Urteil des OLG Brandenburg vom 15.12.2005

OLG Brandenburg: mehrheit, parteifähigkeit, widerklage, rechtsprechungsänderung, verwaltung, link, sammlung, quelle, anschrift, gesellschaft

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 W 12/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 1008 RVG,
§ 2 Abs 2 S 1 Anl 1 Nr 3100 RVG
Rechtsanwaltskosten: Mehrvertretungszuschlag bei Vertretung
einer Wohnungseigentümergemeinschaft
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des
Landgerichts Potsdam vom 15.12.2005 – 2 O 145/05 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert beträgt 451,01 Euro
Gründe
I.
Die Kläger sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die aus 43
Miteigentümern besteht, und haben in dieser Eigenschaft nach Durchführung eines
selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Berlin am 14.7.2004 Klage
erhoben. Die Beklagte hat Widerklage erhoben, die sie gegen die Kläger gerichtet hat.
Die Parteien schlossen am 1.9.2005 vor dem Landgericht einen Vergleich, nach dessen
Kostenregelung von den Kosten des Rechtsstreits, des selbständigen Beweisverfahrens
vor dem Landgericht Berlin und des Vergleichs die Kläger 60 %, die Beklagte 40 %
tragen sollten.
Der Rechtspfleger des Landgerichts hat mit Beschluss vom 15.12.2005 von der
Beklagten an die Kläger zu erstattende Kosten auf insgesamt 1.213,97 Euro festgesetzt
und im Rahmen der Ausgleichung die von den Klägern geltend gemachte 2,0
Erhöhungsgebühr gemäß Nr. 1008 VV RVG in Höhe von 972,00 Euro zzgl.
Mehrwertsteuer berücksichtigt.
Gegen diesen Beschluss, der ihr am 20.12.2005 zugestellt worden ist, wendet sich die
Beklagte mit ihrer am 27.12.2005 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde,
mit der sie sich gegen die Berücksichtigung der Erhöhungsgebühr wendet. Sie beruft
sich dabei auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 2.6.2005, wonach die
Wohnungseigentümergemeinschaft rechtsfähig ist, soweit sie bei der Verwaltung des
gemeinschaftlichen Eigentums am Rechtsverkehr teilnimmt,
Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 19.1.2006 dem Rechtsbehelf nicht
abgeholfen und ihn dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung
vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und
2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig.
Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Landgericht
zugunsten der Kläger einen Mehrvertretungszuschlag gemäß Nr. 1008 VV RVG
berücksichtigt.
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 BRAGO erhielt der Rechtsanwalt, wenn er in derselben
Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wurde, die Gebühren nur einmal. Nach § 6
Abs. 1 Satz 2 BRAGO erhöhte sich jedoch die Prozessgebühr durch jeden weiteren
Auftraggeber um 3/10, wenn der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe war,
mehrere Erhöhungen durften den Betrag von zwei vollen Gebühren nicht übersteigen.
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mehrere Erhöhungen durften den Betrag von zwei vollen Gebühren nicht übersteigen.
Der Rechtsanwalt, der eine Wohnungseigentümergemeinschaft vertrat, konnte eine
erhöhte Prozessgebühr geltend machen, weil eine Wohnungseigentümergemeinschaft
eine Mehrheit von Auftraggebern darstellt (BGH, Urteil vom 6.10.1983, III ZR 109/82,
JurBüro 1984, 377, zitiert nach Juris).
Mit dem Inkrafttreten des RVG am 1.7.2004 hat sich an dieser Rechtslage nichts
geändert. Nr. 1008 VV RVG entspricht fast wörtlich den vorstehend wiedergegebenen
Regelungen von § 6 Abs. 1 BRAGO.
Auch im vorliegenden Kostenfestsetzungsverfahren sind die Kläger als eine Mehrheit von
Auftraggebern zu behandeln, so dass im Rahmen der Kostenausgleichung zu ihren
Gunsten ein Mehrvertretungszuschlag zu berücksichtigen ist.
Das Gegenteil ergibt sich nicht aus dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom
2.6.2005 (V ZB 32/05, NJW 2005, 2061, zitiert nach Juris).
Der Beklagten ist zuzugeben, dass wegen dieser Entscheidung des BGH alles dafür
spricht, dass ein Mehrvertretungszuschlag künftig nicht mehr als erstattungsfähig
angesehen werden kann, wenn eine Wohnungseigentümergemeinschaft im Prozess als
Verband Rechte aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums geltend macht.
Diese Frage braucht hier jedoch nicht entschieden zu werden.
Denn jedenfalls im vorliegenden Verfahren sind die Kläger nicht als Verband aufgetreten.
Sie haben im Jahre 2004, weit vor der Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur
Teilrechtsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaft, ausdrücklich nicht als
Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern als Mitglieder einer
Wohnungseigentümergemeinschaft Klage erhoben und alle Miteigentümer namentlich
benannt. Sie haben sich selbst als Kläger - nicht als Klägerin - bezeichnet. Sie haben
auch nicht eine einheitliche ladungsfähige Anschrift angegeben, sondern insgesamt 43
Anschriften. Das hat auch die Beklagte so verstanden, schließlich hat sie die Widerklage
nicht gegen "die Klägerin", sondern gegen die "Kläger als Gesamtschuldner" gerichtet.
Die Kläger mussten auch auf diese Weise Klage erheben, weil es der bis zur
Entscheidung des BGH vom 2.6.2005 überwiegenden Auffassung entsprach, dass die
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht rechtsfähig sei (vgl. die Nachweise in
BGH, Beschluss vom 2.6.2005, V ZB 32/05, NJW 2005, 2061, zitiert nach Juris).
In einem derartigen Fall kann eine spätere Rechtsprechungsänderung nicht dazu führen,
dass im Rahmen der Kostenerstattung eine tatsächlich existierende Mehrheit von
Klägern wie ein einziger Auftraggeber behandelt wird.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des
Beschwerdewertes beruht auf den §§ 47 Abs. 1 GKG, 3 ZPO (40 % von 972,00 Euro zzgl.
Mehrwertsteuer).
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2
ZPO nicht vorliegen. Die Frage, welche Auswirkungen eine nach Klageerhebung bzw.
sogar kurz vor der Klageerhebung eingetretene Rechtsprechungsänderung zur
Parteifähigkeit auf die Kostenerstattung hat, ist höchstrichterlich bereits geklärt. So hat
der Bundesgerichtshof ausdrücklich in einem Fall, in dem die Klageerhebung wegen der
bisher herrschenden Rechtsauffassung zur fehlenden Parteifähigkeit einer BGB-
Gesellschaft durch eine Mehrheit von Auftraggebern erfolgte, einen
Mehrvertretungszuschlag als gerechtfertigt angesehen (BGH, Beschluss vom 18.6.2002,
VIII ZB 6/02, NJW 2002, 2958, zitiert nach Juris). Nichts anderes kann im vorliegenden Fall
gelten.
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