Urteil des OLG Brandenburg vom 25.02.2000

OLG Brandenburg: zwangsvollstreckung, verjährungsfrist, verwirkung, volljährigkeit, herausgabe, bedürftigkeit, vollstreckungsverfahren, umdeutung, abänderungsklage, unterhalt

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 WF 202/07
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 114 ZPO, § 769 ZPO, § 707
Abs 2 ZPO, § 195 BGB, § 207
BGB
Prozesskostenhilfe; Zwangsvollstreckung: Erfolgsaussicht eines
Antrags auf Feststellung der Unzulässigkeit der
Zwangsvollstreckung wegen Wegfalls der Bedürftigkeit eines
Unterhaltsgläubigers
Tenor
Die sofortige Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Versagung der einstweiligen
Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 25.
Februar 2000 richtet, nach einem Gegenstandswert von bis zu 600 € als unzulässig
verworfen.
Insoweit ist eine Kostenentscheidung nicht veranlasst.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Der Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das
Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist, soweit sie sich gegen die Versagung der
einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung richtet, unzulässig und daher zu
verwerfen. Denn gegen einen Beschluss, mit dem gemäß § 769 ZPO die einstweilige
Einstellung der Zwangsvollstreckung abgelehnt worden ist, findet in entsprechender
Anwendung des § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO eine Anfechtung nicht statt (vgl. Zöller/Herget,
ZPO, 26. Aufl., § 769, Rz. 13).
Soweit die Klägerin erneut die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung begehrt
und insoweit auf die Vollstreckungsverfahren Bezug nimmt, besteht eine Zuständigkeit
des Senats nicht. Eine solche Notzuständigkeit könnte allenfalls angenommen werden,
wenn für den erneuten Antrag ein besonderes Eilbedürfnis dargelegt und glaubhaft
gemacht worden wäre (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 769, Rz. 3). Dies ist jedoch nicht
geschehen.
Im Übrigen, nämlich soweit sich die Klägerin gegen die Verweigerung von
Prozesskostenhilfe wendet, ist die sofortige Beschwerde gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO
zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Denn die von der Klägerin beabsichtigte
Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.
Da die Klägerin mit der Beschwerdeschrift den - auf mangelnde Bedürftigkeit nach
Aufnahme der Ausbildung bzw. Eintritt der Volljährigkeit gestützten - Antrag auf
Abänderung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses vom 1.8.2003 zurückgenommen
hat und nur noch die Feststellung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung gemäß §
767 ZPO begehrt, kommt eine grundsätzlich mögliche Umdeutung des Klageantrags
(vgl. dazu Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 323, Rz. 16) nicht mehr in Betracht. Denn eine
Umdeutung setzt voraus, dass sie dem mutmaßlichen Willen der Partei entspricht (vgl.
Zöller/Greger, a.a.O., Vor § 128, Rz. 25), was im Hinblick auf die ausdrückliche Erklärung
der Klägerin nicht angenommen werden kann. Die hinreichende Erfolgsaussicht der
nunmehr allein verfolgten Vollstreckungsabwehrklage ist jedoch zu verneinen.
Gegenstand der Vollstreckungsabwehrklage, welche die Abänderungsklage grundsätzlich
ausschließt (vgl. BGH, NJW 2005, 2313), ist allein die gänzliche oder teilweise, endgültige
oder zeitweilige Vernichtung der Vollstreckbarkeit, d.h. sie dient der Durchsetzung
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oder zeitweilige Vernichtung der Vollstreckbarkeit, d.h. sie dient der Durchsetzung
rechtsvernichtender und rechtshemmender Einwendungen (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., §
767, Rz. 1; Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 323, Rz. 15). Um solche handelt es sich bei dem
Einwand der Erfüllung, Verjährung oder Verwirkung (Zöller/Herget, a.a.O., § 767, Rz. 12),
nicht jedoch bei dem Einwand des Wegfalls der Bedürftigkeit des Unterhaltsgläubigers,
etwa durch Entgegennahme von Bafög-Leistungen oder des Eintritts der Volljährigkeit
des unterhaltsberechtigten Kindes (vgl. Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 323, Rz. 16;
Zöller/Herget, a.a.O., § 767, Rz. 13).
Danach kann die Klägerin mit ihrem Vortrag, die Beklagte habe von August 2003 an
Bafög-Leistungen und einen Fahrtkostenzuschuss erhalten, im Rahmen der
Vollstreckungsabwehrklage ebenso wenig durchdringen wie mit dem Hinweis auf den
Eintritt der Volljährigkeit am 24.1.2005. Denn all dies betrifft den rechtsbegründenden
Tatbestand, der mit einer Abänderungsklage geltend gemacht werden könnte. Die
Einwände der Verjährung und Verwirkung sind zwar zulässig, aber nicht begründet.
Der Einwand der Verjährung greift schon deshalb nicht durch, weil die Verjährung von
Ansprüchen auf Kindesunterhalt für die Zeit der Minderjährigkeit gemäß § 207 BGB
gehemmt ist (vgl. dazu Göppinger/Wax/Macco, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rz. 1507;
Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz.
230). Dies führt gemäß § 209 BGB dazu, dass die Verjährungsfrist erst mit Eintritt der
Volljährigkeit der Beklagten am 25.1.2005 in Lauf gesetzt wurde und somit die
dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB bisher nicht abgelaufen ist, ungeachtet
dessen, dass für die titulierten Unterhaltsansprüche der Beklagten, die bis zur
Rechtskraft des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses vom 25.2.2000 aufgelaufen waren,
gemäß § 218 BGB a. F. bzw. § 197 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB in der ab 1.1.2002 geltenden
Fassung die dreißigjährige Verjährungsfrist gilt (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann,
a.a.O., Rz. 231; Eschenbruch, Der Unterhaltsprozess, 4. Aufl., Rz. 1695).
Die Unterhaltsansprüche der Beklagten sind auch nicht verwirkt. Zwar kommt
Verwirkung rückständigen Unterhalts auch vor Ablauf der Verjährungsfrist in Betracht,
wenn sowohl das Zeit- als auch das Umstandsmoment erfüllt sind. Der Verwirkung
unterliegt aber nur der jeweilige Anspruch als solcher (BGH, FamRZ 2007, 453). Welche
Unterhaltsansprüche im Einzelnen verwirkt sein sollen, lässt sich dem Vortrag der
Klägerin nicht entnehmen. Ungeachtet der Frage, wie lange der Verwirkungszeitraum bei
titulierten Unterhalt zu bemessen ist (vgl. dazu Eschenbruch/Wohlgemuth, a.a.O., Rz.
3147 c), wird allerdings auch das Umstandsmoment (vgl. dazu
Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 232) zu verneinen sein. Denn die Beklagte hat
bereits gut ein Jahr nach Erlass des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses vom 25.2.2000
den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 10.7.2001 erwirkt und danach
fortlaufend versucht, zu vollstrecken, das letzte vom Kläger genannte
Vollstreckungsverfahren wurde, wie sich den angeführten Aktenzeichen entnehmen
lässt, im Jahr 2004 eingeleitet. Die Beklagte hat also der Klägerin keinen Anlass
gegeben, darauf zu vertrauen, sie werde ihre Unterhaltsansprüche nicht mehr geltend
machen.
Der weiter geltend gemachte Anspruch auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung
des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses steht der Klägerin ebenfalls nicht zu. Zwar kann
der Schuldner in entsprechender Anwendung von § 371 BGB die Herausgabe des
Vollstreckungstitels vom Gläubiger verlangen, wenn der zu Grunde liegende Anspruch
erfüllt oder sonst erloschen ist (vgl. BGH, NJW 1994, 3225 ff.; Zöller/Stöber, a.a.O., § 757,
Rz. 5; Zöller/Herget, § 767, Rz. 2 Stichwort „Klage auf Herausgabe des
Vollstreckungstitels„). Diese Voraussetzungen liegen aber nicht vor. Wie oben
ausgeführt, sind die titulierten Unterhaltsansprüche der Beklagten nicht erloschen.
Soweit sich die Klägerin auf Abänderungsgründe beruft, mag sie sich an das örtlich
zuständige Gericht wenden (s. dazu auch Wendl/Thalmann, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 8,
Rz. 185).
Im Verfahren der sofortigen Beschwerde gegen die Versagung der Einstellung der
Zwangsvollstreckung ergeht keine Kostenentscheidung, da dessen Kosten als Kosten
der Hauptsache anzusehen sind (vgl. Senat, FamRZ 1996, 356).
Die Nebenentscheidung hinsichtlich der Beschwerde gegen die
Prozesskostenhilfeentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Der Antrag vom 9.8.2007 auf Bewilligung von PKH für das Beschwerdeverfahren ist
zurückzuweisen, weil für das PKH-Verfahrens selbst einschließlich des PKH-
Beschwerdeverfahrens keine PKH bewilligt werden darf (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., § 114,
Rz. 3 m. w. N.).
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