Urteil des OLG Brandenburg vom 09.10.2007

OLG Brandenburg: eltern, versorgung, unterbringung, mitarbeit, kindeswohl, familie, jugendamt, anleitung, entziehung, link

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 UF 206/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1666 BGB, § 1666a BGB, § 114
ZPO
Sorgerecht: Unterbringung eines Kindes in einer Pflegefamilie
bei Überforderung der Kindeseltern
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt
(Oder) vom 9. Oktober 2007 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das
Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.
Gründe
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Antragsgegnerin gegen die Übertragung von
Teilbereichen der elterlichen Sorge für ihren Sohn L. gemäß §§ 1666, 1666 a BGB auf
das Jugendamt und die Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie. Das zulässige
Rechtsmittel, über das der Senat angesichts der wiederholten, gut dokumentierten
Anhörungen der Beteiligten durch das Amtsgericht, zuletzt am 11.9.2007, sodass neue
Erkenntnisse nicht zu erwarten sind, ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist nicht
begründet.
Die Sorgerechtsentscheidung des Amtsgerichts stellt sich aus den Gründen der
angefochtenen Entscheidung als richtig dar. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird
hierauf Bezug genommen. Das Beschwerdevorbringen führt zu keiner abweichenden
Beurteilung.
Aus dem vom Amtsgericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dr. med. H.
vom 17.6.2007 sowie den Stellungnahmen des Jugendamts und des Verfahrenspflegers
ergibt sich, dass gegenwärtig nicht nur die sorgeberechtigte Mutter allein mit der
eigenverantwortlichen Erziehung ihres Sohnes überfordert ist; vielmehr sind es die Eltern
auch zusammen. Sie benötigen im Hinblick auf ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten
einerseits und die Komplexität der Versorgung und Erziehung des erst ein Jahr alten
Kindes andererseits derzeit eine umfassende Hilfe bei der Versorgung und Erziehung.
Die von dem Sachverständigen vorgeschlagene Teilnahme an einem Familienprojekt ist
den Eltern zumutbar, selbst wenn das mit gewissen persönlichen Einschränkungen
verbunden ist. Die Nachteile werden dadurch aufgewogen, dass die Eltern unter
ständiger Anleitung und Hilfe von geschulten Mitarbeitern die Versorgung und Erziehung
ihres Sohnes bereits ab Beginn der Aufnahme der Familie in ein Familienprojekt selbst
übernehmen könnten. Nach dem Sachverständigengutachten besteht auch die
realistische Chance, dass die Eltern durch eine entsprechende kontinuierliche und
intensive Mitarbeit in die Lage versetzt werden, in absehbarer Zukunft mit Unterstützung
einer ambulanten Familienhilfe die Versorgung und Erziehung von L. außerhalb des
Familienprojekts eigenständig zu übernehmen. Die Ablehnungen der Mutter bzw. der
Eltern gegenüber den von ihnen besichtigten Einrichtungen in B. und S. erscheinen nicht
stichhaltig. Das Familienprojekt in E. hat die sorgeberechtigte Mutter bereits im Vorfeld
ohne Besichtigung und ohne Angabe von Gründen abgelehnt. Entsprechendes gilt für die
vorgeschlagene Aufnahme in eine Mutter-Kind-Einrichtung.
L. bedarf aufgrund seiner Frühgeburt bzw. der bestehenden Entwicklungsverzögerung
einer besonderen Förderung. Ferner sind zusätzliche medizinische und therapeutische
Maßnahmen erforderlich, die über das übliche Maß hinausgehen. Da sich die Mutter und
auch der Vater der - nach der überzogenen Einschätzung des Sachverständigen Dr. H. -
unerlässlichen Anleitung und dem kontinuierlichen Training hinsichtlich der notwendigen
Kindesversorgung und Kindeserziehung verweigern, besteht nach der Einschätzung des
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Kindesversorgung und Kindeserziehung verweigern, besteht nach der Einschätzung des
Sachverständigen eine konkrete Gefahr für das Kindeswohl. Die mangelnde Einsicht und
Bereitschaft der Mutter bzw. der Eltern zu einer Mitarbeit, die der Abwendung der
drohenden Kindeswohlgefährdung dient, rechtfertigt die erfolgten Anordnungen des
Amtsgerichts und die Trennung des Kindes von der elterlichen Familie. Ob die
ursprünglich gerichtlich angeordnete Betreuung der Mutter wieder aufgehoben worden
ist, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Unerheblich ist auch, dass der Wunsch
der Eltern, den Sohn selbst zu betreuen und zu versorgen, von bestem Willen getragen
ist. Denn es geht allein um die tatsächlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten und damit die
praktische Handlungsfähigkeit der Mutter bzw. der Eltern für die Versorgung und
Erziehung von L.. Dazu aber ist die Mutter auch mit Unterstützung des Vaters nach der
Beurteilung des Sachverständigen, der der Senat folgt, gegenwärtig nicht in der Lage.
Die Entziehung der vom Amtsgericht tenorierten Teilbereiche der elterlichen Sorge stellt
sich danach gemäß § 1666 BGB als erforderlich dar. Es gibt im Interesse des Kindeswohl
aufgrund der verweigerten Mitarbeit der Eltern auch kein milderes Mittel zur
Gefahrenabwehr als die vom Jugendamt vorgenommene Unterbringung von L. in einer
Pflegefamilie, § 1666 a Abs. 1 Satz 1 BGB.
Wegen der fehlenden Erfolgsaussicht ihres Rechtsmittels kann der Mutter nicht die von
ihr beantragte Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt werden, § 114
ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.
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