Urteil des OLG Brandenburg vom 11.09.2007

OLG Brandenburg: entschädigung, unternehmen, erwerbsausfall, verdienstausfall, link, quelle, beschränkung, sammlung, erwerbstätigkeit, prozess

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 W 181/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 91 Abs 1 S 1 ZPO
Kostenfestsetzung im Bauprozess: Erstattungsfähigkeit der
Kosten eines Privatgutachtens
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des
Landgerichts Potsdam vom 11. September 2007 – 6 O 640/03 – wird zurückgewiesen.
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des
Landgerichts Potsdam vom 11. September 2007 – 6 O 640/03 – teilweise dahin
abgeändert, dass die Kläger über den im angefochtenen Beschluss bereits
festgesetzten Betrag hinaus an Kosten weitere 1.091,70 € nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 21.5.2007 an die
Beklagte zu erstatten haben.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Kläger zu tragen.
Gründe
I.
Die zulässige sofortige Beschwerde der Kläger, mit der sie eine Beschwer von 2.252 €
geltend machen, ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die
Privatgutachterkosten der Beklagten im Verfahren erster und zweiter Instanz zu deren
Gunsten berücksichtigt.
Zwar sind die Kosten des während des Rechtsstreits von einer Partei eingeholten
Privatgutachtens bzw. eines Privatgutachters nur ausnahmsweise zu erstatten. Die
Kosten eines Privatgutachtens sind nur dann notwendige Kosten gemäß § 91 I 1 ZPO,
wenn eine verständige und wirtschaftlich denkende Partei die kostenauslösende
Maßnahme ex ante – also vor Beauftragung des Gutachters – als sachdienlich ansehen
durfte, wobei die Partei die zur vollen Wahrnehmung ihrer Belange erforderlichen Schritte
ergreifen darf (BAG Beschluss vom 20.8.2007, 3 AZB 57/06 – zitiert nach Juris). Das
kommt jedoch in Betracht, wenn es darum geht, ein gerichtliches
Sachverständigengutachten zu überprüfen, zu widerlegen oder zumindest zu
erschüttern (OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.7.2007, 8 W 265/07; vgl. auch OLG
Koblenz, Beschluss vom 4.4.1991, 14 W 166/91 – jeweils zitiert nach Juris). Die Kosten
eines Privatgutachters, der von einer Partei im Rahmen eines Rechtsstreits zur
Widerlegung oder Erschütterung des Gutachtens eines gerichtlichen Sachverständigen
über Baumängel beauftragt wurde, sind notwendige Kosten und deshalb im Rahmen des
Kostenfestsetzungsverfahrens erstattungsfähig (OLG Stuttgart, Beschluss vom
13.11.2001, 8 W 481/01 – zitiert nach Juris).
Die Voraussetzungen für die Erstattungsfähigkeit der Privatgutachterkosten der
Beklagten müssen danach bejaht werden. Das Landgericht hat im selbständigen
Beweisverfahren ein Gutachten zu von den Klägern gerügten Mängeln eingeholt. Das
Ergebnis dieses Gutachtens war für die Beklagte nachteilig. Es war absehbar, dass der
mit dem Gutachten vorbereitete Prozess für die Beklagte nachteilig enden würde, wenn
das Prozessgericht dem Gutachten folgen und seine Entscheidung darauf stützen würde,
wie es in der ersten Instanz auch geschehen ist.
Vor diesem Hintergrund entsprach es dem wohlverstandenen Interesse der Beklagten,
das gerichtliche Gutachten zu widerlegen oder zumindest zu erschüttern. Das konnte
hier auch aus der Sicht einer verständigen wirtschaftlich vernünftigen Partei
insbesondere dann erfolgversprechend erscheinen, wenn sie ein entsprechendes
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insbesondere dann erfolgversprechend erscheinen, wenn sie ein entsprechendes
Gutachten beibringen konnte.
Die Tätigkeit des Privatsachverständigen B. war unmittelbar prozessbezogen. Von
seinem Gutachten war zumindest eine Förderung des Prozesses zu erwarten. Seine
Kosten gehören daher zu Kosten des Rechtsstreits im Sinne des § 91 ZPO. Das gilt auch
für die durch die Teilnahme des Sachverständigen B. an der Berufungsverhandlung vom
9.8.2006 angefallenen Kosten. Zu diesem Termin waren die gerichtlich bestellten
Sachverständigen K. und Prof. E. zum Zwecke der Erläuterung des bisherigen
Untersuchungsergebnisses geladen, ohne dass sie sich zuvor schriftlich dazu geäußert
hatten. Danach musste es einer verständigen Partei geboten erscheinen, in der
Verhandlung mündlich vorgetragene Ergebnisse und Ansichten der gerichtlichen
Sachverständigen frühzeitig sachverständig prüfen und gegebenenfalls in Frage stellen
zu lassen.
Im Übrigen richtet sich die Erstattungsfähigkeit der Gutachterkosten der Höhe nach
nicht nach den Vergütungssätzen des JVEG (BGH NJW 2007, 1532). Die Kosten des
Sachverständigen B. sind angemessen. Beanstandungen in dieser Hinsicht werden in
der Beschwerde auch nicht erhoben.
II.
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten, mit der sie eine Beschwer von 1.212,20 €
geltend macht, ist zulässig.
Der Beklagten ist der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss am 9.10.2007
zugestellt worden. Mit am 12.10.2007 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom
11.10.2007 hat sie zunächst vorsorglich fristgemäß sofortige Beschwerde eingelegt. Der
Zulässigkeit der Beschwerde steht entgegen der Auffassung der Kläger nicht entgegen,
dass die Beklagte ihre Beschwerde zunächst nicht begründet hat, sondern erst mit am
8.11.2007 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 6.11.2007. Die Beschwerde „soll“
zwar nach § 571 I ZPO begründet werden. Dabei handelt es sich jedoch lediglich um eine
Sollvorschrift, wie sich aus deren Wortlaut ergibt. Wird keine Begründung abgegeben,
führt dies nicht schon zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels (Zöller-Gummer, ZPO, 26.
Aufl., Rn. 2 zu § 571). Lediglich die Mindestanforderung des § 569 II 2 ZPO muss erfüllt
sein. Das ist hinsichtlich der Beschwerde der Beklagten der Fall.
2. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist teilweise hinsichtlich eines Betrages von
1.091,70 € begründet, im Übrigen hinsichtlich des Betrages von 120,50 € unbegründet.
a) Die Kosten des Parteivertreters im Termin vom 9.8.2006 sind angefallen und
erstattungsfähig. Die Anwesenheit des Parteivertreters der Beklagten Ko. ist im
gerichtlichen Protokoll vermerkt.
Die Kosten sind allerdings nicht in der vollen geltend gemachten Höhe erstattungsfähig.
Kosten der gegnerischen Partei sind nach den für die Entschädigung von Zeugen
geltenden Vorschriften zu erstatten (§ 91 I 2 Hs. 2 ZPO).
aa) Als Fahrtkosten sind 147,50 € erstattungsfähig.
Ein Zeuge hat Anspruch auf Fahrtkostenersatz bei Benutzung eines eigenen Pkw nur in
Höhe von 0,25 € für jeden gefahrenen Kilometer (§ 5 II Nr. 1 JVEG). Bei gefahrenen 590
Kilometern ergibt dies 147,50 €.
bb) Kosten des Parteivertreters für die Wahrnahme des Termins am 9.8.2006 sind nur in
Höhe von 119 € erstattungsfähig.
Nach § 91 I 2 ZPO sind die in einem Rechtsstreit wegen notwendiger Reisen und zur
notwendigen Wahrnehmung von Terminen entstandenen Zeitversäumnisse nach den für
die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften zu entschädigen. § 91 I 2 ZPO
findet auch bei der Zeitversäumnis juristischer Personen Anwendung. Dabei ist es nicht
erforderlich, dass die Zeitversäumnis bei dem Organ oder gesetzlichen Vertreter selbst
eintritt. Es reicht aus, dass der Termin durch einen Mitarbeiter wahrgenommen wird.
Die Entschädigung ist entsprechend der Vorschrift über den Vergütungsausfall (§ 22
JVEG) zu berechnen. Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte einen konkreten
eigenen Verdienst- oder Gewinnausfall auf Grund des Einsatzes ihres Mitarbeiters zur
Terminswahrnehmung nicht dargelegt hat. Denn es reicht zur Anwendung der
Vorschriften aus, dass die Lebensstellung des Betroffenen und seine regelmäßige
Erwerbstätigkeit die Vermutung rechtfertigen, dass sie überhaupt einen Verdienst- oder
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Erwerbstätigkeit die Vermutung rechtfertigen, dass sie überhaupt einen Verdienst- oder
Gewinnausfall erlitten hat. Die Höhe der Entschädigung ist dann unter Berücksichtigung
aller Umstände gegebenenfalls zu schätzen. Eine Beschränkung der Entschädigung
wegen des Fehlens eines konkreten Nachweises über den zeitbedingten Verdienst-,
Gewinn- oder Erwerbsausfall ist nicht gerechtfertigt. Dies folgt daraus, dass die
Erstattungsvorschriften keinen besonderen Nachweis eines Verdienstausfalles vorsehen.
Eine Entschädigung scheidet nach der gesetzlichen Konzeption nur dann aus, wenn
überhaupt kein Nachteil ersichtlich ist, wobei als Nachteil jede Beeinträchtigung
anzusehen ist (KG Beschluss vom 13.3.2007, 1 W 257/06 m.w.N.; vgl. auch OLG
Karlsruhe Beschluss vom 27.6.2005, 15 W 28/05 – jeweils zitiert nach Juris).
Ist danach – wie hier bei einem gewerblichen Unternehmen, das zur
Terminswahrnehmung Angestellte eingesetzt hat – ein Verdienstausfall anzunehmen, ist
dieser nach § 22 JVEG zu bemessen. Der Höchstsatz beträgt dementsprechend 17 €.
Unter Berücksichtigung dessen sind für die Beklagte 7 Stunden á 17 € = 119 €
anzusetzen.
b) Nach den zuvor unter I. bereits dargestellten Grundsätzen gehören die für die
Teilnahme des Sachverständigen K. am Termin vom 6.8.2003 im Rahmen des
selbständigen Beweisverfahrens angefallenen Kosten in Höhe von 825,20 € zu den
notwendigen Kosten des Rechtsstreits gemäß § 91 ZPO. Dessen Teilnahme am Termin
6.8.2003 trotz unterlassener Erwähnung im Protokoll hat die Beklagte glaubhaft
gemacht und ist von den Klägern auch nicht bestritten worden. Gegen die Höhe der
durch die Einschaltung des Sachverständigen K. entstandenen Kosten ergeben sich
ebenfalls keine Bedenken.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 II ZPO.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 II ZPO
nicht vorliegen.
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