Urteil des OLG Brandenburg vom 01.09.2008

OLG Brandenburg: persönliche eignung, chancengleichheit, amt, treuhänder, verwalter, einfluss, beurteilungsspielraum, kreis, unabhängigkeit, behandlung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
11. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 VA 6/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 56 InsO, § 23 Abs 1 S 1
GVGEG, §§ 23ff GVGEG
Insolvenzverwalterauswahl: Aufnahme eines geeigneten
Bewerbers in die Vorauswahlliste trotz angeblicher
überdurchschnittlicher Belastung mit Regelinsolvenzverfahren
Tenor
1. Der Bescheid des Amtsgerichts vom 1. September 2008 wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Senates an das Amtsgericht Potsdam zurückverwiesen.
3. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
4. Der Geschäftswert wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Mit Schreiben vom 24.01.2006, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird,
trat der Antragsteller an das Amtsgericht Potsdam - Insolvenzgericht - unter
namentlicher Benennung der Antragsgegnerin zu 1.b) heran und bat unter Übersendung
ergänzender Informationen über seine Sozietät um künftige Berücksichtigung seines
Büros bei der Vergabe von Gutachtenaufträgen/Bestellung als
Insolvenzverwalter/Treuhänder.
Mit Schreiben vom 07.06.2007 übersandte der Antragsgegner zu 1.a) dem Antragsteller
den Fragebogen des Insolvenzgerichtes Potsdam für den Antrag vom 24.01.2006 auf
Aufnahme in die Vorauswahlliste mit der Bitte um Ausfüllung und Rücksendung.
Unter dem 20.08.2007 sandte der Antragsteller den ausgefüllten Fragebogen zurück.
Wegen der näheren Einzelheiten wird auf Bl. 6 ff der Akten 5 AR 24/07 AG Potsdam
Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 01.09.2008, teilte das Amtsgericht Potsdam durch den Richter am
Amtsgericht P… [früherer Antragsgegner zu 1. c)], die Richterin am Amtsgericht S… und
den Richter am Amtsgericht Dr. G…dem Antragsteller auf seine Bewerbung hin mit, dass
er nach Prüfung seines Antrags zum jetzigen Zeitpunkt nicht auf die Liste aufgenommen
werde. Weiter heißt es in dem Schreiben:
„Angesichts der Ihnen bereits übertragenen von mehr als 300
Regelinsolvenzverfahren, davon allein 60 im Jahre 2007 entsprechend den im Internet
veröffentlichten Angaben weisen Sie eine erheblich überdurchschnittliche Belastung
allein mit Regelinsolvenzverfahren auf.
Auf der Vorauswahlliste des Insolvenzgerichts Potsdam befinden sich andere
Kandidaten, die keine Belastungen Ihres Umfangs ausweisen. Es kann daher
prognostiziert werden, dass im Rahmen der in einem konkreten Verfahren zu treffenden
Auswahlentscheidungen diese Kollegen Ihnen vorzuziehen sein müssen, um keine
Nachteile für die Insolvenzverfahren aufgrund einer zu großen Belastung eines
Insolvenzverwalters zu riskieren.
Bereits auf Grund Ihrer hohen Auslastungen bereits mit Regelinsolvenzverfahren
rechtfertigt es nach Ansicht des Insolvenzgerichts Potsdam, Sie nicht auf die
Vorauswahlliste des Insolvenzgerichtes aufzunehmen. …“
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seinem zunächst gegen die
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Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seinem zunächst gegen die
Antragsgegnerin zu 2. gerichtetem Antrag auf gerichtliche Entscheidung, vom
30.09.2008, der am selben Tage bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht
eingegangen ist.
Der Antragsteller ist der Auffassung, die Entscheidung der Antragsgegnerin stelle einen
Ermessensfehlgebrauch dar und erfolge nicht willkürfrei. Die Antragstellerin definiere die
„Belastungsgrenze“ eines Insolvenzverwalters nicht. Auch gebe sie keine Anhaltspunkte
zu ihrer Bestimmung. Die Begründung sei ohne sachlichen Hintergrund, es sei bereits
nicht nachvollziehbar, welche vergleichbaren Kriterien herangezogen würden. Die
Antragsgegnerin lege bei der Auswahl unterschiedliche Maßstäbe an. Er weise bei
weitem nicht die „Belastungen“ auf, wie andere Insolvenzverwalter, die vom Amtsgericht
bestellt würden. Wegen der näheren Einzelheiten zu diesem Punkt wird auf Seite 3 der
Antragsschrift Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 20. Oktober 2008 teilte der Antragsteller mit, dass sich der Antrag
gegen die die Vorauswahlliste führenden Insolvenzrichter des Amtsgerichts Potsdam
richten solle.
Der Antragsteller beantragt,
die Präsidentin des Amtsgerichts Potsdam zu verpflichten, ihn in die
Vorauswahlliste geeigneter Bewerber i.S.d. § 56 InsO für die Bestellung als
Insolvenzverwalter/Treuhänder aufzunehmen.
Die Antragsgegner zu 1. haben mit Schreiben vom 26.11.2008 u. a. ausgeführt, sie
hielten den Antrag wegen Fristversäumnisses für unzulässig. Wegen der weiteren
Einzelheiten wird auf die Stellungnahme Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 12.01.2009 wies der Senat die Antragsgegner zu 1. daraufhin, dass
er den Antrag nicht für unzulässig halte und bat erneut, zu dem Antrag Stellung zu
nehmen.
Mit ihrer Stellungnahme vom 06.02.2009 hielten die Antragsgegner zu 1. an ihrer
Auffassung fest, der Antragsteller habe nicht fristgerecht seinen gegen sie gerichteten
Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. Da die Antragsgegnerin zu 2. nicht
Beteiligte des Verfahrens über die Führung einer Vorauswahlliste gewesen sei, habe für
den Antragsteller keine Veranlassung bestanden, diese als Antragsgegnerin zu
bezeichnen. Die Fristversäumnis könne nicht geheilt werden.
In der Sache führen sie aus:
Soweit bereits bei der Entscheidung über die Frage, ob ein Bewerber auf die
Vorauswahlliste genommen werden solle, mit ausreichender Sicherheit prognostiziert
werden könne, dass dieser auf Grund von Umständen, die aus seiner Person herrührten,
nicht als Insolvenzverwalter oder Treuhänder bestellt werden könne, sei es nicht
ermessensfehlerhaft, die Aufnahme zu versagen.
Auf Grund der überdurchschnittlichen Belastung des Antragstellers mit eröffneten
Insolvenzverfahren anderer Gerichte könne bereits jetzt prognostiziert werden, dass eine
zukünftige Bestellung als Insolvenzverwalter in einem konkreten Verfahren
voraussichtlich nicht erfolgen werde. Wenn zu den bereits überzähligen Verfahren des
Antragstellers weitere Verfahren auf Grund einer Beauftragung durch das Amtsgericht
Potsdam hinzu kämen, würde das bereits bestehende Risiko von Schlechtleistungen
durch eine hohe Belastung in einer durch die Insolvenzrichter nicht verantwortbaren
Weise erhöht. Angesichts der Verantwortung des Insolvenzgerichtes für die Verfahren
und der auch für die Insolvenzrichter verbundenen Haftungsgefahren könne mit
Sicherheit prognostiziert werden, dass der Antragsteller keine Bestellungen erhalten
werde. Weiter heißt es in der Stellungnahme:
„Dabei ist der vom Antragsteller vorgenommene Vergleich mit anderen
Insolvenzverwaltern ungeeignet dem entgegengesetzt zu werden. Über die Aufnahme
der vom Antragsteller benannten Verwalter L…, P… und Sch…-K… auf die
Vorauswahlliste des Insolvenzgerichts Potsdam wurde bislang noch nicht entschieden.
Bei den anderen Verwaltern ergeben sich die Beauftragungszahlen u. a. aus den
Beauftragungen durch das Insolvenzgericht Potsdam. Die z. T. erhebliche
Überschreitung der durchschnittlichen Belastungszahlen ist in Einzelfällen gerechtfertigt,
da das Insolvenzgericht Potsdam positive Kenntnis von den besonderen
Leistungsfähigkeiten dieser Insolvenzverwalter hat, welches es trotz einer hohen
Auftragszahl rechtfertigt, keine Befürchtung zu haben, dass hierdurch einige Verfahren
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Auftragszahl rechtfertigt, keine Befürchtung zu haben, dass hierdurch einige Verfahren
leiden könnten.
Solche Erfahrungen liegen hinsichtlich des Antragstellers nicht vor. Das
Insolvenzgericht Potsdam ist auch nicht in der Lage, den Antragsteller diesbezüglich zu
testen. In den einzelnen Insolvenzverfahren können die dortigen Beteiligten erwarten,
dass das Insolvenzgericht einen für diese Verfahren geeigneten und den
entsprechenden Aufgaben gewachsenen Verwalter bestellt. Die Verfahrensbeteiligten
müssen es nicht hinnehmen, dass ein Bewerber quasi sein Gesellenstück in einem
Verfahren erarbeitet.
In einer solchen Situation ist es ermessensfehlerfrei, den Antragsteller so zu
bescheiden, wie es der zu erwartenden Bestellungspraxis entspricht. Zwar könnte
theoretisch eine Aufnahme auf eine Vorauswahlliste erfolgen, doch wäre diese für den
Antragsteller ohne Interesse, wenn sie nicht mit der konkreten Möglichkeit verbunden
wäre, auch tatsächlich als Insolvenzverwalter bestellt zu werden. …“
Wegen der weiteren Einzelheiten der Stellungnahme wird auf das Schreiben vom
06.02.2009 wegen der Erwiderung des Antragstellers hierauf auf seinen Schriftsatz vom
24.03.2009 Bezug genommen.
Zwischenzeitlich hatte sich die personelle Situation in der Insolvenzabteilung des
Amtsgerichts Potsdam geändert: Richter am Amtsgericht P… ist nicht mehr als
Insolvenzrichter tätig. Hinzugekommen sind die Richter am Amtsgericht K… und P….
Diese teilten dem Senat mit Schreiben vom 12.02.2009 mit, nicht an dem
angefochtenen Ablehnungsbeschluss beteiligt gewesen zu sein und sich diesen auch
nicht zu eigen zu machen.
II.
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, §§ 23 ff EGGVG.
a) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung (gerichtet auf die Aufnahme in die
Vorauswahlliste) ist statthaft. Die Antragsgegner zu 1. haben durch Nichtaufnahme des
Antragstellers in die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter als Justizbehörde im
funktionellen Sinn gehandelt, ohne dass es sich dabei um einen Rechtsprechungsakt
gehandelt hätte [vgl. BVerfG, Beschluss vom 03.08.2004, Az.: 1 BvR 135/00; 1 BvR
1086/01; BGH, Beschluss vom 19.12.2007, Az.: IV AR (VZ) 6/97]. Zur Gewährung eines
effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG steht es dem Antragsteller offen,
gegen die Ablehnung einer Aufnahme in die Vorauswahlliste über §§ 23 ff EGGVG eine
Entscheidung des zuständigen Oberlandesgerichts gegen die Ablehnung der Aufnahme
zu erwirken (Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 28.11.2006,
Az.: 12 VA 3/06); Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung, Graeber, 2. Auflage, §
56 InsO, Rnr. 104; Wolf, DStR 2006, 1769).
Das Begehren des Antragstellers in die Vorauswahlliste der Antragsgegner zu 1.
aufgenommen zu werden, ist als gegen diese Antragsgegner gerichteter Antrag auf
gerichtliche Entscheidung nach §§ 23, 24, 26 und 28 EGGVG auszulegen und zulässig.
Die Antragsgegner zu 1. sind verfahrensrechtlich und materiell-rechtlich die richtigen
Antragsgegner. Dass der Antrag ursprünglich allein gegen die Antragsgegnerin zu 2.
gerichtet war, führt nicht zur Unzulässigkeit oder Verfristung, wie die Antragsgegner zu
1. meinen, da er seinem Sinn, gegen den oder die richtigen Antragsgegner gerichtet zu
sein, entsprechend auszulegen ist (vgl. Hanseatisches Oberlandesgericht, Beschluss
vom 08.10.2008, Az.: 2 VA 4/07).
Die Antragsgegnerin zu 2. ist als Behördenleiterin nicht verpflichtet, ggf. mit Hilfe der
Insolvenzrichter, sachgerechte Kriterien für ein Vorauswahlverfahren zu bestimmen,
danach eine Vorauswahlliste für mögliche Insolvenzverwalter anzulegen und aufgrund
der entwickelten Kriterien einen bestimmten Antragsteller zu bescheiden (anders noch
die zwischenzeitlich aufgegebene Rechtsprechung des OLG Düsseldorf, vgl. insoweit
Beschluss vom 15. 08.2008, I-3 VA 4/07).
Als materiell richtigen Antragsgegner und demnach entscheidungszuständig für einen
Antrag auf Aufnahme in die Vorauswahlliste als Insolvenzverwalter ist bzw. sind - im
Anschluss an die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte Hamm [Beschluss vom
02.08.2007, Az.: 27 VA 1/07) und Köln (Beschluss vom 27.09.2006, Az.: 7 VA 9/05)] - der
oder die Insolvenzrichter, der einzeln oder die gemeinsam die Entscheidung über die
Aufnahme getroffen hat/haben, anzusehen. Dieses Ergebnis beruht auf der Erwägung,
dass die betreffende Entscheidung zwar kein Akt der Rechtsprechung ist, aber nach der
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dass die betreffende Entscheidung zwar kein Akt der Rechtsprechung ist, aber nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes in richterlicher Unabhängigkeit erfolgt;
dann jedoch unterliegt sie nicht dem Einfluss eines Behördenleiters und ist deshalb von
diesem weder zu verantworten noch zu treffen.
Diese Überlegungen zum materiellen Recht führen zugleich dazu, den oder die
Insolvenzrichter, verstanden als Richter der mit den Funktionen des Insolvenzgerichtes
betrauten Abteilung oder Abteilungen des Amtsgerichts (also als
Funktionsbezeichnungen), als verfahrensrechtlich richtige(n) Antragsgegner anzusehen.
Anders lässt sich dem der Entscheidung über jenen Antrag nach der
verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zukommenden Charakter als in richterlicher
Unabhängigkeit zu treffenden Nicht-Rechtsprechungsakt verfahrensrechtlich nicht
effektiv und praktikabel Rechnung tragen (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Denn nur der oder
die Insolvenzrichter können die von ihm oder ihnen getroffenen Entscheidungen zu
Lasten eines Antragstellers wieder ändern und diesen damit gegebenenfalls klaglos
stellen, wohingegen der Behördenleiter des Gerichts insoweit keine Möglichkeit der
Einwirkung hat.
b) Die Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG wurde eingehalten. Wie ausgeführt hat die
ursprüngliche Angabe der Antragsgegnerin zu 2. nicht zur Folge, dass der Antrag auf
gerichtliche Entscheidung verfristet wäre, da der Antrag als gegen die richtigen
Antragsgegner gerichtet auszulegen war.
c) Der Antragsteller macht zu Recht geltend, die ablehnende Entscheidung der
genannten Insolvenzrichter des Amtsgerichts Potsdam verletze ihn unmittelbar in
eigenen Rechten. Das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung vom
03.08.2004 (a.a.O.) darauf hingewiesen, die Vorauswahl habe einen nicht unerheblichen
Einfluss auf die beruflichen Betätigungsmöglichkeiten der Interessenten. Auch wenn der
Insolvenzrichter von Rechts wegen an eine abschlägige Vorauswahlentscheidung bei der
späteren Auswahl von Sachverständigen oder Insolvenzverwaltern nicht gebunden sei,
werde der abgelehnte Interessent hierdurch in seinen Rechten aus Artikel 12 Abs. 1 GG
berührt.
d) Ein Vorschaltverfahren im Sinne von § 24 Abs. 2 EGGVG sieht die Insolvenzordnung
nicht vor.
e) Das Brandenburgische Oberlandesgericht ist gemäß § 25 Abs. 1 EGGVG zur
Entscheidung über den Antrag zuständig.
2. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist im tenorierten Umfang auch begründet.
Der Bescheid der Antragsgegner zu 1. vom 01.09.2008, mit dem die Aufnahme des
Antragstellers in die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter abgelehnt wurde, ist
rechtswidrig.
a) Nach § 56 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) ist zum Insolvenzverwalter eine für den
jeweiligen Einzelfall geeignete, insbesondere kundige und von den Gläubigern
unabhängige natürliche Person zu bestellen. § 18 Abs. 1 Nr. 1 RPflG behält dem Richter
die Zuständigkeit für das Eröffnungsverfahren einschließlich der Entscheidung über den
Eröffnungsantrag und die Person des Insolvenzverwalters vor.
In der Sache ist nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes [Beschluss vom
19.12.2007, Az.: IV AR (VZ) 6/97] zu unterscheiden zwischen dem gerichtlich voll
überprüfbaren Beurteilungsspielraum, der dem Entscheidungsträger zuzubilligen ist,
wenn er einen Bewerber um Aufnahme in die Vorauswahlliste an den allgemeinen
Kriterien für die fachliche und persönliche Eignung misst, und dem nur eingeschränkt
überprüfbaren Ermessensspielraum des einzelnen Insolvenzrichters, der aus den
gelisteten Bewerbern einen für ein einzelnes Verfahren bestimmt.
Zwar steht dem Richter bei der Insolvenzverwalterbestellung ein weites
Auswahlermessen zu, doch kann dies angesichts der weitreichenden Entscheidung für
oder gegen bestimmte Berufsangehörige nicht ohne Bindung an Art. 3 Abs. 1 GG
geschehen. Eine Chance auf eine Einbeziehung in ein konkret anstehendes
Auswahlverfahren und damit auf Ausübung des Berufs hat ein potentieller
Insolvenzverwalter nur bei willkürfreier Einbeziehung in das Vorauswahlverfahren. Die
Chancengleichheit der Bewerber ist gerichtlicher Überprüfung zugänglich. Alleine sie
gewährt insoweit die Beachtung subjektiver Rechte (BVerfG a.a.O. und Beschluss vom
19.07.2006, Az.: 1 BvR 1351/06).
Für das Vorauswahlverfahren steht die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der
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Für das Vorauswahlverfahren steht die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der
persönlichen und fachlichen Eignung im Vordergrund. Ein dem konkreten
Insolvenzverfahren vorgelagertes allgemeines Vorauswahlverfahren darf sich nicht nur
auf das Erstellen einer Liste mit Namen und Anschriften des Personenkreises
beschränken, der bereit ist, als Insolvenzverwalter tätig zu werden. Es ist vielmehr
Aufgabe des Gerichts, Kriterien für die Feststellung der Eignung eines Bewerbers sowie
für eine sachgerechte Ausübung des Auswahlermessens zu entwickeln. Das Modell einer
"geschlossenen Liste", nach dem die Zahl der aufgenommenen Bewerber begrenzt ist
und nur bei Ausscheiden einer bereits geführten Person ein neuer Bewerber in den Kreis
möglicher Insolvenzverwalter aufgenommen wird, trägt nach der Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts der Chancengleichheit der Bewerber nicht hinreichend
Rechnung (BVerfG a.a.O.). Eine Liste ist daher so zu führen, dass in sie jeder Bewerber
aufgenommen wird, der die grundsätzlich zu stellenden Anforderungen an eine
generelle, von der Typizität der einzelnen Insolvenzverfahren gelöste Eignung für das
Amt des Insolvenzverwalters erfüllt. Dabei ist sicherzustellen, dass eine mit Blick auf die
Eigenheiten des konkreten Verfahrens und die spezielle Eignung der Bewerber
sachgerechte und damit pflichtgemäße Ermessensausübung erfolgt (BVerfG a.a.O.;
Graeber, NJW 2004, 2715). Erfüllt der Bewerber die nach diesen Grundsätzen
aufgestellten persönlichen und fachlichen Anforderungen für das Amt des
Insolvenzverwalters, so kann ihm die Aufnahme in die Liste nicht versagt werden. Ein
weitergehendes Auswahlermessen besteht nicht (BGH, a.a.O.).
b) Dem so formulierten Anspruch des Antragstellers wird die ablehnende Entscheidung
der Antragsgegner zu 1. vom 01.09.2008 nicht gerecht.
Die Nichtaufnahme des Antragstellers in die Vorauswahlliste wird nicht mit fehlender
persönlicher oder fachlicher Qualifikation für das Amt des Insolvenzverwalters begründet,
sondern damit, dass er eine erheblich überdurchschnittliche Belastung allein mit
Regelinsolvenzen aufweise.
Die Argumente der Antragsgegner tragen ihre ablehnende Entscheidung nicht. Die
(momentane) Belastungssituation des Antragsgegners stellt bereits kein taugliches
Kriterium dar, den Antragsgegner nicht auf die Vorauswahlliste aufzunehmen. Eine
besondere Be- bzw. Überlastungssituation mag allenfalls dazu führen, dass im Rahmen
der Ausübung des pflichtgemäßen Auswahlermessens bei einer
Bestellungsentscheidung dieser Umstand berücksichtigt werden könnte. Dies ist aber
erst im konkreten Bestellungsfall zu prüfen.
Es verbietet sich jedenfalls, die anstehenden Prüfungen auf Grund der momentanen
Belastungssituation prognostisch für die Zukunft vorwegzunehmen und die Aufnahme
des Antragstellers auf die Vorauswahlliste aus diesem Grund zu versagen.
Zutreffend weist der Antragsteller im Übrigen daraufhin, dass sich die Antragsgegner zu
1. mit ihren Argumenten in Widerspruch zu ihrer eigenen Aufnahme- und Bestellpraxis
setzen. Wie diese in ihrer Stellungnahme vom 06.02.2009 ausführen, werden
Insolvenzverwalter bestellt, die z. T. erheblich die durchschnittlichen Belastungszahlen
überschreiten. Gerade dies belegt aber, dass die Frage der Belastungssituation, die im
Übrigen einem ständigen Wandel unterliegt, für die Antragsgegner kein für die Aufnahme
auf die Vorauswahlliste entscheidendes Kriterium darstellt, vielmehr erst im Rahmen der
konkreten Auswahlentscheidung darüber zu befinden ist, ob die Belastungssituation
einer Bestellung entgegensteht.
Davon abgesehen führt der Umstand, dass dem Antragsteller von den Antragsgegnern
zu 1. keine Gelegenheit gegeben werden soll, seine Belastungsfähigkeit unter Beweis zu
stellen im Ergebnis dazu, dass es neuen Bewerbern, die eine Belastungssituation wie der
Antragsteller aufweisen, unmöglich gemacht wird, auf die Vorauswahlliste aufgenommen
zu werden. Dies bedeutet, dass sich auf Grund der Bestellpraxis der Antragsgegner zu 1.
deren Vorauswahlliste insoweit als eine sogenannte „geschlossene“ Liste darstellt. Eine
solche trägt - wie ausgeführt - der Chancengleichheit der Bewerber nicht hinreichend
Rechnung, da vom Kreis der überdurchschnittlich belasteten Bewerber nur die bislang
bekannten Personen von den Antragsgegnern zu 1. berücksichtigt werden.
Der Senat kann allerdings nicht die Verpflichtung der Antragsgegner zu 1. aussprechen,
die Aufnahme in die Liste vorzunehmen (vgl. § 28 Abs. 2 Satz 1 EGGVG), da die
Antragsgegner zu 1. grundsätzlich einen eigenen (überprüfbaren) Beurteilungsspielraum
haben. Grundsätzlich ist nämlich, die Aufstellung konkret beschriebener sachgerechter
Mindestanforderungen und die Beurteilung, ob ein Antragsteller diese Kriterien ausfüllt,
zunächst Sache der Insolvenzrichter. Ausnahmen, die es vorliegend rechtfertigen
würden, dem Antrag des Antragstellers in vollem Umfang zu entsprechen, sind nicht
ersichtlich.
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Daher war unter Aufhebung des Bescheides vom 01.09.2008 die Sache zur erneuten
Behandlung und Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates an
das Amtsgericht Potsdam zurückzuverweisen.
III.
Gerichtsgebühren fallen nicht an, weil der Antrag auf gerichtliche Entscheidung im
Wesentlichen erfolgreich ist. Soweit der Antragsteller mit seinem Begehren unterlegen
ist, fällt dies vorliegend kostenmäßig nicht gesondert ins Gewicht.
Billigkeitsgesichtspunkte gebieten keine Kostenerstattung zugunsten des Antragstellers,
§ 30 Abs. 2 EGGVG.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 30 EGGVG in Verbindung mit § 30 Abs.
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