Urteil des OLG Brandenburg vom 23.03.2006

OLG Brandenburg: herausgabe, eigentumserwerb, entwendung, unmöglichkeit, diebstahl, mieter, halle, einzelrichter, ergänzung, eigenschaft

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 7.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
7 U 71/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 275 BGB, § 433 BGB, § 546
BGB, § 535 BGB, § 286 ZPO
Kauf einer gemieteten Sache durch den Mieter; Beurteilung der
Glaubhaftigkeit der Aussage eines Zeugen
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das 23.3.2006 verkündete Urteil der Einzelrichterin
der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A. GmbH und hat den
Beklagten in dieser Eigenschaft auf Herausgabe eines Minibaggers vom Typ JCB 8017 in
Anspruch genommen. Der Minibagger wurde dem Beklagten von der Schuldnerin gemäß
schriftlichem Vertrag vom 25.2.2002 für die Zeit vom 1.3.2002 bis zum 28.2.2005
vermietet.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, den Minibagger JCB 8017, Seriennummer 0800477,
Motornummer U132287G, einschließlich Tieflöffel, Bedienungs- und Wartungsanleitung
sowie Zünd- und Türschlüssel an ihn herauszugeben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat die Aktivlegitimation des Klägers bestritten und behauptet, an dem
Minibagger Eigentum erworben zu haben. Außerdem hat er geltend gemacht, die
Herausgabe des Minibaggers sei ihm unmöglich, da ihm dieser im Februar 2005
gestohlen worden sei.
Das Landgericht hat gemäß Beschluss vom 13.12.2005 Beweis über den behaupteten
Diebstahl des Minibaggers erhoben.
Mit dem am 23.3.2006 verkündeten Urteil hat das Landgericht der Klage stattgegeben.
Es hat einen Herausgabeanspruch des Klägers nach § 546 Abs. 1 BGB in Verbindung mit
§ 80 Abs. 1 InsO angenommen. Unmöglichkeit liege nicht vor, weil der Beklagte den
Diebstahl des Minibaggers nicht habe beweisen können.
Das Urteil des Landgerichts ist dem Beklagten am 27.3.2006 zugestellt worden. Er hat
gegen das Urteil am 6.4.2006 Berufung eingelegt, die er am 26.5.2006 begründet hat.
Mit der Berufung will der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.
In Ergänzung seines Vortrages zum Eigentumserwerb in erster Instanz verweist der
Beklagte auf sein Schreiben vom 15.9.2004 an die Schuldnerin, mit dem er das
vereinbarte Recht zur käuflichen Übernahme gemäß § 4 des Mietvertrages ausgeübt
habe.
Im Übrigen habe das Landgericht verkannt, dass ihm die Herausgabe des Minibaggers
wegen des Diebstahls unmöglich sei.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des am 23.3.2006 verkündeten Urteils des Landgerichts
Potsdam abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Einzelrichter hat Beweis erhoben zu der behaupteten Vereinbarung über eine
Übereignung des Minibaggers nach Ablauf der Mietzeit und zu dem vom Beklagten
behaupteten Diebstahl des Minibaggers.
II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Die Klage ist begründet.
Der Kläger hat in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter Anspruch auf Herausgabe
des Minibaggers, der Gegenstand des Mietvertrages der Schuldnerin mit dem Beklagten
vom 25.2.2002 ist. Dieser Anspruch ergibt sich - wie vom Landgericht in der
angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegt - aus § 546 Abs. 1 BGB in Verbindung mit
§ 80 Abs. 1 InsO.
Danach ist der Beklagte als Mieter verpflichtet, den Minibagger nach Beendigung des
Mietverhältnisses an den Kläger als Verwalter des Vermögens der Schuldnerin
herauszugeben. Die Mietzeit endete gemäß § 2 Abs. 1 des Mietvertrages am 28.2.2005.
1. Der Herausgabeanspruch nach § 546 Abs. 1 BGB entfällt nicht deshalb, weil der
Minibagger nach Ablauf der Mietzeit in das Eigentum des Beklagten übergegangen wäre.
a) Der Beklagte hat den Eigentumserwerb zunächst mit der Behauptung begründet, er
habe mit der Schuldnerin, der A. GmbH, bei Abschluss des Mietvertrages vom 25.2.2002
vereinbart, dass der Beklagte mit Zahlung der letzten Miete in jedem Fall das Eigentum
an dem streitgegenständlichen Minibagger erwerben sollte. Diesen Sachverhalt hat der
Beklagte nicht beweisen können.
Der vom Einzelrichter des Senates hierzu vernommene Zeuge S. hat zwar bekundet, er
sei in der Zeit seit dem Jahr 2000 bis zum August 2001 für die Schuldnerin als
Außendienstmitarbeiter tätig gewesen. Ihm sei auch erinnerlich, dass er in dieser Zeit
einen Vertrag mit dem Beklagten geschlossen habe, den er als Mietkaufvertrag
bezeichnen würde. Dieser Vertrag habe vorgesehen, dass mit Zahlung der letzten Miete
das Eigentum an dem Vertragsobjekt auf den Mietkäufer übergehen sollte. Diese
Aussage ist jedoch nicht geeignet, im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 286 Abs. 1
ZPO die Überzeugung zu gewinnen, dass die von ihm behauptete Vereinbarung mit der
Schuldnerin, vertreten durch den Zeugen S., getroffen wurde.
Nimmt man den Zeugen beim Wort, war er lediglich bis zum August 2001 für die
Schuldnerin als Außendienstmitarbeiter tätig. Der streitbefangene Vertrag wurde jedoch
am 25.2.2002 geschlossen. Auch wenn davon auszugehen sein könnte, dass sich der
Zeuge hinsichtlich der Dauer seiner Tätigkeit für die Schuldnerin lediglich irrte, überzeugt
seine Aussage nicht. Zum einen wirft der Irrtum hinsichtlich der Dauer der Tätigkeit für
die Schuldnerin die Frage auf, wie zuverlässig die Erinnerung des Zeugen hinsichtlich des
eigentlichen Vertragsschlusses ist.
Zum anderen weicht die bekundete mündliche Vereinbarung inhaltlich deutlich von dem
vorgelegten schriftlichen Vertrag ab. Dieser wird nicht als Mietkaufvertrag, sondern als
Mietvertrag bezeichnet. Dem Beklagten wurde mit § 4 des Vertrages lediglich eine
Kaufoption eingeräumt, deren Ausübung durch schriftliche Erklärung gegenüber der
Schuldnerin "Ziffer 2 Monate vor Ablauf der vereinbarten Mietzeit" erfolgen musste.
Gegebenenfalls war ein Kaufpreis von 140 € netto zu zahlen. Das Eigentum sollte erst
nach Zahlung dieses Rechtskaufpreises auf den Beklagten übergehen.
Der Zeuge S. hat die Diskrepanz der schriftlichen vertraglichen Bestimmungen und der
von ihm bekundeten Vereinbarung zum Übergang des Eigentums nicht überzeugend
begründen können. Er hat zwar ausgesagt, die Vertragsgestaltung eines Mietkaufes sei
damals üblich gewesen. Er hat jedoch nicht darlegen können, warum die Verträge
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damals üblich gewesen. Er hat jedoch nicht darlegen können, warum die Verträge
gegebenenfalls als Mietverträge gestaltet waren. Er hat nach eigenen Angaben an den
Inhalt der Verträge keine Erinnerung mehr gehabt.
Auch wenn man davon ausgeht, dass der Zeuge, der möglicherweise den vorliegenden
Vertrag im Auftrag der Schuldnerin unterschrieb, befugt war, in Vertretung der
Schuldnerin abweichende vertragliche Vereinbarungen zu treffen, hätte es nahe
gelegen, diese in dem Vertrag schriftlich festzuhalten. Tatsächlich weist der schriftliche
Vertrag eine handschriftliche Ergänzung auf, gemäß der dem Beklagten bei vorzeitiger
Rückgabe des Minibaggers im ordnungsgemäßen Zustand keine weitere Kosten
entstehen sollten.
Schließlich ist im Rahmen der Würdigung der Aussage des Zeugen S. der
zweitinstanzliche Vortrag des Beklagten zu berücksichtigen, er habe mit Schreiben vom
15.9.2004 an die Schuldnerin von der ihm mit § 4 des Mietvertrages eingeräumten
Kaufoption Gebrauch gemacht.
Auf diesen Widerspruch im Vortrag des Beklagten zum Eigentumserwerb hingewiesen,
hat dieser zwar erläutert, maßgeblich sei sein bisheriger Vortrag. Zu diesem Schreiben
vom 15.9.2004 sei es lediglich deshalb gekommen, weil die Vereinbarung mit dem
Zeugen S. nur mündlich getroffen wurde und der Kläger Beweisprobleme befürchtete.
Die Nachvollziehbarkeit dieser Begründung leidet jedoch darunter, dass der Beklagte -
nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägers - weder in der vorgerichtlichen
Korrespondenz noch im Verlaufe des erstinstanzlichen Verfahrens auf die Ausübung der
Kaufoption hingewiesen hat.
b) Wie vorstehend bereits angesprochen, hat der Beklagte das Eigentum in zweiter
Instanz auch auf die Ausübung der Kaufoption nach § 4 des Vertrages durch Schreiben
vom 15.9.2004 gestützt. Dieser Vortrag führt jedoch nicht zur Darlegung eines
Eigentumserwerbs an dem streitbefangenen Minibagger.
Der entsprechende Vortrag des Beklagten steht bereits in Kontrast zu der
erstinstanzlich vorgetragenen Vereinbarung zum Eigentumserwerb. Er stellt deshalb die
Schlüssigkeit des einschlägigen Sachvortrags des Beklagten insgesamt in Frage. Wie
vorstehend ausgeführt, ist auch die nach Hinweis auf diesen Widerspruch erfolgte
Erläuterung des zweitinstanzlichen Vortrages nicht besonders überzeugend. Dies mag
jedoch dahinstehen.
Der einschlägige Vortrag des Beklagten kann gemäß §§ 529 Abs. 1, 531 Abs. 2 ZPO
keine Berücksichtigung finden. Das Berufungsgericht hat seiner Verhandlung und
Entscheidung neue Tatsachen, also solche, die in erster Instanz noch nicht vorgetragen
worden sind, nur insoweit zugrunde legen, als deren Berücksichtigung zulässig ist. Ein
Zulassungsgrund ist jedoch nicht zu erkennen. Der Erwerb des Eigentums stand bereits
erstinstanzlich in Streit. Bereits der anwaltlich nicht vertretene Beklagte will erkannt
haben, dass er hinsichtlich der Vereinbarung mit dem Zeugen S. Beweisprobleme
bekommen könne. Dies wird auch seinem Verfahrensbevollmächtigten nicht entgangen
sein. Deshalb bestand bereits erstinstanzlich die Notwendigkeit, hilfsweise zur Ausübung
einer Kaufoption vorzutragen. Die Versäumung einer Hinweispflicht des Landgerichts ist
nicht zu erkennen. Außerdem ergibt sich aus der Verfahrensweise des Landgerichts,
dass es nicht von einem Eigentumserwerb des Beklagten an dem Minibagger ausging.
Anderenfalls hätte es keinen Beweis zur Unmöglichkeit der Herausgabe erhoben.
Nur der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der Beklagte für den Zugang
seines Schreibens vom 13.9.2004 bei der Schuldnerin beweisfällig geblieben ist.
2. Der Beklagte kann dem Herausgabeanspruch des Klägers nach § 546 Abs. 1 BGB
auch nicht den Einwand der Unmöglichkeit der Leistung, § 275 Abs. 1 BGB, mit Erfolg
entgegenhalten.
Der Kläger hat die Unmöglichkeit der Herausgabe damit begründet, dass ihm der
Minibagger entwendet worden sei. Diesen Vortrag hat er jedoch nicht beweisen können.
Die hierzu vernommenen Zeugen L. und R. haben zwar bekundet, dass ein JCB-
Minibagger an einem Freitag vor einer Halle auf dem Betriebsgelände des Beklagten
abgestellt wurde. Dies sei notwendig gewesen, weil das Tor der Halle defekt war. Ebenso
haben die Zeugen bekundet, dass der entsprechende JCB-Minibagger am nachfolgenden
Montag nicht mehr da war. Er befand sich nach Angaben des Zeugen R. nicht mehr auf
dem "Trailer", auf dem er abgestellt worden war. Der vorgenannte Zeuge hat am Montag
einen leeren Anhänger vorgefunden. Spuren einer Entwendung seien keine zu sehen
gewesen.
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Die Aussagen der Zeugen erscheinen glaubhaft. Beide Zeugen haben auch keinen
Anlass geboten, an ihrer Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Ihre Aussagen sind jedoch
unergiebig, da sie den Minibagger zuletzt am Freitag Abend vor dem von ihnen
bekundeten Verschwinden sahen. Hinweise auf eine Entwendung fanden sich am
Abstellort nicht. Insofern ist insbesondere auf die Aussage des Zeugen R. abzustellen,
der den Minibagger vor seinem Verschwinden benutzte und an dem Freitag vor dessen
Verschwinden auch auf dem Betriebsgelände abstellte.
Schließlich kann der Beweis des Diebstahls des streitbefangenen Minibaggers auch nicht
durch die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Potsdam zu Az.: 4119 UJs 9771/05
geführt werden. Aus den Akten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen
sind, lässt sich lediglich ersehen, dass der Beklagte die Entwendung des Minibaggers bei
der Polizeiwache R. am 21.2.2005 anzeigte. Ermittlungsergebnisse, die die behauptete
Entwendung beweisen könnten, befinden sich nicht bei den Ermittlungsakten.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Anlass zur Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO besteht nicht.
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