Urteil des OLG Brandenburg vom 15.01.2007

OLG Brandenburg: rücknahme der klage, anrechenbares einkommen, widerklage, unterhaltspflicht, abweisung, auskunftspflicht, prozesskosten, ermessen, urkunde, berg

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 UF 169/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1605 BGB, § 91 Abs 1 ZPO, §
93 ZPO, § 93d ZPO
Unterhaltsabänderungsklage: Veranlassung zur Klageerhebung
durch einen volljährig gewordenen Unterhaltsberechtigten
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 24. Juli 2006 verkündete Urteil des
Amtsgerichts Eberswalde teilweise abgeändert.
Der Kläger wird unter Abänderung der Urkunde des Jugendamtes des Landkreises B.
vom 11. Juli 1995 (Beurk.-Reg.-Nr. 605/95) verurteilt, an die Beklagte ab Dezember 2005
monatlichen Unterhalt von 164 €, jeweils monatlich im Voraus bis zum dritten Werktag
eines jeden Monats, zu zahlen.
Die erstinstanzlichen Kosten werden dem Kläger zu 71 % und der Beklagten zu 29 %
auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
Nachdem die durch das angefochtene Urteil ausgesprochene Abweisung der Widerklage
im Berufungsverfahren nicht angegriffen worden ist, die Beklagte vielmehr den
geänderten Klageantrag anerkannt hat, ist über die Abänderungsklage des Klägers
durch Anerkenntnisurteil zu entscheiden. Dabei ist auch über die Kosten des
Rechtsstreits zu befinden. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu
tragen. Die erstinstanzlichen Kosten sind dem Kläger zu 71 % und der Beklagten zu 29
% aufzuerlegen.
I.
Mit Schriftsatz vom 14.11.2006 hat die Beklagte ausdrücklich die abgeänderte
Klageforderung anerkannt. Damit hat sie hinreichend deutlich gemacht, nicht etwa nur
den Rechtsmittelantrag des Klägers anzuerkennen (vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, ZPO,
26. Aufl., Vor § 306, Rz. 4 sowie § 307, Rz. 3), sondern den Klageantrag in der
geänderten Form. Eine Verurteilung kann entsprechend diesem Anerkenntnis erfolgen.
Einer mündlichen Verhandlung bedarf es gemäß § 307 Satz 2 ZPO in der seit dem
1.9.2004 geltenden Fassung nicht mehr (vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 307, Rz.
5).
II.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte allein zu tragen, da sie insoweit
vollständig unterlegen ist, § 91 Abs. 1 ZPO. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im
Hinblick auf die Sondervorschriften der §§ 93 d, 93 ZPO.
1. Gemäß § 93 d ZPO können in einem Verfahren, das die gesetzliche Unterhaltspflicht
betrifft, die Kosten der in Anspruch genommenen Partei nach billigem Ermessen ganz
oder teilweise auferlegt werden, wenn sie zu dem Verfahren dadurch Anlass gegeben
hat, dass sie der Verpflichtung, über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu
erteilen, nicht oder nicht vollständig nachgekommen ist. Ob diese Vorschrift vorliegend
überhaupt zu Lasten des Klägers Anwendung finden kann, obwohl er, von der später
eingelegten Widerklage abgesehen, nicht in Anspruch genommen worden ist, sondern
vielmehr die Beklagte auf Abänderung des bestehenden Unterhaltstitels in Anspruch
genommen hat, kann dahinstehen. Denn jedenfalls hat er nicht durch Verletzung der
Auskunftspflicht in der Weise Anlass zum Verfahren gegeben, dass ihm die Kosten nach
billigem Ermessen ganz oder teilweise aufzuerlegen wären. Eine Verletzung der
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billigem Ermessen ganz oder teilweise aufzuerlegen wären. Eine Verletzung der
Auskunftspflicht, die den Kläger gegenüber der Beklagten grundsätzlich nach § 1605
BGB trifft, ist nicht ersichtlich. Dass die Beklagte den Kläger vorprozessual, sei es zur
Abwehr von dessen Abänderungsverlangen, sei es auch mit dem Ziel, zukünftig höheren
Unterhalt verlangen zu können, zur Auskunft über sein Einkommen aufgefordert hat, ist
weder vorgetragen, noch sonst ersichtlich. In dem allein zur Akte gereichten Schreiben
der Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 29.11.2005 ist von einer zu erteilenden
Auskunft nicht die Rede.
2. Gemäß § 93 ZPO fallen die Prozesskosten dem Kläger zur Last, wenn der Beklagte
nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben und den
Anspruch sofort anerkannt hat. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.
a) Die Beklagte hat zur Klage Veranlassung gegeben. Das ist immer dann der Fall, wenn
der Kläger auf Grund des Verhaltens des Beklagten vor Prozessbeginn ohne Rücksicht
auf Verschulden und materielle Rechtslage annehmen musste, er werde ohne Klage
nicht zu seinem Recht kommen (Zöller/Herget, a.a.O., § 93, Rz. 3). So liegt es hier.
Mit Anwaltschreiben vom 28.11.2005 hat der Kläger die Beklagte unter Hinweis auf die
inzwischen eingetretene Volljährigkeit aufgefordert, ihm bis zum 29.11.2005 zu erklären,
dass aus der Jugendamtsurkunde keine weitere Zwangsvollstreckung betrieben würde
und aus der Urkunde auch keine Ansprüche mehr hergeleitet würden. Mit weiterem
Anwaltschreiben vom 28.11.2005 hat der Kläger darüber hinaus auf die Mithaftung des
anderen Elternteils nach Vollendung des 18. Lebensjahres hingewiesen und die Beklagte
aufgefordert, Auskunft über ihr eigenes Einkommen und dasjenige ihrer Mutter zu
erteilen. Die Beklagte hat mit Anwaltschreiben vom 29.11.2005 lediglich auf die
Vorschrift des § 798 a ZPO verwiesen und erklärt, dass sie als Abiturientin über kein
anrechenbares Einkommen verfüge und die Vollstreckungsmaßnahmen bei freiwilliger
Zahlung aufgehoben würden. Angesichts dessen musste der Kläger davon ausgehen,
dass er ohne Klageerhebung nicht zum Ziel kommt.
Auf die Frage, ob eine Herabsetzung der Unterhaltspflicht nach materiellem Recht
vorzunehmen ist, kommt es, wie bereits ausgeführt, nicht an. Nur vorsorglich wird daher
darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Senats das auf Abänderung in
Anspruch genommene volljährige Kind die Darlegungs- und Beweislast bezüglich des
Einkommens und damit des Haftungsanteils des nicht am Prozess beteiligten Elternteils
trägt (Senat, FamRZ 2003, 48, 49; FamRZ 2004, 552, 553; ebenso KG, FamRZ 1989,
1206, 1207; FamRZ 1994, 765, 766; OLG Hamm, FamRZ 2000, 904; OLG Köln, FamRZ
2000, 1043 f.; Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6.
Aufl., § 2, Rz. 451; a. A. OLG Zweibrücken, FamRZ 2001, 249; OLG Hamburg, FamRZ
1993, 1475; Wendl/Dose, a.a.O., § 6, Rz. 726).
b) Da die Beklagte zur Klageerhebung Veranlassung gegeben hat, bedarf es keiner
Entscheidung darüber, ob ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO vorliegt.
Zweifel sind deshalb angebracht, weil das Anerkenntnis erstmals im Berufungsrechtszug
erklärt worden ist. Ob allein der Umstand, dass der Kläger in der Berufungsbegründung
ergänzende Angaben zu seinem Einkommen gemacht und die Gewinnermittlungen für
die Jahre 2003 und 2004 vorgelegt hat, dazu führt, dass sein Abänderungsbegehren erst
jetzt als hinreichend belegt erscheint (vgl. hierzu Zöller/Herget, a.a.O., § 93, Rz. 6
"Unterhaltssachen"), bedarf keiner Entscheidung. Gleiches gilt hinsichtlich der Frage, ob
bei einer teilweisen Klagerücknahme, wie vorliegend, ebenso wie bei einer vollständigen
Klageänderung ein sofortiges Anerkenntnis auch noch möglich ist, wenn zunächst
Abweisung der ursprünglichen Klage beantragt worden war (vgl. hierzu Zöller/Herget,
a.a.O., § 93, Rz. 4 a. E.).
III.
Die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens sind zu quoteln. Der Kläger hat insoweit 71
%, die Beklagte 29 % zu tragen.
1. Die Frage des Unterliegens im Sinne der §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO ist im
Berufungsrechtszug grundsätzlich anhand der Entscheidung, die das Berufungsgericht
getroffen hat, zu beurteilen. Demnach geht es entsprechend dem Anerkenntnis der
Beklagten um die Herabsetzung des titulierten Unterhalts von rund 196 € auf 164 €.
2. Soweit es die erstinstanzlichen Kosten betrifft, ist zu berücksichtigen, dass die
Parteien in erster Instanz andere Anträge gestellt haben als im Berufungsverfahren. Vor
dem Amtsgericht hat der Kläger noch beantragt, den mit rund 196 € monatlich
titulierten Unterhalt vollständig entfallen zu lassen. Die Beklagte hat mit einer
Widerklage begehrt, den titulierten Unterhalt auf 208 € monatlich anzuheben.
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Bei teilweiser Rücknahme der Klage sind die Kosten grundsätzlich zu quoteln
(Zöller/Greger, a.a.O., § 269, Rz. 19 a). Entsprechend sind im vorliegenden Fall die
Kosten auf beide Parteien zu verteilen, wobei hinsichtlich des zurückgenommenen Teils
die Kosten dem Kläger, im Übrigen aber, da sie mit ihrem Begehren nicht
durchgedrungen ist, der Beklagten aufzuerlegen sind. Bei der Quotelung ist zunächst zu
errechnen, welche Kosten dem Kläger entstanden wären, wenn von vornherein nur ein
beschränkter Antrag, wie nun im Berufungsrechtszug, gestellt worden wäre; alsdann ist
der sich so ergebende Betrag mit den tatsächlich entstandenen Kosten zu vergleichen
(Senat, Beschluss vom 13.6.2002 - 10 UF 3/02 -; vgl. auch Berg/Zimmermann,
Gutachten und Urteil, 17. Aufl., S. 81 f.; Anders/Gehle, Antrag und Entscheidung im
Zivilprozess, 3. Aufl., Teil B, Rz. 404, 410 ff.).
a) Tatsächlich entstanden sind Kosten für die Klage, mit der vollständiger Wegfall der
Unterhaltspflicht begehrt worden ist, und für die Widerklage, mit der eine geringfügige
Anhebung des Unterhalts verlangt worden ist. Die mit Klage und Widerklage geltend
gemachten Ansprüche sind gemäß § 45 Abs. 1 GKG zusammenzurechnen, da es sich
um verschiedene Streitgegenstände handelt (vgl. Verfahrenshandbuch Familiensachen -
FamVerf -/Gutjahr, § 1, Rz. 624). Der Wert für die Klage beläuft sich gemäß § 42 Abs. 1
GKG auf 2.352 € (12 Monate x 196 €). Bei der Widerklage ist, da Abänderung ab
Dezember 2005 begehrt worden ist (Bl. 31) und der Monat der Klageeinreichung zum
Rückstand im Sinne von § 42 Abs. 5 GKG zählt (vgl. Senat, FamRZ 2004, 962;
FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 619) vom Unterschiedsbetrag zwischen dem bisher titulierten
und dem künftig verlangten Unterhalt (vgl. FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 624) für 13 Monate
auszugehen. Es ergibt sich insoweit ein Wert von 156 € [= 13 Monate x (208 € - 196 €)].
Insgesamt errechnet sich ein Wert von 2.508 € (= 2.352 € + 156 €).
Bei diesem Streitwert ergeben sich Gerichtskosten von 267 € (= 3 Gebühren nach KV
1210 x 89 €). Hinzuzusetzen sind die außergerichtlichen Kosten, nämlich für die Anwälte
jeweils eine 1,3-Verfahrensgebühr nach VV 3100 und eine 1,2-Terminsgebühr nach KV
3104, insgesamt also 2,5-Gebühren. Unter Berücksichtigung der Postpauschale von 20 €
nach VV 7002 und 16 % MwSt., wie sie auf Grund der Entstehung der Gebühren vor dem
1.1.2007 zu berücksichtigen sind, ergeben sich für beide Anwälte insgesamt Kosten von
1.142,60 € [= (2,5-Gebühren x 189 € + 20 €) x 1,16 x 2 Anwälte]. Die Kosten stellen sich
somit insgesamt auf 1.409,60 € (= 267 € + 1.142,60 €).
b) Wenn der Kläger sein Abänderungsbegehren in erster Instanz sogleich auf einen
Betrag von 164 € beschränkt hätte, wäre neben dem Wert für die Widerklage von 156 €
noch für die Klage ein Wert von 384 € [= 12 Monate x (196 € - 164 €)] zu
berücksichtigen, insgesamt also 540 €. Bei einem solchen Streitwert wäre von deutlich
niedrigeren Gebühren auszugehen. Es ergäben sich Gerichtsgebühren von 105 € (= 3 x
35 €). Die außergerichtlichen Kosten stellten sich auf 307,40 € [= (2,5-Gebühren x 45 €
+ 20 €) x 1,16 x 2 Anwälte]. Es wären insgesamt Prozesskosten von 412,40 € angefallen.
c) Sind nach alledem in erster Instanz Kosten von 1.409,60 € entstanden, während es
bei sogleich ermäßigter Klage lediglich 412,40 € wären, hat die Differenz von 997,20 €
der Kläger allein zu tragen. Dies macht einen Kostenanteil von rund 71 % (= 997,20 € :
1.409,60 €) aus. Die übrigen Kosten, nämlich 29 %, sind der Beklagten aufzuerlegen.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 1, 10, 713
ZPO.
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