Urteil des OLG Brandenburg vom 13.07.2005

OLG Brandenburg: bürgschaft, druck, zwangslage, sittenwidrigkeit, leistungsfähigkeit, kreditinstitut, link, sammlung, quelle, anfang

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 3.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 W 57/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 138 Abs 1 BGB, § 765 BGB
Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft wegen krasser Überforderung
des einkommensschwachen Bürgen: Erforderlichkeit der
Gläubigerkenntnis; Abdeckung der Bürgschaftssumme durch
den Wert des Eigenheims des Bürgen; Verbindlichkeit der
Angaben des Bürgen in seiner Selbstauskunft; Unlauterkeit des
Bürgschaftsverlangens der Bank
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 29.07.2005 gegen den Beschluss des
Landgerichts Potsdam vom 13.07.2005 - 8 O 525/04 - in Gestalt des
Nichtabhilfebeschlusses vom 19.09.2005 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die nach § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde
bleibt ohne Erfolg.
Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht die Erfolgsaussichten (§ 114 ZPO) der
Klageverteidigung verneint.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hängt die Anwendung des §
138 Abs. 1 BGB auf von Kreditinstituten mit privaten Sicherungsgebern geschlossene
Bürgschafts- oder Mithaftungsverträge regelmäßig entscheidend vom Grad des
Missverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen
Leistungsfähigkeit des dem Hauptschuldner persönlich nahestehenden Bürgen oder
Mitverpflichteten ab. Zwar reicht selbst der Umstand, dass der Betroffene
voraussichtlich nicht einmal die von den Darlehensvertragsparteien festgelegte Zinslast
aus dem pfändbaren Teil eines laufenden Einkommens und/oder Vermögens bei Eintritt
des Sicherungsfalls dauerhaft tragen kann, regelmäßig nicht aus, um das Unwerturteil
der Sittenwidrigkeit zu begründen. In einem solchen Fall krasser finanzieller
Überforderung ist aber nach der allgemeinen Lebenserfahrung ohne Hinzutreten
weiterer Umstände widerleglich zu vermuten, dass er die ruinöse Bürgschaft oder
Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner übernommen
und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat (vgl. BGH NJW 2005,
971 m.w.N.).
Ferner muss der Handelnde die Tatsachen, aus denen sich die Sittenwidrigkeit ergibt,
kennen oder sich ihnen bewusst oder grob fahrlässig verschließen (vgl.
Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 138 Rn. 8). Bei der streitgegenständlichen Bürgschaft
der Beklagten vom 25.01./10.02.1999 (vgl. Anlage K 2, Bl. 39 d. GA) lässt sich eine
Kenntnis der Klägerin von der behaupteten krassen finanziellen Überforderung der
Beklagten nicht feststellen. Ein einkommensschwacher Bürge ist wirtschaftlich nicht
krass überfordert, wenn er die gesamte Bürgschaftsschuld voraussichtlich durch
Verwertung ihm gehörender Immobilien zu tilgen vermag (vgl. BGH NJW 2001, 2466). So
lag es hier aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin. Dieser gegenüber hatte die
Beklagte in ihrer Selbstauskunft vom 11.04.1996 ein Immobilienvermögen von
insgesamt 355.000,00 DM angegeben (vgl. Anlage K 11, Bl. 68 d. GA), nämlich eine ihr
gehörende Doppelhaushälfte in B. im Werte von 200.000,00 DM, den hälftigen Anteil
eines Einfamilienhauses in L. mit einem Gesamtwert von 250.000,00 DM sowie den
hälftigen Eigentumsanteil an einem Hektar Gartenland in W., mit einem auf sie
entfallenden Wertanteil von 30.000,00 DM. Dem standen
Immobilienfinanzierungsverbindlichkeiten von 80.000,00 DM gegenüber, die die Klägerin
im Haftungsfalle auszugleichen gehabt hätte. Der verbleibende Wert des
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im Haftungsfalle auszugleichen gehabt hätte. Der verbleibende Wert des
Immobilienvermögens überstieg mit 275.000,00 DM die abgesicherte
Bürgschaftsforderung von 150.000,00 DM deutlich.
Ihre Angaben in der Selbstauskunft vom 11.04.1996, deren Vollständigkeit und
Richtigkeit die Beklagte der Klägerin gegenüber ausdrücklich schriftlich versichert hat
(vgl. Bl. 68 d. GA), muss sie gegenüber der Klägerin gelten lassen, worauf das
Landgericht zutreffend hingewiesen hat (vgl. BGH NJW 2000, 1182).
Die Beklagte kann vorliegend auch nichts daraus herleiten, dass es sich bei der
streitgegenständlichen Bürgschaft vom 25.01./10.02.1999 wirtschaftlich betrachtet um
eine Weiterführung der Personalsicherheit aus der ersten Bürgschaft vom 15.11.1994
(vgl. Anlage B 3, Bl. 88 d. GA) und der sich daran anschließenden Bürgschaft vom
15.12.1997 (vgl. Anlage B 4, Bl. 90 d. GA) gehandelt hat und dass die Klägerin zu einer
Aufrechterhaltung ihres Kreditengagements nur unter der Bedingung des Eingehens der
streitgegenständlichen Bürgschaft aus dem Jahre 1999 bereit gewesen ist. Auch wenn
die Beklagte auf der Grundlage ihres Vorbringens ihre Bürgschaftsverpflichtung 1999
unter seelischem Druck eingegangen ist, weil sie befürchten musste, die Klägerin werde
anderenfalls den dem Ehemann der Beklagten gewährten Krediten zurückfordern oder,
bei dessen fehlender Leistungsfähigkeit, die Beklagte aufgrund ihrer Bürgschaft vom
15.09.1997 in Anspruch nehmen, so gibt dies der Bürgschaft aus dem Jahre 1999 noch
kein anstößiges Gepräge. Eine Bank handelt nicht ohne weiteres sittenwidrig, wenn sie
einen Kredit von einer Bürgschaft abhängig macht (vgl. Palandt/ Heinrichs, BGB, 64.
Aufl., § 138 Rn. 38 f). Das Verlangen der Bank nach einer Bürgschaft in derartigen Fällen
ist nur dann zu beanstanden, wenn das Kreditinstitut die Zwangslage in rechtlich
verwerfbarer Weise begründet oder ausnutzt. Hält sich der von der Bank ausgehende
Druck dagegen im Rahmen der berechtigten Wahrnehmung eigener Interessen, kann ihr
schon ein objektiv unlauteres Handeln nicht vorgehalten werden (vgl. BGH NJW 1997,
1005 m.w.N.). Hier hatte die Klägerin aufgrund der Selbstauskunft der Beklagten vom
11.04.1996 keine Veranlassung anzunehmen, die Zwangslage der Beklagten in rechtlich
verwerflicher Weise begründet zu haben oder auszunutzen. Aus der maßgeblichen Sicht
der Klägerin im Jahre 1999 war ihr Kreditengagement gegenüber dem Ehemann der
Beklagten von Anfang an durch eine solvente Bürgin und damit durchaus banküblich
gesichert. Die Aufrechterhaltung eines Kreditengagements unter Beibehaltung
entsprechender banküblicher Personalsicherungen begründet keinen
Sittenwidrigkeitsvorwurf gegenüber der Klägerin.
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