Urteil des OLG Brandenburg vom 12.05.2005

OLG Brandenburg: ausschluss, offenbares missverhältnis, ausschreibung, ausführung, verdacht, verwertung, vergabeverfahren, einheitspreis, angemessenheit, vergleich

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
Vergabesenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
Verg W 9/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 21 Nr 1 Abs 1 S 3 VOB A, § 25
Nr 1 Abs 1 Buchst b VOB A
Vergabe öffentlicher Aufträge: Vorliegen einer Mischkalkulation
bei besonders niedrigen bzw. höchst unterschiedlichen Preisen
in einem Angebot
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der Vergabekammer
des Landes Brandenburg vom 12. Mai 2005 - VK 14/05 - aufgehoben.
Die Auftraggeberin wird angewiesen, die Angebote für die ausgeschriebene Leistung
"Baumaßnahme A 113 n, ..." unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates neu zu
werten.
Die Auftraggeberin hat die im Verfahren vor der Vergabekammer entstandenen Kosten
sowie diejenigen des Beschwerdeverfahrens zu tragen mit Ausnahme der Kosten der
Beigeladenen.
Die Kosten der Beigeladenen im Beschwerdeverfahren werden nicht erstattet.
Die Zuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin im Verfahren
vor der Vergabekammer war notwendig.
Gründe
I. Die Beschwerde der Antragstellerin richtet sich gegen den ihren Nachprüfungsantrag
zurückweisenden Beschluss der Vergabekammer vom 12.5.2005.
Die Antragstellerin hat sich an der europaweiten Ausschreibung für den 6-streifigen
Ausbau der A 113 n (...) beteiligt und von elf Bietern das günstigste Angebot in Höhe von
4.721.644,92 € unterbreitet. Rang 2 erreichte die Beigeladene bei Wertung von
Nebenangeboten.
Zuschlagskriterium laut Ausschreibung war das wirtschaftlich günstigste Angebot. Die
Auftraggeberin hatte den Auftrag auf 7.500.000 € geschätzt.
Nachdem die Auftraggeberin im Angebot der Antragstellerin diverse Unstimmigkeiten in
angebotenen Einheitspreisen festgestellt hatte, forderte sie diese mit Schreiben vom
28.9.2004 zur Erläuterung der Kalkulationsansätze von 85 im einzelnen benannten
Leistungsverzeichnispositionen unter Vorlage der Unterlagen auf.
Hierauf antwortete die Antragstellerin mit Schreiben vom 30.9.2004 unter Vorlage ihrer
Kalkulation.
Mit Schreiben vom 5.10.2004 forderte die Auftraggeberin weitere Aufklärung und rügte
das Fehlen detaillierter, plausibler und nachvollziehbarer Erläuterungen und
Begründungen für die abweichenden Kalkulationsansätze bei den Leistungspositionen
mit gleichen oder ähnlichen Leistungsinhalten. Für die in den Kalkulationsunterlagen
ausgewiesenen Nachunternehmerleistungen fehlten die entsprechenden
Kalkulationsunterlagen. Es liege die Vermutung nahe, dass die Antragstellerin in ihrem
Angebot versteckte Kostenumlagerungen vorgenommen habe.
Mit Schreiben vom 7.10.2004 erläuterte die Antragstellerin die angebotenen
Einheitspreise in den bemängelten Positionen. Sie wies darauf hin, dass ihr die
Kalkulationsgrundlagen der Nachunternehmer nicht bekannt seien und die Kalkulation
letztlich ausschließlich Angelegenheit des einzelnen Bieters sei. Die Prüfung der Preise
habe sich auf die Angemessenheit des Gesamtangebotes, nicht jedoch auf diejenige der
einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses zu erstrecken.
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Die Auftraggeberin teilt mit Schreiben vom 23. Februar 2005 der Antragstellerin den
Ausschluß ihres Angebotes mit. Das Angebot sei unvollständig, es enthalte unzulässige
Änderungen an den Verdingungsunterlagen und erfülle nicht alle in die
Verdingungsunterlagen gestellten Bedingungen. Geforderte Aufklärungen und Angaben
seien verweigert worden. Auch an der Eignung der Antragstellerin bestünden Zweifel. Ihr
Angebot lasse eine ordnungsgemäße und vertragskonforme Ausführung der
ausgeschriebenen Leistungen nicht erwarten. Der Zuschlag solle auf das Angebot der
Beigeladenen unter Berücksichtigung eines Nebenangebotes sowie eines 3,5 %-igen
Nachlasses erteilt werden.
Die Antragstellerin rügte mit Schreiben vom 24.2.2005 den Ausschluss und forderte die
Erteilung des Zuschlages auf ihr eigenes Angebot. Eine Mischkalkulation liege nicht vor.
Die in den nachgefragten Leistungspositionen benannten Einheitspreise seien
vollständig und damit wahrhaftig. Die Auskömmlichkeit ihres Angebotes zeige sich
bereits darin, dass der Preis ihres Angebotes nur 7,01 % unter demjenigen der
Beigeladenen liege, unter Berücksichtigung deren Nebenangebotes betrage der Abstand
sogar weniger als 5 %.
Die Nebenangebote der Beigeladenen dürften nicht gewertet werden. Weder in der
Ausschreibung noch in den Verdingungsunterlagen seien Kriterien der Bewertung von
Nebenangeboten bekanntgegeben worden.
Die Antragstellerin hat in dem sodann eingeleiteten Nachprüfungsverfahren die Ansicht
vertreten, Mutmaßungen der Auftraggeberin über das Vorliegen einer unzulässigen
Mischkalkulation allein auf Grund des Umstandes, dass einzelne Preise für vermeintlich
identische Leistungspositionen unterschiedlich hoch bepreist worden seien, seien von
ihr, der Antragstellerin, entkräftet worden. Mit dem Aufklärungsschreiben vom 7.10.2004
habe sie ihrer Aufklärungspflicht in vollem Umfang genügt. Es liege allein im
Verantwortungsbereich des Bieters, wie er seine Preise kalkuliere und zu welchen Preisen
er welche Arbeiten des Leistungsverzeichnisses anbiete. Soweit die Auftraggeberin bei
den angebotenen Einheitspreisen den Bieter offensichtlich auf die Einhaltung eines
"Mindest- oder Höchstpreisniveau" verpflichten wolle, hätten in den
Verdingungsunterlagen entsprechende Parameter angegeben werden müssen. Ein
Ausschluss ihres Angebotes könne auch nicht auf das "Allgemeine Rundschreiben
Straßenbau Nr. 25/2004" des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen
vom 25.11.2004 gestützt werden. Mit diesem im Nachgang zum Beschluß des BGH vom
18.05.2004 ( VergabeR 2004, 473 ) verfassten Schreiben würden die Vergabestellen im
Ergebnis zu zusätzlichen Prüfungen und Wertungen betreffend überhöhte bzw.
untersetzte Einheitspreise angehalten werden. Derartige Angebote sollten von der
Wertung ausgeschlossen werden. Verbleibende Zweifel nach den Aufklärungsgesprächen
sollten zu Lasten des Bieters gehen. Dieses Rundschreiben stelle rechtswidrige
Anforderungen und sei im Vergabeverfahren rechtlich unbeachtlich.
Die Antragstellerin hat vor der Vergabekammer eine Verpflichtung der Auftraggeberin
zur Neuwertung unter Einschluß ihres Angebotes begehrt.
Die Auftraggeberin ist diesem Antrag entgegengetreten.
Sie hat die Ansicht vertreten, das Angebot der Antragstellerin enthalte unvollständige
Preisangaben. Zwar sei bei formaler Betrachtung davon auszugehen, dass jede
Leistungsverzeichnisposition mit einem entsprechenden Preis versehen sei. Das
Angebot deutlich untersetzter Einheitspreise zeige, dass die Preisbildung der
Antragstellerin nicht alle Kosten- und Leistungsbestandteile berücksichtige, die für eine
ordnungsgemäße und vertragskonforme Ausführung der ausgeschriebenen Leistungen
erforderlich seien. Es müsse daher von versteckten Kostenverlagerungen auf andere
Positionen ausgegangen werden. Auf Grund der in den Kalkulationsunterlagen
festgestellten widersprüchlichen und objektiv nicht gerechtfertigten abweichenden
Leistungsansätzen bei den Herstellungskosten, der marktunüblichen
Materialkostenansätze und der willkürlichen Einbeziehung von "leistungsbezogenen
Gewinnen", Verkaufserlösen, Deponiegebühren und Gerätesubventionen sei von einer
Mischpreisbildung auszugehen. Auch liege eine unzulässige Änderung der
Verdingungsunterlagen vor. Leistungen würden abweichend von den technischen und
vertraglichen Anforderungen der Ausschreibung in nicht gleichwertiger Ausführung und
nur in eingeschränktem Umfange angeboten werden, z.B. bei der Position "vollständige
Verwertung abgetragenen und überschüssigen Boden" und bei dem geforderten
Einbaumaterial "Kiessand 0/32".
Weiter enthalte die von der Antragstellerin übergebene Kalkulation vielfach
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Weiter enthalte die von der Antragstellerin übergebene Kalkulation vielfach
Berechnungsfehler. Insgesamt seien 25 % der Einheitspreise fehlerhaft kalkuliert worden.
Daraus resultiere die Vermutung der Unzuverlässigkeit des Bieters für eine
ordnungsgemäße Leistungserbringung.
Mit Beschluss vom 12. Mai 2005 hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag der
Antragstellerin als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Begründung hat die Vergabekammer ausgeführt, das Angebot der Antragstellerin
sei gemäß §§ 25 Nr. 1 Abs. 1 b, 21 Nr. 1 Abs. 1 und § 24 Nr. 2 VOB/A auszuschließen
gewesen.
Die von der Auftraggeberin beanstandeten Einheitspreise rechtfertigten überwiegend
den Verdacht einer Mischkalkulation. Von einer solchen sei, selbst wenn bei allen
Positionen des Leistungsverzeichnisses nominell ein Preis angeboten werde, dann
auszugehen, wenn die Einheitspreise zu einzelnen Positionen im Angebot eines Bieters
im Verhältnis zur geforderten Leistung teilweise deutlich unter- und an anderer Stelle
überpreist und nicht nachvollziehbar seien. Es könne sich dabei um extrem niedrige
Einheitspreise im unteren Cent-Bereich, um nicht plausible Preisunterschiede bei
gleichen oder ähnlichen Leistungsanforderungen im Angebot des Bieters handeln, oder
um gegenüber den marktüblichen Preisen deutlich überhöhte oder untersetzte
Angebote für bestimmte Leistungen oder deutlich überhöhte oder untersetzte Angebote
im Vergleich der Angebote der Bieter in Bezug auf einzelne Leistungen. Der begründete
Verdacht einer Mischkalkulation erlege dem Bieter eine erhöhte Erläuterungs- und
Begründungspflicht auf. Auf Nachfrage der ausschreibenden Stelle müssten
Kalkulationsunterlagen einschließlich der Angebote befragter Nachunternehmer, der
Angebote für Sonderkonditionen der Vorlieferanten und gegebenenfalls interne
Umstände für besonders günstige Leistungserbringung vom Bieter im Rahmen seiner
Aufklärungspflicht zwecks Glaubhaftmachung der Argumente dargelegt werden. Daran
fehle es. Zwar seien Cent-Preise nicht generell als zwingender Ausschlussgrund
anzusehen. Derartige Angebote seien jedoch ein Indiz für verbotene Mischkalkulation,
weil jedenfalls im Baubereich nur in Ausnahmefällen überzeugend dargelegt werden
könne, dass eine geforderte Leistung unter Berücksichtigung des Einsatzes von
Menschen und Maschinen mit einem Einheitspreis von 0,01 oder 0,03 € kostengerecht
kalkuliert werden könne. Die Erklärungen der Antragstellerin hätten den angebotenen
Preis nicht als kostenorientiert rechtfertigen können.
Gegen diesen ihr am 18.5.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die am 1.6.2005 bei
Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Antragstellerin.
Die Antragstellerin meint, die Vergabekammer habe den Begriff der "Mischkalkulation"
verkannt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes liege eine Mischkalkulation
nur vor, wenn ein Bieter in seinem Angebot die von ihm tatsächlich für einzelne
Leistungspositionen geforderten Einheitspreise auf verschiedene Einheitspreise anderer
Leistungspositionen verteile und damit nicht die von ihm geforderten Preise im Sinne
von § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A an der dafür von der Vergabestelle vorgesehenen
Stelle des Leistungsverzeichnisses benenne. Der Grund für die schwerwiegende
Fehlinterpretation der BGH-Rechtsprechung liege in dem "Allgemeinen Rundschreiben
Straßenbau Nr. 25/2004", das in die Freiheit des Bieters bei seiner Preisgestaltung
eingreife. Von einem Bieter könne jedoch nicht verlangt werden, kostendeckende oder
kostenorientierte Einheitspreise anzubieten. Ein solches Verlangen laufe auf eine
Negation des Wettbewerbsprinzips hinaus. Die von der Vergabekammer postulierte
Kalkulation marktüblicher Einheitspreise verstoße gegen das Gleichbehandlungsgebot.
Der Vorwurf der Unzulässigkeit wegen Vorliegens von neun Kalkulationsfehlern bei
insgesamt 581 Einzelpositionen des Leistungsverzeichnisses sei rechtlich haltlos.
Die Antragstellerin beantragt,
der Antragsgegnerin aufzugeben, die Wertung der Angebote unter Einbeziehung des
Angebotes der Beschwerdeführerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates
zu wiederholen.
Die Auftraggeberin beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Die Beigeladene beantragt,
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die sofortige Beschwerde zurückzuweisen und der Antragstellerin die Kosten der
zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Beigeladenen aufzuerlegen.
Die Beigeladene schließt sich dem Vorbringen der Auftraggeberin an. Sie erachtet die
sich auf die vermeintlich vergaberechtswidrige Wertung der Nebenangebote der
Beigeladenen beziehende Rüge der Antragstellerin als verspätet.
II. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, §§ 116, 117 GWB.
Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Zu Unrecht ist der Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückgewiesen worden.
1. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig, soweit sich diese gegen den
Ausschluss ihres eigenen Angebotes wendet. Die Antragstellerin ist die günstigste
Bieterin, mit dem von ihr angebotenen Preis rangiert sie auf Platz 1 der Wertung. Sie
macht die Verletzung eigener Rechte wegen unzulässigen Angebotsausschlusses in
Stufe 1 bzw. Stufe 2 der Wertung geltend (§ 107 Abs. 2 GWB) und hat diese unverzüglich
gegenüber der Auftraggeberin gerügt (§ 107 Abs. 3 GWB).
Der Nachprüfungsantrag ist allerdings unzulässig, soweit die Antragstellerin sich gegen
die das Angebot der Beigeladenen betreffende Wertung unter Berücksichtigung von
Nebenangeboten wendet. Die Rüge der fehlenden Wertbarkeit von Nebenangeboten ist
verspätet, da bereits aus den Ausschreibungsunterlagen die fehlenden
Wertungskriterien ersichtlich waren. Erstmals mit Schreiben vom 24.2.2005 hat die
Antragstellerin das Fehlen von Mindestbedingungen für diese Wertung in der
Ausschreibung geltend gemacht.
2. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist begründet.
Sie ist zu Unrecht von der Auftraggeberin auf Stufe 1 der Wertung wegen
unvollständigen Angebotes ausgeschlossen worden (§§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit b, 21 Nr. 1
Abs. 1 und 2 VOB/A) (s. lit. a.).
Ein Ausschluss nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A scheidet ebenfalls aus, da die
Antragstellerin nicht eine objektiv gebotene Aufklärung verweigert hat (s. lit. b.).
Auch der auf Stufe 2 der Wertung erfolgte Ausschluss wegen Zweifel an der
Zuverlässigkeit der Antragstellerin (§ 25 Nr. 2 VOB/A) ist rechtswidrig (s. lit. c.).
a. Das Angebot der Antragstellerin hätte nicht auf Stufe 1 der Wertung wegen
unvollständiger Preisangabe ausgeschlossen werden dürfen.
Bei einem Angebotsverfahren hat der Bieter die Preise, die er für seine Leistungen
fordert, in jeder Position des Leistungsverzeichnisses vollständig und so anzugeben, wie
er sie tatsächlich für die betroffene Leistung beansprucht, § 6 Nr. 1 VOB/A. Das Angebot
der Antragstellerin erfüllt diese Voraussetzungen. Sie hat in jeder Position des
Leistungsverzeichnisses den von ihr tatsächlich geforderten Einheitspreis genannt.
Soweit sie dabei in einzelnen Positionen besonders niedrige Einheitspreise (z. B. in
Positionen 1.1.5.140, 1.1.5.150, 1.1.12.80) oder aber für vergleichbare Leistungen
höchst unterschiedliche Einheitspreise fordert (z. B. Positionen 1.1.7.290 und 1.3.7.150),
kann nicht auf eine unzulässige und zum Angebotsausschluss führende Mischkalkulation
geschlossen werden.
Eine Mischkalkulation liegt vor, wenn ein Bieter in einzelnen Positionen des
Leistungsverzeichnisses nicht den von ihm geforderten Preis vollständig benennt,
sondern die mit dieser Bauleistung zusammenhängenden Kosten aufteilt, in andere
Positionen einrechnet und somit auf Einheitspreise anderer Leistungspositionen verteilt.
Damit "versteckt" er im Sinne der BGH-Rechtsprechung die von ihm geforderten
Angaben zu den Preisen der ausgeschriebenen Leistungen in der Gesamtheit des
Angebotes (BGH, VergabeR, 2004, 473). Solche Angebote sind, weil sie sich für eine
transparente und alle Bieter gleichbehandelnde Vergabeentscheidung nicht eignen, von
der Wertung auszuschließen. Auf die Angemessenheit des Gesamtpreises der
angebotenen Leistung (§ 25 Nr. 3 VOB/A) kommt es dabei nicht mehr an.
So liegt der Fall hier nicht.
Die von der Antragstellerin angebotenen Einheitspreise werden vollständig und allein für
die jeweilige Leistungsposition verlangt. Dies steht fest auf Grund des
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die jeweilige Leistungsposition verlangt. Dies steht fest auf Grund des
Aufklärungsschreibens der Antragstellerin vom 07.10.2004.
Die Preisgestaltung der Antragstellerin in den einzelnen Positionen hat zunächst zu
berechtigten Zweifeln der Auftraggeberin an der Korrektheit und Vollständigkeit der
geforderten Preise geführt. Insbesondere ungewöhnlich niedrig bepreiste Angebote in
einzelnen Leistungsverzeichnispositionen begründen eine widerlegliche Vermutung für
eine Mischkalkulation. Sie widersprechen dem allgemeinen Erfahrungssatz, ein Bieter
kalkuliere auf dem hier einschlägigen Markt seinen Preis so, dass eine einwandfreie
Leistungsausführung einschließlich Gewährleistung und die Erzielung einer
Gewinnspanne möglich ist.
Folgerichtig hat die Auftraggeberin daher von der Antragstellerin die Erläuterung
einzelner Einheitspreise verlangt unter Darlegung der Kalkulationsansätze (§ 24 Nr. 1
Abs. 1 VOB/A).
Zur Widerlegung der Vermutung einer Mischkalkulation ist die Antragstellerin
verpflichtet; allein sie als Bieterin ist im Stande, die Gestaltung der Einheitspreise in den
einzelnen Positionen nachvollziehbar darzulegen.
Dieser Verpflichtung ist die Antragstellerin nachgekommen, allerdings nicht bereits mit
Schreiben vom 30.9.2004. Dieses Schreiben enthält Floskeln bzw. pauschale und damit
ungenügende Erklärungen. Dazu zählen unter anderem die Behauptungen, die
Antragstellerin verfüge über detaillierte Ortskenntnisse, sie kenne die Ressourcen und
Möglichkeiten für Bodenbeschaffung und -verwertung bestens.
Diese sich in Allgemeinplätzen ergehende "Aufklärung" ist unzureichend. Auch die
gleichzeitige Übersendung der Angebotskalkulation lieferte noch keine vollständig
nachvollziehbare Aufklärung für die seitens der Auftraggeberin gerügten
Ungereimtheiten.
Erst mit Schreiben vom 7.10.2004 ist es der Antragstellerin gelungen, den
Aufklärungsbedarf objektiv zu befriedigen.
Unterschiedliche Einheitspreise für dem Wortlaut des Leistungsverzeichnisses nach
gleiche Leistungen hat sie erläutert. So hat sie die unterschiedlichen Preise für die
mehrfach geforderte Position "Oberboden lösen, andecken, abtragen, verwerten,
zwischenlagern" erklärt mit unterschiedlichen Arbeiten, nämlich einmal im
Einschnittbereich, zum anderen an Dämmen. Bei diesen Arbeiten falle teilweise ein
Transportanteil an, teilweise nicht. Bei den geforderten Leistungen "Entwässerung" seien
die Arbeiten im Titel 1 und 3 nicht vergleichbar. Unter Titel 1.3. erfolge der Einbau der
Entwässerung im Einschnittbereich, im Titel 1.1. hingegen im Dammbereich. Die
unterschiedlichen Einheitspreise bei der Position "Wasser auf Vegetationsflächen"
beruhten darauf, dass in Position 1.1.630 (EP 0,01 €/m²) die eigene Wasserversorgung
der Antragstellerin (Brunnen) herangezogen werde, hingegen in Position 1.3.630 (EP
4,56 €/m²) ein Nachunternehmer tätig werde. Die unterschiedlichen Einheitspreise bei
der Position "Frostschutzschicht herstellen" lägen in den in unterschiedlichem Umfang
benötigten Zwischenlagerungen für das Material begründet.
Auch ungewöhnlich niedrige Einheitspreise hat die Antragstellerin erläutert.
So werde die Position "Boden für Suchgraben ausheben" (Position 1.1.2.50/60; 0,021
€/m³) in Eigenleistungen vorgenommen, die quasi Nebenleistungen darstellten, während
für die gleiche Leistung in Position 1.3.12.160 (13,38 €/m³) Nachunternehmerarbeiten
anfielen.
Soweit die Auftraggeberin meint, in der Erläuterung der letztgenannten Positionen zeige
sich deutlich, dass die Antragstellerin unvollständige Preise anbiete, diese gehe nämlich
vom Vorliegen nicht extra zu bepreisender, da nicht gesondert zu vergütender
Nebenleistungen im Sinne der DIN 18299 aus, kann ihr nicht gefolgt werden. Die
Auftraggeberin interpretiert den von der Antragstellerin im Schreiben vom 07.10.2004
verwendeten Begriff "Nebenleistungen" falsch. Die Antragstellerin hat die Leistungen der
Positionen 1.1.2.50/60 als zu vergütende Hauptleistung im Sinn von § 2 VOB/B
angesehen und einen wenn auch niedrigen Einheitspreis dafür verlangt. Mit der
Verwendung des Begriffes "Nebenleistung" wollte die Antragstellerin zum Ausdruck
bringen, sie betrachte diese als Eigenleistung kalkulierten Arbeiten "Boden für
Suchgraben ausheben" im Hinblick auf den selbst auszuführenden Erdbau als
nebensächlich im Sinne von "nicht besonders ins Gewicht fallend", so dass hierfür nur ein
geringfügiger Preis anfalle.
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Hinsichtlich dieser und noch weiterer, im Schreiben vom 7.10.2004 enthaltenen
Erklärungen ist eine hinreichende Erläuterung für die angesetzten Preise zu sehen. Der
Verdacht unvollständiger Preise wegen Kostenverlagerung in andere Positionen ist
ausgeräumt worden.
Der von der Auftraggeberin gezogene Schluss, die teils nicht kostendeckende und teils
nicht alle Kostenansätze berücksichtigende Kalkulation der Antragstellerin weise
zwingend auf eine Mischkalkulation, ist nicht haltbar.
Selbst wenn die Kalkulation rechnerische Mängel aufweisen und teilweise nicht alle
erforderlichen Leistungsbestandteile berücksichtigen sollte, kann dies im vorliegenden
Falle allenfalls zur Annahme von Spekulationspreisen führen. Diese rechtfertigen nicht
den Ausschluss der Antragstellerin auf Stufe 1 der Wertung wegen unvollständiger
Preisangabe. Das aus § 21 Nr. 1 Satz 3 VOB/A abgeleitete Erfordernis, alle geforderten
Erklärungen abzugeben und insbesondere jeden in der Leistungsbeschreibung
vorgesehenen Preis so wie gefordert vollständig mit dem Betrag anzugeben, der für die
betreffende Leistung beansprucht wird, dient nicht dem Zweck, unangemessen hohe
oder niedrige Angebote aus der Wertung auszuschließen. Vielmehr soll sichergestellt
werden, dass die Wirtschaftlichkeit des Angebotes im Vergleich zu anderen Angeboten
auf transparenter und alle Bieter gleichbehandelnder Grundlage festgestellt werden
kann. Dem dient das Verbot der Verlagerung von Preiselementen von einer Position in
eine andere (BGH, Beschluß vom 18.05.2004).
Mit dieser Entscheidung des BGH wird nicht der Kernbereich unternehmerischen,
wettbewerblichen Handelns bei der Angebotskalkulation berührt.
Einheitspreise unter Einstandspreis bleiben möglich, solange nur der Bieter erklärt, dies
sei der tatsächlich begehrte, vollständige Preis für diese Leistungsposition. Gründe für
Angebote unter Einstandspreis sind vergaberechtlich zulässig, z.B. bei Verzicht auf
Kostendeckung aus Gründen der Kapazitätsauslastung oder in der Absicht, sich einen
Marktzutritt zu verschaffen.
Auch Spekulationspreise sind nicht per se unzulässig; sie stellen keine unvollständigen
Preise dar.
Spekulationspreise liegen dann vor, wenn der im Leistungsverzeichnis eingetragene
Preis nicht ausreicht, den mit der einzelnen Leistung verbundenen Aufwand zu decken,
oder bei denen der Preis deutlich über dem Wert liegt, der am Markt üblicherweise für
eine Leistung der ausgeschriebenen Art erzielt werden kann. Erhofft sich ein Bieter
größere Mengen als ausgeschrieben, so setzt er in Erwartung von Nachtragsaufträgen
bei diesen Positionen einen hohen Preis an. Geht der Bieter davon aus, dass sich die
Menge der ausgeschriebenen Leistungen verringert, setzt er niedrigere Beträge an, weil
er dann die Mindermengen dem Bauherren vergüten müsste. Um bei hoch angesetzten
Preisen für erwartete Mehrmengen die Chance auf den Auftrag nicht zu verschlechtern,
reduziert er den Preis bei anderen Positionen, damit sein Angebot insgesamt das
günstigste bleibt (Stemmer, VergabeR 2004, 549).
Die Kalkulation der Preise ist Angelegenheit des Bieters. Angebote, die sich an einem
bestimmten Preisniveau bzw. an sog. Marktpreisen ausrichten, kann die Auftraggeberin
nicht verlangen. Nur wenn ein offenbares Missverhältnis zwischen dem Gesamtpreis des
Angebotes und der Leistung besteht, kommt ein Ausschluß des Angebotes nach § 25
Nr. 3 Abs. 2 VOB/A in Betracht, ohne dass es dabei auf einen Vergleich einzelner
Positionen des Leistungsverzeichnisses mit einem auskömmlichen Preis ankommt (OLG
Rostock, NZBau 2005, 172).
Es ist der Auftraggeberin zuzugeben, dass bei dieser Betrachtungsweise der
Rechtsprechung zur Mischkalkulation in der Praxis geringe Relevanz zukommt. Letztlich
läuft die Feststellung einer Mischkalkulation nämlich auf eine Prüfung der Gesinnung des
Bieters hinaus. Setzt dieser niedrige Einheitspreise im Leistungsverzeichnis an, weil er
Kostenbestandteile dieser Position in andere Positionen sozusagen ausgelagert hat, liegt
eine unzulässige Mischkalkulation vor. Richtet ein Bieter sein Angebot hingegen so aus,
dass er in einzelnen Positionen des Leistungsverzeichnisses äußerst niedrige
Einheitspreise verlangt, in anderen Positionen hingegen höhere und spekuliert er dabei
letztlich auf einen Gewinn durch Massenminderungen bzw. -mehrungen, so liegen
Spekulationspreise vor, die die Vollständigkeit des Preisangebotes unberührt lassen.
Im Regelfalle wird sich anhand objektiver Umstände nicht entscheiden lassen, welcher
dieser beiden Gesinnungen der Bieter jeweils unterlegen ist. Die Mischkalkulation wird
sich daher nicht feststellen lassen, außer der Bieter bekennt sich dazu.
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b. Der Ausschluß der Antragstellerin nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A ist zu Unrecht erfolgt.
Die Antragstellerin hat eine objektiv gebotene Aufklärung nicht verweigert. Welche
Umstände die Antragstellerin zur Bemessung der von der Auftraggeberin bemängelten
Einheitspreise veranlasst haben, hat diese, wie oben ausgeführt, durch Schreiben vom
07.10.2004 hinreichend erläutert.
Der Vorwurf unvollständiger Aufklärung kann insbesondere nicht darauf gestützt werden,
dass die Kalkulation der Antragstellerin in einigen wenigen Positionen rechnerisch nicht
ganz plausibel und nicht kostendeckend ist.
Eine Kalkulation besteht aus einer Zusammenstellung von bestimmten preislichen und
leistungsmäßigen Annahmen. Die Annahmen unterscheiden sich bei den einzelnen
Unternehmen, dies zeigt bereits die unterschiedliche Höhe der jeweiligen Angebote.
Dem einzelnen Bieter ist es nicht verwehrt, aus Gründen des Wettbewerbes den Aufwand
in einer Leistungsposition kalkulatorisch niedriger anzusetzen, als er sich objektiv
darstellt. Die kalkulatorischen Ansätze in den einzelnen Positionen müssen sich auch
nicht an den tatsächlichen Gestehungskosten orientieren. Lediglich bei Angeboten mit
unangemessenem hohen oder niedrigem Gesamtpreis sind rechtliche Konsequenzen zu
ziehen (§ 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A).
Im Vergabeverfahren verbindliche rechtliche Vorgaben zu kostendeckenden
Kalkulationen existieren in der Bundesrepublik bislang nicht. Rechtliche Verbindlichkeit im
Vergabeverfahren kann insbesondere nicht das "Allgemeine Rundschreiben Straßenbau
Nr. 25/2004" des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
beanspruchen. Dieses Rundschreiben gibt im Nachgang zum Beschluss des BGH vom
18.5.2004 Empfehlungen, in welcher Weise Mischkalkulationen bei Angebotswertungen
festzustellen und zu behandeln sind.
In Ziffer 7 heißt es: "Ergeben die Erklärungen des Bieters und die Kalkulation eindeutig
und nachvollziehbar, dass die angebotenen Einheitspreise alle Kostenanteile vollständig
wiedergeben, das heißt, Mischkalkulation kann mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, ist das betreffende Angebot weiter zu prüfen
und zu werten.
Kann der Bieter nicht eindeutig nachweisen, dass die Angabe seiner Einheitspreise
vollständig und zutreffend ist, ist sein Angebot als unvollständig nach § 25 Nr. 1 Abs. b
VOB/A i. V. m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 3 VOB/A von der Wertung auszuschließen."
Diese Empfehlung, die eine zwingende Verknüpfung zwischen Mischkalkulation und
kostendeckender Preisgestaltung herstellt, steht mit der oben zitierten Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofes und derjenigen verschiedener Oberlandesgerichte (z.B. OLG
Dresden, VergabeR 2004, 507) nicht in Einklang. Die Frage, ob die angebotenen Preise in
den einzelnen Positionen hinter dem Kostenaufwand zurückbleiben, stellt kein Problem
der Vollständigkeit eines Angebotes, sondern seiner inhaltlichen "Wahrhaftigkeit" dar
(OLG Dresden, a.a.O).
Das in dem zitierten Rundschreiben zum Ausdruck kommende Ansinnen zielt nicht auf
die Verpflichtung des Bieters zur Angabe der vollständigen, sondern der richtigen, im
Sinne der vom Bieter intern rechnerisch korrekt kalkulierten Preise.
Bei Spekulationspreisen ist der Auftraggeber im Vergabeverfahren keineswegs rechtlos
gestellt.
Lässt sich eine Spekulationsabsicht des Bieters ausmachen, so kann dieser auf Stufe 2
der Wertung bei der Prüfung der Zuverlässigkeit des Bieters Relevanz zukommen. Auf
die Unzuverlässigkeit des Bieters kann z.B. geschlossen werden, wenn dieser die
Unrichtigkeit des vom Auftraggebers aufgestellten Leistungsverzeichnisses erkennt,
welches in einer Position weit überhöhte Mengenansätze enthält, auf diese Unwichtigkeit
nicht hinweist, sondern statt dessen durch aus dem Rahmen fallende niedrige
Einheitspreise eine günstige Stelle im Ausschreibungsverfahren zu erlangen sucht (OLG
Düsseldorf, BauR, 1994, 240).
Auf Stufe 3 der Wertung können Spekulationspreise die Angemessenheit des
Angebotsgesamtpreises gefährden.
Auf Stufe 4 der Wertung kann ein Ausschluss wegen fehlender Wirtschaftlichkeit in
Betracht kommen (KG, VergabeR 2004, 350). Danach muss der Auftraggeber, nachdem
Spekulationspreise festgestellt worden sind, durch eine Prognoseentscheidung ermitteln,
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Spekulationspreise festgestellt worden sind, durch eine Prognoseentscheidung ermitteln,
wie sich das mit der spekulativen Preisgestaltung verbundene Risiko auswirken kann, wie
hoch die Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieses Risikos ist, wie genau er also seine
Mengen bei der Ausschreibung kalkuliert hat und wie sich dann unter Berücksichtigung
dieser Umstände die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung darstellt.
Eine unvollständige Aufklärung der Antragstellerin kann schließlich nicht darin gesehen
werden, dass diese die Vorlage der Kalkulation der Nachunternehmer unterlassen hat.
Entgegen der Ansicht der Auftraggeberin kann die Vorlage dieser Kalkulation vom Bieter
nicht verlangt werden. Zwar ist die Antragstellerin im Rahmen der gebotenen Aufklärung
bei Verdacht des Vorliegens einer Mischkalkulation auch gehalten, zu den
Nachunternehmerangeboten vorzutragen. Kalkulationsgrundlage eines Bieters in einem
solchen Falle ist nämlich der vom Nachunternehmer angebotene Preis
(Kapellmann/Messerschmidt, VOB, Aufl. 2003, § 24 Rn. 12). Bei Wertung der Angebote
liegt jedoch im Regelfall eine vertragliche Bindung des Nachunternehmers noch gar nicht
vor, da der Bieter nicht weiß, ob er den Auftrag erlangen wird. Der Bieter ist daher
allenfalls im Besitz eines Angebotes des Nachunternehmers. Die Auftraggeberin kann
daher bei Nachunternehmerpreisen nur Auskunft über die Zusammensetzung
desselben unter Berücksichtigung eines etwaigen Generalunternehmer-Zuschlages
verlangen (Kapellmann/Messerschmidt, a. a. O.), nicht aber die Kalkulation vorlegen.
c. Ein Ausschluss wegen unzulässiger Änderungen an den Verdingungsunterlagen (§§ 25
Nr. 1 Abs. 1 lit b, 21 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A) kommt nicht in Betracht.
aa. Nach Ansicht der Auftraggeberin ist eine solche Änderung darin zu sehen, dass sich
aus den Kalkulationsunterlagen eine abweichende Ausführung der geforderten Leistung
ergibt (Positionen 1.1.5.80, 1.1.5.85, 1.1.12.70, 1.1.13.70, 1.1.5.140). Danach solle der
überschüssige Boden entgegen den Ausschreibungsunterlagen nicht komplett
verwertet, sondern teilweise auf eine Deponie verbracht werden. Dies stelle eine
Beseitigung, jedoch nicht die geforderte Verwertung dar.
Damit verkennt die Auftraggeberin, dass für die Erfüllung der Voraussetzungen der oben
zitierten Vorschriften allein das Angebot der Bieterin maßgeblich ist. Unter den
bezeichneten Positionen im Leistungsverzeichnis bietet die Antragstellerin die von der
Auftraggeberin geforderte "Verwertung" des Bodens an.
Zudem unterliegt die Auftraggeberin bei der Auswertung der Kalkulationsunterlagen
einem Irrtum. Dort findet sich ein Leistungsposten, den die Antragstellerin mit "Depo"
bezeichnet hat. Daraus hat die Auftraggeberin geschlossen, es handele sich um
Gebühren für Deponieabnahmen, das Material solle also entsorgt und nicht verwertet
werden.
Nach Erklärung der Antragstellerin bezieht sich die Abkürzung "Depo" auf Kosten für die
Deponierung des Bodens, der nach ihrer Erfahrung nicht sofort weiterverkauft werden
kann.
Unter Depo-Kosten sind also Zwischenlagerungskosten und nicht etwa
Entsorgungskosten zu verstehen.
bb. Weiter meint die Auftraggeberin, hinsichtlich der Positionen 1.1.8.10 und 1.3.8.10
liege eine Änderung der Verdingungsunterlagen vor, da die Antragstellerin sich in ihrem
Angebot zum Einbau der geforderten Kies-Sand-Tragschicht mit Körnung 0/32
verpflichtet habe, aber in ihren Kalkulationsunterlagen in diesen Positionen
"grobkörnigen Boden" berücksichtige.
Maßgeblich ist auch hier allein das Angebot der Antragstellerin laut Leistungsverzeichnis.
Nur die dort angebotenen Leistungen werden im Falle des Zuschlags
Vertragsbestandteil.
cc. Gleiches gilt, soweit die Auftraggeberin anführt, in den Positionen 1.1.8.110, 1.3.8.60
und 1.1.8.120 habe die Antragstellerin ihre Kalkulation hinsichtlich Materialpreis auf die
Monate Oktober/November 2005 begrenzt. Dies führe zu einem befristeten
Ausführungszeitraum entgegen den Ausschreibungsunterlagen.
Das Angebot der Antragstellerin laut Leistungsverzeichnis enthält keinerlei zeitliche
Befristungen, dies allein ist maßgeblich.
c. Ein Ausschluss der Antragstellerin auf Stufe 2 der Wertung wegen Zweifel an ihrer
Zuverlässigkeit (§ 25 Nr. 2 VOB/A) ist nicht rechtmäßig.
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Zuverlässigkeit (§ 25 Nr. 2 VOB/A) ist nicht rechtmäßig.
Nach Ansicht der Auftraggeberin stellt die Antragstellerin auf Grund ihrer spekulativen
Preiskalkulation, insbesondere der unvollständigen Erfassung aller für die Ausführung der
geforderten Leistung notwendigen Leistungsbestandteile in der Kalkulation die für eine
ordnungsgemäße und vertragskonforme Bauausführung notwendige Zuverlässigkeit in
Frage.
Wie bereits oben ausgeführt, sind Spekulationspreise nicht per se geeignet, den Bieter
wegen Unzuverlässigkeit auszuschließen. Nur wenn besondere Umstände
hinzukommen, etwa der Bieter missbräuchlich Fehler im Leistungsverzeichnis des
Auftraggebers ausnutzt, um sich günstig zu positionieren und daher sehenden Auges
dem Auftraggeber Schaden zufügt, kommt ein Ausschluss wegen Unzuverlässigkeit in
Betracht.
bb. Die im vorliegenden Falle festgestellten Kalkulationsfehler der Antragstellerin
rechtfertigen nicht deren Ausschluss wegen Unzuverlässigkeit.
Diese hat Kalkulationsfehler in sechs Fällen selbst eingeräumt mit Schreiben vom 30.9.
und 7.10.2004. Weitere von der Auftraggeberin gefundene Rechenfehler in drei Fällen hat
sie zugestanden. Bei diesen neuen Kalkulationsfehlern bei insgesamt 581
Einzelpositionen handelt es sich offensichtlich nicht um vorsätzliche Fehler. Die
Antragstellerin hat sich darüber hinaus teilweise zu ihren Ungunsten verrechnet, jedoch
erklärt, die angebotenen Leistungen ohne Einschränkungen ausführen zu wollen.
Im Ergebnis hat die Auftraggeberin eine Neuwertung der Angebote der Antragstellerin
und der Beigeladenen, einschließlich deren Nebenangeboten vorzunehmen und über
den Zuschlag zu entscheiden.
III. Die Kostenentscheidung beruht für das Beschwerdeverfahren auf § 91 Abs. 1 ZPO
analog, für das Verfahren vor der Vergabekammer auf §§ 128 Abs. 3, 4 GWB, 80
BbgVwVfg.
Eine Erstattung der Kosten der Beigeladenen scheidet aus. Eine Erstattungspflicht lässt
sich dem Gesetz nicht entnehmen; insbesondere ergibt sich eine solche nicht aus § 162
Abs. 3 VwGO analog. Es erscheint nicht unbillig, dass die Beigeladene, die nicht die
obsiegende Antragstellerin, sondern die unterliegende Auftraggeberin unterstützt hat,
ihre Kosten selbst trägt.
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