Urteil des OLG Brandenburg vom 20.01.2011

OLG Brandenburg: wichtiger grund, unterbringung, freiwillige gerichtsbarkeit, örtliche zuständigkeit, anhörung, abgabe, genehmigung, bezirk, rechtshilfeersuchen, eltern

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 AR 3/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Tenor
Zuständig ist das Amtsgericht Neuruppin - Familiengericht.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1) und zu 2) sind die Eltern des am ….08.1997 geborenen Kindes R…
T…. Die Familie lebt in Oranienburg.
Durch Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg vom 20.01.2011 wurde die vorläufige
Unterbringung des Kindes in einer geschlossenen Einrichtung der Kinder- und
Jugendpsychiatrie bis zum 03.03.2011 familiengerichtlich genehmigt. Die Maßnahme
erfolgte ohne vorherige Anhörung des Jugendlichen. Seit dem 20.02.2011 befindet sich
R… in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der … Kliniken. Unter dem 22.02.2011 wurden
die Akten dem Amtsgericht Neuruppin übersandt zwecks Anhörung des Jugendlichen im
Wege der Rechtshilfe. Dieses lehnte mit Beschluss vom 25.02.2011 das
Rechtshilfeersuchen ab. Durch Beschluss vom 01.03.2011 hat das Amtsgericht
Oranienburg sodann das Unterbringungsverfahren gemäß § 314 FamFG an das
Amtsgericht Neuruppin abgegeben, hilfsweise um Anhörung des Jugendlichen ersucht,
auch zu einer Verlängerung der Unterbringungsmaßnahme. Am 02.03.2011 beantragten
die Beteiligten zu 1) und zu 2) zu Protokoll des Amtsgerichts Oranienburg, die
Verlängerung der Unterbringung familiengerichtlich zu genehmigen. Sie legten eine
fachärztliche Stellungnahme vor. Das Amtsgericht Oranienburg übermittelte den
Verlängerungsantrag nebst fachärztlicher Stellungnahme dem Amtsgericht Neuruppin,
das mit Beschluss vom 02.03.2011 die Übernahme des vorläufigen
Unterbringungsverfahrens wie auch das erneute Rechtshilfeersuchen abgelehnt, jedoch
gleichwohl am selben Tag den Jugendlichen durch das Amtsgericht Neuruppin angehört
hat.
Das Amtsgericht Neuruppin hat am 03.03.2011 das Brandenburgische
Oberlandesgericht gemäß § 5 FamFG ersucht, die Zuständigkeit für das
Unterbringungsverfahren zu bestimmen.
II.
Der Zuständigkeitsstreit ist gemäß § 5 Nr. 5 FamFG in Verbindung mit §§ 4, 314 FamFG
durch das Brandenburgische Oberlandesgericht – Familiensenat – zu entscheiden, weil
dieses das nächsthöhere gemeinsame Gericht ist und eine Familiensache vorliegt.
Bei der gerichtlichen Genehmigung einer freiheitsentziehenden Unterbringung eines
Minderjährigen nach § 1631 b BGB handelt es sich um eine Kindschaftssache gemäß §
151 Nr. 6 FamFG und damit eine Familiensache nach § 111 Nr. 2 FamFG, für die nach §
23 a Abs. 1 Nr. 1 GVG das Amtsgericht – Familiengericht – zuständig ist.
Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung nach § 5 Nr. 5 FamFG sind
gegeben. Beide Amtsgerichte – Familiengerichte – können sich nicht darüber einigen, ob
eine Abgabe aus wichtigem Grund nach § 314 FamFG geboten ist. Das Amtsgericht
Oranienburg hat durch Beschluss vom 01.03.2011 das Unterbringungsverfahren gemäß
§ 314 FamFG an das Amtsgericht Neuruppin abgegeben, um eine kurzfristige Anhörung
des Jugendlichen – auch im Hinblick auf eine mögliche Verlängerung der Unterbringung –
sicherzustellen. Das Amtsgericht Neuruppin hat mit Beschluss vom 02.03.2011 die
Übernahme des Verfahrens abgelehnt, weil diese nicht zweckmäßig sei.
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Das Amtsgericht – Familiengericht – Neuruppin ist für das vorliegende
Unterbringungsverfahren als das zuständige Gericht zu bestimmen, weil hierfür ein
wichtiger Grund gegeben ist.
Gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 FamFG sind in Verfahren nach § 151 Nr. 6 FamFG
(Genehmigung der geschlossenen Unterbringung eines Minderjährigen nach §§ 1631 b,
1800 und 1915 BGB) – wie vorliegend - die für Unterbringungssachen nach § 312 Nr. 1
FamFG geltenden Vorschriften anzuwenden, also die Vorschriften über die Genehmigung
einer freiheitsentziehenden Unterbringung eines Betreuten oder einer
freiheitsentziehenden Unterbringung durch einen Bevollmächtigten. Nach § 331 FamFG
kann das Familiengericht durch einstweilige Anordnung eine vorläufige Unterbringung
genehmigen. § 333 Satz 1 FamFG. Satz 2 der Vorschrift eröffnet die Möglichkeit einer
Verlängerung bis zur Gesamtdauer von drei Monaten (§ 333 Satz 4 FamFG). Die örtliche
Zuständigkeit ist in § 312 Abs. 1 FamFG geregelt. Nach § 312 Abs. 1 Nr. 2 FamFG ist
zunächst das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Betroffene seinen gewöhnlichen
Aufenthalt hat. Das ist hier das Amtsgericht Oranienburg, weil der Jugendliche mit seinen
Eltern im Bezirk dieses Gerichts seinen Lebensmittelpunkt hat.
Gemäß § 314 FamFG kann das Gericht die Unterbringungssache abgeben, wenn der
Betroffene sich im Bezirk des anderen Gerichts aufhält und die
Unterbringungsmaßnahme dort vollzogen werden soll, sofern sich dieses zur
Übernahme des Verfahrens bereit erklärt hat. Die Abgabe an das Amtsgericht des
Unterbringungsorts ist gerechtfertigt, wenn hierfür ein wichtiger Grund vorliegt, wobei
vorrangig auf das Wohl des Betroffenen abzustellen ist (Bumiller/Harders, FamFG
Freiwillige Gerichtsbarkeit, 9. Auflage, § 314 FamFG Rz. 7 f.; Prütting/Helms/Roth, FamFG,
§ 314 FamFG Rz. 4). Vorliegend ist die Abgabe an das für den Unterbringungsort
zuständige Familiengericht, das Amtsgericht Neuruppin, gerechtfertigt. Seit dem
20.02.2011 befindet sich der betroffene Jugendliche in der Kinder- und Jugendpsychiatrie
der … Kliniken. Er wird dort wegen einer schweren Störung des Sozialverhaltens und der
Emotionen stationär behandelt. Nach der vorliegenden fachärztlichen Stellungnahme
vom 02.03.2011 ist angesichts der Schwere der psychischen Störungen eine
Weiterbehandlung dringend geboten. Weitere gerichtliche Maßnahmen und damit
verbundene Anhörungen des Betroffenen sind daher absehbar. Diese sind durch das
Amtsgericht Neuruppin leichter zu realisieren als durch das Amtsgericht Oranienburg.
Auch der Umstand, dass das Familiengericht Neuruppin den Jugendlichen am
02.03.2011 zu der Unterbringungsmaßnahme vom 20.01.2011 und auch zu einer
möglichen Verlängerung der Unterbringung bereits angehört hat, spricht für die
Übernahme des Verfahrens. Sie ist nicht nur aus organisatorischen Gründen
sachdienlich, sondern entspricht in erster Linie den Interessen des betroffenen
Jugendlichen. Es ist R…, der ohnehin schon psychisch sehr belastet ist, nicht zumutbar,
mit weiteren Richtern im Rahmen von Anhörungen konfrontiert zu werden. Im Falle einer
ordentlichen Unterbringung wäre die Anhörung des Betroffenen in jedem Fall durch das
Familiengericht Oranienburg sicherzustellen.
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