Urteil des OLG Brandenburg vom 01.06.2006

OLG Brandenburg: geburt, lege artis, behandlungsfehler, dokumentation, blutprobe, versorgung, klinik, kaiserschnitt, verfügung, versuch

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
12 U 125/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 253 Abs 2 BGB, § 823 BGB, §
831 BGB, § 847 BGB
Arzthaftungsrecht: Haftung für verspätet vorgenommenen
Kaiserschnitt bei Mangelversorgung des ungeborenen Kindes;
Kausalität eines Behandlungsfehlers für den Schadenseintritt
bei weiterer Schadensursache
Tenor
Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten zu 1. und 2. gegen das am 1. Juni 2006
verkündete Grund- und Teilurteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam, Az.: 11
O 165/03, werden zurückgewiesen.
Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht
zurückverwiesen.
Die Gerichtskosten des Berufungsverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der
Klägerin im Berufungsverfahren haben die Klägerin einerseits und die Beklagten zu 1.
und 2. andererseits je zur Hälfte zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten
zu 1. und 2. im Berufungsverfahren haben diese selbst zu tragen. Die außergerichtlichen
Kosten des Beklagten zu 3. im Berufungsverfahren hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt die Zahlung von Schmerzensgeld sowie die Feststellung des
Bestehens einer Ersatzpflicht betreffend ihr infolge der nach ihrer Behauptung
fehlerhaften Geburtsleitung im Hause der Beklagten zu 1. am 05./06.07.2000 in der
Vergangenheit entstandenen und zukünftig noch entstehenden materiellen sowie
zukünftigen immateriellen Schäden, soweit diese nicht auf Dritte übergegangen sind
bzw. übergehen werden. Die Parteien streiten um das Vorliegen von der Beklagten zu 2.
(geburtsleitende Ärztin) und dem Beklagten zu 3. (Kinderarzt) vorzuwerfende
Behandlungsfehler bei der Geburt der Klägerin, insbesondere eine zu späte
Entscheidung der Beklagten zu 2. zur Vornahme einer Sectio sowie unzureichende
Maßnahmen des Beklagten zu 3. zur Wiederbelebung der mit einem Herz-Kreislauf-
Stillstand zur Welt gekommenen Klägerin einschließlich der nicht hinreichenden
Dokumentation dieser Maßnahmen. Daneben hat sich die Klägerin auf ein
Organisationsverschulden der Beklagten zu 1. mit der Begründung gestützt, die
Umsetzung der Entscheidung der Beklagten zu 2. zur Sectio sei nicht hinreichend zügig
erfolgt.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug
genommen. Dieser ist dahin zu ergänzen, dass die Klägerin eine unzureichende
Aufklärung ihrer Mutter unter der Geburt deshalb gerügt hat, weil die Beklagte zu 2.
ohne Rücksprache eine Sectio zunächst nicht eingeleitet hat, obwohl - nach Ansicht der
Klägerin - diese Entscheidung von ihrer Mutter hätte getroffen werden müssen, die
hierzu über die Möglichkeit der Vornahme einer Sectio anstelle der Fortsetzung der
Durchführung einer vaginalen Geburt und die jeweils bestehenden Risiken hätte
aufgeklärt werden müssen.
Mit am 01.06.2006 verkündetem Grund- und Teilurteil hat das Landgericht unter
Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 3. die Klage auf Zahlung eines
angemessenen Schmerzensgeldes betreffend die Beklagten zu 1. und 2. dem Grunde
nach für gerechtfertigt erklärt und auch der gegen die Beklagten zu 1. und 2. gerichteten
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nach für gerechtfertigt erklärt und auch der gegen die Beklagten zu 1. und 2. gerichteten
Feststellungsklage stattgegeben. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die
Klägerin habe einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2. aus §§ 823, 847
BGB a. F., für den auch die Beklagte zu 1. - aus § 831 BGB - hafte. Die Geburtsleitung
der Beklagten zu 2. habe nicht dem ärztlichen Standard im Jahre 2000 entsprochen. Die
Kammer folge insoweit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Du.. Danach
hätte bereits um 23:00 Uhr, allerspätestens aber um 23:40 Uhr die Geburt durch einen
Kaiserschnitt beendet werden müssen. Dabei sei davon auszugehen, dass das CTG im
Aufnahmeraum, das nicht vorliegt, dem später gefertigten CTG entspreche, weshalb
bereits um 22:00 Uhr eine Indikation zur Sectio bestanden habe. Angesichts der
Hinweise auf eine möglicherweise mangelhafte Versorgung der Klägerin aufgrund des
geringen geschätzten Gewichtes und des pathologischen CTG, habe die Geburt
eingeleitet werden müssen. Spätestens um 23:40 Uhr habe die Geburt durch eine Sectio
beendet werden müssen, nachdem weiterhin ein pathologisches CTG vorgelegen habe,
die Versorgung des Kindes mit Sauerstoff unklar gewesen sei und der Versuch einer
Mikroblutanalyse fehlgeschlagen sei. Der Behandlungsfehler der Beklagten zu 2. sei
auch jedenfalls mitursächlich für die Schädigung der Klägerin geworden. Diese
Mitursächlichkeit führe zu einer vollen Haftung des Arztes, wenn - wie hier - das ärztliche
Versagen und ein weiterer der Behandlungsseite nicht zuzurechnender Umstand nicht
abgrenzbar zu einem Schaden geführt hätten. Nach den Ausführungen des
Sachverständigen Prof. Dr. Ha. stehe zur Überzeugung der Kammer fest, dass sich die
während der Geburt bestehende Mangelsituation der Klägerin zumindest fortgesetzt
habe und durch die Sectio die Schädigungen der Klägerin geringer ausgefallen wären.
Ein Organisationsverschulden sei der Beklagten zu 1. hingegen nicht anzulasten, nach
den Bekundungen des Sachverständigen Prof. Dr. Du. sei ein Zeitraum von zwanzig
Minuten zuzüglich zehn Minuten Wegezeit vom Moment der Entscheidung für eine Sectio
bis zur Entwicklung des Kindes einzuhalten, der vorliegend nicht überschritten sei. Auch
bestehe gegen den Beklagten zu 3. ein Anspruch nicht, da ihm ein Behandlungsfehler
nicht vorzuwerfen sei. Der Sachverständige Prof. Dr. Ha. habe die dokumentierten
Reanimationsmaßnahmen für ausreichend erachtet. Dem folge die Kammer. Wegen der
weitergehenden Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen
Urteils verwiesen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 09.06.2006 zugestellte Urteil mit am 23.06.2006 beim
Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel
innerhalb verlängerter Frist mit am 09.10.2006 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagten zu 1. und 2. haben gegen das ihnen am 27.06.2006 zugestellte Urteil mit
am 06.07.2006 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz ebenfalls Berufung
eingelegt und das Rechtsmittel innerhalb verlängerter Frist mit am 06.11.2006
eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Klägerin bezieht sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag nebst Beweisantritten. Sie
wendet sich gegen die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 3. Die Klägerin ist
der Auffassung, die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Ha... seien nicht
überzeugend. Der Sachverständige habe sich insbesondere nicht mit den Ausführungen
des Privatgutachters Prof. Dr. Sch. auseinandergesetzt, auch seien seine Angaben im
Termin vor dem Landgericht oberflächlich geblieben. Die ihr erstmals im Termin
zugängig gemachten Unterlagen - an deren Echtheit sie Zweifel äußert - wiesen unter
der Rubrik “Verordnung” nicht aus, was konkret und mit welchem Ergebnis in den
einzelnen Zeitabschnitten vom Beklagten zu 3. unternommen worden sei. In den
Unterlagen sei die Gesundheitssituation der Klägerin nicht hinreichend dokumentiert.
Weiter vertieft die Klägerin ihren erstinstanzlichen Vortrag, dem Beklagten zu 3. sei
anzulasten, dass die der Nabelschnur nach der Geburt entnommene Blutprobe 70
Minuten lang nicht untersucht worden sei. Auch ergebe sich aus dem extrem schlechten
pH-Wert 60 Minuten nach der Geburt eine nicht lege artis durchgeführte Reanimation,
insbesondere eine nicht ordnungsgemäß durchgeführte Intubation und Beatmung.
Schließlich sei dem Beklagten zu 3. vorzuwerfen, dass er nicht rechtzeitig
Intensivmediziner hinzugezogen habe, sondern die Verlegung der Klägerin erst um 4:53
Uhr, also fast 2 1/2 Stunden nach der Geburt, veranlasst wurde bzw. stattfand.
Unzutreffend habe das Landgericht ein Organisationsverschulden der Beklagten zu 1.
verneint. Entgegen der Ansicht des Sachverständigen Prof. Dr. Du... dürfe nach den
Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. bei
einer Notfallsectio ein Zeitraum von zwanzig Minuten zwischen der Entscheidung des
Arztes und der Entwicklung des Kindes nicht überschritten werden.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 01.06.2006, Az.: 11 O 165/03, teilweise
abzuändern und den Beklagten zu 3. als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1. und
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abzuändern und den Beklagten zu 3. als Gesamtschuldner mit den Beklagten zu 1. und
2. zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das
Ermessen des Gerichts gestellt wird, zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über
dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
festzustellen, dass der Beklagte zu 3. zusammen mit den Beklagten zu 1. und 2.
als Gesamtschuldner verpflichtet ist, ihr den infolge der fehlerhaften Geburtsleitung am
05. und 06.07.2000 in der Vergangenheit entstandenen und zukünftig noch
entstehenden materiellen sowie zukünftigen immateriellen Schaden zu ersetzen, soweit
die Ansprüche nicht aufgrund sachlicher und zeitlicher Kongruenz auf
Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind bzw. übergehen
werden,
den Rechtsstreit an das Landgericht Potsdam zur weiteren Verhandlung und
Entscheidung zurückzuverweisen sowie
die Berufungen der Beklagten zu 1. und 2. zurückzuweisen
Die Beklagten zu 1. und 2. beantragen,
die Klage in Abänderung des angefochtenen Urteils vollständig abzuweisen.
Der Beklagte zu 3. beantragt,
die gegen ihn gerichtete Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagten beziehen sich ebenfalls auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Die Beklagten
zu 1. und 2. wenden sich gegen die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Du...,
denen das Landgericht gefolgt ist. Sie sind der Ansicht, entgegen der Ausführung des
Sachverständigen lasse die Schätzung eines Geburtsgewichts von 2.500 g bei der
Klägerin nicht auf ein mangelentwickeltes Kind schließen. Das Geburtsgewicht habe
vielmehr noch in der unteren Bandbreite normalgewichtiger Kinder gelegen. Auch sei
nicht von einer andauernden Tachykardie in dem Zeitraum vor 22:45 Uhr auszugehen,
dies lasse sich aus dem durch die Angaben der Hebamme belegten Inhalt des
vorangegangenen CTG nicht entnehmen. Da eine Tachykardie über einen Zeitraum von
2 Stunden hinnehmbar sei, habe es eine Indikation zur Schnittentbindung um 22:00 Uhr
nicht gegeben. Auch könne den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Du... nicht
entnommen werden, dass tatsächlich ein Behandlungsfehler seitens der Beklagten zu 2.
vorliege. Der Sachverständige habe angegeben, dass auf der Grundlage der
vorliegenden Befunde ein Teil der im Fachgebiet tätigen Fachärzte in Deutschland für ein
Abwarten plädiert hätte, dies spreche gegen eine Verletzung eines allgemein zu
setzenden Standards. Es sei nicht auszuschließen, dass der Sachverständige seine
eigene Auffassung hinsichtlich der Notwendigkeit eines Einschreitens mit dem
allgemeingültigen Standard verwechselt habe. Wegen der zwar relativ sensiblen, jedoch
sehr unspezifischen CTG-Befunde sei eine weitergehende Diagnostik, nicht aber eine
Entscheidung für eine sofortige Sectio geboten gewesen. Den entsprechenden
Anforderungen sei die Beklagte zu 2. nachgegangen. Hierbei habe sie sich von dem
gemessenen pH-Wert und den Ergebnissen der transkutanen
Sauerstoffsättigungsmessung - auch nach Ausführung des Sachverständigen -
beruhigen lassen dürfen. Weiter habe der gerichtlich bestellte Sachverständige
Widersprüche zu den Ausführungen des Privatgutachters Prof. Dr. C. nicht auflösen
können. Gerade im Hinblick auf die von dem Privatsachverständigen angenommene
Schädigung des Kindes durch eine Schocksituation im Zusammenhang mit der
teilweisen Plazentaablösung bleibe festzuhalten, dass eine vorzeitige
Geburtsbeendigung durch Schnittentbindung nur zufällig die nicht vorhersehbare
Komplikation in Gestalt der teilweisen Plazentaablösung verhindert hätte. Mit den
Angaben der beiden gerichtlich bestellten Sachverständigen ließe sich schließlich auch
der Nachweis eines Kausalzusammenhanges zwischen den Schäden und einer zu
späten Einleitung der Sectio nicht führen. Die Sachverständigen, insbesondere der
Sachverständige Prof. Dr. Ha., hätten diesbezüglich lediglich Vermutungen angestellt. Im
Hinblick auf die Klageabweisung betreffend den Beklagten zu 3. verteidigen die
Beklagten das landgerichtliche Urteil. Der Sachverständige Prof. Dr. Ha. habe insoweit
nachvollziehbar dargetan, dass keine anderen Maßnahmen hätten ergriffen werden
können oder ergriffen werden müssen. Einer weitergehenden Dokumentation habe es
weder für die eigentliche Behandlung noch für weitere Behandlungskonsequenzen
bedurft.
II.
1. Beide Berufungen sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und
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1. Beide Berufungen sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO. Die Berufungsbegründungen
genügen den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Sowohl die Klägerin als auch die
Beklagten zu 1. und 2. stützen ihr Rechtsmittel unter anderem darauf, die vom
Landgericht vorgenommene Beweiswürdigung sei fehlerhaft, die gerichtlich bestellten
Sachverständigen, denen das Landgericht gefolgt ist, hätten sich nicht hinreichend mit
den vorgelegten Privatgutachten auseinandergesetzt. Damit machen die
Berufungsführer jeweils Rechtsverletzungen geltend, auf denen das Urteil beruhen kann,
§§ 513, 546 ZPO. Insbesondere ist auch nach der Neufassung des Berufungsrechtes
durch das Gesetz zur Reform der Zivilprozesses vom 27.07.2001 eine Beweiswürdigung
vom Rechtsmittelgericht darauf zu überprüfen ist, ob das zutreffende Ergebnis gefunden
worden ist (BGH NJW 2005, Seite 1583).
2. In der Sache bleiben beide Rechtsmittel ohne Erfolg.
a) Die Berufung der Klägerin war zurückzuweisen, da der Klägerin gegen den Beklagten
zu 3. ein Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 823 Abs. 1, 847 Abs. 1 BGB a. F. nicht
zusteht, wobei auf das Geschehen die bis zum 31.12.2001 geltende Rechtslage
anzuwenden ist, da sich die nach Auffassung der Klägerin fehlerhafte Behandlung bereits
am 05./06.07.2000 ereignet hat.
Dem Beklagten zu 3. ist ein Behandlungsfehler nicht vorzuwerfen. Im Ergebnis der vom
Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Senats fest,
dass der Beklagte zu 3. die postpartale Reanimation behandlungsfehlerfrei durchgeführt
hat. Der Senat folgt den detaillierten und überzeugenden Ausführungen des
Sachverständigen Prof. Dr. Ha. in seiner schriftlichen Begutachtung wie auch im Rahmen
seiner Anhörung durch das Landgericht, in denen der Sachverständige zu dem Ergebnis
gekommen ist, der Beklagte zu 3. habe ausreichende und effiziente Maßnahmen
ergriffen. Der Sachverständige hat anhand der ihm vorliegenden Dokumentation
festgestellt, dass der Beklagte zu 3. zunächst die Atemwege abgesaugt hat, dann der
Klägerin eine Beatmungsmaske aufgesetzt und Herzmassagen durchgeführt hat, und
danach das Kind intubiert hat. Er hat weiter ausgeführt, dass mehr Möglichkeiten dem
Beklagten zu 3. nicht zur Verfügung gestanden hätten. Zudem habe bereits nach 5
Minuten eine normale Herzfunktion eingesetzt. Nach 40 Minuten habe das Kind über den
Tubus mit einer CPAP-Atemhilfe atmen können. Weitergehende genauere
Blutgasanalysen hat der Sachverständige nicht für erforderlich gehalten, da es seiner
Ansicht nach offensichtlich gewesen sei, dass das Kind schwer deprimiert geboren
worden ist. Diese Einschätzungen teilt der Senat. Auch die Klägerin führt nicht aus,
welche weiteren Maßnahmen der Beklagte zu 3. hätte ergreifen können. Soweit die
Klägerin vorträgt, die ergriffenen Maßnahmen seien möglicherweise nicht lege artis
durchgeführt worden, handelt es sich um nicht weiter untersetzte Spekulationen. Dabei
kann sich die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf die Ausführungen des von ihr
vorgerichtlich eingeschalteten Sachverständigen Prof. Dr. med. Sch. berufen, der in
erster Linie eine unzureichende Dokumentation der Maßnahmen beanstandet hat. Der
Senat folgt auch insoweit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Ha., der die
vorgelegte Dokumentation für ausreichend hält und darauf verwiesen hat, es sei davon
auszugehen, dass diese Unterlagen von Prof. Dr. med. Sch. überhaupt nicht
berücksichtigt worden sind. Dies ergibt sich im Übrigen auch bereits aus dem Vortrag
der Klägerin, die angegeben hat, die entsprechenden Unterlagen erstmals im Termin zur
mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht erhalten zu haben, sie also schon von
daher dem Sachverständigen für seine vorgerichtliche Begutachtung nicht zur
Verfügung stellen konnte. Der Senat hat auch keine Zweifel daran, dass es sich bei den
eingereichten Unterlagen um die Originalkrankenunterlagen der Klinik für Kinder- und
Jugendmedizin der Beklagten zu 1. handelt. Die Beklagten haben schon bei Einreichung
der Unterlagen mit den Schriftsätzen vom 27.02. und 04.03.2004 verdeutlicht, dass im
Hause der Beklagten zu 1. die Krankenunterlagen betreffend die Mutter der Klägerin
einerseits und die Klägerin selbst andererseits getrennt geführt wurden, nämlich
hinsichtlich des Geburtsvorganges in der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe der
Beklagten zu 1. und hinsichtlich der weiteren Versorgung der Klägerin in der Klinik für
Kinder- und Jugendmedizin. Hieraus erklärt sich, dass letztere Unterlagen der Klägerin
vorgerichtlich irrtümlich nicht zur Verfügung gestellt worden sind.
Der Senat hält im Anschluss an die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Ha.
auch die von Prof. Dr. med. Sch. geforderte weitergehende Dokumentation unter
Erstellung einer exakten Zeitachse nicht für veranlasst, da sich die medizinisch
relevanten Informationen aus der vorgelegten Dokumentation ergeben. So sind fünf
Minuten nach der Geburt für Herzfrequenz und Hautfarbe bereits Apgar-Werte von
jeweils zwei angegeben, hinsichtlich der Herzfrequenz ist mithin in diesem Zeitpunkt
bereits eine normale Tätigkeit und damit der Erfolg der Reanimationsmaßnahmen
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bereits eine normale Tätigkeit und damit der Erfolg der Reanimationsmaßnahmen
insoweit dokumentiert. Eine weitere Dokumentation zur Herzfrequenz über die
Standardmessungen nach zehn und sechzig Minuten erscheint nicht veranlasst, zumal
sich auch nach diesen Zeiträumen ein Apgar-Wert von zwei ergab. Dementsprechend
kann aus dem Fehlen einer weitergehenden Dokumentation nicht auf einen
Behandlungsfehler geschlossen werden. Auch im Hinblick auf die Atmung der Klägerin ist
die vorgelegte Dokumentation ausreichend. Der Beklagte zu 3. hat festgehalten, dass
die Klägerin nach 40 Minuten über den Tubus mit einer CPAP-Atemhilfe atmen konnte.
Weiter sind als Maßnahmen dokumentiert das Absaugen von Blut (massiv) sodann eine
Maskenbeatmung direkt nach der Geburt und dann um 02:30 Uhr eine tracheale
Intubation und schließlich ab 03:00 Uhr eine spontane Atmung unter CPAP. Damit sind
zugleich auch die Maßnahmen aufgezeigt, die der Beklagte zu 3. hinsichtlich der Atmung
der Klägerin ergriffen hat. Fehl geht insoweit der Einwand der Klägerin, dass die einzelnen
Maßnahmen jeweils nur wenige Minuten in Anspruch genommen hätten. Der
Dokumentation ist nicht zu entnehmen, dass das jeweilige Beatmungsgerät nach
kurzzeitigem Einsatz wieder abgeschaltet und die Klägerin sich insoweit selbst
überlassen wurde.
Ein Behandlungsfehler des Beklagten zu 3. ergibt sich auch nicht im Zusammenhang
mit der nach der Geburt aus der Nabelschnur entnommenen Blutprobe, die erst nach 70
Minuten untersucht worden ist. Auch insoweit folgt der Senat der Einschätzung des
Sachverständigen Prof. Dr. Ha., dass mangels Nachweises einer gekühlten Lagerung aus
dieser Probe eine verwertbare Aussage nicht mehr abgeleitet werden kann. Insoweit
deckt sich im Übrigen die Sicht des Sachverständigen mit den Ausführungen der
Klägerin, die selbst die Unverwertbarkeit der Probe eingewandt hat. Ein fehlerhaftes
Vorgehen des Beklagten zu 3. ist auch nicht im Hinblick auf einen unsachgemäßen
Umgang mit der gewonnenen Blutprobe anzunehmen, da nicht ersichtlich ist, das der
Beklagte zu 3. diese Blutprobe genommen hat, diese Aufgabe vielmehr der Hebamme
oder einem Mitglied des Operationsteams oblegen haben dürfte. Schließlich hat die
Klägerin auch insoweit nicht nachvollziehbar vorgetragen, welche weiteren Maßnahmen
der Beklagte zu 3. bei einer früheren Auswertung der Blutprobe hätte treffen können.
Auch aus dem Ergebnis der um 3:29 Uhr genommenen Blutprobe ergibt sich ein
Behandlungsfehler des Beklagten zu 3. nicht. Der Sachverständige Prof. Dr. Ha. hat
ausgeführt, dass das Ergebnis dieser Untersuchung typisch für eine schwere
Geburtsasphyxie ist, also auf der Unterversorgung der Klägerin mit Sauerstoff während
der Geburt beruht. Einen Zusammenhang mit den vom Beklagten zu 3. durchgeführten
Reanimationsmaßnahmen hat der Sachverständige, dem der Senat auch insoweit folgt,
hingegen nicht festgestellt, sodass die – erstmals in der Berufungsinstanz gezogene -
Schlussfolgerung der Klägerin, die Verschlechterung der Blutgaswerte während der
Reanimationsmaßnahmen deuteten auf deren fehlerhafte Durchführung hin, nicht
nachgewiesen ist.
Schließlich ist dem Beklagten zu 3. ein Behandlungsfehler auch nicht wegen einer nicht
rechtzeitigen Anforderung des Transportdienstes des Klinikums … zwecks Verlegung der
Klägerin vorzuwerfen. Unzutreffend behauptet die Klägerin insoweit, der Beklagte zu 3.
habe erst um 4:53 Uhr eine entsprechende Anforderung getätigt. Bereits aus dem von
der Klägerin vorgelegten Schreiben des Klinikums … vom 09.01.2002 ergibt sich, dass
der Transportdienst bereits um 3:15 Uhr angefordert wurde. Auch ist weder ersichtlich
noch von der Klägerin vorgetragen, das seitens des Transportsdienstes oder von den
Ärzten des Klinikums … Maßnahmen ergriffen worden sind, die der Beklagte zu 3.
unterlassen hatte bzw. die ihm aufgrund der Ausstattung der Beklagten zu 1. nicht
möglich gewesen sind.
b) Auch die Berufung der Beklagten zu 1. und 2. war zurückzuweisen. Die Klägerin hat
gegen die Beklagte zu 1. und 2. einen sowohl den Schmerzensgeldantrag als auch die
Feststellungsklage rechtfertigenden Anspruch auf Schadensersatz aus §§ 823 Abs. 1,
847 Abs. 1 BGB a. F. - hinsichtlich der Beklagten zu 1. - in Verbindung mit § 831 Abs. 1
BGB, wobei die Beklagte zu 1. den Entlastungsbeweis im Sinne von § 831 Abs. 1 S. 2
BGB nicht angetreten hat.
Im Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme steht zur
Überzeugung des Senats fest, dass ein Behandlungsfehler der Beklagten zu 2. gegeben
ist. Der Senat folgt den gut nachvollziehbaren Darlegungen des Sachverständigen Prof.
Dr. Du., dass unter den vorliegenden Umständen sich die Beklagte zu 2. bereits um
23:00 Uhr für eine Beendigung der Geburt durch einen Kaiserschnitt hätte entscheiden
müssen. Die von den Beklagten zu 1. und 2. erhobenen Einwände gegen die
Ausführungen des Sachverständigen greifen nicht durch. Der Sachverständige Prof. Dr.
Du. stützt sich zum einen darauf, dass aufgrund des geringen prognostizierten
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Du. stützt sich zum einen darauf, dass aufgrund des geringen prognostizierten
Geburtsgewichtes der Klägerin von einer möglichen Mangelversorgung - und damit auch
von einem möglichen Sauerstoffmangel - auszugehen war, die im Rahmen der weiteren
Vorgehensweise von der Beklagten zu 2. hätte ausgeschlossen werden müssen.
Aufgrund des bei der Aufnahme der Mutter der Klägerin in der Klinik gefertigten
Ultraschallbildes war das Geburtsgewicht der Klägerin auf 2.500 g - 2.600 g geschätzt
worden. Zwar weisen die Beklagten zu 1. und 2. zutreffend darauf hin, dass ein
normalgewichtiges Neugeborenes ein Gewicht zwischen 2.500 g - 4.500 g aufweist. Der
Sachverständige Du. hat im Rahmen seiner Anhörung allerdings klargestellt, dass ein
Spielraum um das geschätzte Gewicht herum von +/- 300 g einzukalkulieren ist, was die
Beklagten zu 1. und 2. im nachgelassenen Schriftsatz vom 05.04.2007 verkennen.
Auf eine mögliche Mangelversorgung und damit auf das Erfordernis, eine
Unterversorgung der Klägerin mit Sauerstoff auszuschließen, wies zudem das vorgelegte
CTG jedenfalls bereits ab 22:45 Uhr hin, also ab dem Anschluss der Mutter der Klägerin
im Kreißsaal an das Gerät, da dieses bereits ab diesem Zeitpunkt eine Tachykardie der
Klägerin ausweist, was zur Einordnung der Ergebnisse des CTG durch den
Sachverständigen Prof. Dr. Du. als pathologisch führt. Die Tachykardie setze sich dann
jedenfalls bis 1:30 Uhr fort. Die Beklagte zu 2. durfte sich in dieser Situation nach der
überzeugenden Einschätzung des Sachverständigen auch nicht darauf beschränken, die
weitere Entwicklung abzuwarten. Zwar ist auch nach Aussage des Sachverständigen eine
solche Tachykardie jedenfalls über einen Zeitraum von 2 Stunden hinnehmbar, bevor
eine Überprüfung der geburtsleitenden Maßnahmen veranlasst ist. Dies gilt aber dann
nicht, wenn das Vorliegen einer Tachykardie für den Zeitraum vor Beginn der
gesicherten CTG-Aufzeichnungen nicht ausgeschlossen werden kann, da insoweit eine
Überschreitung des Zwei-Stunden-Zeitraumes bereits erfolgt sein kann. Entgegen der
Ansicht der Beklagten zu 1. und 2. kann vorliegend nicht davon ausgegangen werden,
dass das nicht mehr existente Aufnahme-CTG eine Tachykardie nicht ausgewiesen hat.
Der von der Hebamme gefertigte Vermerk, das CTG sei silent gewesen und wiese späte
Dezelerationen auf, steht der Annahme, dass darüber hinaus auch bereits eine
Tachykardie aufgezeichnet worden sei, nicht entgegen. Wie sich etwa aus den
Ausfertigungen des Kardiotokogramms für den Zeitraum von 22:45 Uhr bis 23:00 Uhr
ergibt, kann eine Tachykardie auch vorliegen, obwohl die Oszillation silent ist. Auch der
Sachverständige Prof. Dr. Du. hat insoweit einen Widerspruch nicht gesehen. Dieser
Mangel der Dokumentation geht auch zu Lasten der Beklagten, die die Sicherung der
mittels CTG gewonnenen Daten hätten gewährleisten müssen, gerade weil das Vorliegen
von Auffälligkeiten des Aufnahme-CTG für die zu treffenden weiteren Maßnahmen von
Bedeutung war. Hinzu kommt, dass angesichts der zu diesem Zeitpunkt festgestellten
Dezelerationen bei einem Muttermund, der erst ca. 2 cm geöffnet war, nicht mit einer
alsbald beendeten vaginalen Geburt zu rechnen war. Schließlich war es der Beklagten zu
2. auch nicht möglich, einen Mangel der Versorgung der Klägerin mit Sauerstoff in
diesem Zeitpunkt durch andere Untersuchungen auszuschließen. Jedenfalls hat sie
entsprechende Untersuchungen nicht vorgenommen. Auch ist noch um 23:40 Uhr der
erste Versuch einer Mikroblutuntersuchung bei einer Öffnung des Muttermundes von 2 -
3 cm gescheitert und auch erst in diesem Zeitpunkt eine Pulsoxymetrie durchgeführt
worden.
Der Verweis der Beklagten zu 1. und 2. auf das Ergänzungsgutachten des Prof. Dr. med.
C. vom 21.03.2005 rechtfertigt ein anderes Ergebnis nicht. Der Gutachter führt aus, dass
auch bei Vorliegen eines pathologischen CTG nicht unbedingt eine Gefährdung des
Kindes vorliegen muss, und selbst bei kombiniertem Auftreten scheinbar eindeutig
pathologischer CTG-Muster wie Tachykardie, Dezelerationen und zusätzlichen
Oszillationsverlust der positive Vorhersagewert allenfalls bei 30 % liege. Nach Auffassung
des Sachverständigen Prof. Dr. med. C. soll daher durch zusätzliche Methoden die fetale
Sauerstoffversorgung abgeklärt werden, soweit nicht eine akute, dringend
behandlungsbedürftige Situation besteht. Gerade solche zusätzlichen Untersuchungen
sind vorliegend um 23:00 Uhr jedoch nicht erfolgt, obwohl ein dringender
Handlungsbedarf wegen der Unklarheiten über die bereits bestehende Dauer der
Tachykardie nicht ausgeschlossen werden konnte.
Auch greift der Einwand der Beklagten zu 1. und 2. nicht, der Sachverständige Prof. Dr.
Du. habe den Maßstab für die Bejahung eines Behandlungsfehlers verkannt, da er selbst
angegeben habe, eine Reihe anderer Fachärzte hätte aufgrund des vorliegenden CTG für
ein Abwarten plädiert. Diese Ausführungen des Sachverständigen betreffen jedoch nicht
das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, sondern knüpfen an die Ausführungen des
Sachverständigen auf Seite 19 f seines Gutachtens an, ob die Entscheidung der
Beklagten zu 2. gegen die Einleitung einer Sectio schlechterdings nicht mehr
nachvollziehbar ist, es sich also um einen groben Behandlungsfehler gehandelt hat. Der
Sachverständige hat hingegen ausdrücklich ausgeführt, dass sich der durchschnittliche
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Sachverständige hat hingegen ausdrücklich ausgeführt, dass sich der durchschnittliche
Facharzt in diesem Zeitpunkt hätte darüber im Klaren sein müssen, dass das fetale
Wohlbefinden des Kindes nicht einwandfrei bewiesen war, mithin eine Beendigung der
Geburt durch Kaiserschnitt indiziert gewesen ist. Damit hat der Sachverständige zugleich
auch verdeutlicht, dass der von ihm gewählte Maßstab nicht zu hoch gewesen ist,
insbesondere dass er nicht mehr als den allgemein zu fordernden Standard verlangt hat.
Der von der Beklagten zu 2. verschuldete Behandlungsfehler ist für die bei der Klägerin
aufgetretenen Schädigungen auch kausal geworden. Eine Kausalität im
haftungsrechtlichen Sinne ist bereits dann gegeben, wenn der Behandlungsfehler für den
Schaden mitursächlich geworden ist, sei es auch nur im Sinne eines Auslösers neben
anderen erheblichen Umständen; eine Alleinursächlichkeit ist nicht erforderlich; steht
fest, dass der Patient durch einen Behandlungsfehler einen Schaden erlitten hat, so ist
es Sache des Arztes zu beweisen, dass der Patient den gleichen Schaden auch bei
einem fehlerfreien Handeln erlitten hätte (BGH VersR 2005, S. 942). Zwar ist nach den
übereinstimmenden Angaben der beteiligten Sachverständigen nicht auszuschließen,
dass es nicht bereits eine Zeit - etwa einige Tage - bevor sich die Mutter der Klägerin in
Behandlung bei der Beklagten zu 1. gegeben hat, bereits zu einer Mangelversorgung der
Klägerin mit Sauerstoff gekommen ist, die zu Hirnschäden geführt hat. Da nach den
übereinstimmenden Angaben der Sachverständigen Prof. Dr. Du. und Prof. Dr. Ha. eine
Abgrenzung, in welchem Umfang eine Unterversorgung zu welchem Zeitpunkt zu den
Schäden der Klägerin geführt hat, jedoch nicht möglich ist, reicht die Mitursächlichkeit
des Behandlungsfehlers der Beklagten zu 2. für die Zurechnung der gesamten bei der
Klägerin aufgetretenen Beeinträchtigungen aus. Eine solche Mitursächlichkeit hält der
Senat im Ergebnis der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme für bewiesen.
Der Senat folgt den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Ha., es sei davon
auszugehen, dass es der Klägerin ohne die Sauerstoffunterversorgung während der
Geburt besser gehen würde und der Behinderungsgrad deutlich geringer wäre, da die
Symptomatik mit großer Wahrscheinlichkeit weniger stark ausgebildet wäre, als dies
tatsächlich nunmehr der Fall ist. So ist aus Sicht des Senats auch zu berücksichtigen,
dass die Bradykardie, die letztlich den Ausschlag für die Sectio gegeben hat, und der
Herzkreislaufzusammenbruch bei der Klägerin nicht eingetreten wären, wenn die
Beklagte zu 2. rechtzeitig eine Sectio vorgenommen hätte, auch die Reanimierung des
scheintot geborenen Kindes wäre dann nicht notwendig gewesen. Schließlich werden die
Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Ha. gestützt von den Angaben des
Sachverständigen Prof. Dr. Du., der es trotz der Relativierung des Ergebnisses seines
schriftlichen Gutachtens im Rahmen seiner Anhörung durch das Landgericht ebenfalls
für wahrscheinlich hält, dass das Kind bei rechtzeitiger Sectio schadensärmer geboren
worden wäre.
Dahinstehen kann, ob darüber hinaus ein Behandlungsfehler darin zu sehen ist, dass die
Beklagte zu 2. ihre Entscheidung zu einer Fortsetzung der Bemühungen um eine
vaginale Geburt auch um 23:40 Uhr trotz der fehlgeschlagenen Mikroblutuntersuchung
nicht überdacht hat. Der Senat weist aber darauf hin, dass in diesem Zeitpunkt zwar
durch den missglückten Versuch einer Mikroblutuntersuchung eine hinreichende
Sauerstoffversorgung der Klägerin weiterhin nicht positiv geklärt werden konnte, die
gleichzeitig angesetzte transkutane Sauerstoffsättigungsmessung jedoch für eine
ausreichende Versorgung sprach. Soweit der Sachverständige Prof. Dr. Du. ausgeführt
hat, dass eine Sauerstoffmangelversorgung des Kindes trotz des hier nach diesem
Verfahren gemessenen Sauerstoffsättigungswertes von über 30 % - gerade auch beim
Vorliegen von Tachykardien des Kindes - gegeben sein kann, hat er zugleich angegeben,
dass eine entsprechende Kenntnis jedenfalls im damaligen Zeitpunkt nicht allgemeines
Facharztstandardwissen gewesen sei, was der Annahme eines schuldhaften
Behandlungsfehlers entgegenstehen würde.
Da ein Anspruch gegen die Beklagte zu 1. aus den vorgenannten Gründen bereits
besteht, kann weiterhin offen gelassen werden, ob die Beklagte zu 1. der Klägerin
darüber hinaus auch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen eines Organisationsverschuldens
haftet, insbesondere ob die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Du., nach den
Vorgaben der deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e. V. sollten
zwischen der Entscheidung zur Sectio bis zur Entwicklung des Kindes ein Zeitraum von
nicht mehr als 20 Minuten zzgl. 10 Minuten Wegezeit liegen, im Hinblick auf die von der
Klägerin in der Berufungsinstanz hierzu eingereichten Unterlagen weiterhin haltbar sind.
Ebenso kommt es schließlich auf die Verletzung einer Aufklärungspflicht durch die
Beklagte zu 2. nicht mehr an.
c) Der Rechtsstreit war zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht
gem. § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO zurückzuverweisen. Einen entsprechenden Antrag (vgl. zu
diesem Erfordernis BGH MDR 2004, S. 1429; Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, Kommentar,
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diesem Erfordernis BGH MDR 2004, S. 1429; Zöller-Gummer/Heßler, ZPO, Kommentar,
26. Aufl., § 538, Rn. 43) hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellt. Einer
Zurückverweisung steht auch nicht die Entscheidungsreife des Rechtsstreits entgegen.
Die für die Bemessung der Schmerzensgeldhöhe wesentlichen Folgen der
Beeinträchtigung der Klägerin sind von den Beklagten bestritten worden, sodass insoweit
Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zu erheben ist, wobei
insbesondere auch die zukünftige Entwicklung der Klägerin - im Rahmen des Möglichen -
zu klären ist. Der Senat verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass über die
weitere Entwicklung der Klägerin seit Erhebung der Klage im Juli 2003 kein Vortrag
vorliegt.
3. Der nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 05.04.2007 gibt keinen Anlass die
mündliche Verhandlung wiederzueröffnen, § 156 ZPO.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 708 Nr. 10
ZPO.
Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO rechtfertigen würden,
sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft,
ohne von der höchst- oder obergerichtlichen Rechtsprechung abzuweichen, kommt der
Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des
Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des
Revisionsgerichts.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 400.000,00 € festgesetzt, § 47 Abs. 1
Satz 1 GKG (Schmerzensgeldantrag: 300.000,00 €; Feststellungsantrag: 100.000,00 €).
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