Urteil des OLG Brandenburg vom 14.03.2017

OLG Brandenburg: vorrang, amtsstelle, zahl, ausschreibung, einziehung, verfügung, amtsbezirk, geschäftsführer, ermessensspielraum, vergleich

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
Senat für
Notarsachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
Not W 2/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 4 BNotO, § 6 Abs 3 S 1 BNotO,
§ 7 Abs 1 BNotO, § 10 Abs 1 S 3
BNotO, § 111 Abs 1 S 2 BNotO
Bestellung zum Notar: Auswahlentscheidung zwischen einem
amtierenden Notar und einem Notarassessor
Tenor
Die Anträge des Antragstellers werden zurückgewiesen.
Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 50.000,- € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Untersagung der
Besetzung der im Justizministerialblatt … vom 15. Januar 2008 ausgeschriebenen
Notarstelle im Amtsbezirk F… (bisherige Amtsinhaberin: Notarin I… S…) bis zu einer
bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache und in der Hauptsache die
Aufhebung der Besetzungsentscheidung des Antragsgegners vom 6. Mai 2008 sowie die
Verpflichtung des Antragsgegners, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
über die Bewerbung des Antragstellers erneut zu entscheiden.
Auf die ausgeschriebene Stelle bewarben sich insgesamt vier Personen, nämlich der
hiesige Antragsteller, der Notar Dr. F… C… (Antragsteller im Parallelverfahren Not W
3/08), der Beigeladene und der damalige Notarassessor H… T… (Antragsteller im
erledigten Verfahren Not W 1/08).
Nach Durchführung von Bewerbungsgesprächen am 7. März 2008 erstellte die
Notarkammer am 12. März 2008 einen Besetzungsvorschlag und empfahl hierin, die
Stelle dem Beigeladenen zu übertragen. Mit Bescheid vom 6. Mai 2008 teilte der
Antragsgegner dem Antragsteller mit, dass er beabsichtige, die Notarstelle dem
Beigeladenen zu übertragen. Diese Entscheidung begründete der Antragsgegner
gegenüber dem Antragsteller im wesentlichen mit folgenden Erwägungen: Angesichts
der Zahl der anstellungsreifen Notarassessoren und der geringen Zahl der in
absehbarer Zeit planmäßig wiederbesetzbaren Notarstellen im Land … sei der
Bewerbung eines Notarassessors grundsätzlich der Vorrang gegenüber der Bewerbung
eines schon amtierenden Notars einzuräumen. Im Vergleich zwischen dem
Beigeladenen und dem Antragsteller ergäben sich insgesamt keine auffälligen,
erheblichen Eignungsunterschiede. Die Notarstelle des Antragstellers unterliege
ihrerseits nicht der Einziehung.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller.
Er macht geltend, die Auswahlentscheidung des Antragsgegners sei rechtswidrig und
verletze ihn in seinen Grundrechten aus Art. 3 Abs.1, Art. 12 Abs.1, Art. 33 Abs.2 GG.
Die Ausschreibung der Notarstelle sei unzulässig auf Bewerber beschränkt worden, die
noch Notarassessoren sind. Es handele sich hier um eine besonders einträgliche und
lukrative Stelle im Rahmen einer Sozietät mit dem Notar St…, die von vornherein dem
Beigeladenen zugedacht gewesen sei und diesen gegenüber anderen Bewerbern
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Beigeladenen zugedacht gewesen sei und diesen gegenüber anderen Bewerbern
willkürlich bevorteile. Die angefochtene Besetzungsentscheidung verstoße gegen das
bisher praktizierte Vorrücksystem und die damit verbundene Selbstbindung des
Antragsgegners. Er, der Antragsteller, sei deutlich besser geeignet als der Beigeladene,
der seinerseits über nur geringe Erfahrungen aus der notariellen Praxis verfüge. Dem
Beigeladenen könne die bisherige Amtsstelle des Antragstellers übertragen werden,
womit dem Bedürfnis, einem Notarassessor eine Notarstelle zuzuweisen, genügt werde.
Der Antragsteller beantragt,
1. dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die im
Justizministerialblatt … vom 15. Januar 2008 ausgeschriebene Notarstelle in F…
mit einem Mitbewerber zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung des
Antragstellers bestandskräftig entschieden ist;
2. den Antragsgegner unter Aufhebung des Bescheides vom 6. Mai 2008 zu
verpflichten, über die Bewerbung des Antragstellers um die im
Justizministerialblatt … vom 15. Januar 2008 ausgeschriebene Notarstelle in F…
unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden,
Der Antragsgegner beantragt,
die Anträge des Antragstellers zurückzuweisen.
Der Antragsgegner und der Beigeladene halten die Anträge des Antragstellers für
unbegründet. Für die Frage, ob einem Notarassessor gegenüber einem Notar bei der
Bewerbung um eine Notarstelle grundsätzlich der Vorrang eingeräumt werde, stehe der
Justizverwaltung im Rahmen ihrer Organisationshoheit ein weiter
Entscheidungsspielraum offen. Die Zahl der anstellungsreifen Notarassessoren
einerseits und die geringe Zahl der in absehbarer Zeit planmäßig wiederbesetzbaren
Notarstellen andererseits rechtfertige die Entscheidung für einen grundsätzlichen
Vorrang der Bewerbungen von Notarassessoren. Ein Vorrücksystem sei im Land …
bislang nicht praktiziert worden. Hinsichtlich der fachlichen Eignung bestünden keine
auffälligen Unterschiede zwischen dem Antragsteller und dem Beigeladenen. Die
Notarstelle des Antragstellers unterliege aus strukturellen Gründen keiner Einziehung.
Die Notarkammer hat mit Schreiben vom 9. Juli 2008 zum Verfahren Stellung
genommen. Sie hat in diesem Zusammenhang Angaben zur Alterstruktur der Notare im
Land …, der Notare im Amtsbezirk F…, der Bewerber sowie der Notarassessoren im
Land …, zu den planmäßig frei werdenden Notarstellen in der Zeit bis 2015 und zum
Urkundenaufkommen mitgeteilt. Sie hat ferner ausgeführt: Ein Vorrücksystem werde im
Land … bisher nicht praktiziert. Im Vergleich zum ausgewählten Notarassessor verfüge
der Antragsteller nicht über eine auffällig oder erheblich bessere fachliche Eignung.
Möglicherweise würde die jetzige Amtsstelle des Antragstellers im Falle ihrer Vakanz
eingezogen werden und für die Besetzung mit einem Notarassessor nicht zur Verfügung
stehen,
Der Verwaltungsvorgang des Antragsgegners 3835-I.006 sowie die Personalakten des
Antragstellers und des Beigeladenen haben vorgelegen und sind Gegenstand der
Verhandlung gewesen.
II.
Die zulässigen Anträge sind unbegründet und haben daher in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Anträge sind insgesamt zulässig. Der Antrag auf Aufhebung der
Auswahlentscheidung vom 6. Mai 2008 und zur Neubescheidung der Bewerbung des
Antragstellers ist gemäß § 111 Abs.1 BNotO statthaft. Verfahrensgegenstand ist ein
„Verwaltungsakt“ (Auswahlentscheidung), der auf Grund der Bundesnotarordnung
erlassen worden ist (§§ 4, 6 Abs.3 Satz 1, § 6b Abs.4, § 7 Abs.1, § 10 Abs.1 Satz 3
BNotO) und den Antragsteller möglicherweise in seinen Rechten beeinträchtigt (s.
insbesondere zum Neubescheidungsantrag bei Konkurrentenstreitigkeiten etwa
Eylmann/Vaasen/Custodis, BNotO, 2.Aufl.2004, § 111 Rdn.99). Der Antrag auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung ist nach dem Rechtsgedanken des § 24 Abs.3 FGG - der
nach § 111 Abs.4 Satz 2 BNotO i.V.m. § 40 Abs.4 BRAO auf das vorliegende Verfahren
Anwendung findet - zulässig (s. etwa BGHZ Bd.67, S.343, 347 f.; BGH DNotZ 1993, S.59,
60; Schippel/Lemke, BNotO, 8.Aufl.2006, § 111 Rdn.48 m.w.Nw.; Arndt/Lerch/Sandkühler,
BNotO, 6.Aufl.2008, § 111 Rdn.124 m.w.Nw.; Eylmann/Vaasen/Custodis, aaO., § 111
Rdn.163, 167). Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung sind form- und fristgerecht bei
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Rdn.163, 167). Die Anträge auf gerichtliche Entscheidung sind form- und fristgerecht bei
dem zuständigen Brandenburgischen Oberlandesgericht - Senat für Notarsachen -
eingereicht worden und zutreffend gegen die Landesjustizverwaltung (Ministerium der
Justiz) gerichtet (§ 111 Abs.2 Satz 1, Abs.3 und Abs.4 Satz 3 und Satz 2 BNotO [n.F.] in
Verbindung mit § 37 Abs.1 und 3 BRAO [n.F.]).
2. Die Anträge sind allerdings nicht begründet.
Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners vom 6. Mai 2008 ist nicht rechtswidrig (§
111 Abs.1 Satz 2 BNotO). Soweit dem Antragsgegner ein Ermessen zusteht, sind die
gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten und ist von dem Ermessen in
einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden
(§ 111 Abs.1 Satz 3 BNotO).
a) Die Entscheidung, unter den Bewerbern einem Notarassessor (hier: dem
Beigeladenen) gegenüber einem schon amtierenden Notar (hier: dem Antragsteller) den
Vorrang einzuräumen, ist von der Organisationshoheit und dem Auswahlermessen des
Antragsgegners gedeckt.
Gemäß § 4 BNotO bestimmt die Landesjustizverwaltung (§ 12 Satz 1 BNotO) im Rahmen
ihrer Organisationshoheit über die Zahl und die Vergabe der Notarstellen nach Maßgabe
der Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege unter besonderer Berücksichtigung des
Bedürfnisses nach einer angemessenen Versorgung der Rechtsuchenden mit notariellen
Leistungen und der Wahrung einer geordneten Altersstruktur des Notarberufs. In diesem
Rahmen steht der Landesjustizverwaltung ein weiter Ermessensspielraum zu
(„Justizhoheit“, „Organisationsgewalt“; s. etwa BVerfG, DNotZ 2005, S.473, 475; BGH
DNotZ 1996, S.906, 908 f.; Schippel/Bracker, aaO., § 4 Rdn.3; Arndt/Lerch/Sandkühler,
aaO., § 4 Rdn.28; Eylmann/Vaasen/Schmitz-Valckenberg, aaO, § 4 Rdn.1 ff. m.w.Nw.).
Dieser weite Ermessensspielraum besteht auch für die Entscheidung über den Antrag
eines Notars auf Verlegung seines Amtssitzes nach § 10 Abs.1 Satz 3 BNotO; ein Notar
hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Sitzverlegung (s. BGH DNotZ 1993, S.59, 60 ff.;
DNotZ 1994, S.333, 334; DNotZ 1996, S.906, 908 f.; NotBZ 2003, S.60, 61; DNotZ
2003, S.228 ff. = NJW-RR 2003, S.562 f.; DNotZ 2004, S.230 f. = NotBZ 2003, S.349 =
NJW-RR 2004, S.1067, 1068; DNotZ 2007, S.154; Schippel/Püls, aaO., § 10 Rdn.4;
Eylmann/Vaasen/Schmitz-Valckenberg, aaO., § 4 Rdn.32). Demzufolge steht der
Landesjustizverwaltung grundsätzlich auch ein erheblicher, gerichtlich nur beschränkt
nachprüfbarer Entscheidungsspielraum zur Verfügung, wenn sich ein schon amtierender
Notar und ein Notarassessor aus dem betroffenen Bundesland um eine freie Notarstelle
bewerben (s. dazu BGH DNotZ 2003, S.228 ff. = NJW-RR 2003, S.562 f.; NotBZ 2003,
S.60, 61; DNotZ 2004, S.230 f. = NotBZ 2003, S.349 = NJW-RR 2004, S.1067, 1068;
DNotZ 2007, S.154 f.; DNotzZ 2008, S.862; NJW-RR 2008, S.1642, 1644 = ZNotP 2008,
S.459, 460 f.; ZNotP 2008, S.414, 415; OLG Rostock, NotBZ 2005, S.187, 188; Schlick,
ZNotP 2008, S.426, 434).
Die Landesjustizverwaltung darf – wie auch hier geschehen – unter den Bewerbern für
eine frei gewordene Notarstelle einem Notarassessor gegenüber einem schon
amtierenden Notar den Vorrang einräumen und ist nicht gehalten, den schon
amtierenden Notar auszuwählen; es besteht kein grundsätzlicher Vorrang für den schon
amtierenden Notar (vgl. BVerfG DNotZ 2005, S.473, 476 = NotBZ 2005, S.253, 254;
DNotZ 2006, S.69, 71, 72; BGH DNotZ 2003, S.228 ff. = NJW-RR 2003, S.562 f.; NotBZ
2003, S.60, 61; DNotZ 2004, S.230 f. = NotBZ 2003, S.349 f.; DNotZ 2007, S.154 f.;
OLG Rostock, NotBZ 2005, S.187, 188; Schlick, aaO.). Bei der Vergabe freier
Notarstellen sind (anstellungsreife) Notarassessoren nach Maßgabe von §§ 4, 6 Abs.3
Satz 1, § 7 Abs.1 BNotO angemessen zu berücksichtigen (s. etwa BVerfG, DNotZ 2005,
S.473, 475 = NotBZ 2005, S.253, 254; BGH NotBZ 2003, S.349; DNotZ 2007, S.154 ff.).
In Bezug auf die Aussicht auf eine Anstellung als Notar obliegt der
Landesjustizverwaltung gegenüber den Notarassessoren eine Fürsorgepflicht und steht
den Notarassessoren ein Anwartschaftsrecht zu (s. BVerfG DNotZ 2005, S.473, 475 f. =
NotBZ 2005, S.253, 254; BGH NotBZ 2003, S.60, 61; DNotZ 2003, S.228, 229 = NJW-RR
2003, S.562; DNotZ 2007, S.154 ff.; DNotZ 2008, S.862 ff.; Schippel/Bracker, aaO., § 7
Rdn.14 ff., 95; Eylmann/Vaasen/Baumann, aaO., § 7 Rdn.7; Egerland/Gergaut, DNotZ
2005, S.190 m.w.Nw.; Schlick, aaO.).
Zu dem gemäß § 6b Abs.4 Satz 1 BNotO maßgeblichen Zeitpunkt am 15. Februar 2008
befanden sich insgesamt sechs anstellungsreife Notarassessoren im Dienst des Landes
…, deren dreijähriger Anwärterdienst in der Zeit zwischen 2002 und 2006 geendet hatte.
Aus der maßgeblichen Perspektive des 15. Februar 2008 (§ 6b Abs.4 Satz 1 BNotO) ist
mit der Besetzung weiterer frei werdender Notarstellen erst ab dem Jahre 2010 zu
rechnen, so dass sich die Dauer des Notaranwärterdienstes danach auf bis zu elf Jahre
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rechnen, so dass sich die Dauer des Notaranwärterdienstes danach auf bis zu elf Jahre
verlängern würde. Bei dieser Lage bestehen keine Bedenken, wenn der Antragsgegner
der Bewerbung von Notarassessoren den Vorrang einräumt. Die Ausschreibung ist
entgegen dem Vorbringen des Antragstellers nicht etwa von vornherein auf Bewerber
beschränkt worden, die noch Notarassessoren sind. Mit dem ursprünglich für den
Ausschreibungstext vorgesehenen Hinweis, dass sich die Ausschreibung
an Notarassessoren richte, sollte lediglich die Vorentscheidung für einen
Vorrang von Notarassessor-Bewerbern zum Ausdruck gebracht werden, die ihrerseits,
wie dargelegt, hier keinen Bedenken begegnet und den gebotenen Spielraum für die
Berücksichtigung der Bewerbung eines schon amtierenden Notars nach Maßgabe der
Umstände des konkreten Einzelfalls lässt.
b) Die Belange des konkurrierenden Notar-Bewerbers (hier: des Antragstellers) hat der
Antragsgegner angemessen berücksichtigt.
aa) Die Entscheidung des Antragsgegners ist nicht deshalb fehlerhaft, weil die bisherige
Amtsstelle des Antragstellers einzuziehen gewesen wäre.
Es kann allerdings angezeigt sein, dem Notar-Bewerber einen Vorrang einzuräumen,
wenn die bisherige Amtsstelle des Notars eingezogen werden soll (vgl. BVerfG DNotZ
2005, S.939, 941 f.; BGH DNotZ 2005, S.153; DNotZ 2004, S.230, 231 f. = NotBZ 2003,
S.349, 350 = NJW-RR 2004, S.1067, 1068; DNotZ 2007, S.154, 155) - doch schließt auch
dies die Auswahl des mit dem Notar konkurrierenden Notarassessors nicht zwingend aus
(s. BGH DNotZ 2004, S.230, 232 f. = NotBZ 2003, S.349, 350 = NJW-RR 2004, S.1067,
1068 f.; DNotZ 2003, S.228, 229).
Dass die bisherige Amtsstelle des Antragstellers nicht mehr auskömmlich sei, macht der
Antragsteller selbst nicht geltend. Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich,
dass der Antragsteller etwa auf eine Einkommensergänzung aus den Mitteln der
Ländernotarkasse angewiesen wäre. In ihrem Schreiben vom 30. Juni 2008 spricht sich
die Ländernotarkasse zwar gegen die Wiederbesetzung der Notarstelle des
Antragstellers in G… aus, und die von der Notarkammer mitgeteilten Zahlen zum
Urkundenaufkommen für die Notarstelle in G… in den Jahren 2005 bis 2007 (743 bis 793
bereinigte Urkunden) liegen erheblich unter dem Landesdurchschnitt (1044 bis 1058
bereinigte Urkunden). Andererseits handelt es sich um die einzige Notarstelle im Bezirk
des Amtsgerichts G…, so dass eine Einziehung dieser Stelle schon aus strukturellen
Gründen (§ 10a Abs.1 Satz 1 BNotO) nicht in Betracht kommt, wie der Senat dies bereits
in seinem Beschluss vom 9. Mai 2006 – Not 1/05 – dargelegt hat (Umdruck, Seite 12)
und hierin vom Bundesgerichtshof mit (die hiergegen eingelegte Beschwerde des
Antragstellers zurückweisender) Entscheidung vom 20. November 2006 – NotZ 23/06 –
(juris, Rdz. 11 ff.) bestätigt worden ist.
bb) Der Antragsteller kann sich ferner nicht mit Erfolg auf die gebotene Beachtung eines
„Vorrücksystems“ berufen.
Unbeschadet der Möglichkeit, bei der Besetzung einer frei gewordenen Notarstelle unter
den Bewerbern einem Notarassessor gegenüber einem schon amtierenden Notar den
Vorrang einzuräumen, bleibt es der Landesjustizverwaltung unbenommen, ein
„Vorrücksystem“ einzuführen und/oder tatsächlich anzuwenden, das es den Notaren
planmäßig ermöglichen soll, sich mit wachsendem Dienstalter auf „bessere“
Notarstellen „vorzuarbeiten“ (s. etwa BGH DNotZ 1994, S.333, 335; DNotZ 1996, S.906,
910; DNotZ 2004, S.230, 233 = NotBZ 2003, S.349, 350 = NJW-RR 2004, S.1067, 1069;
DNotZ 2005, S.149; OLG Rostock, NotBZ 2005, S.187, 189; Schippel, aaO., § 10 Rdn.4;
Eylmann/Vaasen/Schmitz-Valckenberg, aaO., § 6 Rdn.52; krit.: Arndt/Lerch/Sandkühler,
aaO., § 7 Rdn.54 ff.). Ist ein solches „Vorrücksystem“ eingeführt und/oder praktiziert, so
muss sich die Landesjustizverwaltung unter dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der
Verwaltung grundsätzlich auch an dieses System halten (vgl. BGH DNotZ 2004, S.230,
232 f. = NotBZ 2003, S.349, 350 = NJW-RR 2004, S.1067, 1068; DNotZ 2004, S.887,
888; OLG Rostock, NotBZ 2005, S.187, 189; Schippel/Bracker, aaO., § 4 Rdn.3 und § 7
Rdn.95; Schlick, ZNotP 2008, S.426, 434). Es ist freilich nicht geboten, dass die
Justizverwaltung ein „Vorrücksystem“ einführt oder praktiziert (s. BGH DNotZ 2004,
S.230, 233 = NotBZ 2003, S.349, 350; ZNotP 2008, S.414, 416; Egerland/Gergaut,
NotBZ 2005, S.190, 192 f.). Für das eher inhomogene Notariat in den neuen
Bundesländern ist die Einführung eines „Vorrücksystems“ problematisch (s.
Egerland/Gergaut, NotBZ 2005, S.190, 192 f.).
Der Antragsgegner hat für das Land … bislang freilich kein „Vorrücksystem“ eingeführt.
Dies hat der Senat zuletzt in seinem Beschluss vom 10. Dezember 2007 – Not 1/07 –
eingehend dargelegt und ist vom Bundesgerichtshof mit (die dagegen eingelegte
Beschwerde zurückweisender) Entscheidung vom 28. Juli 2008 – NotZ 3/08 – bestätigt
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Beschwerde zurückweisender) Entscheidung vom 28. Juli 2008 – NotZ 3/08 – bestätigt
worden (ZNotP 2008, S.414, 416). In der danach verstrichenen Zeit sind keine neuen
Gesichtspunkte aufgetreten, die eine andere Einschätzung stützen könnten.
cc) Dem Antragsteller war hier auch nicht deshalb der Vorrang zu gewähren, weil seine
bisherige Amtsstelle möglicherweise für die Besetzung mit einem Notarassessor zur
Verfügung steht.
Zugunsten des konkurrierenden Notar-Bewerbers kann zwar zu berücksichtigen sein,
dass dieser möglicherweise selbst eine Notarstelle freimacht, die mit einem
Notarassessor besetzt werden kann (s. BGH NotBZ 2003, S.349, 250; DNotZ 2007,
S.154, 155, 157; DNotZ 2008, S.862, 863 f.; OLG Rostock, NotBZ 2005, S.187, 189;
Schippel/Bracker, aaO., § 7 Rdn.95).
Diese Überlegung darf freilich nicht dazu führen, dass der Landesjustizverwaltung auf
diesem Wege faktisch die Einführung eines „Vorrücksystems“ „aufgezwungen“ wird,
indem der Notar-Bewerber bei lukrativeren Amtsstellen den Vorrang erhält und der
konkurrierende Notarassessor auf die weniger lukrative bisherige Amtsstelle des Notar-
Bewerbers verwiesen wird – die er wiederum nicht erhalten wird, wenn ein anderer Notar-
Bewerber von einer noch weniger lukrativen Amtsstelle aus sich auf eben diese frei
gewordene Amtsstelle bewerben sollte, und so fort (Senat, Beschluss vom 10.
Dezember 2007 – Not 1/07 –, bestätigt durch BGH ZNotP 2008, S.414, 416). Die
Landesjustizverwaltung ist nicht gezwungen, ein „Vorrücksystem“ einzuführen; über
dessen Einführung kann sie grundsätzlich frei befinden. Dies gilt insbesondere
angesichts der im Land … gegenwärtig noch vorhandenen inhomogenen Notarstruktur;
bei den hier amtierenden Notaren handelt es sich teilweise um schon zu DDR-Zeiten
tätig gewesene (Staatliche) Notare; teilweise um „Quereinsteiger“, die keinen
Notaranwärterdienst abgeleistet haben; teilweise um Notare oder Anwaltsnotare, die aus
anderen Bundesländern nach … gewechselt sind; und schließlich teilweise um Notare,
die den Notaranwärterdienst im Land … durchlaufen haben. Diese Lage
unterschiedlicher Qualifikationen und beruflicher Werdegänge steht der Einführung eines
Vorrücksystems entgegen. Ein Vorrücksystem gründet sich nämlich vornehmlich auf
einer homogenen, seit langem gewachsenen Notarstruktur.
dd) Die Auswahlentscheidung des Antragsgegners erweist sich auch unter dem
Gesichtspunkt der Bestenauslese als rechtmäßig.
Wird die vorausgehende, auf personalwirtschaftlichen Erwägungen beruhende
Organisationsentscheidung der Sache nach – wie dies auch für den vorliegenden Fall
nahe liegt – schon mit Blick auf bestimmte konkurrierende Bewerber getroffen, so sind
bei auffälligen, erheblichen Eignungsunterschieden die Grundrechte aus Art. 3 Abs.1, Art.
12 Abs.1, Art. 33 Abs.2 GG zu berücksichtigen und hat damit das Prinzip der
Bestenauslese Beachtung zu finden (vgl. BVerfG DNotZ 2005, S.473, 476 f. = NJW-RR
2005, S.998, 1000; BGH DNotZ 2003, S.228, 230 = NJW-RR 2003, S.562, 563; NotBZ
2003, S.349; DNotZ 2007, S.154, 155; ZNotP 2008, S.414, 415; OLG Rostock, NotBZ
2005, S.187, 188; Schlick, ZNotP 2008, S.426, 434).
Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die Auswahlentscheidung des Antragsgegners im
Verhältnis zum Antragsteller indes nicht zu beanstanden, zumal der
Landesjustizverwaltung insoweit ein gerichtlich nur eingeschränkt nachprüfbarer
Beurteilungsspielraum zukommt (s. dazu etwa BVerfG DNotZ 2006, S.69, 70; BGHZ
Bd.134, S.137, 140 f.).
Zwar verfügte der Antragsteller zum maßgeblichen Zeitpunkt des Ablaufes der
Bewerbungsfrist (§ 6b Abs.4 Satz 1 BNotO; hier: 15. Februar 2008) neben guten – und:
gegenüber dem Beigeladenen erheblich besseren – Ergebnissen in beiden juristischen
Staatsexamina schon über eine mehr als sechsjährige Praxis als amtierender Notar; der
notariellen Berufserfahrung und der speziellen Befähigung eines Bewerbers für das Amt
des Notars kommt ein nicht geringes Gewicht bei der Auswahlentscheidung zu (vgl.
BVerfG DNotZ 2006, S.69, 70; DNotZ 2005, S.473, 477 = NotBZ 2005, S.253, 255).
Seine notarielle Tätigkeit verrichtet der Antragsteller – bei nur geringfügigen
Beanstandungen – in vorbildlicher Weise. Auf der anderen Seite hatte auch der
Beigeladene mit guten Beurteilungen den Notaranwärterdienst durchlaufen und
insbesondere im Rahmen von Notarvertretungen sehr gute Leistungen gezeigt. Der
Beigeladene ist ferner durch eine Reihe von Veröffentlichungen zu notarspezifischen
Rechtsfragen und durch seine Tätigkeit als Schriftleiter bei der NotBZ hervorgetreten. Im
Rahmen der Notarvertretungen hat der Beigeladene zwar nur relativ wenige praktische
Erfahrungen aus dem notariellen Alltagsbetrieb sammeln können. Als Geschäftsführer
der Ländernotarkasse gewann er jedoch vielfältige Einblicke in die notarielle Tätigkeit;
dieses Amt hat er, worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat, gerade auch im
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dieses Amt hat er, worauf der Antragsgegner zu Recht hingewiesen hat, gerade auch im
Interesse der amtierenden Notare wahrgenommen. Seiner geringeren praktischen
Erfahrung stehen seine breiten und vertieften theoretischen Kenntnisse in zahlreichen
für das Notaramt bedeutsamen Rechtsbereichen gegenüber. Vor diesem Hintergrund
erweist sich der Beigeladene fachlich nicht als auffällig, erheblich schlechter geeignet als
der Antragsteller.
c) Letztlich dringt auch der Einwand des Antragstellers nicht durch, dass der Beigeladene
willkürlich und unlauter bevorteilt worden sei, indem ihm die hier
verfahrensgegenständliche, besonders „lukrative“ Notarstelle in F… gleichsam
„freigehalten“ und seit langer Zeit „zugedacht“ worden sei.
Nach den von der Notarkammer mitgeteilten Zahlen bewegt sich das bisherige
Urkundenaufkommen für die hier streitige Notarstelle nicht deutlich oberhalb des
Landesdurchschnitts. An die Begründung einer Sozietät mit dem Büro des Notars St…
ist diese Stelle nicht gebunden. Gegen eine seit langer Zeit bestehende Festlegung auf
eine Zuweisung der streitigen Notarstelle an den Beigeladenen spricht, dass sich der
Beigeladene bereits 2004 auf eine Notarstelle im Amtsbezirk K… beworben und diese
Bewerbung im Hinblick auf die vergleichsweise besseren Aussichten des Mitbewerbers,
des Notarassessors H… T…, zurückgezogen hatte. Letzteres hat der Beigeladene im
Termin vom 2. März 2009 näher erläutert. Danach habe er sich im Zusammenhang mit
dem Ablauf der Fünf-Jahresfrist für die Tätigkeit als Geschäftsführer der
Ländernotarkasse „ernsthaft“ auf die Notarstelle in K… beworben, und zwar gerade auch
deshalb, weil dieser Ort von dem Familienwohnsitz in L… aus noch halbwegs gut zu
erreichen sei. Nachdem ihm signalisiert worden sei, dass er gegenüber dem
konkurrierenden Notarassessor T… wegen seiner geringen praktischen Erfahrungen wohl
nicht zum Zuge kommen werde, und ihm zugleich bedeutet worden sei, dass er in seiner
bisherigen Funktion noch einige Zeit benötigt werde (Abschluss von bestimmten
Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht bzw. dem Bundesgerichtshof; Änderung
der Satzung der Ländernotarkasse; Novellierung der BNotO), habe er diese Bewerbung
zurückgezogen. Im Übrigen habe er sich auch auf Notarstellen im Rheinland (Nordrhein-
Westfalen) beworben. Hinzu tritt, der Umstand, dass es bis zum Jahre 2007 nicht
absehbar war, dass die hier verfahrensgegenständliche Notarstelle alsbald frei würde,
weil die dort bislang amtierende Notarin S… bereits im Alter von 63 Jahren – also sieben
Jahre vor Erreichung der Altersgrenze (§ 48a BNotO) – in den Ruhestand getreten ist.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 111 Abs.4 Satz 2 BNotO i.V.m. § 201 Abs.1
BRAO sowie i.V.m. § 40 Abs.4 BRAO, § 13a Abs.1 Satz 1 FGG. § 201 BRAO gilt nur für die
gerichtlichen Kosten; für die außergerichtlichen Kosten ist § 13a FGG maßgeblich (s.
Arndt/Lerch/Sandkühler, aaO., § 111 Rdn.179 ff.; Eylmann/Vaasen/Custodis, aaO., § 111
Rdn.234 f.; Feuerich/Weyland, BRAO, 7.Aufl.2008, § 200 Rdn.1 f. m.w.Nw. und § 201
Rdn.1; Kleine-Cosack, BRAO, 5.Aufl.2008, § 201 Rdn.1; wohl a.A.: Schippel/Lemke, aaO., §
111 Rdn.55). Die Festsetzung des Verfahrenswertes folgt aus § 111 Abs.4 Satz 2 BNotO
i.V.m. § 202 Abs.2 BRAO i.V.m. § 30 Abs.2 KostO.
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