Urteil des OLG Brandenburg vom 29.04.2009

OLG Brandenburg: verwirkung, pflege, foto, familie, solidarität, rechtshängigkeit, geburt, unterhalt, auskunft, elternrecht

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Senat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 WF 383/09 (PKH)
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1585b Abs 3 BGB, § 1613 Abs
2 S 1 BGB, § 1579 BGB
Zur Verwirkung des Anspruchs auf Ehegattenunterhalt
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Prozesskostenhilfe versagenden
Beschluss des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 29.4.2009 – Az.: 21 F 164/07 – wird
zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Auf das Beschwerdeverfahren ist das bis zum 31.8.2009 geltende Recht anzuwenden,
weil der Antrag auf Prozesskostenhilfe am 10.10.2007, mithin vor dem Stichtag, beim
Amtsgericht eingegangen ist und damit das Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren
eingeleitet worden ist, Artikel 111 Abs. 1 FGG-RG. Die sofortige Beschwerde ist gemäß §
127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässig.
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung der Antragstellerin hat keine hinreichende Aussicht
auf Erfolg. Etwaige Ansprüche gegen den Antragsgegner auf Zahlung nachehelichen
Betreuungs- bzw. Aufstockungsunterhalts (§ 1570 BGB bzw. 1573 Abs. 2 BGB) bestehen
jedenfalls wegen Verwirkung nicht mehr.
Es kann deshalb dahinstehen, ob die Antragstellerin zur Höhe eines ihr etwa
zustehenden Unterhaltsanspruchs ausreichend vorgetragen hat. Insoweit bestehen
Bedenken hinsichtlich der Angaben zu ihrem eigenen Einkommen sowie zum
Einkommen des Antragsgegners. Hinsichtlich ihrer eigenen Erwerbsunfähigkeitsrente hat
die Antragstellerin lediglich einen Bescheid vorgelegt, der den Rentenzahlbetrag ab
1.7.2005 ausweist. Der Prozesskostenhilfe-Antrag datiert vom 10.10.2007, sodass davon
auszugehen ist, dass zwischenzeitlich Rentenanpassungen eingetreten sind. Hinsichtlich
des Einkommens des Antragsgegners verweist die Antragstellerin selbst darauf, ihr
lägen diesbezüglich keine ausreichenden Unterlagen vor. Als Antragstellerin ist sie
jedoch in vollem Umfang für die Höhe eines etwaigen Anspruchs darlegungs- und
beweisbelastet. Sie kann sich nicht darauf zurückziehen, darauf zu verweisen, ihr stünde
ein Auskunftsanspruch zu. Notfalls muss im Wege der Stufenklage zunächst
hinreichende Auskunft verlangt werden.
Hierauf kommt es jedoch im Ergebnis nicht an, da das Amtsgericht zutreffend von einer
Verwirkung aller etwaigen Ansprüche ausgegangen ist.
Hinsichtlich von Unterhaltsansprüchen für die Zeit von April bis August 2006 ergibt sich
die Verwirkung bereits aus allgemeinen Gesichtspunkten (§ 242 BGB). Ein Recht ist
verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch nicht geltend gemacht und der
Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten auch darauf
eingerichtet hat, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (BGHZ 105, 290; BGH,
NJW 2008, 2254). Die Einwendung der Verwirkung hat der Antragsgegner erhoben. Er
bezieht sich auf den Ablauf des Zeit- und Umstandsmoments. Lässt ein
Unterhaltsgläubiger nach dem Unterhaltsbegehren längere Zeit verstreichen, ohne dass
es zu einer erneuten Zahlungsaufforderung oder Klage gekommen ist, und kann sich der
Unterhaltsverpflichtete hierauf einrichten, so ist der Unterhaltsanspruch verwirkt. Nach
dem Rechtsgedanken der §§ 1585 b Abs. 3, 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist regelmäßig das
Zeitmoment für Rückstände, die mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit der Klage oder
dem erneuten Tätigwerden liegen, erfüllt (BGH, FamRZ 1988, 370; 2004, 531; 2007,
453). Zum anderen muss sich aus dem Verhalten des Bedürftigen ergeben, dass er auf
seiner Unterhaltsforderung nicht mehr besteht. Das ist der Fall, wenn er sich trotz
fehlender Reaktion des in Anspruch Genommenen nicht mehr bei diesem meldet und
auf Zahlung besteht. Erfasst wird hinsichtlich der Verwirkung jedoch nur derjenige
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auf Zahlung besteht. Erfasst wird hinsichtlich der Verwirkung jedoch nur derjenige
Rückstand, der vom Zeitmoment umfasst wird, d.h., die mehr als ein Jahr vor erneutem
Tätigwerden zurückliegenden Ansprüche (Wendl/Staudigl/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht
in der familienrichterlichen Praxis, 7. A., § 6 Rz. 135 ff).
Hier hat die Antragstellerin vorgetragen, den Antragsgegner mit Schreiben vom
13.4.2006 zur Auskunft aufgefordert zu haben. Ein erneutes Schreiben ist sodann erst
am 17.8.2007 erfolgt, mithin über ein Jahr später. Der Prozesskostenhilfeantrag ist in der
Folge nach wenigen Monaten eingereicht worden. Da der Unterhaltsanspruch von Anfang
an streitig war, durfte sich der Antragsgegner bis zum Erhalt des Schreibens vom
17.08.2007 darauf einrichten, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Damit sind
die bei dem Schreiben vom 17.8.2007 seit mehr als einem Jahr fälligen
Unterhaltsbeträge jedenfalls verwirkt, mithin diejenigen bis zum August 2006.
Es liegt aber auch insgesamt Verwirkung des nachehelichen Unterhalts gemäß § 1579
BGB vor. Hier greift möglicherweise zunächst die Nr. 1 der Vorschrift – kurze Ehedauer –
ein, wovon wohl das Amtsgericht nicht ausgegangen ist. Maßgeblich ist insoweit die Zeit
zwischen Eheschließung und Zustellung des Scheidungsantrags, d.h., im vorliegenden
Fall die Zeit vom 10.5.2003 bis zum 16.9.2005, mithin zwei Jahre und vier Monate. Nicht
schematisch hinzuzurechnen, jedoch bei der Billigkeitsprüfung zu berücksichtigen ist
nach dem zum 1.1.2008 neu gefassten Wortlaut des § 1579 Nr. 1 BGB die Zeit, in der
der Berechtigte wegen Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes nach § 1570 BGB
Unterhalt verlangen kann (Wendl/ Gerhardt, a.a.O., § 4 Rz. 639 f; Palandt/Brudermüller,
BGB, 70. A., § 1579 Rz. 8). Das ist hier mindestens für einen Zeitraum bis zum dritten
Geburtstag des Kindes L… B… am ….7.2007 der Fall. Aber auch eine Ehedauer von
mehr als zwei Jahren ist nur dann „kurz“ im Sinne der Vorschrift, wenn es noch nicht zu
einer wechselseitigen Abhängigkeit und Verflechtung der Lebensverhältnisse der Partner
gekommen ist (BGH, FamRZ 1981, 140). Eine derartige Verflechtung liegt hier eher fern
(s. dazu weiter unten).
Im vorliegenden Fall bestehen allerdings wegen der Belange des Kindes L... Bedenken,
noch von einer kurzen Ehedauer auszugehen, die zur Versagung von
Unterhaltsansprüchen führt. Dies kann jedoch im Ergebnis offen bleiben, da der
Verwirkungstatbestand von § 1579 Nr. 7 BGB n. F., nämlich schwerwiegendes
Fehlverhalten der Antragsstellerin gegenüber dem Antragsgegner, vorliegt, wie das
Amtsgericht zu Recht ausgeführt hat.
Die Antragstellerin hat unstreitig Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann während
der Ehe gehabt, woraus die am ….1.2006 geborene Tochter D… hervorgegangen ist.
Während die Antragstellerin behauptet, es habe sich um ein einmaliges Fehlverhalten
gehandelt, macht der Antragsgegner Gründe geltend, die auf eine andauernde
Beziehung der Antragstellerin hindeuten. Allerdings ist der Antragsgegner für das
Vorliegen des Ausschlussgrundes nicht nur darlegungs- sondern auch beweisbelastet,
wobei er für seine Tatsachenbehauptungen keinen Beweis angetreten hat. Demzufolge
kann der Ehebruch der Antragstellerin, der zur Geburt eines Kindes innerhalb der Ehe
geführt hat, das von einem anderen Mann abstammt, nach überwiegender Ansicht in
der Rechtsprechung noch nicht als schwerwiegendes ehewidriges Fehlverhalten
angesehen werden, wenn es sich um ein einmaliges Fehlverhalten handelt
(Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 4 Rz. 729). Es sind jedoch noch weitere Umstände zu
berücksichtigen, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit ein schwerwiegendes eheliches
Fehlverhalten der Antragstellerin darstellen, welche die eheliche Solidarität derart in
Frage stellt, dass auch vom Antragsgegner keine nacheheliche Solidarität in Form der
Verpflichtung zur Unterhaltszahlung mehr verlangt werden kann.
So hat die Antragstellerin es zugelassen, dass während der bestehenden Ehe mit dem
Antragsgegner nach der Geburt der Tochter D… ein Foto der Antragstellerin mit den
beiden Töchtern L… und D… sowie dem Kindesvater von D… in der Ortspresse
veröffentlicht worden ist, verbunden mit einem Text unter der Überschrift „Nun zu fünft“,
der den vollen Namen der Kindesmutter, die Vornamen der Kinder und den vollen
Namen des Kindesvaters von D… benennt. Insgesamt wird im Zusammenhang von Foto
und Text der Eindruck erweckt, es handele sich um eine glückliche Familie und der
abgebildete Mann sei der Vater beider fotografierter Kinder, mithin auch der Tochter des
Antragsgegners. Durch die Nennung des Nachnamens der Antragstellerin, die damals
noch B… hieß, ist für alle Bekannten des Antragsgegners ein äußerst beleidigender und
belastender Anschein erweckt worden, der die häuslichen Verhältnisse der damals noch
verheirateten Beteiligten in ein krasses Licht rückt. Die Antragstellerin kann sich nicht
darauf berufen, hierfür nicht verantwortlich gewesen zu sein. Ohne ihre Mitwirkung wäre
weder das Foto noch der Artikel erschienen. Es wäre ein leichtes gewesen, eine derartige
Veröffentlichung zu verhindern.
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Hinzu kommt, dass die Antragstellerin in der Folgezeit das Umgangsrecht des
Antragsgegners mit seiner Tochter L… insgesamt unmöglich gemacht hat, was dem
Senat aus dem Verfahren 9 UF 102/08 bekannt ist. Nach anfänglicher Zulassung von
Kontakten hat sie, was dem Senat aus einem entsprechenden Umgangsverfahren
bekannt ist, die Umgangswünsche des Kindesvaters völlig vereitelt. Der Kindesvater hat
sich in jeglicher Hinsicht um seine Tochter bemüht und war bereit, auch sehr weite Wege
in Kauf zu nehmen, um Umgang zu pflegen. Die Kindesmutter hat in unsäglicher Weise –
häufig erst ganz kurzfristig und ohne Absage – Umgangskontakte unterbunden. Auch im
Zuge gerichtlicher Verfahren unter Hinzuziehung eines Sachverständigen und unter
Zuhilfenahme eines Umgangspflegers ist es aufgrund der Blockadehaltung der
Kindesmutter, die durch nichts zu rechtfertigen ist, zu einer Trennung des Kindes L… von
dem Antragsgegner gekommen, den allein die Kindesmutter aus egoistischen
Interessen zu verantworten hat. Trotz unermüdlicher Versuche seitens des Kindesvaters,
großen Einsatzes des Jugendamtes und der Gerichte ist es nicht gelungen, die
Kindesmutter von ihrer sturen und durch nichts gerechtfertigten Haltung abzubringen,
was letztendlich dem Kindeswohl L… schadet und das Elternrecht des Antragsgegners
aus Artikel 6 Abs. 1 GG massiv schädigt. Damit liegt insgesamt ein allein der
Antragstellerin anzulastendes grobes Fehlverhalten vor, das einen
Verwirkungstatbestand darstellt (vgl.: BGH, FamRZ 2007, 882; OLG München, FamRZ
2006, 1605; OLG Karlsruhe, FamRZ 1999, 92; OLG Schleswig, FamRZ 2003, 688).
Die Abwägung aller Umstände führt sodann dazu, dass die Zahlung von nachehelichem
Unterhalt durch den Antragsgegner als grob unbillig anzusehen wäre. Bei der gebotenen
Gesamtwürdigung kann auch berücksichtigt werden (wie es das Amtsgericht getan hat),
dass die Ehezeit von der Eheschließung bis zur Rechtshängigkeit des
Scheidungsantrages nur kurz gewesen ist, auch wenn der Tatbestand von § 1579 Nr. 1
BGB nicht erfüllt sein sollte. Außerdem kann berücksichtigt werden, dass die Beteiligten
während der Ehezeit nicht zusammen gelebt haben. Die Antragstellerin hat mit ihren
Kindern stets, wie sie ausdrücklich betonte, in der auch jetzt bewohnten Wohnung
gewohnt, während der Antragsgegner sein Haus in G… für die Familie hergerichtet hat
und ansonsten wegen Montagetätigkeiten sich häufig anderen Orts aufgehalten hat. Zu
einer familiären Gemeinschaft ist es nur an Wochenenden gekommen. Von einer
Verflechtung der Lebensverhältnisse, wie dies für eine Ehe typisch ist, kann deshalb hier
auch kaum ausgegangen werden.
Der Versagung des Unterhaltsanspruchs steht die Pflege und Erziehung des Kindes L…
auch nicht entgegen. Seit dem ….7.2007 ist L… ohnehin drei Jahre alt, so dass nicht
erkennbar ist, warum eine Fremdbetreuung ausscheiden sollte. Die Notwendigkeit der
Betreuung von D…, die nicht das Kind des Antragsgegners ist, spielt insoweit keine Rolle.
Im Übrigen liegt hier ein besonders krasses Fehlverhalten gerade im Bezug auf die
Tochter L… gegenüber dem Antragsgegner vor, so dass sich die Antragstellerin nicht im
Gegenzug gerade auf die Pflege dieses Kindes berufen kann. Die Pflege des Kindes L…
ist durch die Versagung des Unterhaltsanspruchs nicht gefährdet. Die Antragstellerin
kann ihren notwendigen Mindestunterhalt durch ihre Rente decken; im Übrigen dürften
ihr Unterhaltsansprüche gemäß § 1615l BGB gegen die Väter ihrer Kinder D… und S…
(geb. am ….05.2007) bzw. auf Erziehungsgeld zustehen bzw. zugestanden haben. Zu
den allein in ihrer Sphäre liegenden Tatsachen hat sich die Antragstellerin nicht erklärt,
was zu ihren Lasten geht (vgl.: Palandt/Brudermüller, a.a.O. Rz. 42). Der Antragsgegner
zahlt Kindesunterhalt für seine Tochter.
Insgesamt ist angesichts der Schwere der Verfehlungen der Antragstellerin von einer
vollständigen Versagung des Unterhaltsanspruchs spätestens ab dem Monat
September 2006 auszugehen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet, § 127 Abs. 4 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
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