Urteil des OLG Brandenburg vom 05.07.2007

OLG Brandenburg: unterbringung, gesetzliche frist, stationäre behandlung, chronifizierung, heilbehandlung, genehmigung, gefahr, zustand, klinik, ausführung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
11. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 Wx 42/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1846 BGB, § 1908i Abs 1 S 1
BGB, § 1906 Abs 1 Nr 2 BGB, §
22 FGG, § 27 FGG
Betreuungsrecht: Voraussetzungen der Einweisung einer
betreuten Person zur Heilbehandlung in ein Krankenhaus durch
den Betreuer oder das Vormundschaftsgericht;
Entscheidungskompetenz des Gerichts im Eilverfahren zur
Unterbringung
Tenor
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Betreuten werden der Beschluss des
Landgerichts Potsdam vom 05. Juli 2007 und des Amtsgerichts Potsdam vom 29. Juni
2007 aufgehoben.
Der Antrag auf Unterbringung der Betroffenen zum Zwecke der medizinischen
Heilbehandlung in einer geschlossenen Einrichtung wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Betroffene befindet sich seit dem 12. Februar 2007 zur Behandlung in der Klinik ….
Mit Beschluss vom 03. März wurde die Betreuerin im Wege der einstweiligen Anordnung
mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, Aufenthaltsbestimmung, Geltendmachung
von Ansprüchen gegenüber Sozialleistungsträgern und Wohnungsangelegenheiten
bestellt. Nach einer Stabilisierung der gesundheitlichen Situation der Betroffenen wurden
die Aufgabenkreise eingeschränkt auf die Bereiche Gesundheitssorge, Geltendmachung
von Ansprüchen gegenüber Sozialleistungsträgern, Vertretung vor Ämtern und
Behörden sowie Wohnungsangelegenheiten. Die sofortige Wirksamkeit dieses
Beschlusses vom 30. Mai 2007 wurde angeordnet.
Die Betreuerin beantragte mit Schreiben vom 28. Juni 2007 die Genehmigung der
Unterbringung gem. § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB, weil sich der Zustand der Betroffenen
verschlechtert habe. Die Unterbringung wurde von den behandelnden Ärzten (Attest
vom 28. Juni 2007; Bl. 45 d. A.) für notwendig gehalten.
Durch Beschluss vom 29. Juni 2007 wurde die Unterbringung der Betroffenen in einer
geschlossenen Einrichtung bis zu sechs Wochen (10. August 2007) genehmigt. Im Falle
der Nichtbehandlung bestehe die Gefahr einer Chronifizierung des Krankheitsbildes, da
eine Behandlungs- und Medikamentencompliance nicht gegeben sei.
Gegen diesen dem Verfahrenspfleger am 29. Juni 2007 zugestellten Beschluss hat
dieser für die Betroffene am 03. Juli 2007 (Eingang) sofortige Beschwerde eingelegt. Zur
Begründung hat er ausgeführt: Es sei zweifelhaft, ob eine Chronifizierung des
Krankheitsbildes drohe. Die Unterbringung sei auch bei dem festgestellten Krankheitsbild
nicht verhältnismäßig.
Das Landgericht hat nach Anhörung unter anderem der behandelnden Psychologin und
des Oberarztes die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Die Unterbringung sei zur
Durchführung einer Heilbehandlung erforderlich. Nach der ärztlichen Stellungnahme des
Oberarztes Dr. T. bestehe noch immer keine hinreichende Krankheitseinsicht und
Behandlungscompliance, wie der unzureichende Medikamentenspiegel belege; hieraus
sei zu schließen, dass die Betroffene die Medikamente nicht in der verordneten Menge
einnehme. Im Falle der Entlassung bestehe die Gefahr der Chronifizierung der Krankheit.
Letztlich scheide eine Alternative zur geschlossenen Unterbringung aus; dies werde
belegt durch die Tatsache, dass die Behandlungsneigung der Betroffenen seit dem
Erlass des Unterbringungsbeschlusses stabiler geworden sei.
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Gegen diesen Beschluss, der dem Verfahrenspfleger am 06. Juli 2007 zugestellt worden
ist, richtet sich die weitere sofortige Beschwerde der Betroffenen, beim Landgericht
eingegangen am 19. Juli 2007. Nach Weiterleitung der Akten (Verfügung des
Landgerichts: 30. Juli 2007) liegen diese dem Senat seit dem 02. August 2007 zur
Entscheidung vor.
Mit der weiteren sofortigen Beschwerde macht der Verfahrenspfleger geltend: Da sich
die Betroffene bereits seit dem 12. Februar 2007 in teilstationärer bzw. stationärer
Behandlung in der Klinik befinde, könne das Problem der regelmäßigen
Medikamenteneinnahme nicht auf eine stationäre Unterbringung reduziert werden.
II.
Die weitere sofortige Beschwerde ist statthaft und zulässig; insbesondere ist die
gesetzliche Frist und Form gewahrt (§§ 22, 27, 29 FGG). Das Rechtsmittel führt zur
Aufhebung der angefochtenen Beschlüsse und Ablehnung des Antrags auf
Genehmigung der Unterbringung.
Zutreffend führt das Landgericht zwar die Voraussetzungen der Unterbringung zur
Heilbehandlung (§ 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB) auf und kommt rechtsfehlerfrei zu dem
Schluss, dass die Betroffene behandlungsbedürftig ist und die Notwendigkeit einer
Behandlung krankheitsbedingt nicht erkennen kann. Keinen Bedenken begegnet weiter
die Auffassung des Landgerichts, dass die Gefahr der Chronifizierung des Krankheitsbilds
grundsätzlich eine Unterbringung rechtfertigen kann (vgl. OLG Schleswig FGPrax 2005,
136). Dies gilt hier insbesondere vor dem Hintergrund, dass insbesondere die
Behandlung einer Ersterkrankung nach dem ärztlichen Zeugnis des Oberarztes Dr. T. zu
einer vollständigen Heilung führen kann.
Eine Unterbringung zum Wohle des Betroffenen ist allerdings nur dann zulässig, wenn die
Maßnahme erfolgversprechend ist. In diesem Zusammenhang sind hinreichende
tatsächliche Feststellungen des Landgerichts nicht in ausreichendem Umfang erfolgt.
Wie die Rechtsbeschwerde mit Recht aufführt, befindet sich die Betroffene bereits seit
dem 12. Februar 2007 in teil- bzw. vollstationärer Behandlung. Zum Zeitpunkt der
Beantragung der Unterbringung waren also bereits mehr als vier Monate vergangen,
ohne dass sich der Zustand der Betroffenen gebessert hätte. Vor diesem Hintergrund
hätte es näherer Ausführung darüber bedurft, warum eine - durch
Unterbringungsgenehmigung erzwungene - weitere stationäre Behandlung, anders als
zuvor, eine geeignete Maßnahme zur Heilung der Betroffenen darstellt.
Auf diesen Gesichtspunkt kommt es jedoch nicht entscheidend an. Denn es fehlt an
einer weiteren Voraussetzung für die Genehmigung der Unterbringung. Auch im Rahmen
einer einstweiligen Anordnung gem. § 70h FGG ordnet das Gericht die Unterbringung
nicht an, sondern genehmigt eine dahin gehende Unterbringungsentscheidung des
Betreuers. Dem Betreuer müssen im Rahmen des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB mindestens
die Aufgabenkreise „Aufenthaltsbestimmungsrecht„ und „Gesundheitsfürsorge„
übertragen sein, damit er eine Unterbringungsentscheidung treffen kann (vgl.
Staudinger/Bienwald § 1906 RN 107; Palandt/Diederichsen § 1906 RN 7). Nachdem das
Amtsgericht die Aufgabenkreise durch Beschluss vom 30. Mai 2007 so beschränkt hat,
das gerade der Aufgabenkreis „Aufenthalts-bestimmungsrecht„ nicht mehr von dem
Betreuungsbeschluss umfasst war, konnte das Amtsgericht die Unterbringung nicht
genehmigen, ohne wenigstens gleichzeitig den Aufgabenkreis der Betreuerin wieder zu
erweitern.
Zwar kann das Vormundschaftsgericht ausnahmsweise gem. §§ 1908 i Abs. 1 S. 1, 1846
BGB Maßnahmen der Unterbringung auch ohne vorherige Bestellung eines Betreuers
anordnen, wenn die Betreuerbestellung alsbald - innerhalb weniger Tage - nachgeholt
wird (vgl. BGH FamRZ 2002, 744). Dass solches geschehen wäre - oder auch nur
beabsichtigt war - ist den Akten indes nicht zu entnehmen.
Da die Unterbringungsentscheidung des Amtsgerichts sich aus den genannten formellen
Gründen demgemäß als rechtswidrig darstellt, ist sie auf die Rechtsbeschwerde hin
aufzuheben, wobei sich die Aufhebung aus Gründen der Klarheit auch auf die
Beschwerdeentscheidung erstreckt.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
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