Urteil des OLG Brandenburg vom 11.03.2009
OLG Brandenburg: versuch, treu und glauben, kollision, mitverschulden, ermittlungsverfahren, klettern, aktivlegitimation, wand, teilklage, haftpflichtversicherer
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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 82/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 11. März 2009 verkündete Grundurteil der 3.
Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Cottbus, Az.: 3 O 234/07, wird
zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe
von 110 % des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn
nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger macht im Wege der Teilklage u.a. Schadensersatz- und
Schmerzensgeldansprüche aus einem Kletterunfall geltend, der sich am 2. April 2005
am Kletterfelsen in der … Straße in G… ereignet hat.
Der Beklagte kletterte an diesem Tage gegen 16:30 Uhr über die Route Nr. 5 „H…“ und
wurde dabei durch den Kläger mittels des statischen Sicherungsgerätes GRIGRI
gesichert. In Höhe der achten Zwischensicherung stürzte der Beklagte bei dem Versuch,
das Seil in die achte Zwischensicherung einzuklinken, ab und fiel bis kurz über dem
Erdboden. Infolge des Sturzes wurde der Kläger hochgezogen und gegen den
herabstürzenden Beklagten geschleudert, wobei der Beklagte mit der rechten Seite
seines Thorax gegen den Kopf des Klägers aufschlug. Durch den Zusammenprall zog
sich der Kläger eine Querschnittslähmung in Form einer kompletten spastischen
Paraplegie, eine Fraktur der Brustwirbelknochen fünf und sechs, eine
Gehirnerschütterung, ein traumatisches Hirnödem, eine Schädeldachfraktur, eine
Schädelbasisfraktur sowie weitere Verletzungen zu. Die Parteien streiten darüber, ob der
Beklagte dadurch, dass er unstreitig das Seil zuvor nicht in die siebente
Zwischensicherung eingehängt hatte, den Unfall kausal verursacht hat, sowie über ein
dem Kläger zuzurechnendes Mitverschulden.
Der Beklagte hat die Aktivlegitimation des Klägers bestritten, soweit Ansprüche geltend
gemacht werden, auf die Leistungen von Sozialversicherungsträgern erbracht worden
seien. Darüber hinaus hat der Beklagte hilfsweise eine konkludente Einwilligung des
Klägers unter dem Gesichtspunkt der Haftungsgemeinschaft zwischen den Parteien
eingewandt.
Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Grundurteil den geltend gemachten
Anspruch des Klägers für dem Grunde nach gerechtfertigt erklärt. Der Kläger habe
gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz sämtlicher materieller und
immaterieller Schäden aus dem Kletterunfall aus § 823 Abs. 1 BGB und aus § 823 Abs. 2
BGB i.V.m. § 229 StGB. Der Beklagte habe, indem er die siebente Zwischensicherung
ausgelassen habe, eine für jeden Kletterer bestehende Sorgfaltspflichtverletzung in
grober Weise außer Acht gelassen und dabei fahrlässig gehandelt. Es entspreche der
erforderlichen Sorgfalt, jede Zwischensicherung zu nutzen. Dabei handele es sich um
eine elementare Grundregel, die jedem Kletterer bekannt sein müsse. Diese Ansicht
werde nicht nur von dem gerichtlichen Sachverständigen, sondern auch von dem im
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werde nicht nur von dem gerichtlichen Sachverständigen, sondern auch von dem im
Ermittlungsverfahren hinzugezogenen Sachverständigen S… gestützt. Aus dem
Umstand, dass die Nutzungsordnung des Kletterfelsens in G… nicht ausdrücklich das
Auslassen von Zwischensicherungen verbiete, folge nichts anderes. Aus der Regelung
ergebe sich, dass auch am Kletterfelsen in G… die aus der Natur der Sache folgenden
Sorgfaltspflichten einzuhalten seien, also jede Zwischensicherung zu nutzen sei. Die
Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten sei auch kausal für den Unfall und die
Querschnittslähmung des Klägers geworden. Nach der Darstellung des
Sachverständigen St… hätte das Einhängen der siebenten Zwischensicherung den
Unfall verhindert. Nur durch die Außerachtlassung der Sorgfaltspflicht sei im Hinblick auf
das entstandene größere Sturzpotential ein Fall bis auf den Kläger hinab möglich
gewesen. Dass der Kläger dadurch eine Querschnittslähmung erleiden konnte, liege
nicht außerhalb der Lebenserfahrung.
Ein Mitverschulden des Klägers bestehe nicht. Der Beklagte habe die von ihm
aufgestellten Behauptungen, die ein Mitverschulden des Klägers begründen könnten,
nicht zu beweisen vermocht, nämlich, dass der Kläger selbst unaufmerksam gewesen
sei und das Sicherungsgerät GRIGRI blockiert habe. Durch das
Sachverständigengutachten sei das Gegenteil bewiesen. Der Sachverständige sei sich
sicher gewesen, dass der Kläger das GRIGRI richtig gehandhabt habe. Der
Sachverständige habe den Unterschied in der statischen und dynamischen
Dehnfähigkeit des Seils berücksichtigt und das streitgegenständliche Seil untersucht.
Unter Berücksichtigung dieser Faktoren gebe es drei Indizien, die auf eine korrekte
Bedienung des GRIGRI schließen ließen. Wäre das GRIGRI außer Funktion gesetzt worden,
hätte der Fall des Beklagten nicht bei 1,50 m enden können, sondern der Beklagte wäre
auf den Boden aufgeschlagen. Sowohl der Umstand, dass der Beklagte nicht auf den
Boden aufgeschlagen sei, als auch, dass der Kläger am Seil zum Beklagten gezogen
worden sei und insbesondere der Beklagte im Seil gehangen habe, sprächen eindeutig
gegen die Annahme, der Kläger hätte das GRIGRI außer Funktion gesetzt. Das zweite zu
berücksichtigende Indiz sei der von dem Sachverständigen L… durchgeführte Versuch
mit einer Puppe. Auch dieser Versuch zeige, dass der Sturz wie tatsächlich geschehen
nur erklärbar sei, wenn das GRIGRI funktioniert habe. Dieser Schluss sei auch ohne
genaue Kenntnis der damaligen Körpergewichte gerechtfertigt. Drittes wesentliches Indiz
sei die konkrete Berechnung der Sturzhöhe, die der Sachverständige St…
vorgenommen habe. Das Gericht sei weiterhin der Überzeugung, dass das GRIGRI das
richtige Sicherungsgerät gewesen sei und aus seiner Verwendung keine
Sorgfaltspflichtverletzungen des Klägers erwachsen könne. Den Kläger habe auch nicht
die Sorgfaltspflicht getroffen, sich an einem Baum zusätzlich zu sichern. Der
Sachverständige habe die Behauptung des Beklagten, der Kläger habe zu viel Seil
gegeben, ebenfalls nicht bestätigt. Auch die Annahme, der Kläger hätte die
Sorgfaltspflicht gehabt, den Beklagten darauf aufmerksam zu machen, dass er die
Zwischensicherung sieben ausgelassen habe, entbehre sowohl in tatsächlicher als auch
rechtlicher Hinsicht jeglicher Grundlage. Der Beklagte habe nach eigener Darstellung die
Zwischensicherung nicht versehentlich, sondern bewusst außer Acht gelassen. Es sei
daher völlig lebensfremd anzunehmen, dass er auf einen Warnruf reagiert hätte. Zudem
sei nicht bewiesen, dass der Kläger das Auslassen der siebenten Zwischensicherung zu
einem Zeitpunkt bemerkt habe, zu dem ein Warnruf noch Sinn gemacht hätte. Der
Kläger habe die nicht genutzte siebente Zwischensicherung erst erkennen können, als
der Beklagte bereits darüber hinausgeklettert gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt hätte
ein Warnruf des Klägers die Gefahr für den Beklagten erhöht und nicht reduziert. Der
Kläger habe auch nicht gegen die Gewichtsregel verstoßen, nach der der Kletternde
max. 30 % schwerer sein solle als der Sichernde. Ein anderes Gewicht des Klägers als 69
kg sei nicht unter Beweis gestellt worden. Der Sachverständige habe in seltener
Deutlichkeit bestätigt, dass der Kletterunfall und die Querschnittslähmung des Klägers
allein und ausschließlich auf der eindeutigen Sorgfaltspflichtverletzung des Beklagten
beruhten.
Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge sowie der vom Landgericht getroffenen
Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Mit der Berufung macht der Beklagte sowohl Verfahrensfehler als auch Fehler bei der
Rechtsanwendung und der Tatsachenfeststellung geltend. Das angefochtene Urteil
beruhe auf Verstößen gegen verfahrensrechtliche Normen. Feststellungen des
Landgerichts zur Zulässigkeit des Grundurteils im Falle einer Teilklage fehlten. Ein
Grundurteil dürfe nur ergehen, wenn trotz Ausfalls einzelner Forderungen eine Forderung
in Höhe des insgesamt geltend gemachten Teilbetrages für möglich erachtet werde. Der
Haftpflichtversicherer des Beklagten habe ohne eine Leistungsbestimmung insgesamt
201.000,00 € an den Kläger zur späteren beliebigen Verrechnung gezahlt, so dass
bereits aus diesem Grunde nicht festgestellt werden könne, dass der mit der Teilklage
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bereits aus diesem Grunde nicht festgestellt werden könne, dass der mit der Teilklage
verfolgte Betrag bei einer vollen Haftung des Beklagten dem Grunde nach dem Kläger
zustehen würde. Das Bestreiten der Aktivlegitimation werde aufrechterhalten,
substanziiertes Vorbringen des Klägers hierzu fehle. Im Hinblick darauf hätte ein
Grundurteil ebenfalls nicht ergeben dürfen. Ebenso hätten Feststellungen dazu getroffen
werden müssen, ob die Voraussetzungen für eine zusätzliche Rentenzahlung neben
einem Kapitalbetrag auf das Schmerzensgeld gegeben seien. Das Gleiche gelte für die
Frage, ob vermeintliche Ansprüche wegen vermehrter Bedürfnisse des Klägers in
kapitalisierter Form oder nur in Rentenform zuzusprechen seien. Schließlich hätte der
Einzelrichter entsprechend dem Hilfsantrag in der Klageerwiderung die Begrenzung auf
die Deckungssumme des Haftpflichtversicherers aufnehmen müssen.
Es bleibe bestritten, dass sich das Auslassen der siebenten Zwischensicherung kausal
ausgewirkt habe und darin gleichzeitig ein Verschulden des Beklagten liege. Der
Einzelrichter habe die Frage der Notwendigkeit eines medizinischen
Sachverständigengutachtens und der Einholung eines neuen Gutachtens nicht geprüft,
worin ein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs liege. Der
Haftpflichtversicherer des Beklagten habe ein weiteres Gutachten zur Kausalitätsfrage
eingeholt. Diese Überprüfung durch einen Privatgutachter habe ergeben, dass die
Ausführungen des Sachverständigen St… relevante Fehler enthielten, auf denen die
angefochtene Entscheidung beruhe. So habe der Sachverständige St… anders als in
den Entscheidungsgründen des Urteils angegeben das streitgegenständliche Seil zu
keinem Zeitpunkt untersucht. Die Ausführungen des Sachverständigen St… beruhten
auf falschen Voraussetzungen, indem er im Rahmen der mündlichen Erläuterung des
Gutachtens von einer notwendigen Längendifferenz von 16,20 m ausgegangen sei, um
den Weg vom Boden bis zur Sicherung Nr. 6 und wieder zurück zu beschreiben, während
er bei der weiteren Berechnung von einer Seillänge von 12 Metern und einer Dehnung
auf eine Länge von 13,20 m ausgegangen sei. Dies sei mit der Aussage des Zeugen
R…, wonach sich der Anseilpunkt beim Beklagten in einem Meter Höhe befunden haben
solle, nicht in Einklang zu bringen. Die Ausführungen des Sachverständigen, das
Sicherungsgerät sei vom Kläger nicht fehlerhaft benutzt worden, beruhten ersichtlich auf
einem Denkfehler. Aus der These, wonach bei richtiger Bedienung des GRIGRI der
Beklagte bis zu einer Höhe von 1,30 m oder einer geringeren Höhe gestürzt wäre, lasse
sich nicht zwingend folgern, dass die Höhe nicht doch durch einen unzulässigen
Seildurchlauf unterschritten worden sei. Eine solche Schlussfolgerung stelle einen
Verstoß gegen Denkgesetze dar. Der Kläger müsse jedoch die Alternativursache einer
fehlerhaften Bedienung ausräumen, um den Kausalitätsnachweis zu führen. In diesem
Zusammenhang bestehende Zweifel gingen daher zu seinen Lasten. Entscheidend für
die Kollisionsgeschwindigkeit und die Frage, welche Parameter diese beeinflusst hätten,
sei das Verhalten des Klägers. Nach den Berechnungen des Privatgutachters sei
tatsächlich von einer Schlappseillänge von insgesamt 1,75 m auszugehen. Daraus folge,
dass es der Kläger zu einem freien Seildurchlauf von ca. 1,50 m Länge habe kommen
lassen. Dadurch habe sich die Kollisionsgeschwindigkeit auf 43 m/h erhöht, was die
Schwere der beim Kläger eingetretenen Verletzungen erkläre. Bei der angemessenen
Schlappseillänge von ca. 0,25 m wäre es mit einer Kollisionsgeschwindigkeit von ca. 12
km/h nicht zu den eingetretenen Verletzungen gekommen. Das Auslassen der
siebenten Zwischensicherung habe sich daher im Hinblick auf die schwerwiegenden
Verletzungsfolgen und die eingetretene Querschnittslähmung nicht kausal ausgewirkt.
Ein unfallkausales Verschulden des Beklagten bleibe bestritten. Die Nutzungsordnung
zum Kletterfelsen G… sehe lediglich vor, bei "Toprope" und Zwischensicherung
ausschließlich die vorhandenen Ringe bzw. Umlenkhaken zu benutzen. Die konkrete
Nutzungsordnung schreibe daher gerade nicht vor, zur Sicherung alle Haken und
Umlenkeinrichtungen zu benutzen. Damit habe sich das Landgericht nicht
auseinandergesetzt. Gerade der Umstand, dass von der Benutzungsordnung des DAV
abgewichen worden sei, spreche gegen ein Verschulden des Beklagten. Gehe man von
leichter Fahrlässigkeit aus, wäre die Frage der konkludenten Einwilligung des Klägers zu
einem Haftungsausschluss zu prüfen, womit sich das Landgericht ebenso wenig
auseinandergesetzt habe.
Der Einwand eines überwiegenden Mitverschuldens des Klägers werde aufrechterhalten.
Neben der Ausgabe eines Schlappseils von 1,75 m Länge sei ein Mitverschulden auch
deshalb begründet, weil der Kläger als Sichernder eine falsche Position gewählt habe.
Der Kläger habe sich in eine Position begeben, die ursächlich für den Aufprall des
Beklagten gewesen sei. Der klettertechnische Kardinalfehler des Klägers habe darin
bestanden, dass er sich als Sicherer seitlich von der Zwischensicherung weg über die
Falllinie des Beklagten hinaus auf die gegenüberliegende Seite der Falllinie bewegt habe
und so einen ausgeprägten seitlichen Sturzzug und das Hineingrätschen des
abstürzenden Beklagten in das Sicherungsseil verursacht habe. Hätte er sich in
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abstürzenden Beklagten in das Sicherungsseil verursacht habe. Hätte er sich in
korrekter Weise leicht rechts von der ersten Zwischensicherung aufgehalten, wäre es
nicht zu der Verletzung durch den Zusammenprall gekommen. Der Kläger habe selbst
angegeben, mit dem Bereinigen von Seilkringeln beschäftigt und dadurch abgelenkt
gewesen zu sein. Im Übrigen wiederholt der Beklagte sein Vorbringen, wonach der Kläger
das Sicherungsgerät falsch benutzt habe und der Unfall bei einem Warnruf wegen des
Auslassens der siebenten Zwischensicherung vermieden worden wäre. In diesem
Zusammenhang liege entgegen der Annahme des Landgerichts aufgrund der zwischen
den Parteien bestehenden Haftungsgemeinschaft und gegenseitigen Abhängigkeit die
Annahme nahe, dass er auf einen entsprechenden Warnhinweis diesem zur Absicherung
des Sicherungssystems nachgekommen wäre. Im Übrigen sei zu diesem Gesichtspunkt
nur der Kläger, nicht aber der Beklagte gehört worden. Bei Anwendung der HMS-
Sicherung hätten die schwerwiegenden Unfallfolgen und die Querschnittslähmung
verhindert werden können. Der Kläger müsse sich ein Mitverschulden anrechnen lassen,
weil er die Fußpunktsicherung am Kletterfelsen nicht genutzt habe. Insoweit seien der
Sachverhalt nicht weiter aufgeklärt und die angebotenen Beweismittel nicht erhoben
worden.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das am 11.03.2009 verkündete Grundurteil des Landgerichts Cottbus, Az.: 3 O
234/07, einschließlich des ihm zugrunde liegenden Verfahrens aufzuheben und die
Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht
zurückzuverweisen,
hilfsweise
unter Abänderung des vorbezeichneten Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen sowie
den Rechtsstreit zur Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des
Schadensersatzes an das Landgericht zurückzuverweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Er sei als unmittelbares Unfallopfer für sämtliche
Ansprüche aktivlegitimiert. Die Aktivlegitimation sei vom Beklagten zu widerlegen,
unsub-stanziiertes Bestreiten reiche jedenfalls nicht aus. Das Eintreten einer
gesetzlichen Unfallversicherung scheide mangels Vorliegens eines Arbeitsunfalls aus, so
dass ein Regress gegen den Beklagten nicht zu erwarten sei. Im Übrigen seien evtl.
Leistungen Dritter aufgrund des Quotenvorrechts auf den nicht eingeklagten
Forderungsteil zu verrechnen. Die gutachterliche Stellungnahme des Dr. F… sei nicht
mehr zu berücksichtigen, weil dem Beklagten eine ausreichend lange Frist zur Stellung
weiterer Ergänzungsfragen gewährt worden sei. Die Ausführungen des Dr. F… seien auch
fachlich nicht überzeugend. Er gehe fälschlich davon aus, dass lediglich 25 cm
Schlappseil erlaubt gewesen seien. Tatsächlich könne das Schlappseil bis 1,50 m
betragen. Der Kläger habe zudem angegeben, die 25 cm Seil zusätzlich zu den normal
anzunehmenden 0,8 m zum Einhängen des Seiles ausgegeben zu haben. Ihn habe
insoweit die Pflicht getroffen, dem Vorsteiger rechtzeitig ausreichend Seil zum
Einhängen zur Verfügung zu stellen. Tatsächlich habe das ausgegebene Schlappseil ca.
1,20 m betragen, was völlig akzeptabel gewesen sei. Die Ausführungen zur etwaigen
Erhöhung der Kollisionsgeschwindigkeit seien fehlerhaft, weil weitaus weniger Kräfte
erforderlich seien, um eine Querschnittslähmung zu verursachen. Im Übrigen hätten alle
Gutachter bestätigt, dass das Sicherungsgerät richtig bedient worden sei. Ein
Durchlaufen des Seils während des Bremsvorganges sei nicht möglich. Die
Ausführungen des Landgerichts hierzu seien ausführlich und nachvollziehbar. Der
Sachverständige habe darauf hingewiesen, dass die korrekte Bedienung des
Sicherungsgerätes dem Beklagten das Leben gerettet habe, weil es anderenfalls mit
Sicherheit zum Bodensturz des Beklagten gekommen wäre. Unzutreffend sei auch die
Behauptung, er habe eine falsche Position gewählt. Tatsächlich habe er den Standplatz
ständig nach der Position des Beklagten gewählt, indem er beim Einstieg links von
diesem gestanden habe. Er habe seinen Standpunkt stets sorgfältig gewählt und
korrigiert; im Übrigen habe der Sachverständige ausgeführt, dass aufgrund der starken
Mitreißkräfte ein Standplatz rechts oder links von der Falllinie eine Kollision nicht habe
verhindern können. Soweit er während des Aufstieges des Beklagten das Seil durch
leichtes Schütteln entkringelt habe, habe dies nicht zu einer Unaufmerksamkeit
hinsichtlich des Vorsteigers geführt, zudem habe sich das Seil zu dem Zeitpunkt, als der
Beklagte in den oberen Regionen geklettert sei, wieder entkringelt. Der Beklagte habe im
Strafprozess immer wieder darauf hingewiesen, dass das Auslassen der siebenten
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Strafprozess immer wieder darauf hingewiesen, dass das Auslassen der siebenten
Zwischensicherung erfolgt sei, um Kraft zu sparen. Das Landgericht sei daher zutreffend
davon ausgegangen, dass der Beklagte durch einen Warnruf eher abgelenkt worden
wäre.
Der Senat hat über die Behauptungen des Beklagten, der Kläger habe es am
Sicherungsgerät zu einem Seildurchlauf von 1,50 Metern kommen lassen und sich bei
der Sicherung sorgfaltswidrig (und unfallursächlich) in der Falllinie aufgehalten, Beweis
erhoben durch Einholung eines ergänzenden schriftlichen, mündlich erläuterten
Gutachtens des Sachverständigen St…. Hinsichtlich des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 29. Oktober 2010 sowie die
protokollierte Erläuterung des Sachverständigen im Termin zur mündlichen Verhandlung
vor dem Senat vom 17. März 2011 Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
1.
Der Erlass eines Grundurteils über die erhobene Teilklage ist zulässig. Selbst wenn sich
im Nachverfahren einzelne Schadenspositionen bereits dem Grunde nach als
unberechtigt erweisen sollten, ist zu erwarten, dass dem Kläger im Nachverfahren
jedenfalls ein Teil des geltend gemachten Schadens zuerkannt wird. Dies ist für die
Zulässigkeit eines Grundurteils ausreichend (vgl. BGH NJW 1993, 1779, 1782), was auch
insoweit gilt, als der Beklagte unter Hinweis auf mögliche Leistungen von
Sozialversicherungsträgern die Aktivlegitimation des Klägers bestritten hat. Zwar ist
Voraussetzung für die Zulässigkeit des Grundurteils, dass sämtliche zum Grund
gehörenden Fragen erledigt werden und die Bejahung des Anspruchs nicht offen bleibt
(Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Aufl. § 304 Rn. 6 m.w.N.). Dabei ist aber ausreichend, dass
auch bei Abzug einzelner Schadenspositionen, hinsichtlich derer der Kläger
möglicherweise nicht anspruchsberechtigt ist, noch ein Betrag in einer bestimmten Höhe
verbleiben wird. Erfasst ein Forderungsübergang, der zum Fehlen der Sachbefugnis führt,
nur einen Teil der Klageforderung, bezieht sich der Einwand teilweise fehlender
Aktivlegitimation der Sache nach ebenfalls auf die Höhe der Klageforderung und kann
deshalb im Betragsverfahren geklärt werden (vgl. BGH VersR 1967, 1002, 1003;
Musielak, ZPO, 7. Aufl., § 304 Rn. 18; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 304 Rn.
7). Es genügt, dass auch bei Berücksichtigung des Forderungsüberganges zulasten des
Klägers noch eine Forderung zu seinen Gunsten verbleibt, was hier der Fall ist.
Auch die weiteren Einwendungen des Beklagten gegen die Zulässigkeit des Grundurteils
greifen nicht durch. Die Frage, ob hinsichtlich des Schmerzensgeldes die
Voraussetzungen für eine Schmerzensgeldrente gegeben sind oder ob die
Voraussetzungen des § 843 Abs. 3 BGB vorliegen, betrifft den Anspruch der Höhe nach
und kann somit dem Betragsverfahren überlasen bleiben (vgl. Zöller/Vollkommer a.a.O.,
§ 304 Rn. 15). Unerheblich ist auch der Einwand, das Landgericht hätte im Grundurteil
entsprechend dem Hilfsantrag die Begrenzung auf die Deckungssumme von 1 Mio. Euro
aufnehmen müssen. Eine Rechtsgrundlage für eine derartige Beschränkung des
Urteilstenors ist nicht ersichtlich, weil der Haftpflichtversicherer des Beklagten an dem
vorliegenden Rechtsstreit nicht beteiligt ist und ein Direktanspruch gegen diesen nicht
besteht. Die Frage, inwieweit im Innenverhältnis zwischen dem Beklagten und seinem
Haftpflichtversicherer der Deckungsanspruch aus dem Versicherungsverhältnis der Höhe
summenmäßig beschränkt ist, ist für das hier streitgegenständliche Verhältnis zwischen
dem Kläger und dem Beklagten ohne Belang.
2.
Wie das Landgericht zutreffend festgestellt hat, stehen dem Kläger gegen den Beklagten
dem Grunde nach Ansprüche aus § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit
§ 229 StGB zu, denn der Beklagte hat durch Auslassen der siebenten
Zwischensicherung am Kletterfelsen eine Pflichtverletzung begangen, die kausal für die
beim Kläger eingetretene Rechtsgutverletzung (Körperverletzung) und die damit
zusammenhängenden weiteren der Höhe nach streitigen Schäden des Klägers
geworden ist.
a) Durch die Nichtnutzung der siebenten Zwischensicherung hat der Beklagte in
gravierender Weise und schuldhaft gegen die beim Klettern bestehenden
Sorgfaltspflichten verstoßen (§ 276 Abs. 2 ZPO).
Wer im Rahmen einer individuellen Sportausübung geschützte Rechtsgüter anderer
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Wer im Rahmen einer individuellen Sportausübung geschützte Rechtsgüter anderer
Personen verletzt, haftet gem. § 823 BGB, wenn er dadurch eine Tätigkeit ausübt, durch
die andere in besonderer Weise gefährdet werden können, und er nicht die ihm
zumutbaren notwendigen Vorkehrungen zu deren Schutz getroffen hat (vgl.
Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., § 823 Rn. 215). Hier hat der Beklagte pflichtwidrig die
siebente Zwischensicherung nicht eingeklinkt. Darin liegt eine Pflichtverletzung, weil der
Beklagte notwendige Vorkehrungen sowohl zu seinem Schutz als auch zum Schutz des
Klägers nicht getroffen hat. Auch die im Ermittlungsverfahren hinzugezogenen
Sachverständigen S… und L… haben es als Verstoß gegen die Sorgfaltspflichten und
Kletterregeln angesehen, dass der Beklagte bei insgesamt drei Zwischensicherungen
das Seil nicht eingehängt hat und damit das Risiko einer größeren Fallhöhe bei einem
Sturz in Kauf genommen hat. Gerade bei der hier angewendeten Körpersicherung
bestand ein nicht unerhebliches Risiko, dass im Falle eines Sturzes nicht nur der
Beklagte, sondern auch der Kläger als Sichernder zu Schaden kommen könnte. Der
Sachverständige St… hat bei seiner Begutachtung in erster Instanz unter Bezugnahme
auf die Regeln Nr. 3.2 der Benutzerordnung des Deutschen Alpenvereins (DAV), wonach
zur Sicherung alle Haken und Umlenkeinrichtungen benutzt werden müssen, ausgeführt,
dass diese Regel vor allem für künstliche Kletteranlagen sehr wichtig sei, weil diese in der
Regel über eine geringe lichte Höhe verfügen, so dass alle Zwischensicherungen
eingehängt werden müssen, um das Risiko, auf den Boden oder auf andere Personen zu
stürzen, zu minimieren. Gegen diese Regel hat der Beklagte verstoßen, indem er die
siebente Zwischensicherung ausgelassen hat, wodurch sich auch gerade das hier
bestehende Risiko, dass bei einem Sturz andere Personen verletzt werden können,
verwirklicht hat. Ohne Erfolg beruft sich der Beklagte darauf, dass die Nutzerordnung
zum Kletterfelsen in G… das Benutzen sämtlicher Zwischensicherungen ausdrücklich
nicht vorsehe. Der Nutzerordnung ist nicht zu entnehmen, dass diese eine Ausnahme
von der Regel, wonach sämtliche Zwischensicherungen zu benutzen sind, enthält. Unter
Nr. 7. der Nutzerordnung heißt es: „Beim Klettern sind nachfolgende Verhaltensweisen
zwingend einzuhalten: (…) Bei Toprope- und Zwischensicherung sowie zum Abseilen
bzw. Ablassen sind ausschließlich die vorhandenen Regel- bzw. Umlenkhaken zu
benutzen. Der Wortlaut („sind ausschließlich zu benutzen“) lässt keinen Raum für eine
Interpretation dahingehend, dass es zulässig wäre, nicht alle Zwischensicherungen bzw.
Umlenkhaken zu benutzen. Dies erscheint auch insoweit fern liegend, als der
Kletterfelsen unstreitig von der Sektion G… des Deutschen Alpenvereins betrieben wird
und es schon nicht nachvollziehbar ist, warum die Benutzungsordnung des DAV für
einen von ihm selbst betriebenen künstlichen Kletterfelsen nicht oder nur eingeschränkt
gelten sollte.
b) Auf einen konkludenten Haftungsausschluss oder eine Haftungsbeschränkung unter
dem Gesichtspunkt einer gemeinsamen Haftungsgemeinschaft kann sich der Beklagte
im vorliegenden Fall nicht mit Erfolg berufen. Die Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofes zu einem stillschweigenden Haftungsausschluss bei
Sportveranstaltungen ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Danach ist bei
sportlichen Wettbewerben mit nicht unerheblichem Gefahrenpotential, bei denen
typischerweise auch bei Einhaltung der Wettbewerbsregeln oder geringfügiger
Regelverletzung die Gefahr gegenseitiger Schadenszufügungen besteht, die
Inanspruchnahme des schädigenden Wettbewerbers für solche Schäden eines
Mitbewerbers ausgeschlossen, die er ohne gewichtige Regelverletzung im Sinne grober
Fahrlässigkeit verursacht (vgl. BGH NJW 2003, 2018 m.w.N.). Danach verstößt es gegen
Treu und Glauben, wenn der Geschädigte den beklagten Schädiger in Anspruch nimmt,
obwohl er ebenso gut in die Lage hätte kommen können, in der sich nun der Beklagte
befindet (vgl. BGH VersR 1975, 137; BGH NJW 2003 a.a.O.). Diese ursprünglich für
sportliche Wettkämpfe entwickelten Grundsätze werden von der obergerichtlichen
Rechtsprechung für den Fall, dass kein oder kein gewichtiger Regelverstoß begangen
wurde bzw. kein grob fahrlässiges Verhalten des Schädigers feststellbar ist, auch
außerhalb des Bereichs sportlicher Kampfspiele angewandt, etwa beim Motorradsport
oder bei organisierten Radtouristikfahrten (vgl. Senat, Urt. v. 28.06.2007 - 12 U 209/06,
NJW-RR 2008, 340; OLG Stuttgart NJW-RR 2007, 1251). Dies gilt jedoch nur, soweit für die
eintretenden Schäden kein Versicherungsschutz besteht (vgl. BGH NJW 2008, 1591). Da
im Streitfall die vom Kläger geltend gemachten Schäden in den Deckungsbereich der
Haftpflichtversicherung des Beklagten fallen und somit Versicherungsschutz besteht,
kommt die Annahme eines stillschweigenden Haftungsausschlusses bereits unter
diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht. Darüber hinaus fehlt es jedenfalls an einer
vergleichbaren Konkurrenzsituation, weil das hier durchgeführte Klettern vom
ausgeprägten Miteinander der beteiligten Sportler gekennzeichnet ist und somit der für
die Rechtsprechung zur Haftungsbeschränkung entscheidende Aspekt der gegenseitigen
Gefährdung im Rahmen der gegeneinander gerichteten oder parallel ausgeübten
sportlichen Betätigung fehlt. Das Risiko, bei dem gebotenen kämpferischen Einsatz den
Gegner zu verletzen oder selbst verletzt zu werden, verwirklicht sich nicht in gleicher
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Gegner zu verletzen oder selbst verletzt zu werden, verwirklicht sich nicht in gleicher
Weise bei einem im friedlichen Nebeneinander ausgeübten Individualsport. Darüber
hinaus bestand zwischen den beteiligten Sportlern eine strikte Aufgabenteilung, indem
sich der Kletternde auf das Klettern und die sportliche Leistung konzentrieren kann,
während der Sichernde ausschließlich die Aufgabe hat, diesen bei einem Sturz zu
sichern. Diese Sicherungsfunktion schließt eine Haftungsbefreiung aus (vgl. OLG
Karlsruhe VersR 2006, 228). Gerade weil im vorliegenden Fall die Sicherung des
Beklagten durch den Kläger über eine Körpersicherung erfolgte und somit beide Parteien
voneinander abhängig waren, bestanden auch für den Beklagten als Kletterer besondere
Sorgfaltspflichten nicht nur zu seiner eigenen Sicherheit, sondern auch zur Sicherheit
des mit ihm durch das Sicherungsseil verbundenen Sicherers, so dass es nicht
angemessen erscheint, einen der Beteiligten von der Haftung freizustellen. Da die dem
Beklagten gewählten Route Nr. 5 zudem unstreitig die einfachste Route am Felsen ist,
kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um eine besonders
waghalsige und gefährliche Unternehmung im schwierigen Gelände gehandelt hat.
c) Das Auslassen der siebenten Zwischensicherung ist auch kausal für die vom Kläger
erlittenen Verletzungen, insbesondere die Querschnittslähmung geworden. Durch das
Auslassen der Sicherung hat sich in adäquat-kausaler Weise das geschaffene Risiko
verwirklicht, dass es infolge des erhöhten Sturzpotentials zu einem Fallen bis in
Bodennähe kommt und die Person des Sichernden durch eine Kollision mit dem
Stürzenden erheblich verletzt wird.
Der für die Schadenszurechnung erforderliche Kausalzusammenhang ist dadurch
begründet, dass es - nach übereinstimmender Einschätzung aller mit der Sache
befassten Sachverständigen - zu einem Zusammenstoß des herabstürzenden
Beklagten mit dem Kläger gekommen ist, weil der Beklagte pflichtwidrig die siebente
Sicherung ausgelassen hat. Hätte er sich demgegenüber entsprechend den geltenden
Sorgfaltsanforderungen in diese Zwischensicherung eingeklinkt, wäre der Absturz
aufgrund des verminderten Sturzpotentials in deutlich größerer Höhe abgefangen
worden, eine Kollision wäre ausgeschlossen gewesen. Dies entspricht auch der
Bewertung des von Beklagtenseite hinzugezogenen Privatgutachters Dr. F…, der
ebenfalls - insoweit zutreffend - eingeschätzt hat, dass es nicht zu dem Unfall
gekommen wäre, wenn der Beklagte die siebente Zwischensicherung geklinkt hätte.
Die Argumentation der Berufung, das Landgericht habe gegen § 286 ZPO verstoßen,
"weil im Rahmen der Beweiswürdigung nicht vom Erfolg auf eine kausale
Sorgfaltspflichtverletzung geschlossen werden" könne, trifft nicht zu. Entsprechendes gilt
hinsichtlich der Annahme, der Kläger müsse die "Alternativursache einer fehlerhaften
Bedienung des Sicherungsgerätes GRIGRI" ausräumen: auch bei Berücksichtigung der
Behauptung des Beklagten, der Kläger habe durch eine Fehlbedienung einen
Seildurchlauf von 1,50 m verursacht, steht die Ursächlichkeit des pflichtwidrigen
Unterlassens für die eingetretene Rechtsgutsverletzung fest. Der bereits vom
Landgericht hinzugezogene Sachverständige St… hat in seinem Gutachten vom 4. Juni
2008 überzeugend ausgeführt, dass die Sturzhöhe des Beklagten beim Einhängen der
siebente Zwischensicherung so viel geringer gewesen wäre, dass eine Kollision
ausgeschlossen gewesen wäre. Auf die zwischen den Parteien und den Gutachtern St…
und Dr. F… umstrittenen Berechnungen der genauen Sturzmodalitäten kommt es
hierbei nicht an, weil bei eingehängter Zwischensicherung die Distanz der jeweiligen
Anseilpunkte des Beklagten und des Klägers jedenfalls so groß gewesen wäre, dass auch
der behauptete Seildurchlauf nicht zu einer Kollision geführt hätte. Eine Blockierung des
GRIGRI hätte demgegenüber zu einem ungebremsten Sturz auf den Boden geführt, den
es hier jedoch nicht gegeben hat. Die ursprüngliche Behauptung des Beklagten, der
Kläger habe das GRIGRI beim Zusammenprall losgelassen und (erst) dadurch eine
Blockierung bewirkt, ist mit dem festgestellten Unfallgeschehen nicht kompatibel und
wird vom Beklagten in zweiter Instanz auch nicht mehr angeführt. Angesichts der End-
Anseilpunkte muss die Bremswirkung vielmehr deutlich früher eingesetzt haben.
d) Den Kläger trifft kein Mitverschulden, das die dem Grunde nach berechtigten
Ansprüche des Beklagten ausschließen oder mindern würde (§ 254 Abs. 1 BGB).
aa) Die Wahl des Sicherungsgerätes und der Sicherungsmethode vermag eine
Mitverantwortung des Klägers nicht zu begründen. Das Sicherungsgerät GRIGRI wurde
nach der überzeugend dargestellten Einschätzung des Sachverständige St… für das
Sichern eines Vorsteigers an künstlichen Kletteranlagen entwickelt und ist für diesen
Zweck geeignet. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten ferner plausibel
ausgeführt, dass die Benutzung der Körpersicherung mittels des GRIGRI an einer
künstlichen Kletteranlage üblich und gegenüber der Fixpunktsicherung vorzuziehen sei.
In Anbetracht dessen, dass die Sicherung mittels des GRIGRI eine übliche
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In Anbetracht dessen, dass die Sicherung mittels des GRIGRI eine übliche
Sicherungsmethode ist und das Gerät im Handel frei erhältlich ist, braucht sich der
Kläger nicht darauf verweisen zu lassen, dass er im vorliegenden Fall eine Sicherung
mittels einer Halbmastwurfsicherung (HMS) hätte nutzen müssen, selbst wenn dadurch
die Verletzungen des Klägers verhindert oder minimiert worden wären, was nach dem
Ergebnis der Beweisaufnahme auch nicht feststeht. Entsprechendes gilt hinsichtlich der
Wahl der hier geeigneten Sicherungsart Körpersicherung, bei der auf eine Fixierung
verzichtet wird.
Ob bei Verwendung einer Halbmastwurfsicherung der Unfall vermieden oder dessen
Folgen vermindert worden wären, ist deshalb unerheblich.
bb) Das Unterbleiben eines Warnrufes wegen des Auslassens der Sicherung Nr. 7
rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme eines Mitverschuldens. Der Sachverständige
St… hat hierzu erstinstanzlich im Rahmen der Erläuterung des Gutachtens zutreffend
ausgeführt, dass ein Hinweis keinen Sinn mehr mache, wenn der Kletternde sich schon
im Bereich der nächsten Sicherung befinde. Dass der Kläger das Auslassen der
siebenten Zwischensicherung bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätte erkennen
können, so dass ein Warnruf noch Sinn gemacht hätte, ist nicht bewiesen.
cc) Dass der Kläger keinen Helm getragen hat, begründet ebenfalls keinen Verstoß
gegen bestehende Sorgfaltspflichten und deshalb auch kein Mitverschulden. Nach
übereinstimmender und überzeugender Einschätzung des Sachverständigen St… sowie
des im Ermittlungsverfahren hinzugezogenen Sachverständigen S… ist das Tragen eines
Helms beim Klettern und Sichern an künstlichen Kletteranlagen absolut unüblich und im
Hinblick auf das sehr geringe Unfallrisiko auch nicht fehlerhaft oder sorgfaltswidrig, weil
hier insbesondere ein Steinschlag nicht zu erwarten ist. Auch wenn man demgegenüber
einen Verstoß gegen Sorgfaltspflichten in eigenen Angelegenheiten annehmen würde,
wäre dieser jedenfalls gering und träte gegenüber der gravierenden Pflichtverletzung des
Beklagten vollständig zurück.
dd) Der Beklagte hat im Ergebnis der Unfallrekonstruktion und sachverständigen
Begutachtung ferner nicht zu beweisen vermocht, dass es der Kläger infolge einer
Fehlbedienung des Sicherungsgerätes GRIGRI zu einem Seildurchlauf von 1,50 m hat
kommen lassen und die Kollision dadurch mit verursacht hat.
(1) Die Beweisaufnahme hat konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Bedienung des
Sicherungsgerätes durch den Kläger nicht ergeben.
Der Zeuge C… hat seine Angaben bei der polizeilichen Vernehmung im
Ermittlungsverfahren, der Kläger habe zum Seilgeben "den Daumen auf dem GRIGRI"
gehabt, den Sturz aus Unaufmerksamkeit zunächst nicht bemerkt, das Seil sei plötzlich
schnell durchgelaufen und der Kläger habe geschockt das GRIGRI erst losgelassen, als
ihn die Ferse des Beklagten im Gesicht getroffen habe, nicht bestätigt. Vielmehr hat der
Zeuge bekundet, dass er an Einzelheiten keine konkrete Erinnerung habe und nicht
glaube, dass der Kläger das GRIGRI blockiert habe. Auch der Zeuge R… hat nichts
bekundet, was Anhaltspunkte für einen Fehler bei der Sicherung durch den Kläger geben
könnte, sondern ausgesagt, den Unfallhergang nicht mitbekommen zu haben.
Auch eine Unaufmerksamkeit des Klägers bei seiner Sicherung, die für eine hierdurch
bedingte Fehlbedienung des GRIGRI sprechen könnte, ist nicht bewiesen. Dass sich der
Kläger um das Kringeln des Seiles kümmern musste und den Zeugen G… gefragt hat,
wie ihm das Buch gefalle, in dem dieser gerade las, ist nicht als sorgfaltswidrig zu
werten, weil nicht feststeht, dass der Kläger hierdurch nennenswert abgelenkt war. Der
Zeuge G… hat bekundet, dass der Kläger "nur kurz nachgefragt" und nur "kurz den Kopf"
umgedreht habe und der Beklagte sich zu diesem Zeitpunkt erst in einer Höhe von drei
bis vier Metern befunden habe. Insoweit fehlt es auch an einer Schadensursächlichkeit,
weil nicht widerlegt ist, dass dies zu einem Zeitpunkt geschehen ist, als sich der
Beklagte noch etwa in mittlerer Höhe des Kletterfelsens befand. Die Angaben des
Klägers im Ermittlungsverfahren (Schreiben an die Staatsanwaltschaft Cottbus vom 22.
Mai 2005), wonach er wegen der Seilkontrolle "bloß für ein bis zwei Minuten" nicht in der
Lage gewesen sei nach oben zu schauen, beruhen unwiderleglich auf einem
Übertragungsfehler bei der Ausfertigung des zugrunde liegenden Diktats. Dass es sich
so zugetragen hat, ist nicht bewiesen, wobei es im Hinblick auf die Länge der gesamten
Klettertour von ca. fünf Minuten auch plausibel ist, dass Sekunden, nicht Minuten
gemeint waren ("bloß") und der Kläger ersichtlich nicht sagen wollte, dass er den
Beklagten für einen derart langen Zeitraum aus den Augen gelassen hat. Insoweit sind
auch die Ausführungen des Privatgutachters Dr. F… in seiner Stellungnahme vom 25.
Juni 2009, wonach ein "krasser" Obliegenheitsverstoß vorliege, substanzlos und
unzutreffend.
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Die im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren tätigen Sachverständigen S… und L…
haben ebenfalls keine Hinweise für einen Bedienungsfehler festgestellt, sondern einen
solchen verneint. Der Sachverständige St… hat erläutert, dass aufgrund der
Unfallgeometrie eine mangelhafte Benutzung des Sicherungsgerätes auszuschließen
sei.
(2) Im Ergebnis der vom Senat veranlassten erneuten Begutachtung durch den
Sachverständigen St… ist - auch unter Berücksichtung der Ausführungen des
Privatgutachters Dr. F… in seinen Stellungnahmen vom 25. Juni 2009, 28. Oktober 2009
und 27. Dezember 2010 - nicht bewiesen, dass es einen freien Seildurchlauf von 1,5 m
gegeben hat und dem Kläger ein Sorgfaltsverstoß bei der Sicherung unterlaufen ist.
(a) Die vom Sachverständige St… durchgeführte Unfallrekonstruktion am Kletterfelsen
hat ergeben, dass unter jedenfalls vergleichbaren Bedingungen wie im Schadensfall -
ohne eine übermäßige, auf fehlerhaftes Verhalten des Klägers hindeutende, zusätzliche
Menge an Seil bzw. Schlappseil - eine Endlage der Verunfallten festzustellen war, die den
diesbezüglichen erstinstanzlichen Feststellungen zum Unfallgeschehen annähernd
entspricht und somit zu einem Hergang bei fehlerfreiem Sicherungsverhalten
kompatibel ist. Die Endlage der Puppen bedurfte einer Korrektur, weil bedingt durch das
beim Unfall nicht aufgetretene Einfädeln des Sicherungsseils zwischen den Beinen der
Sturzpuppe die Sturzpuppe oberhalb der Sicherungspuppe zum Ruhen kam, was beim
Unfall umgekehrt war: Das Landgericht hat unangegriffen festgestellt, dass der Beklagte
mit seinem rechten Brustkorb auf den Kopf des Klägers gefallen sei und danach der
Kläger und der Beklagte im Seil hingen, wobei der Beklagte mit den Füßen den Boden
berührt habe und langsam umgefallen sei. Um den bewusstlosen Kläger vom Seil zu
befreien, habe man den Beklagten "auf seine Beine stellen" müssen, so dass der Kläger
etwas weiter nach unten gelangte und man das Sicherungsgerät am Kläger habe lösen
können. Bei der Unfallrekonstruktion wurde die Endlage der Puppen in Anlehnung an die
Unfallsituation entsprechend verändert, wobei sich sodann unter Berücksichtigung der
zwischenzeitlichen baulichen Veränderungen vor Ort (Kiesschicht von 14cm und
veränderte Position der 6. Zwischensicherung - 36cm weiter unten) bei stehender
Sturzpuppe eine Endlage der Sicherungspuppe von 1,45 m (Höhe des Gesäßes) bzw.
2,15 m (Höhe des Sicherungsgerätes GRIGRI) ergeben hat. Der Sachverständige hat die
Endlage in seinem Gutachten plausibel dahingehend gewertet, dass sich keine
Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es der Kläger beim Unfall zu einem Seildurchlauf am
Sicherungsgerät GRIGRI hat kommen lassen. Die weitere Rekonstruktion unter
Verwendung einer erhöhten Seilmenge entsprechend dem Beklagtenvorbringen von
zusätzlichen 1,5 m hat ergeben, dass die beiden Puppen flach auf dem Boden zum
Liegen kamen und unter Berücksichtigung der baulichen Veränderungen jedenfalls
zumindest mit dem Kopf und den Füßen den Boden berührten. Anhand gefertigter
Videobilder von dem rekonstruierten Sturzvorgang hat der Sachverständige St… eine
Kollisionsgeschwindigkeit von 38,8 km/h berechnet, die einem ungebremsten Sturz aus
einer Höhe von 5,92 m entspreche und mit der Schwere der Verletzungen in Einklang zu
bringen sei.
(b) Der Beklagte wendet - gestützt auf die Stellungnahme des Privatgutachters Dr. F…
vom 27. Dezember 2010 - ein, dass die Wertung des Sachverständigen St…, es habe
ausweislich der durchgeführten Versuche keinen Seildurchlauf am Sicherungsgerät
gegeben, keine technische Grundlage besitze, weil die Abweichungen der tatsächlichen
Randbedingungen nicht berücksichtigt worden seien. Die festgestellte Endlage des
"Kläger-Dummys" von 1,45 m (Gesäßhöhe) und 2,15 m (GRIGRI) sei deutlich
unterschiedlich zu den Angaben des Zeugen R…, der ausgesagt habe, der Kläger habe
sich etwa in Höhe des Z… befunden (Abweichung somit 0,65 m, Gesäß, bzw. 1 m,
GRIGRI). Darüber hinaus unterscheide sich die Versuchsdurchführung in weiteren
Punkten von dem realen Sturzvorgang: Der Beklagtendummy habe sich beim Versuch in
einer strömungsgünstigen Lage befunden, während der Beklagte sich tatsächlich in eine
nahezu horizontale Sturzlage gedreht habe. Der Dummy sei in einem freien Abstand zur
Wand senkrecht fallengelassen worden mit der Folge vollständiger Energieumsetzung in
die Fallgeschwindigkeit. Tatsächlich habe der Absturz jedoch mit einer Kippbewegung um
die Aufstandspunkte der Füße begonnen, so dass durch Energieumsetzung in eine
Rotationsbewegung und eine von der Wand wegweisende Komponente die wirkliche
Geschwindigkeit vermindert war. Weil beim Versuch das Sicherungsseil zwischen den
Beinen eingefädelt worden sei, sei die Bewegung des Kläger-Dummys durch den
Beklagten-Dummy nahezu vollständig blockiert worden, wobei sich der Verlust von
Reibungsenergie stark reduziert habe, so dass das Sicherungsseil im Versuch einer
größeren Dehnung unterworfen worden sei. Die beträchtlichen Unterschiede seien auch
durch den Versuch 2 (Zugrundelegung einer anderen, weiter rechts befindlichen
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durch den Versuch 2 (Zugrundelegung einer anderen, weiter rechts befindlichen
Sicherungsposition des Klägers) belegt, weil es hier nur eine schwache Berührung der
Puppen gegeben habe und es zu einem deutlich größeren Bodenabstand des Kläger-
Dummys gegenüber der Endlage im Versuch 1 (ca. 1,27 m) und einem verringerter
Bodenabstand des Beklagten-Dummys (ca. 0,4 m) gekommen sei. Daraus ergebe sich
eine um ca. 87 cm kürzere Seillänge als im Versuch 1. Auch die Berechnung der
Kollisionsgeschwindigkeit sei folglich unzutreffend. Bei der vom Sachverständigen St…
für die Geschwindigkeitsbestimmung berücksichtigten Position habe es sich noch nicht
um die Kollisionslage gehandelt, vielmehr fehlten noch 0,5 m, wobei hierdurch aufgrund
des Fangstoßes eine merklich geringere Kollisionsgeschwindigkeit vorgelegen habe.
(c) Diese Einwendungen vermögen die Grundaussage und das Gesamtergebnis der vom
Sachverständigen St… plausibel gewürdigten Unfallrekonstruktion nicht zu entkräften
und sind nicht geeignet, einen Fehler des Klägers bei der Sicherung zu beweisen.
(aa) Die bei dem Versuch festgestellten End-Anseilpunkte der Puppen sind kompatibel
zu dem festgestellten Unfallgeschehen, wonach das auf dem Bauch des Klägers
befestigte Sicherungsgerät erst gelöst werden konnte, als der Beklagte auf die Beine
gestellt wurde und sich die Höhe des Anseilpunktes des Klägers hierdurch so weit
verringerte, dass das GRIGRI erreichbar war. Nach plausibler Einschätzung des
Sachverständigen konnte das Sicherungsgerät in einer Höhe von ca. 2,15 Metern von
einem durchschnittlich großen Erwachsenen erreicht werden. Die Angaben des Zeugen
R… bei seiner Vernehmung vor dem Landgericht vermögen dies nicht zu widerlegen. Der
Zeuge war seinerzeit beteiligt daran, die Verunfallten aus der Sicherung zu befreien, und
hat nach seiner Erinnerung den Kläger an seinem GRIGRI abgelassen. Er hat bekundet,
er könne "heute nicht mehr genau sagen, in welcher Höhe sich dann der Kläger befand,
d.h. aus welcher Höhe wir ihn befreit haben." Auch als der Beklagte aufgerichtet war und
sich an die Wand lehnte, sei er "noch nicht unproblematisch an O…, d.h. an den Kläger"
herangekommen. Sodann hat der Zeuge auf Nachfragen erläutert, der Kläger habe sich
etwa in der Höhe des "Z…" (ein Meter) befunden. Als der angehörte Beklagte hierzu
angegeben hatte, nach seinem Aufrichten sei der Kläger in eine Höhe gekommen, "so
dass er bequem mit den Armen aufgefangen werden konnte", hat der Zeuge R…
ergänzend bekundet: "An die genaue Höhe, in der der Kläger nun hing, kann ich mich
nicht mehr erinnern." Der Aussage des Zeugen R… lassen sich konkrete Höhenangaben
nicht zuverlässig entnehmen. Auch der Verweis auf den "Z…", den die Beklagtenseite
anführt, belegt nicht hinreichend, dass sich der Kläger in der vom Privatgutachter Dr. F…
zugrunde gelegten Anseilposition von nur einem Meter befand. Der Zeuge hat vielmehr
mehrfach darauf hingewiesen, dass er sich an die Höhe nicht mehr genau erinnern
könne, was im Hinblick auf den Zeitablauf zwischen dem Unfallgeschehen im Jahre 2005
und der Zeugenvernehmung im Jahre 2009 nicht verwunderlich ist. Auch der Zeuge G…,
der die Höhe beider Verunfallten auf "ca. 1 m" geschätzt hat, hat keine zuverlässigen
Angaben über die genauen Höhen gemacht und konnte auch nicht angeben, ob der
Kläger oder der Beklagte höher hing.
(bb) Die auf das Privatgutachten Dr. F… gestützten Einwendungen hinsichtlich der
Unterschiedlichkeit der Rahmenbedingungen zwischen dem tatsächlichen Geschehen
und dem Versuchsablauf vermögen einen Fehler des Klägers bei der Sicherung nicht zu
beweisen. Dies gilt auch dann, wenn die theoretischen Berechnungen des
Sachverständigen St… nicht genau zutreffen und auch die in der Berufungsinstanz
durchgeführte Unfallrekonstruktion entgegen der gutachtlichen Einschätzung des
Sachverständigen keinen eindeutigen Beleg (und Gegenbeweis) dafür liefert, dass der
Kläger es zu keinem Seildurchlauf hat kommen lassen. Hierbei ist insbesondere zu
berücksichtigen, dass neben den im Gutachten Dr. F… benannten Umständen, die das
Versuchsergebnis zugunsten der Position des Beklagten beeinflussen können, auch
Abweichungen bei den Anknüpfungstatsachen in Betracht zu ziehen sind, die für den
Kläger sprechen würden: Dem Versuchsaufbau zugrunde gelegt ist zum einen eine
(geringe) Menge an Schlappseil (durchhängendes Sicherungsseil) von lediglich 0,25
Metern. Dies korrespondiert mit der - von Beklagtenseite bestrittenen - Angabe des
Klägers, er habe "nicht viel Seil geben müssen, sondern nur etwa 25 cm", weil der
Beklagte beim Klettern das Seil nicht über dem Kopf in die Sicherung eingehängt habe,
sondern jeweils so weit hoch geklettert sei, dass er mit dem Bauch vor dem
Sicherungspunkte gestanden habe. Abgesehen davon, dass die genaue Angabe zur
Menge des (Schlapp-)Seils notwendig nur eine Schätzung sein kann, ist nicht
auszuschließen, dass die tatsächliche Menge an Schlappseil - womöglich - deutlich
größer war, ohne dass dem Kläger allein hierdurch der Vorwurf einer
Sorgfaltspflichtverletzung zu machen wäre. Zwar trägt in erster Linie der Sichernde die
Verantwortung dafür, dass keine unnötige Menge an Schlappseil ausgegeben wird, was
im Streitfall allerdings nicht heißt, dass nur die angesetzten 25 cm angemessen und als
fehlerfrei anzusehen sind. So hat der Sachverständige Dr. St… in seinem Gutachten
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fehlerfrei anzusehen sind. So hat der Sachverständige Dr. St… in seinem Gutachten
vom 4. Juni 2008 beispielsweise einen Durchhang von 0,80 Meter zugrund gelegt.
Darüber hinaus kann es aber auch zu einer erhöhten Menge an Schlappseil kommen,
das nicht beim Sichernden, sondern beim vorsteigenden Kletterer anfällt, der beim
Versuch, das Seil in die Sicherung einzuhängen, unnötig Schlappseil erzeugt. Zwar hat
sich der Beklagte in Brusthöhe eingehängt, so dass auch entsprechend den Angaben
des Klägers nur wenig Schlappseil anfiel. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass er
unmittelbar vor dem Sturz noch einiges an Schlappseil erzeugt hat. Der
Unfallrekonstruktion ist darüber hinaus - ausgehend von der Standfläche in Höhe von
10,43 m - eine Ausgangshöhe (Anseilpunkt Beklagter) von 11,43 m zugrunde gelegt
worden. Dies entspricht den Messungen des Sachverständigen L… bei dessen
Unfallrekonstruktion. Auch diese Höhenangabe steht indes nicht zweifelsfrei fest. Der
Sachverständige S… hat hierzu bemerkt, dass bei einer Körpergröße von 1,70 m der
Anseilpunkt ca. 1 Meter über den Fußsohlen liege und 11,60 m betrage. Auch
diesbezüglich sind mithin jedenfalls Abweichungen denkbar, aufgrund derer sich die
Anknüpfungstatsachen zugunsten der Klägerseite ändern würden.
Sowohl die theoretischen Untersuchungen zu den Sturzfaktoren als auch die
Unfallrekonstruktionen der Sachverständigen L… und St… können das tatsächliche
Unfallgeschehen nur insoweit zutreffend und wirklichkeitsgetreu wiedergeben, als die
zugrunde gelegten Anknüpfungstatsachen zutreffen. Diese Anknüpfungstatsachen sind
jedenfalls hinsichtlich der nur ungenau durch Zeugenaussagen eingrenzbaren End-
Anseilpunkte sowie der genauen Menge vorhandenen (Schlapp-) Seils nicht genauer
bestimmbar, so dass notwendiger Weise Unklarheiten verbleiben und Abweichungen
systembedingt sind.
ee) Letztlich scheidet auch ein Mitverschulden bezüglich der Sicherungsposition aus, die
der Kläger gewählt hat.
(1) Der Sachverständige St… hat als Ergebnis der Unfallrekonstruktion, bei der die
Sicherungspuppe leicht rechts der ersten Zwischensicherung positioniert wurde,
eingeschätzt, dass die Verletzungsfolgen vermutlich andere gewesen wären, wenn sich
der Kläger an einer anderen Stelle positioniert hätte, wobei die Folgen geringer aber
auch gravierender hätten sein können. Dem ist der Beklagte unter Verweis auf die
Stellungnahme des Dr. F… entgegen getreten: Der Versuch hätte bestätigt, dass im
Hinblick auf die nicht annähernd vergleichbare Kollision eine Verletzung des Klägers
vermieden worden wäre, wenn dieser sich nicht in eine fehlerhafte Sicherungsposition
begeben hätte, in der er einen gekreuzten Verlauf des Sicherungsseils und der
erkennbaren Falllinie des Beklagten herbeiführte.
(2) Es kann offen bleiben, ob ein Standort des Klägers weiter rechts von dem ersten
Sicherungshaken eine Kollision mit dem stürzenden Beklagten verhindert oder doch so
deutlich abgemildert hätte, dass es jedenfalls zu so schwerwiegenden Verletzungen
nicht gekommen wäre, was zwischen den Parteien streitig ist und von den
Sachverständigen St… und Dr. F… unterschiedlich beurteilt wird. Unabhängig davon ist
ein Verstoß des Klägers gegen bestehende Sorgfaltspflichten nicht festzustellen. Der
Sachverständige St… hat in seinem Gutachten vom 29. Oktober 2010 sowie bei der
Erläuterung des Gutachtens im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat
überzeugend ausgeführt, dass für den Kläger die Wahl eines geeigneten Standortes im
Sicherungsbereich, bei dem die Kollisionsfolgen gemildert worden wären, "komplex,
schwierig oder gar unmöglich" war: Diese erforderte Abschätzungen über die Größe des
Sturzpotentials, die Höhe des Kletternden sowie dessen potentielle Sturzlage. Der
Sachverständige hat plausibel eingeschätzt, dass schon die nachträgliche Beurteilung
des Standortes schwierig und zwischen den Sachverständigen umstritten sei, eine
Abschätzung selbst für ihn, den Gutachter, als Sichernden ohne Vorwissen dagegen
nicht möglich sei. Bei dieser Sachlage kann dem Kläger nicht zum Vorwurf gemacht
werden, dass er sich - wie sich später herausstellte - beim Sichern in dem Fallraum
befunden hat. Dass er hierbei die klettertechnischen Regeln verletzt habe, wie der
Beklagte unter Verweis auf die Einschätzung von Dr. F… geltend macht, weil ein
gekreuzter Verlauf des Sicherungsseils und der erkennbaren Falllinie vorlag, trifft nicht
zu. Der Sachverständige St… hat hierzu überzeugend ausgeführt, dass es eine
Empfehlung des Deutschen Alpenvereins (DAV) gebe, wonach sich der Sichernde nach
Möglichkeit etwa einen Meter von der Wand und rund einen Meter seitlich der ersten
geclippten Expressschlinge zu positionieren habe. Diesem Standort für die Sicherung
"seitlich unterhalb des Vorsteigers" und "nahe der Wand" kommt gemäß den
überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen St… allerdings in erster Linie im
Bereich der unteren drei Expressschlingen Bedeutung zu, in Höhe derer wegen des
geringen Bodenabstandes ein Sturz in Bodennähe zu besorgen ist. Je höher der
Vorsteiger klettert, desto weniger bedeutsam ist dieser Gesichtspunkt bei der Wahl des
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Vorsteiger klettert, desto weniger bedeutsam ist dieser Gesichtspunkt bei der Wahl des
Standortes. Ein Kontakt in Bodennähe kann dann nur bei seltenen gravierenden Fehlern
auftreten, wie hier durch Auslassen einer Zwischensicherung. Ein Verstoß gegen diese
Empfehlung des DAV ist dem Kläger mithin nicht anzulasten. Nach Bemerken des grob
sorgfaltswidrigen Auslassens der siebenten Zwischensicherung durch den Beklagten war
aufgrund der Höhe, die der Beklagte bereits erreicht hatte, eine zuverlässige
Einschätzung über den konkreten Fallraum nicht möglich, wie der Sachverständige St…
überzeugend erläutert hat. Damit ist dem Kläger jedenfalls im Hinblick auf die
gravierende Pflichtverletzung des Beklagten kein anspruchsmindernder Vorwurf eines
Mitverschuldens zu machen, weil er - wie sich nachträglich herausgestellt hat - keine
Sicherungsposition außerhalb des Sturzraums innehatte.
Der Sachverständige St…, der für die zu begutachtende Fragestellung ein
ausgesprochener Spezialist ist und nach seinen Angaben in der mündlichen
Verhandlung vor dem Senat Hunderte von Stürzen erlebt und als Sichernder
aufgefangen hat sowie entsprechend seiner Ausbildung auch die technisch-
physikalischen Gegebenheiten gut zu beurteilen vermag, hat seine Ausführungen
überzeugend dargestellt und mündlich plausibel erörtert. Für die Einholung eines neuen
Gutachtens besteht keine Veranlassung (§ 412 Abs. 1 ZPO).
III.
Der Rechtsstreit ist hinsichtlich der Höhe des dem Kläger zustehenden
Schadensersatzes vor dem Landgericht Cottbus fortzusetzen, was der Kläger der Sache
nach auch beantragt hat (§ 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO). Auch wenn der Gesetzestext die
Fortführung eines Verfahrens durch das Ausgangsgericht nach Zurückweisung eines
Rechtsmittels gegen ein Zwischen- bzw. Grundurteil als Zurückweisung bezeichnet,
handelt es sich um keine echte Zurückverweisung, weil der Rechtsstreit auch während
des Rechtsmittelverfahrens bei dem Vordergericht anhängig bleibt und entsprechend §
304 Abs. 2 ZPO neben diesem Verfahren fortgeführt werden kann (vgl. BGH, Beschl. v.
29. April 2004 - V ZB 46/03, in Juris). Ein ausdrücklicher Zurückverweisungsausspruch im
Tenor des die Berufung gegen ein Grundurteil zurückweisenden Erkenntnisses des
Berufungsgerichtes ist deshalb untunlich, jedenfalls aber entbehrlich (vgl. Zöller/Heßler,
ZPO 28. Aufl. § 538 Rdnr. 51 m.w.N.), so dass der Senat eine ausdrückliche
Zurückverweisung nicht gesondert tenoriert hat.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Da es sich nicht um einen Fall der
Zurückverweisung handelt, ist die Entscheidung über die Kosten der Berufung nicht dem
Schlussurteil über das Betragsverfahren vorzubehalten, sondern sogleich bei
Zurückweisung des Rechtsmittels zu treffen (vgl. BGH, Beschl. v. v. 29. April 2004, aaO.).
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 Sätze 1 und
2 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 872.394,91 € festgesetzt, § 47 Abs. 1
Satz 1 GKG.
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