Urteil des OLG Brandenburg vom 24.07.2009

OLG Brandenburg: ergänzung, grundstück, beweisverfahren, baurecht, ermessen, sachverständiger, gutachter, anhörung, befragung, link

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 5.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 W 46/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 397 ZPO, § 402 ZPO, § 411
Abs 4 ZPO, § 492 Abs 1 ZPO
Selbstständiges Beweisverfahren: Behandlung eines Antrags auf
schriftliche Ergänzung des Sachverständigengutachtens
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller zu 1 und 2 wird der Beschluss des
Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. Juli 2009 insoweit aufgehoben, als die
Ergänzungsfragen der Antragsteller zu 1 und 2 aus dem Schriftsatz vom 3. Juli 2009
zurückgewiesen worden sind; insoweit wird die Sache zur erneuten Entscheidung an das
Landgericht Frankfurt (Oder) zurückverwiesen.
Gründe
I.
Nachdem das Landgericht Frankfurt (Oder) mit Beschluss vom 28. November 2008 eine
Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachten im selbständigen
Beweisverfahren angeordnet hatte und nach Durchführung eines Ortstermins am 17.
April 2009 das entsprechende Gutachten am 9. Juni 2009 bei Gericht eingegangen war,
haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 3. Juli 2009 zu dem eingeholten
Sachverständigengutachten Stellung genommen und beantragt, dem Sachverständigen
die in diesem Schriftsatz formulierten ergänzenden Beweisfragen zur Beantwortung
vorzulegen.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht Frankfurt (Oder) diesem
Antrag teilweise stattgegeben und ihn im Übrigen mit der Begründung zurückgewiesen,
die weiteren Ergänzungsfragen seien zurückzuweisen gewesen, weil der Gutachter
entgegen der Ansicht der Antragsteller die von ihnen beanstandeten Beweisfragen
eindeutig und klar beantwortet habe. Die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung
zur Verfolgung der Interessen der Antragsteller sei derzeit nicht ersichtlich. Diese
Zurückweisung betrifft die Ergänzungsfragen 1. bis 4. zur Beweisfrage 1., die
Ergänzungsfragen 1. bis zu 4. zur Beweisfrage 5., die Ergänzungsfragen 3. und 6. zur
Beweisfrage 7., die Ergänzungsfragen 1. und 2. zur Beweisfrage 8. sowie die erneute
Beantwortung der Beweisfragen 11. bis 15.
Gegen diesen am 31. Juli 2009 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller zu 1 und
2 mit am 14. August 2009 bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) eingegangenen
Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und zur Begründung ausgeführt, das
Landgericht habe verkannt, dass dem Antrag auf Ergänzung des Gutachtens
stattzugeben sei, selbst dann, wenn das Gericht keine weitere Erläuterung geboten halte
und das Gutachten aus Sicht des Gerichtes ausreiche und überzeugend sei. Es sei nicht
einmal notwendig, dass die betreffende Partei den ihrer Ansicht nach bestehenden
Erläuterungsbedarf nachvollziehbar dartue. Der Erläuterungsbedarf sei gleichwohl in dem
Schriftsatz vom 3. Juli 2009 dargelegt worden. Zudem gehe der Sachverständige
hinsichtlich der Beweisfrage 1. von unzutreffenden Tatsachen aus und es komme hinzu,
dass der Sachverständige während des Ortstermins hinsichtlich der Bodenfestigkeit
keinerlei Untersuchungen des betroffenen Grundstücksbereiches vorgenommen habe.
Entsprechendes gelte für die Beweisfrage 5. Auch die Ergänzungsfragen 3. und 6. zur
Beweisfrage 7. seien zuzulassen, denn die Antragsteller hätten den Sachverständigen
darauf hingewiesen, dass es sich bei den Fundamentresten nicht um eine
Fundamentplatte, wie vom Sachverständigen angenommen, handele, sondern nur um
Reste eines ca. 25 cm breiten Streifenfundamentes. Unter dem überwiegenden
Wurzelbereich befänden sich daher keine Fundamentreste. Dies wirke sich dann auf die
Beweisfragen 8. sowie auf die Beweisfragen 11., 12., 13., 14. und 15. aus.
Die Antragsteller zu 1 und 2 beantragen,
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den Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 24. Juli 2009 – Az. 17 OH
7/08 – teilweise abzuändern und die zusätzlichen Ergänzungsfragen aus dem Schriftsatz
der Antragsteller vom 3. Juli 2009, sowie die Ergänzungsfragen 1. bis 4. zur Beweisfrage
1., die Ergänzungsfragen 1. und 2. zur Beweisfrage 5., die Ergänzungsfragen 3. und 6.
zur Beweisfrage 7., die Ergänzungsfragen 1. und 2. zur Beweisfrage 8. sowie die erneute
Beantwortung der Beweisfragen 11. bis 15. zuzulassen und den bereits bestellten
Sachverständigen oder einen oder mehrere weitere Sachverständige mit der
Beantwortung zu beauftragen.
Der Antragsgegner beantragt,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.
Er macht geltend, der Antrag sei bereits unzulässig, denn es werde nicht nur die
Zulassung weiterer Ergänzungsfragen beantragt, sondern auch die Beauftragung eines
anderen oder mehrerer anderer Sachverständiger. Eine Beschwerde mit einem solchen
Ziel sei unstatthaft. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet, die weiteren Beweisfragen
seien von dem Gutachter eindeutig beantwortet worden. Entgegen der Auffassung der
Antragsteller treffe es nicht zu, dass der Sachverständige, etwa hinsichtlich der Frage
der "Entfestigung" des Bodens, von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen sei.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller zu 1 und 2, über die nach § 568 S. 1 ZPO der
Einzelrichter zu entscheiden ist, ist zulässig; sie wurde insbesondere rechtzeitig
innerhalb der Frist des § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt.
In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
Zurückverweisung an das Landgericht.
Das Landgericht durfte jedenfalls mit der gewählten Begründung den Antrag der
Antragsteller zu 1 und 2 auf Ergänzung des schriftlichen Gutachtens nicht zurückweisen,
die Entscheidung ist insoweit in verfahrensfehlerhafter Weise ergangen.
1.
Nach § 485 Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO kann eine Partei die schriftliche Begutachtung durch
einen Sachverständigen beantragen, wenn sie ein rechtliches Interesse daran hat, den
Zustand einer Person oder die Ursache eines Personenschadens festzustellen. Die
Beweisaufnahme erfolgt nach § 492 Abs. 1 ZPO nach den für die Aufnahme des
betreffenden Beweismittels geltenden Vorschriften. Danach wäre einem Antrag auf
mögliche Erläuterung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu entsprechen.
Die Partei hat nämlich einen prozessualen Anspruch auf mündliche Befragung des
Sachverständigen nach §§ 397, 402 ZPO, selbst dann, wenn das Gericht auf Grund des
schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen die Frage für ausreichend geklärt
erachtet (BGH VersR 2002, 120; VersR 1998, 342; VersR 1997, 509; OLG Stuttgart,
Baurecht 2004, 886). Dies gilt ohne Weiteres auch im selbständigen Beweisverfahren,
obwohl nach § 485 Abs. 2 ZPO nur die schriftliche Begutachtung vorgesehen ist (OLG
Düsseldorf NJW-RR 2001, 141; OLGR Münchener 1994, 106; OLG Stuttgart, Baurecht
2004, 886). Die Regelung in § 492 Abs. 1 ZPO verweist insoweit auf die allgemeinen
Vorschriften für die Aufnahme des betreffenden Beweises, wozu die §§ 402, 397 ZPO
gehören. Es gehört im Übrigen zur Gewährung des rechtlichen Gehörs, dass den
Beteiligten die Möglichkeit eingeräumt wird, einem Sachverständigen nach Vorliegen des
schriftlichen Gutachtens Fragen zu stellen, ihn Bedenken vorzutragen oder ihm
mehreren Erläuterungen von Zweifelspunkten zu bitten. Nach Vorliegen des Gutachtens
ist sowohl ein Antrag auf mündliche Erläuterung des Gutachtens in einem Termin und ein
Antrag auf schriftliche Ergänzung zulässig (m .w. Nachw. Kniffka/Koeble, Kompendium
des Baurechts, 3. Aufl. 2008, S. 75 Rdnr. 128).
2.
Ausgehend hiervon stellt sich die landgerichtliche Entscheidung, dem Sachverständigen
lediglich einem Teil der Ergänzungsfragen aus dem Schriftsatz der Antragsteller vom 3.
Juli 2009 zur Beantwortung vorzulegen, als verfahrensfehlerhaft dar.
Zwar mag es im Ermessen des Gerichts stehen, ob vor einer – vorliegend noch nicht
beantragten – Anhörung eines Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines
Gutachtens, die auch im selbständigen Beweisverfahren möglich ist, zunächst zur
Vorbereitung oder aber zur Vermeidung einer solchen mündlichen Befragung den
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Vorbereitung oder aber zur Vermeidung einer solchen mündlichen Befragung den
Sachverständigen in Ergänzung seines Gutachtens um die Beantwortung ergänzender
Fragen ersucht. Beschreitet aber ein Gericht, wie vorliegend, diesen Weg, so ist das
Gericht gehalten, sein Ermessen in gleicher Weise auszuüben; dem Antrag auf
schriftliche Ergänzung ist, ähnlich wie dem Antrag auf mündliche Erläuterung, auch dann
zu entsprechen, wenn das Gericht die Erläuterung nicht für geboten hält (Kniffka/Koeble,
a. a. O.).
Diesen Anforderungen genügt die angefochtene Entscheidung nicht. So hat das
Landgericht zwar Ergänzungsfragen hinsichtlich der Ursächlichkeit für mögliche lose
Zaunfundamente und Zaunpfähle bzw. abgestorbene und geschädigte Pflanzen auf dem
Grundstück der Antragsteller dem Sachverständigen zur ergänzenden Beantwortung
vorgelegt, aber etwa hinsichtlich der Ausgangsfrage, ob es auf dem Grundstück der
Antragsteller durch die Vertiefungsarbeiten auf dem Grundstück des Antragsgegners zu
einer Veränderung in der Bodenfestigkeit gekommen ist, nicht zugelassen. Sachliche
Gründe, die eine solche Zurückweisung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
Insbesondere ist, ohne dass es hierauf entscheidend ankäme, nicht erkennbar, dass
diese Frage in dem Gutachten des Sachverständigen C… auf Seite 6 eindeutig und klar
beantwortet wäre. Die Beweisfrage, ob es durch die Vertiefungsarbeiten auf dem
Grundstück des Antragsgegners zu einer "Entfestigung" des Bodens auf dem
Grundstück der Antragsteller gekommen sei, beantwortet der Sachverständige mit
einem Satz, dass nämlich im Bereich der südlichen Grundstücksgrenze des Grundstücks
…straße 83 keine dieser Schädigungen eingetreten seien. Das Gutachten lässt dabei
bereits nicht erkennen, auf welcher Grundlage, insbesondere auf Grund welcher
Untersuchungen, der Sachverständige zu diesem Ergebnis gekommen ist. Dem
Gutachten lässt sich auch nicht entnehmen, ob der Sachverständige insoweit davon
ausgegangen ist, dass eine Abstützung der Vertiefung mit Holzbohlen von Anfang an
erfolgt war oder nicht. Entsprechendes gilt für die Beantwortung der Beweisfrage 8.,
nämlich der möglichen Ursache von Pflanzenschäden, insbesondere im Zusammenhang
mit einem im Boden befindlichen Betonfundament bzw. Fundamentresten. Ein
nachvollziehbarer Grund für die Differenzierung hinsichtlich der Zulassung der
Ergänzungsfragen zur Beweisfrage 3. und Beweisfrage 5. (tiefer- bzw. höherliegenden
Zaunfundamenten) werden gleichfalls weder in der angefochtenen Entscheidung noch in
dem Nichtabhilfebeschluss erkennbar.
Wie der Anspruch auf mündliche Erläuterung des Sachverständigengutachtens
Ausschlusses des Anspruches auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist, über das ebenfalls
zu der Gewährung des rechtlichen Gehörs, den Parteien die Möglichkeit einzuräumen,
einem Sachverständigen nach Vorliegen des schriftlichen Gutachtens Fragen zu stellen,
ihm Bedenken vorzutragen oder ihn um nähere Erläuterungen von Zweifelspunkten zu
bitten (OLG Stuttgart Baurecht 2004, 886). Bestreitet das Gericht dann diesen Weg
eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens, möglicherweise auch zur Vorbereitung einer
mündlichen Anhörung, so besteht kein Grund, einzelne Fragen ohne sachlichen Grund
zurückzuweisen.
3.
Der Senat hält es für sachgerecht, die angefochtene Entscheidung in dem aus dem
Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung
insoweit zurückzuverweisen, um eine einheitliche Durchführung des
Beweissicherungsverfahrens zu gewährleisten, zumal eine nennenswerte Verzögerung
hierdurch nicht zu erwarten ist.
Das Landgericht wird daher nochmals darüber zu befinden haben, in welchem Umfang
dem Sachverständigen die ergänzenden Beweisfragen, die mit dem angefochtenen
Beschluss zurückgewiesen worden waren, zur Beantwortung vorgelegt werden. Lediglich
vorsorglich und ohne dass es hierauf in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren
ankäme, weist der Senat darauf hin, dass es sich bei dem Sachverständigen ausweislich
des Briefkopfes um einen von der Handwerkskammer … öffentlich bestellten und
vereidigten Sachverständigen für das Maurerhandwerk handelt und möglicherweise zu
klären sein wird, inwieweit ein solcher Sachverständiger allgemein in der Lage ist,
Veränderungen in der Festigkeit des Bodens und dessen Ursachen festzustellen und
Ursachen von Pflanzenschäden zu beurteilen.
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