Urteil des OLG Brandenburg vom 18.01.2006

OLG Brandenburg: treu und glauben, grundstück, mauer, genehmigung, zgb, einwilligung, wohnraum, gestaltung, ddr, nachbarrecht

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 5.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 44/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 242 BGB, § 823 Abs 1 BGB, §
1004 BGB, § 316 ZGB DDR, § 20
NachbG BB
Nachbarrecht: Reichweite des Fenster- und Lichtrechts bei
einem 1974 in die Grenzwand zum Nachbargrundstück
eingebauten Fenster eines Wohnhauses in Brandenburg
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 18. Januar 2006 verkündete Urteil der 4.
Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 4 O 416/05 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks …-Straße 18, der Beklagte Eigentümer des
Nachbargrundstücks …-Straße 17 (Villa …).
Auf dem Grundstück …-Straße 18 steht ein Wohnhaus mit einer an der gemeinsamen
Grundstücksgrenze errichteten Grenzwand. An diese Grenzwand war 1897 auf dem
Grundstück des Beklagten, …-Straße 17, ein Pavillon angebaut worden.
Mit gemäß Verordnung vom 22. 3.1972 über die Verantwortung der Räte der
Gemeinden, Stadtbezirke, Städte und Kreise bei der Errichtung und Veränderung von
Bauwerken der Bevölkerung (GBl. II, S. 293) - Bevölkerungsbauwerkeverordnung 1972 -
erteilter Zustimmung des Rates der Stadt P. vom 4. Oktober 1974, aber gegen den
Willen des damaligen Verwalters des (West-) Grundstücks …-Straße 17, wurde in die
Grenzwand im Bereich dieses Pavillons, der sich seinerzeit in einem schlechten und
unbenutzbaren Zustand befand, unterhalb seines Daches ein Fenster eingebaut, um so
zusätzlichen Wohnraum für ein Arbeitszimmer der damaligen Mieterin einer Wohnung
des Hauses …-Straße 18 zu schaffen.
Nachdem der Kläger das Grundstück …-Straße 18 erworben hatte, renovierte er das
Haus und baute es dergestalt um, dass sich nun an der Stelle des Arbeitsraums ein
Badezimmer befindet. Das Fenster blieb dabei erhalten.
Ende Juni, Anfang Juli 2005 ließ der Beklagte bzw. sein Nutzer des Grundstücks …-Straße
17, die Firma W. GmbH, den unter Denkmalschutz stehenden Pavillon wiederherrichten.
Im Zuge dieser Arbeiten wurde das Badezimmerfenster zugemauert.
Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten die Beseitigung der Mauer im
Fensterbereich.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, das Fenster sei seinerzeit rechtmäßig in die
Grenzwand gebrochen worden. Es genieße nunmehr Bestandsschutz, so dass er, der
Kläger, gemäß § 20 Abs. 2 BbgNRG bzw. aus nachbarrechtlichem
Gemeinschaftsverhältnis seine Beseitigung verlangen könne. Denn dem Beklagten ginge
es nur um die optische Gestaltung seines Pavillons, während für ihn, den Kläger, die
durch die Vermauerung des Badezimmerfensters entstehenden Nachteile erheblich und
nicht hinnehmbar seien. Das Bad sei nunmehr vollkommen von der Frischluftzufuhr und
von natürlichem Licht abgeschnitten.
Der Beklagte hat sich darauf berufen, dass der Pavillon dem Nutzer des Grundstücks als
Regenschutz in den Sommermonaten diene. Ein Toilettenfenster direkt neben seinem
Gartentisch sei unzumutbar. Der Einbau des Fensters stelle auch eine rechtswidrige
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Gartentisch sei unzumutbar. Der Einbau des Fensters stelle auch eine rechtswidrige
Eigentumsverletzung dar, da der damalige Verwalter seines Grundstücks dem Einbau
nicht zugestimmt habe. Schließlich könne er, der Beklagte, nicht in Anspruch
genommen werden, weil nicht er Bauherr der Sanierungsarbeiten am Pavillon gewesen
sei, sondern die Firma W. GmbH.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem
Kläger stehe kein Anspruch auf Beseitigung der Mauer im Bereich des
Badezimmerfensters aus §§ 1004 analog i.V.m. § 20 Abs. 2 BbgNRG zu. Das Fenster
habe zwar seinerzeit den Vorgaben des § 316 ZGB/DDR entsprochen. Jedoch seien nach
dem damals geltenden öffentlichen Baurecht Fensteröffnungen zum Nachbargrundstück
nur befristet zulässig und im Fall einer späteren Grenzbebauung des
Nachbargrundstücks auf Anordnung zu schließen gewesen. Damit habe die
Fensteröffnung von Anbeginn keinen Bestandsschutz genossen und für den
Rechtsvorgänger des Klägers und damit auch für den Kläger kein Lichtrecht entstehen
können. Die Bestandskraft der Baugenehmigung habe zwar dem Bauherrn insoweit eine
Rechtsposition verschafft, als sie den Bestand seines Bauvorhabens gegenüber einem
Rückgriff auf das einschlägige materielle Recht sichere. Sie vermittele aber bei
Abweichen von der damaligen Rechtslage keine das nachbarliche Eigentumsrecht
einschränkende Wirkung, so dass sich der Kläger nicht auf den Fortbestand des Fensters
habe verlassen dürfen. Denn im Baugenehmigungsverfahren des Jahres 1997 sei das
Fenster durch die grüne Schraffur in der genehmigten Bauplanung ausdrücklich nicht
genehmigt und deshalb als zu beseitigen gekennzeichnet worden.
Ein Beseitigungsanspruch des Klägers ergebe sich auch nicht aus den Grundsätzen des
nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses. Dieses Rechtsinstitut diene in Extremfällen
als Korrektiv nach Treu und Glauben zur einzelfallgerechten Bewältigung atypischer
nachbarlicher Interessenkonflikte. Danach könne die Ausübung aus dem Eigentum
fließender Rechte ganz oder teilweise unzulässig werden, wenn ein dringend gebotener
Ausgleich der widerstreitenden Interessen nur so möglich sei. Ein derart dringender über
die übrige Rechtsordnung hinausgehender Ausgleich sei hier aber nicht geboten. Wenn
das Fenster auch von den jeweiligen Eigentümern des Nachbargrundstücks zwar 31
Jahre geduldet worden und nunmehr das Badezimmer von der direkten Frischluft- und
Lichtzufuhr abgeschnitten sei, so könne es als gefangener Raum doch auch mit
künstlichem Licht und künstlicher Entlüftung genutzt werden. Derartige Räume befänden
sich bereits im Haus des Klägers. Dagegen könne das Recht des Beklagten, sein
Grundstück nach seinem Ermessen zu nutzen, allenfalls dann mit Rücksicht auf sonst
den Kläger treffende schwere Nachteile eingeschränkt werden, wenn für den Beklagten
verschiedene gleichwertige Nutzungsmöglichkeiten bestünden, die auch den Interessen
des Klägers entsprächen. Der Kläger habe aber nicht dargelegt, welche
Alternativlösungen in Betracht kämen, die dem Beklagteninteresse an der
originalgetreuen Sanierung und einer ungestörten Nutzung des Pavillons bei einer
einheitlichen optischen Gestaltung entgegenkämen.
Auch die Feststellungsklage habe keinen Erfolg. Da kein Beseitigungsanspruch des
Klägers bestehe, treffe den Beklagten auch keine Schadensersatzpflicht.
Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er die Verletzung
materiellen Rechts rügt.
Der Kläger hält nach wie vor einen Anspruch aus dem nachbarrechtlichen
Gemeinschaftsverhältnis für gegeben, da das Badezimmer vollständig von Licht- und
Frischluft abgeschnitten worden sei. Er habe im Termin der mündlichen Verhandlung vor
dem Landgericht als Alternative eine lichtdurchlässige Mattfensterscheibe mit
beschränkter Öffnungsmöglichkeit angeboten, welche dem Beklagten zumutbar sei.
Denn dem Beklagten gehe es nur um die optische Gestaltung, während auf seiner, des
Klägers, Seite eine funktionaltechnische Beeinträchtigung vorliege, die zu erheblichen
Werteinbußen und Anspruchsstellungen des Mieters führe, weil er auf ein grob
verputztes Mauerwerk blicken müsse. Der Beklagte habe sich besonders rücksichtslos
verhalten, indem er bereits vor Erteilung der Baugenehmigung für die Renovierung des
Pavillons und trotz Unterlassungsaufforderung des Klägers vollendete Tatsachen
geschaffen habe, ohne auch nur einen Versuch einer Alternativlösung zu unternehmen.
Zu Unrecht habe das Landgericht auch einen Anspruch aus § 20 Abs. 2 BbgNRG
verneint. Seinerzeit habe die Fensteröffnung § 316 ZGB/DDR entsprochen. Die erteilte
Baugenehmigung und die Errichtung der Fensteröffnung hätten in vollem Umfang mit
der öffentlich rechtlichen Lage übereingestimmt. Die bloße Möglichkeit eines Widerrufs
rechtfertige das Versagen des Bestandsschutzes nicht. Das Grundstück des Beklagten
sei bereits mit einer Villa bebaut. Die Errichtung weiterer Gebäude auf dem Grundstück
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sei bereits mit einer Villa bebaut. Die Errichtung weiterer Gebäude auf dem Grundstück
sei baurechtlich nicht zulässig. Mit Ausnahme des bestehenden Pavillons werde es keine
Grenzbebauung auf dem Grundstück des Beklagten geben. Die einzig denkbare
Konfliktsituation bezüglich des Pavillons habe die Baubehörde im Jahre aber 1974
endgültig entschieden und die Annahme eines Widerrufs der Genehmigung nach der
DBO wäre unrealistisch gewesen. Dass tatsächlich in dem späteren
Baugenehmigungsverfahren für die Renovierung und den Umbau die Fensteröffnung
grün durchgestrichen worden sei, bedeute lediglich, dass die Genehmigung sich nicht auf
diese Fensteröffnung erstrecke. Dies sei aber angesichts der bereits vorliegenden
Genehmigung auch nicht erforderlich gewesen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 18.Januar 2006 - Az. 4
O 416/05 - den Beklagten zu verurteilen,
die auf seinem Grundstück …-Straße 17, P., vorgenommene Vermauerung der in
dem als Anlage K1 beigefügten Lageplan durch Schraffur gekennzeichneten
Fensteröffnung an der unmittelbar grenzenden Hauswand auf dem Grundstück des
Klägers …-Straße 18, P., vollständig zu beseitigen und
festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet sei, ihm allen Schaden zu ersetzen, der
diesem durch die unter Ziffer 1. bezeichneten Vermauerung entstanden sei oder künftig
entstehen werde.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit näherer Darlegung.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf den Inhalt der von den Parteien
gewechselten Schriftsätze, den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils und die von
dem Landgericht getroffenen Feststellungen verwiesen.
II.
Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und
begründet worden (§§ 511 Abs. 1 und 2, 513, 517, 519, 520 ZPO).
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.
Der Kläger kann von dem Beklagten die Beseitigung der Mauer im Bereich des
Badezimmerfensters weder aus §§ 1004 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB, 20 Abs. 2
BbgNRG verlangen noch einen derartigen Anspruch aus dem nachbarrechtlichen
Gemeinschaftsverhältnis herleiten.
1) Für einen Anspruch aus § 1004 genügen Einwirkungen nicht, die darin bestehen, dass
jemand durch Verhalten in den Grenzen seines Grundstücks einem anderen Vorteile wie
Licht und Luft entzieht. Allerdings ist anerkannt, dass die Beeinträchtigung dessen,
worauf der Nachbar z.B. kraft nachbarschützender Vorschriften ein Recht hat, im Sinne
von § 1004 BGB entsprechend unzulässig ist. Dies wäre vorliegend dann der Fall, wenn
das vor Inkrafttreten des Brandenburgischen Nachbarrechtsgesetzes errichtete Fenster
rechtmäßig errichtet worden wäre und wenn nicht nur ein Fensterrecht, sondern darüber
hinaus ein Lichtrecht mit Bestandsschutz für den Eigentümer des Grundstücks …–
Straße 18 entstanden wäre. Denn in diesem Falle hätte dem Fenster, das nach wie vor
existiert, nicht das Licht entzogen werden dürfen.
Für einen derartigen Anspruch wäre der Beklagte als Zustandsstörer auch
passivlegitimiert, da er die Baumaßnahmen seiner Nutzer geduldet hat.
Der Senat vermag jedoch nicht festzustellen, dass ein derartiges Lichtrecht für den
Kläger als Eigentümer des Grundstücks …-Straße 18 entstanden wäre.
Nach dem Brandenburgischen Nachbarrechtsgesetz entsteht das Lichtrecht durch
Einwilligung des Nachbarn in die Errichtung eines das Fensterrecht verletzenden
Fensters. Eine derartige Einwilligung liegt nicht vor.
Das Brandenburgische Nachbarrechtsgesetz gewährt ein Lichtrecht aber auch dann,
wenn das Fenster ohne Einwilligung des Nachbarn errichtet worden ist, das Fenster aber
gemäß dem damals geltenden Recht angebracht worden ist. Das damalige Recht ist das
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gemäß dem damals geltenden Recht angebracht worden ist. Das damalige Recht ist das
Recht, das durch die Bestimmungen des Nachbarrechtsgesetzes über das Fenster- und
Lichtrecht ersetzt worden ist. Das sind die einschlägigen Bestimmungen des
bürgerlichen Nachbarrechts. Dabei ist der Ausdruck „bisheriges Recht“ dahin zu
verstehen, dass damit das Recht gemeint ist, das jeweils im Zeitpunkt der Anbringung
der Fenster galt, nicht etwa das Recht, das am Tag vor Inkrafttreten des BbgNRG in Kraft
war (Dehner NachbarR B § 25 II, 2. a). In Brandenburg war als bisheriges Recht im
Zeitpunkt der Anbringung des Fensters im Jahr 1974 das pr. ALR maßgeblich. Danach
konnte ein jeder Fenster in seine eigene Mauer oder Wand machen, um Licht in sein
Gebäude zu bringen (I 8 § 137). Für ein Fenster in einer Grenzwand galt, dass es, wo es
die Umstände gestatteten, sechs Fuß – also wenigstens 1,50 m - vom Boden des
Zimmers erhöht sein musste; zudem musste es mit einem Eisen- oder Drahtgitter
verwahrt sein (§ 138). Diesen Vorgaben wird das tatsächlich in einer Höhe von 0,80 m
über dem Fußboden angebracht Fenster nicht gerecht. Es entsprach damit nicht dem
damaligen Nachbarrecht. Da es für das Entstehen eines Lichtrechts aber allein darauf
ankommt, ist es unbeachtlich, dass die Fenster gemäß § 142 prALR nach 10-jährigem
oder längerem Bestand in Fällen, in denen sie der Lichtzuführung dienten, ein Lichtrecht
begründeten. Denn gemäß § 20 BbgNRG ist das Lichtrecht nur bei rechtmäßig
angebrachten, also im Zeitpunkt ihrer Errichtung rechtmäßigen, Fenstern geschützt.
Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass dem Nachbarn am 4. Oktober
1974 für das Fenster eine Zustimmung nach der BevölkerungsbauwerkeVO 1972 erteilt
worden war. Dies auch dann nicht, wenn unter dem bisherigen Recht auch das
öffentliche Baurecht zu verstehen sein sollte (Postier, NachbarR in BRB, 4. Aufl. § 20
4.2.), obwohl es durch das BbgNRG weder aufgehoben noch ersetzt wurde und damit
auch nicht als das bisherige (d.h. durch das NRG aufgehobene und ersetzte) Recht
verstanden werden kann. Denn in diesem Fall wäre bei der Auslegung der erteilten
Bauzustimmung die nachbarschützende Vorschrift des § 354 Abs. 2 DBO 1958
hinzuzuziehen, wonach die staatliche Bauaufsicht die Schließung der Öffnung anordnen
oder fordern konnte, wenn später eine Grenzbebauung auch auf dem
Nachbargrundstück vorgenommen werden sollten oder sonstige Beeinträchtigungen für
das Nachbargrundstück entstehen. Damit stand die Zustimmung von vorneherein von
Gesetztes wegen unter dem Vorbehalt der möglichen späteren Anordnung einer
Schließung des Fensters bei Kollision mit dem Nachbarrecht. Dann kann eine derartige
Genehmigung aber nicht als eine solche im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 BbgNRG
angesehen werden, die in der Lage wäre, dem Kläger ein Lichtrecht zu verschaffen (so
auch im Ergebnis Postier, a.a.O.).
2) Der Kläger kann sein Verlangen auf Beseitigung der Mauer im Fensterbereich auch
nicht darauf stützen, dass der Beklagte auf Grund des nachbarrechtlichen
Gemeinschaftsverhältnisses nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verpflichtet gewesen
sei, bei der von ihm geduldeten Rekonstruktion des Pavillons durch seine Nutzer zu
verhindern, dass das Fenster zugebaut wird.
Bei dem Gebot zu gegenseitiger nachbarlicher Rücksichtnahme und Toleranz handelt es
sich um einen Rechtsgrundsatz, der auf aus zwingenden Gründen gebotene
Ausnahmefälle beschränkt ist. Das Rechtsinstitut des nachbarrechtlichen
Gemeinschaftsverhältnisses dient danach nur in Extremfällen als Korrektiv nach Treu
und Glauben zur einzelfallgerechten Bewältigung atypischer nachbarlicher
Interessenkonflikte (BGH NJW-RR 2001, 232, 233). Die Rechtsprechung hat dies für Fälle
erwogen, in denen ein Bauvorhaben ungewöhnlich schwere Nachteile (die umfangreiche,
folgenschwere Verbauung von Fenstern etwa) für den Nachbarn nach sich zieht (BGH LM
Nr. 2 zu 903 BGB).
Mit Urteil vom 11. Juli 2003 hat der Bundesgerichtshof (NJW-RR 2003, 1313, 1314) einem
Hauseigentümer unter der Voraussetzungen, dass sich das Bauvorhaben nicht auf eine
andere, dem Nachbarn zumutbare Weise verwirklichen lasse, einen Anspruch darauf
gegeben, dass sein Fenster durch den Nachbar nicht verbaut wird. Er hat auch hier
ausgeführt, dass sich der Gedanke des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses,
der ein Anwendungsfall des § 242 BGB sei, nur in Ausnahmefällen, bei Vorliegen
besonderer, vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Umstände anwenden lasse. Diese
besonderen Umstände hat der Bundesgerichtshof in der Tatsache gesehen, dass die
beiden benachbarten Grundstücke früher in einer Hand, nämlich der der Kläger waren,
und zudem der Veräußerer geglaubt hatte, er sei durch öffentlich rechtliche
(denkmalschutzrechtliche) Vorschriften hinreichend gegen einen Verbau der Fenster
geschützt und benötige daher eine privatrechtliche Absicherung nicht.
Eine vergleichbare Situation liegt hier nicht vor.
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Zwar konnten seinerzeit die berechtigten Interessen des Nachbarn nicht grob verletzt
werden, weil es sich bei dem Grundstück …-Straße 17 um ein Westgrundstück handelte
und sich zudem der Pavillon in einem baufälligen Zustand befand und deswegen auf
absehbare Zeit nicht nutzbar war. Vor allem aber war eine grobe Verletzung der
Interessen das Nachbarn deswegen ausgeschlossen, weil die Zustimmung zur
Errichtung des Fensters gemäß § 5 Abs. 3 Satz 2 BevölkerungsbauwerkeVo 1972
unbeschadet der Rechte Dritter erteilt worden war und zudem unter dem Vorbehalt des
§ 254 Abs. 2 DBO stand.
Dem stand das Interesse des Bauherrn neben dem damals maßgeblichen
gesellschaftsrechtlichen Interesse an der Schaffung zusätzlichen Wohnraums
gegenüber.
Nunmehr haben sich die Verhältnisse derart verändert, dass sie mit den damaligen nicht
verglichen werden können. Der Kläger hat sein Haus komplett umgestaltet. Hinter dem
Fenster befindet sich kein Wohnraum mehr, auf den er oder sein Mieter dringend
angewiesen wäre. Durch die Mauer vor dem Fenster wird dem Kläger zwar die natürliche
Beleuchtung des Badezimmers mit WC genommen. Dies fällt jedoch gegenüber der
ungestörten Nutzung des Grundstücks unter Einschluss des Pavillons, die dem
Beklagten bzw. seinen Grundstücksnutzern mit dem Badezimmer-/WC-Fenster so nicht
möglich wäre, schon deshalb nicht sonderlich ins Gewicht, weil es nur um ein (und nicht
um mehrere) Fenster geht, kein Wohnraum im engeren Sinne betroffen ist und auch
wegen des Pavillondaches das eingebaute Fenster keinen wesentlichen natürlichen
Lichteinfall ermöglichte. Dass den Kläger durch die Vermauerung des Fensters
ungewöhnlich schwere Nachteile treffen könnten, er insbesondere hierdurch erhebliche
finanzielle Nachteile erleiden könnte, ist danach nicht ersichtlich, zumal auch hier zu
berücksichtigen ist, dass die Zustimmung nach der BevölkerungsbauwerkeVO 1972
ohnehin unbeschadet der Rechte des Nachbarn erteilt worden war und aus diesem
Grund ein Vertrauen des Klägers in den Bestand des Fensters nicht gerechtfertigt war.
3. Die Feststellungsklage hat aus den genannten Gründen, die für den
Schadensersatzanspruch aus §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB, 20 Abs. 2 BbgNRG
entsprechend gelten, keinen Erfolg.
4. Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 97, 708 Ziffer 10, 713 ZPO.
Streitwert: 6.000 €
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