Urteil des OLG Brandenburg vom 27.10.2006

OLG Brandenburg: stille reserven, eigenkapital, verjährungsfrist, anlagevermögen, stillen, gesellschafter, darlehen, zustellung, befreiung, prozess

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 116/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 30 GmbHG, § 31 Abs 1
GmbHG, § 31 Abs 5 S 2 GmbHG,
§ 32a GmbHG, § 32b GmbHG
Gesellschafterhaftung für eigenkapitalersetzende Bürgschaften
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27.10.2006 verkündete Urteil der 2.
Zivilkammer des Landgerichts Neuruppin – 2 O 546/05 – abgeändert. Die Klage wird
abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagten vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
110 % des zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
Der Kläger verlangt als Insolvenzverwalter über das Vermögen der e. T. GmbH & Co. KG
(Insolvenzschuldnerin) von den Beklagten die Erstattung von Geldbeträgen nach den
Grundsätzen der Gesellschafterhaftung für eigenkapitalersetzende Darlehen.
Die Beklagten waren als Kommanditisten zu je 100.000,00 DM an der
Insolvenzschuldnerin beteiligt. Persönlich haftende Gesellschafterin der
Insolvenzschuldnerin war die e. T. Verwaltungs GmbH. Die Beklagten waren zu je
25.000,00 DM am Stammkapital der Komplementärin beteiligt und außerdem deren
Geschäftsführer.
Die G.bank eG stellte der Insolvenzschuldnerin am 07.12.1995 einen Kontokorrentkredit
in Höhe von 1.000.000,00 DM und am 24.02.1998 ein weiteres Darlehen in Höhe von
200.000,00 DM zur Verfügung. Als Sicherheiten bestellt wurden u. a. die jeweiligen
Kontoguthaben auf dem Konto Nr. 7232807002 in Höhe von mindestens 200.000,00 DM,
die jeweiligen Kontoguthaben auf dem Konto Nr. 7232804208 in Höhe der
Kreditinanspruchnahme, jeweils der letztrangige Teilbetrag von 910.000,00 DM von
Bürgschaften beider Beklagten über jeweils 1.710.000,00 DM. Ferner erfolgte die
Sicherungsübereignung des Fuhrparks sowie die Bestellung diverser anderer
Sicherheiten (Bl. 12 ff. d. A.). Der Grund für die Verbürgung der Beklagten in Höhe von
insgesamt 1.710.000,00 DM waren weitere Kredite; unter anderem ein Kredit auf dem
Konto 80500 mit einem Betrag von 37.321,83 DM, auf dem Konto 805700 mit einem
Betrag von 163.050,00 DM, auf dem Konto 805719 mit einem Betrag von 375.000,00
DM und auf dem Konto 805026 mit einem Betrag von 126.652,00 DM. Die Salden
wurden dem Jahresabschluss per 31.12.1995 entnommen.
Die Insolvenzschuldnerin erwirtschaftete von 1996 bis 1998 Verluste, im Jahr 1996 4.650
DM, im Jahr 1997 69.536 DM und im Jahr 1998 175.259 DM. Mitte 1999 kam es zu einem
Liquiditätsverlust bei der Insolvenzschuldnerin. Sie stellte ihren Geschäftsbetrieb im Juni
1999 ein und kündigte ihre Arbeitnehmer zum 31.8.1999.
Die Beklagten führten mit der B. …bank, Rechtsnachfolgerin der G.bank eG,
Verhandlungen über den Kreditrahmen. Mit Schreiben vom 16.07.1999 (Bl. 95 d. A.)
teilte die B. …bank der Insolvenzschuldnerin mit, dass die Kreditlinie für den
Kontokorrentkredit von 800.000,-- DM auf 568.000,00 DM ermäßigt werde, im Gegenzug
gab die Bank die bislang als Sicherheit dienenden Festgeldguthaben frei.
Die Beklagten stellten für die Insolvenzschuldnerin am 6.8.1999 den Antrag auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nachdem der Kläger unter dem 1.11.1999 ein
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Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Nachdem der Kläger unter dem 1.11.1999 ein
Gutachten (Bl. 48-61 d. A.) erstattet hatte, in dem er bei der Insolvenzschuldnerin
Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit feststellte, eröffnete das Amtsgericht
Neuruppin mit Beschluss vom 3.11.1999 (Bl. 9 d. A.) das Insolvenzverfahren über das
Vermögen der Insolvenzschuldnerin und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter.
Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Komplementärin der
Insolvenzschuldnerin wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Neuruppin vom
20.03.2000 mangels Masse abgelehnt (Bl. 10 d. A.).
Am 28.12.1999 meldete die B. …bank eG Darlehensforderungen in Höhe von insgesamt
643.194,78 DM (328.860,27 €) zur Insolvenztabelle an. Das erste Darlehen vom
07.12.1995 (neue Konto-Nr.: 84814560003) valutierte mit 482.899,53 DM, das weitere
Darlehen vom 24.02.1998 (neue Konto-Nr.: 8481456011) valutierte mit 160.295,25 DM.
Der Kläger stellte diese Forderungen zur Tabelle fest. Insgesamt betragen die zur Tabelle
festgestellten Forderungen 599.050,65 €.
Mit Schreiben vom 04.02.2004 teilte die B. …gesellschaft dem Kläger mit, die ehemalige
Forderung der B. …bank sei durch Gläubigerwechsel nunmehr auf die B. B.gesellschaft
übergegangen.
Die weiteren für die Bankkredite gewährten Sicherheiten wurden nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens verwertet. Der Kläger zahlte aufgrund der Sicherungszession an die
B. B.gesellschaft am 9.11.2000 45.664,72 €, am 14.6.2001 14.528,81 € und am
18.2.2003 100.000,00 €, mithin insgesamt einen Betrag in Höhe von 160.193,53 €. Aus
der weiteren Verwertung von sicherungsübereigneten Vermögensgegenständen der
Insolvenzschuldnerin zahlte der Kläger am 31.1.2000 83.314,73 € und am 6.2.2001
1.858,.32 €, mithin einen Gesamtbetrag von 85.173,05 € an die B. B.gesellschaft. Mit
Wertstellung vom 08.08.2003 verzeichnete der Kläger einen Zahlungseingang von der B.
B.gesellschaft in Höhe von 69.736,86 wegen erfolgreicher Insolvenzanfechtung. Der
Kläger stellte am 12.7.2004 eine endgültige Forderung der B. .bank in Höhe von
49.316,93 € fest (Bl. 30 d. A.).
Die Insolvenzmasse belief sich im Jahre 2005 auf 337.760,87 €.
Der Kläger hat gemeint, die Beklagten hafteten gesamtschuldnerisch analog §§ 31 Abs.
1 GmbHG i. V. m. 172a HGB nach den Rechtsprechungsregeln zum Kapitalersatz. Da die
Beklagten keine Freistellung von ihrer Bürgschaftsverpflichtung verlangt hätten, hätten
sie ihre Bürgschaftsverpflichtung als eigenkapitalersetzende Leistung in der Krise des
Unternehmens stehen lassen.
Von der Bürgschaftsverpflichtung seien die Beklagten dadurch befreit worden, dass
Sicherungsgegenstände der Insolvenzschuldnerin verwertet und die Erlöse abzüglich des
Geldzuflusses infolge erfolgreicher Insolvenzanfechtung in Höhe von 175.629,72 € an
das Kreditinstitut ausgekehrt worden seien. Die Beklagten hafteten hierfür, da der
Betrag, um den die Beklagten von ihrer Verbindlichkeit befreit worden seien, die jeweils
übernommene Bürgschaftssumme in Höhe von 800.000,00 DM nicht erreiche.
Der Kläger hat behauptet, die Insolvenzschuldnerin sei schon lange vor Insolvenzreife
kreditunwürdig gewesen. Er hat gemeint, Kreditunwürdigkeit liege bereits dann vor, wenn
der Gesellschaft die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs notwendigen Kredite
nur dann gewährt würden, wenn ein Gesellschafter oder Dritter sich für deren
Rückzahlung verbürge bzw. anderweitige Sicherheiten außerhalb des
Gesellschaftsvermögen zur Verfügung stelle. Auch im Streitfall habe die Gesellschaft nur
weiter existieren können, weil sie über von den Beklagten verbürgte entsprechende
Kredite verfügt habe.
Der Kläger hat außerdem behauptet, am Tag vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am
2.11.1999 habe bei der Insolvenzschuldnerin ein negatives Kapitalkonto von
1.242.827,79 DM bestanden (Zwischenbilanz Bl. 115-117 d. A.).
Der Kläger hat mit am 4.10.2005 bei Gericht eingegangenem und den Beklagten am 15.
und 16.12.2005 zugestellten Schriftsatz Klage erhoben und beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an ihn 175.629,72 € nebst
Zinsen seit Rechtshängigkeit in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu
zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
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die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben gemeint, ein erstrangiger Teilbetrag aus dem Kreditverhältnis von
200.000,00 DM auf dem Konto Nr. 7232800008 sei unverbürgt. Der verbürgte
Kreditsaldo sei gemäß Ziffer 23 der mit Schreiben der Bank vom 07.12.2005
wiedergegebenen Vereinbarung (Anlage K 3, Bl. 11 f. d. A.) ein nachrangiger bis zur
Höhe von 800.000,00 DM. Die vom Kläger dargelegten Erlöse aus der
Sicherungsübereignung von 85.173,05 € müssten vorrangig der Ablösung des
unverbürgten Kredites dienen, da die dinglichen Sicherungsübereignungen nicht
vorrangig für den von der Bürgschaftsbank B. ausfallverbürgten Teil als Sicherheit dienen
sollten. Die Erlöse aus den Sicherungsübereignungen hätten vorrangig für den von der
Bürgschaft nicht verbürgten Teil des Kreditengagements als Sicherheiten gedient, für
den sich die Beklagten jedoch nur nachrangig verbürgt hätten. Die weiteren vom Kläger
abgeführten Erlöse führten ebenfalls nicht zu einer Befreiung aus der
Bürgschaftsverbindlichkeit. Der letztrangige Teilbetrag von 910.000,00 DM habe neben
dem von der Bürgschaftsbank B. nicht ausfallverbürgten, letztrangigen Teil des Kredits
auf dem Konto 800008 in Höhe von 20 % aus 800.000,00 DM = 160.000,00 DM der
Absicherung der übrigen, zu diesem Zeitpunkt bereits ausgereichten Kredite gedient.
Die Beklagten haben ferner behauptet, zu einem Liquiditätsverlust der Gesellschaft sei
es erst Mitte 1999 gekommen, da viele Debitoren ihre fälligen Forderungen nicht gezahlt
hätten. Sie seien davon ausgegangen, dass die Insolvenzschuldnerin einen Bauprozess
gegen die Firma R. & Schü. GmbH auf Zahlung von Werklohn (ca. 550.000,00 DM) vor
dem Landgericht Berlin gewinnen werde und der zu erzielende Betrag ausgereicht hätte,
die fälligen Verbindlichkeiten aller Gläubiger zurückzuzahlen. Als der auf den 3.8.1999
anberaumte Verhandlungstermin verlegt worden sei, hätten sie Insolvenzantrag gestellt.
Der Kläger habe den Prozess aufgenommen und ihn erstinstanzlich gewonnen. Aus nicht
nachvollziehbaren Gründen habe er sich vor dem Kammergericht mit der R. & Schü.
GmbH auf Zahlung von 50 % der Forderung verglichen.
Die Beklagten haben gemeint, die von ihnen übernommene Bürgschaft sei nicht
eigenkapitalersetzend gewesen. Sie hätten in angemessener Zeit seit Beginn der Krise
den gebotenen Konkursantrag gestellt. Es komme nicht darauf an, dass sie es
unterlassen hätten, die Bürgschaft zu kündigen bzw. die Befreiung zu verlangen. Dass
die Insolvenzschuldnerin vor dem Insolvenzantrag der Beklagten insolvenzreif gewesen
sei, habe der Kläger nicht ausreichend dargelegt.
Die Regelungen des §§ 30, 31 GmbHG seien nicht anwendbar, da die vom Kläger
behauptete Abführung von Sicherheitenerlösen nicht einmal mittelbar das Vermögen
der Komplementärin betreffe. Durch Rückführung der Sicherheitenerlöse an die B.
B.gesellschaft bzw. …bank sei die Haftungsschuld der Komplementärin lediglich
vermindert worden. Selbst wenn die §§ 30, 31 GmbHG anwendbar wären, sei bereits
Verjährung eingetreten, denn Beginn der Verjährung sei nicht der Zeitpunkt der
Abführung der Sicherheitenerlöse, sondern der Zeitpunkt der Sicherheitenbestellung.
Die Beklagten sind zudem der Auffassung, eine die längere Verjährung auslösende
"bösliche Handlungsweise" gemäß § 31 Abs. 5 Satz 2 GmbHG (a. F.) liege in Ansehung
ihres Handelns nicht vor.
Das Landgericht hat mit am 27.10.2006 verkündetem Urteil der Klage stattgegeben. Die
von den Beklagten übernommenen Bürgschaften ersetzten wegen der bei Stellung des
Insolvenzantrages gegebenen bilanziellen Überschuldung der Gesellschaft Eigenkapital.
Auch vorher sei die Insolvenzschuldnerin kreditunwürdig gewesen. Denn der
Jahresabschluss zum 31.12.1998 habe einen nicht durch Eigenkapital gedeckten
Fehlbetrag von 175.000 DM ausgewiesen. Die Beklagten müssten deshalb den Betrag
ersetzen, von dem sie durch die Sicherheitenverwertung befreit worden seien. Die
Bürgschaften hätten auch die Forderungen abgesichert, die durch die Verwertung zum
Erlöschen gebracht worden seien. Die Beklagten hätten auch nicht rechtzeitig einen
Insolvenzantrag gestellt. Die Insolvenzschuldnerin sei seit Reduzierung der Kreditlinie am
16.7.1999 nicht mehr zahlungsfähig gewesen. Sie hätten den Insolvenzantrag erst drei
Wochen später gestellt. Der Vortrag der Beklagten zu einer positiven
Fortbestehensprognose sei nicht ausreichend substantiiert. Der Klageanspruch sei auch
nicht verjährt. Es gelte eine zehnjährige Verjährungsfrist, die bei Klageerhebung noch
nicht verstrichen gewesen sei.
Gegen dieses Urteil, ihnen zugestellt am 6.11.2006, haben die Beklagten durch bei
Gericht am 1.12.2006 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese durch
am 12.1.2007 eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die
Berufungsbegründungsfrist auf ihren am 3.1.2007 eingegangenen Antrag bis zum
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Berufungsbegründungsfrist auf ihren am 3.1.2007 eingegangenen Antrag bis zum
15.1.2007 verlängert worden war.
Die Beklagten meinen, das Landgericht habe zu Unrecht festgestellt, dass die
Insolvenzschuldnerin seit geraumer Zeit vor Insolvenzantragstellung kreditunwürdig
gewesen sei und die Beklagten ihre Bürgschaft in eigenkapitalersetzender Weise stehen
gelassen hätten.
Der Kläger habe selbst vorgetragen, eine Masse von 337.000 € erwirtschaftet und
Bankverbindlichkeiten in Höhe von 245.366,58 € zurückgeführt zu haben. Die
Restforderung der Bank betrage nur 49.316,93 €, die auch nur dadurch zustande
gekommen sei, dass der Kläger eine Insolvenzanfechtung vorgenommen habe. Eine
Deckungslücke, die die Bürgschaft der Beklagten erforderlich gemacht hätte, habe
deshalb nicht bestanden. Sie hätten die Insolvenzschuldnerin liquidieren können und
keinen Insolvenzantrag stellen müssen, wenn die Firma R. & Schü. GmbH kurzfristig
gezahlt hätte.
Im übrigen seien alle in Betracht kommenden Ansprüche des Klägers verjährt. Die
Verjährungsfrist betrage hier fünf Jahre.
Die Beklagten beantragen,
das am 27.10.2006 verkündete Urteil des Landgerichts Neuruppin - 2 O 546/05
abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das landgerichtliche Urteil für richtig.
Er behauptet, die Insolvenzschuldnerin habe im Zeitraum 1995 bis 1999 operativ stetig
ein Defizit erwirtschaftet. Nur durch die Auflösung des aus den Gewinnen in den
Anfangsjahren 1993 und 1994 gebildeten Sonderpostens mit Rücklageanteil sei der
handelsrechtliche Jahresfehlbetrag noch vermieden worden, wohingegen zum
31.12.1998 ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag von 404.682,16 DM
erwirtschaftet worden sei. Die Bürgschaften der Beklagten seien angesichts der
bilanziellen Überschuldung der Insolvenzschuldnerin spätestens zum 31.12.1998
eigenkapitalersetzend gewesen. Stille Reserven seien nicht mehr vorhanden gewesen.
Nachdem die B. …bank eG keine Bereitschaft gezeigt habe, den Kontokorrentkredit
auszuweiten und zudem ein kurzfristiger Mittelzufluss wegen Verschiebung des
Prozesses gegen die R. & Schü. GmbH nicht mehr zu erhalten war, sei der
Insolvenzantrag auch wegen akuter Zahlungsunfähigkeit unausweichlich geworden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze und ihre Anlagen Bezug genommen.
Die gemäß den §§ 517, 520 ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht
eingelegte und begründete Berufung der Beklagten hat Erfolg. Das landgerichtliche
Urteil war abzuändern und die Klage abzuweisen.
1.) Dem Kläger steht gegen die Beklagten kein Anspruch in Höhe der Klageforderung
aus den §§ 30, 31 GmbHG, 172a HGB zu.
§ 172a HGB erklärt zwar nicht die §§ 30, 31 GmbHG, sondern lediglich die §§ 32a, 32b
GmbHG für entsprechend anwendbar. Allerdings gelten nach der höchstrichterlichen
Rechtsprechung auch für Kommanditisten, die Gesellschafter der Komplementär-GmbH
einer GmbH & Co. KG sind, die §§ 30, 31 GmbHG analog (BGH, NJW 1998, 3273, zitiert
nach Juris).
Eine Haftung der Beklagten setzt voraus, dass die Bürgschaften der Beklagten für der
Insolvenzschuldnerin gewährte Kredite Eigenkapital ersetzt haben. Die Darlegungs- und
Beweislast hierfür liegt nach ständiger Rechtsprechung des zuständigen 2. Zivilsenats
des BGH beim Insolvenzverwalter bzw. bei der Gesellschaft (BGH WM 2005, 848, zitiert
nach Juris).
Der Kläger hätte deshalb darlegen müssen, dass die Insolvenzschuldnerin sich zu einem
bestimmten Zeitpunkt, der maßgeblich vor dem Insolvenzantrag liegt, in der Krise
befunden hat und dass die Beklagten ihr in diesem Zeitpunkt als ordentliche Kaufleute
Eigenkapital zugeführt hätten. Hierzu hätte es eines Vortrages bedurft, dass zu diesem
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Eigenkapital zugeführt hätten. Hierzu hätte es eines Vortrages bedurft, dass zu diesem
Zeitpunkt die Schuldnerin bei gesellschaftsfremden Dritten kreditunwürdig oder aber
zahlungsunfähig oder überschuldet war. Ausreichender Vortrag des Klägers hierzu fehlt.
Das macht die Klage unschlüssig und damit abweisungsreif.
a.) Die Feststellungen des Landgerichts zur Eigenkapitalersatzfunktion der von den
Beklagten gewährten Bürgschaften sind, wie die Beklagten mit der Berufung zu Recht
beanstanden, unzureichend.
Für die Annahme, dass Bürgschaften Eigenkapitalersatzfunktion haben, ist es nicht
ausreichend, dass die Beklagten auf Verlangen der kreditgebenden Bank überhaupt eine
Bürgschaftserklärung abgegeben haben. Denn ein solches Verlangen ist insbesondere
bei kleineren Gesellschaften banküblich (vgl. Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl. 2006,
§ 32a Rn 83). Von dem Umstand, dass ein Gesellschafter überhaupt eine Bürgschaft
übernommen hat, kann nicht darauf geschlossen werden, dass sich die
darlehensnehmende Gesellschafterin in der Krise befunden hat (vgl. BGH, NJW 1992,
1763, zitiert nach Juris). Die abweichende Auffassung des Klägers, der das Landgericht
gefolgt ist, ist unrichtig.
Es reicht auch nicht aus, sich darauf zu berufen, dass die Beklagten nach Stellung ihres
Insolvenzantrages die Bürgschaft nicht teilweise gekündigt hätten. Das stellt kein
Stehenlassen einer Gesellschaftersicherheit in der Krise dar. Eine solche Sicherheit
erhält nur dann den Charakter von Eigenkapitalersatz, wenn gerade kein Insolvenzantrag
gestellt worden ist.
b.) Es kann nicht angenommen werden, dass die Insolvenzschuldnerin am 31.12.1998
überschuldet war.
Zu Unrecht hat das Landgericht von einer bilanziellen Überschuldung der
Insolvenzschuldnerin darauf geschlossen, dass die Bürgschaften der Beklagten
Eigenkapitalersatzfunktion hatten. Die hierzu erforderlichen Feststellungen konnte das
Landgericht schon deshalb nicht treffen, weil der Kläger die Handelsbilanzen der
Insolvenzschuldnerin aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung nicht einmal in den Prozess
eingeführt hat. Er hat vielmehr lediglich sein eigenes Gutachten vom 1.11.1999
vorgelegt, in dem aus der Gewinn- und Verlustrechnung der Jahresabschlüsse zum
31.12.1996, 31.12.1997 sowie zum 31.12.1998 die Verluste angegeben werden. Dieses
Gutachten wurde Monate nach dem Insolvenzantrag der Beklagten erstellt und war
Grundlage für die Entscheidung des Insolvenzgerichts, das Insolvenzverfahren zu
eröffnen. Das Gutachten ist zur Beantwortung der Frage, ob die Bürgschaften der
Beklagten zu einem vom Kläger erstinstanzlich nicht einmal genannten Zeitpunkt vor
Insolvenzantrag Eigenkapitalersatzfunktion erlangt haben, ungeeignet.
Auf den Hinweis des Senates in der mündlichen Verhandlung vom 5.6.2007, dass seine
Darlegungen unzureichend sind, hat der Kläger nunmehr die Jahresabschlüsse - ohne die
dazu gehörigen Erläuterungen - für die Jahre 1996 und 1998 zur Gerichtsakte gereicht.
Aus der Bilanz zum 31.12.1998 ergibt sich zwar ein negatives Eigenkapital. Jedoch hat
der Kläger damit nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung seiner Darlegungs-
und Beweislast für seine Behauptung nicht genügt, dass die Bankbürgschaften der
Beklagten Eigenkapitalersatzfunktion erhalten haben. Denn eine buchmäßige
Überschuldung hat allenfalls indizielle Bedeutung. Es bedarf vielmehr der Erstellung einer
Überschuldungsbilanz, welche die aktuellen Verkehrs- oder Liquidationswerte ausweist
(BGH WM 2001, 959; BGH WM 2001, 316; BGH WM 2005, 848, jeweils zitiert nach Juris).
Darin sind die stillen Reserven aufzudecken und die Vermögensgegenstände zu
Veräußerungswerten anzusetzen. Zumindest hätte der Kläger die Ansätze in der
Handelsbilanz daraufhin überprüfen und erläutern müssen, ob und ggf. in welchem
Umfang stille Reserven oder sonstige daraus nicht ersichtliche Veräußerungswerte
vorhanden sind. Dabei muss er nicht jede denkbare Möglichkeit ausschließen, sondern
nur nahe liegende Anhaltspunkte - beispielsweise stille Reserven bei Grundvermögen -
und die von dem Gesellschafter insoweit aufgestellten Behauptungen widerlegen (BGH
WM 2005, 848, zitiert nach Juris).
Nach diesen Grundsätzen und dem Vortrag der Parteien im vorliegenden Rechtsstreit ist
die Klage unbegründet.
Der Kläger hat für den von ihm nunmehr behaupteten spätesten Zeitpunkt des Eintritts
der Überschuldung - 31.12.1998 - keine Überschuldungsbilanz vorgelegt, er hat sich
vielmehr lediglich auf die Handelsbilanzen, insbesondere diejenige zum 31.12.1998,
berufen und hierzu vorgetragen, wie sich bilanziell der nicht durch Eigenkapital gedeckte
Fehlbetrag errechnet. Weiter hat er unter Berufung auf sein Gutachten vom 1.11.1999
vorgetragen, dass keine stille Reserven beim Anlagevermögen vorhanden gewesen
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vorgetragen, dass keine stille Reserven beim Anlagevermögen vorhanden gewesen
seien, und die Behauptung der Beklagten bestritten, dass bei Sachanlagen erhebliche
Sonderabschreibungen zu stillen Reserven geführt hätten. Dies ist nicht ausreichend.
Der Kläger hat schon auf die Erstellung eines Überschuldungsstatus verzichtet. Dann
hätte er sich zumindest mit den Behauptungen der Beklagten zu vorhandenen stillen
Reserven auseinandersetzen müssen. Dies hat er nur unzureichend getan.
Den in den vom Kläger vorgelegten Handelsbilanzen zum 31.12.1996 und 31.12.1998
enthaltenen Gewinn- und Verlustrechnungen lässt sich zunächst entnehmen, dass der
Vortrag der Beklagten zu den Abschreibungen für Sachanlagen zutrifft. Die
Abschreibungen betragen 1996 über 1 Mio. DM, im Jahre 1997 805.351,38 DM und 1998
576.888,70 DM. Angesichts dieser Abschreibungsbeträge erscheint es plausibel, dass
die Buchwerte von 632.496,91 DM für die Sachanlagen zum 31.12.1998 stille Reserven
enthalten könnten.
Diesen Vortrag der Beklagten hätte der Kläger angesichts der ihn auch insoweit
treffenden Darlegungs- und Beweislast (BGH WM 1999, 1828, zitiert nach Juris) durch
einen substantiierten, einem Bestreiten und einer Beweisaufnahme zugänglichen
Vortrag widerlegen müssen. Daran fehlt es.
So fehlt es zunächst an jeglichem Vortrag dazu, was für Sachanlagen überhaupt im
Vermögen der Insolvenzschuldnerin gestanden haben, die zum 31.12.1998 mit
632.496,91 DM bilanziert worden sind. Der nunmehr vorgelegten Handelsbilanz lässt
sich entnehmen, dass es sich dabei um technische Anlagen und Maschinen sowie um
die Betriebs- und Geschäftsausstattung der Insolvenzschuldnerin gehandelt hat.
Detailangaben, die für die Bewertung erforderlich sind, sind vom Kläger nicht
vorgetragen.
Soweit der Kläger vorträgt, er habe das Anlagevermögen im Rahmen der Erstellung
seines Gutachtens vom 1.11.1999 durch einen Sachverständigen begutachten lassen,
dieser habe einen Wert von 496.410 DM ermittelt, daraus ergebe sich, dass im
Anlagevermögen am 31.12.1998 keine stillen Reserven vorhanden gewesen seien, ist
dies nicht ausreichend.
Zunächst ist nicht ersichtlich, dass die am 31.12.1998 vorhandenen Gegenstände des
Sachanlagevermögens der Insolvenzschuldnerin die Anlagen waren, die der Kläger in
seinem Gutachten vom 1.11.1999 mit Hilfe eines Sachverständigen bewertet hat.
Dieses Sachverständigengutachten hat der Kläger im Prozess nicht vorgelegt.
Im übrigen geben Zeitwerte von Oktober/November 1999 nicht ohne weiteres Aufschluss
darüber, ob Buchwerte zum 31.12.1998 stille Reserven enthalten oder nicht. Hierzu
hätte es Darlegungen dazu bedurft, um was für Gegenstände es sich bei dem
Anlagevermögen der Insolvenzschuldnerin gehandelt hat und welche Nutzungsdauer
diese üblicherweise haben. Daran fehlt es.
c.) Dass die Insolvenzschuldnerin zu einem früheren Zeitpunkt als drei Wochen vor dem
Insolvenzantrag zahlungsunfähig gewesen wäre, hat der Kläger nicht vorgetragen.
Dass die Insolvenzschuldnerin bei Stellung des Insolvenzantrages zahlungsunfähig war,
führt nicht dazu, dass die Bürgschaft der Beklagten als Eigenkapital zu behandeln wäre.
d.) Auch eine Kreditunwürdigkeit der Insolvenzschuldnerin hat der Kläger nicht
ausreichend vorgetragen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Insolvenzschuldnerin zu
irgendeinem Zeitpunkt von außenstehenden Dritten keinen Kredit mehr erhalten hätte.
Denn die Kredite der Insolvenzschuldnerin waren bis zum Insolvenzantrag ungekündigt.
Die Verringerung der Kreditlinie durch die kreditgebende Bank, die auch erst am
16.7.1999, mithin innerhalb von drei Wochen vor dem Insolvenzantrag der Beklagten
erfolgt ist, spricht nicht für eine fehlende Kreditwürdigkeit. Die Beklagten haben
nachvollziehbar dargelegt, dass die Bank für ein sich in die Liquidation begebendes
Unternehmen den Kreditrahmen nicht erweitern wollte. Dass die Insolvenzschuldnerin
dennoch kreditwürdig war, ergibt sich aus dem Umstand, dass die Bank parallel zur
Ermäßigung der Kreditlinie Sicherheiten in Form von Festgeldguthaben freigegeben hat.
Ein Kreditinstitut, das einen Schuldner nicht für kreditwürdig hält und die bisher
gewährten Kredite als gefährdet ansieht, wird keine hochwertigen Sicherheiten wie
Festgeldguthaben freigeben. Dafür, dass die Insolvenzschuldnerin bei Kreditinstituten
kreditwürdig war, spricht auch der Umstand, dass die Verbindlichkeiten gegenüber
Kreditinstituten im Rahmen der Insolvenz bis auf einen Betrag von 49.316,93 €
zurückgeführt wurden, wobei der Ausfall nur darauf zurückzuführen ist, dass der Kläger
im Wege der Insolvenzanfechtung von der kreditierenden Bank bzw. ihrer
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im Wege der Insolvenzanfechtung von der kreditierenden Bank bzw. ihrer
Rechtsnachfolgerin einen Betrag von 69.736,86 € zurückerhalten hat.
2.) Im übrigen wäre die Klageforderung, wenn sie denn bestehen würde, teilweise
verjährt.
Ansprüche gemäß § 31 GmbHG verjährten gemäß § 31 Abs. 5 GmbHG in der bis zum
14.12.2004 geltenden Fassung innerhalb von fünf Jahren, wobei die Verjährung mit dem
Ablauf des Tages beginnt, an welchem die Zahlung, deren Erstattung beansprucht wird,
geleistet ist. Für den Fall, dass dem Verpflichteten eine "bösliche Handlungsweise zur
Last" fällt, findet diese Verjährungsvorschrift gemäß § 31 Abs. 5 Satz 2 GmbHG a. F.
keine Anwendung. Für den böslich Handelnden galt mithin die regelmäßige Verjährung.
Hierfür galt bis zum 31.12.2001 eine 30jährige Verjährungsfrist, mit Inkrafttreten des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes eine dreijährige Verjährungsfrist. Mit Wirkung ab
dem 15.12.2004 beträgt die Verjährungsfrist nunmehr einheitlich zehn Jahre.
Nach der Übergangsvorschrift in Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 10 EGBGB ist Art. 229 § 6
EGBGB anzuwenden, soweit nicht ein anderes bestimmt ist. Soweit die fünfjährige
Verjährungsfrist des § 31 Abs. 5 Satz 1 GmbHG in der bis zum 14.12.2004 geltenden
Fassung galt, bleibt es bei der kürzeren Frist, Art. 229 § 6 Abs. 3 EGBGB. Soweit die
Regelverjährung eingreift, gilt die Sonderregelung des Art. 229 § 12 Abs. 2 EGBGB,
wonach die neue 10-Jahresfrist ab dem 1.1.2002 läuft.
Im vorliegenden Fall heißt dies, dass die Ansprüche gegen die Beklagten nicht verjährt
wären, wenn sie böslich gehandelt hätten.
Da eine bösliche Handlungsweise der Beklagten nicht festgestellt werden kann, ist die
kurze Verjährungsfrist maßgeblich.
Die Beklagten haben selbst überhaupt nicht gehandelt, so dass schon auf ihrer Seite
keine "Handlungsweise" vorliegt. Gehandelt hat der Insolvenzverwalter, der die
Verbindlichkeiten zum Erlöschen gebracht hat, die durch Bürgschaften der Beklagten
besichert waren. Die Befreiung von ihrer Verbindlichkeit war ein Reflex dieser Handlung,
auf die die Beklagten keinen Einfluss hatten.
Soweit die Auffassung vertreten wird, böslich handele nicht nur, wer die Auszahlung
bewusst zum Schaden der Gesellschaft und ihrer Gläubiger betreibe, sondern auch
schon derjenige, der die Auszahlung in Kenntnis des Umstandes entgegennimmt, dass
die empfangene Leistung erforderlich ist, um die Verbindlichkeiten der Gesellschaft zu
decken (so Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 16. Aufl. 2004, § 31 Rn 27a), wird diese
Auffassung vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt.
Wenn sie nicht böslich gehandelt hätten, liefe eine fünfjährige Verjährungsfrist mit dem
Zeitpunkt der Zahlung, deren Erstattung der Kläger beansprucht. Dann wären die
Ansprüche verjährt, die der Kläger wegen der Zahlungen am 31.1.2000 in Höhe von
83.314,73 € und am 9.11.2000 in Höhe von 45.664,82 € geltend macht, weil er diese
Zahlungen länger als fünf Jahre vor Zustellung der Klageschrift vorgenommen hat. Die
Zustellung der Klageschrift am 15. und 16.12.2005 wirkt nicht auf den Zeitpunkt der
Einreichung der Klageschrift am 4.10.2005 zurück, weil die Zustellung nicht demnächst
erfolgt ist. Zwischen der Anforderung des Gerichtskostenvorschusses am 13.10.2005
und dem Eingang der Zahlung des Gerichtskostenvorschusses am 28.11.2005 lagen
deutlich mehr als zwei Wochen.
3.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, § 543 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung
der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch
erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
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