umstände, die
die Höhe und die Art des Versorgungsausgleiches betreffen können (st. Rspr. d. Senats,
Brandenburgisches OLG FamRZ 2006, 129; 2002, 168).
Dem ist das Amtsgericht nicht ausreichend nachgekommen, wie die nachfolgenden
Ausführungen zeigen.
2. Die Anwartschaften der betrieblichen Altersversorgung des Antragstellers bei der …
Lebensversicherungs AG sind bislang sowohl hinsichtlich ihrer Höhe als auch hinsichtlich
ihrer dynamischen Ausgestaltung nicht ausreichend ermittelt worden.
a. Für den Antragsteller hat die … Lebensversicherungs AG in ihrer letzten Auskunft vom
26. Juni 2006 eine Anwartschaft auf eine jährliche Rente von 379,20 € mitgeteilt. In ihrer
vorangegangenen Auskunft vom 17. Mai 2006 (Bl. 46 d. A.; es handelt sich um eine
einheitliche Versorgung, vgl. die gerichtliche Anfrage vom 18. September 2006, Bl. 76 d.
A. sowie den handschriftlichen Vermerk, Bl. 77 d. A.) war dagegen neben dem
Deckungskapital nach der Berechnungsmethode II eine monatliche Rente von 31,05 €,
was einem Jahresbetrag von 372,60 € entspricht, mitgeteilt worden.
Die Differenz von 372,60 € zu 379,20 € ist bislang nicht nachvollziehbar und durch das
Amtsgericht auch nicht hinterfragt worden. Bereits insoweit hat das Amtsgericht gegen
seine Amtsermittlungspflichten verstoßen, zumindest insoweit, als nicht durch eine
kurze Rückfrage beim Versorgungsträger klargestellt worden ist, welche Auskunft die
tatsächlich für den Versorgungsausgleich zu Grunde zu legen ist.
b. Darüber hinaus ist für die zuvor genannte betriebliche Altersversorgung bei der …
Lebensversicherungs AG unklar, ob und gegebenenfalls welche Dynamik diese besitzt. In
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Lebensversicherungs AG unklar, ob und gegebenenfalls welche Dynamik diese besitzt. In
der Auskunft vom 26. Juni 2006 hat die Beteiligte zu 4. mitgeteilt, dass die Versorgung
sowohl im Anwartschafts- als auch im Leistungsstadium sei; dies ist zugleich
mit dem handschriftlichen Vermerk versehen. Wie
die Gewinnbeteiligung der Beteiligten zu 4. tatsächlich in der Vergangenheit
vorgenommen wurde, kann aber den insoweit beigefügten Unterlagen nicht entnommen
werden. Damit kann aber nicht überprüft werden, ob die Versorgung tatsächlich
dynamisch ist.
Die Bestimmung der Dynamik im Sinne des Versorgungsausgleichs knüpft an die
Entwicklung der Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. der
Beamtenversorgung an, wie § 1587 a Abs. 3 BGB zeigt. Dynamisch ist eine Versorgung
dann, wenn sie in der Entwicklung ihrer Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung
oder der Beamtenversorgung zumindest nahezu entspricht (BGH, FamRZ 2000, 430).
Um als dynamisch im Sinne des Versorgungsausgleiches zu gelten, muss eine noch im
Anwartschaftsstadium befindliche Versorgung sowohl in der Anwartschafts- als auch in
der Leistungsphase der Dynamik der gesetzlichen
Rentenversicherung/Beamtenversorgung zumindest nahezu entsprechen. Dabei sind für
den notwendigen Vergleich die Steigerungsraten der gesetzlichen Rentenversicherung
(oder Beamtenversorgung) sowie der betrieblichen Altersversorgung für einen längeren
zurückliegenden Zeitraum, üblicherweise die letzten 10 Jahre vor dem
Entscheidungszeitpunkt des Gerichts, heranzuziehen.
Der Mittelwert der gesetzlichen Rentenversicherung oder der Beamtenversorgung kann
dafür anhand von insoweit erstellten Tabellen schnell ermittelt werden (vgl. z. B.
Gutdeutsch, FamRB 2007, 95 f). Für die betriebliche Altersversorgung ist dagegen deren
Mittelwert durch entsprechende Rückfrage beim Versorgungswerk zu klären, welches die
Steigerungsraten z. B. der letzten 10 Jahre sowohl für die Anwartschafts- als auch die
Leistungsphase mitzuteilen hat. Die (eventuellen) Steigerungsraten sind aber bislang
unbekannt und durch Nachfrage des Amtsgerichts auch nicht aufgeklärt worden, worin
ein weiterer Aufklärungsfehler des Amtsgerichts zu sehen ist.
2. Vorsorglich weist der Senat auf Folgendes hin:
a. Die Parteien haben nach bisherigem Stand folgende Anwartschaften erworben:
aa. Nach der aktualisierten Auskunft der Beteiligten zu 2. vom 27. November 2006 hat
der Antragsteller während der Ehezeit i. S. d. § 1587 Abs. 2 BGB - dies ist die Zeit vom 1.
Mai 1990 bis zum 28. Februar 2006 - angleichungsdynamische Anwartschaften in der
gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 441,58 € monatlich erworben.
bb. Ferner steht aufgrund der Auskunft der Beteiligten zu 1. vom 9. Mai 2006 fest, dass
die Antragsgegnerin auf die Ehezeit entfallende angleichungsdynamische
Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 519,80 € monatlich
erworben hat. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin Anwartschaften bei der
Beteiligten zu 3. gemäß deren Auskunft vom 30. Mai 2006 mit einem ehezeitlichen
Anteil von monatlich 168,40 € erworben. Zuletzt hat die Antragsgegnerin bei der A.
Lebensversicherungs AG, einem privaten Versicherungsunternehmen, nach der unter
dem 4. Mai 2006 erteilten Auskunft Anwartschaften auf eine private Rentenversicherung
erworben, deren Deckungskapital bei Ehezeitende 2.581,31 € betrug.
3. Hinsichtlich der Vorgehensweise zur Ermittlung der Dynamik wird auf die Entscheidung
des Brandenburgischen OLG, Beschluss vom 20. Oktober 2005 - 9 UF 141/05 - Bezug
genommen.
a. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass – so sich die Mitteilung der Beteiligten zu 3., es
handele sich um eine sowohl im Anwartschafts- als auch im Leistungsstadium
volldynamische Versorgung, bewahrheiten würde – ein insgesamt volldynamisches Recht
vorhanden wäre. Eine Umrechnung dieses volldynamischen Rechtes würde dann
entfallen, da es auf Grund seiner Dynamik bereits einem Recht der gesetzlichen
Rentenversicherung (West) gleichstehen würde. Die erworbenen Anwartschaften auf eine
Rente wären dann vielmehr mit ihrem Nennbetrag ohne jegliche Umrechnung dem
Versorgungsausgleich zu Grunde zu legen.
b. Sollte dagegen kein volldynamisches Recht vorhanden sein, ist Folgendes zu
beachten:
Soweit für dieses Recht kein Deckungskapital mitgeteilt worden ist, ist die Umrechnung
gemäß der BarwertVO erforderlich. In noch nicht abgeschlossenen Fällen ist immer die
aktuelle BarwertVO, derzeit also die seit 1. Juni 2006 geltende BarwertVO anzuwenden,
aktuelle BarwertVO, derzeit also die seit 1. Juni 2006 geltende BarwertVO anzuwenden,
auch wenn das Ehezeitende vor dem 1. Juni 2006 liegt; dies gilt auch im
Beschwerdeverfahren (Brandenburgisches OLG NJW-RR 2007, 226). Dies hat das
Amtsgericht, wie die Beteiligte zu 3. zutreffend rügt, übersehen.
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