Urteil des OLG Brandenburg vom 29.05.2007

OLG Brandenburg: einkünfte, berufliche ausbildung, report, leistungsfähigkeit, arbeitskraft, obliegenheit, unterhaltspflichtiger, arbeitsstelle, erwerbstätigkeit, arbeitslosigkeit

1
2
3
4
5
6
7
Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 UF 157/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1603 Abs 2 S 1 BGB, § 1612a
BGB, § 286 ZPO
Unterhaltsanspruch des minderjährigen unverheirateten Kindes:
Ausländischer Arbeitslosengeldempfänger als
Unterhaltspflichtiger; Pflicht zum Erlernen der deutschen
Sprache; Darlegungslast für Leistungsunfähigkeit
Tenor
1.
Das am 29. Mai 2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Senftenberg (Az. 31 F
250/06) wird abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an das Kind M B zu Händen der Klägerin für die Zeit
von Juli 2006 bis einschließlich Juni 2007 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von
177 Euro und ab Juli 2007 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 175 Euro zu
zahlen, die zukünftig fällig werdenden Beträge monatlich im Voraus bis spätestens zum
5. Tag eines jeden Monats.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Beklagten auferlegt.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um den Unterhaltsanspruch ihres gemeinsamen Kindes M… B…,
geboren am 7. September 2004. Die Klägerin ist deutsche Staatsangehörige, der
Beklagte ist pakistanischer Staatsangehöriger.
Die miteinander verheirateten Parteien leben seit Juni 2006 voneinander getrennt. Beide
beziehen staatliche Transferleistungen nach dem SGB II ( ). Aus ihrer Ehe ist
das zuvor genannte gemeinsame Kind M…. B… hervorgegangen, das seit der Trennung
bei der Klägerin lebt und von ihr betreut und versorgt wird. Mit Schreiben vom 5. Juli 2006
hat die Klägerin den Beklagten zur Zahlung von Unterhalt für das gemeinsame Kind ab
Juli 2006 erfolglos aufgefordert.
Der Beklagte verfügt über keine berufliche Ausbildung. Seit Mai 2007 hat er die
Erlaubnis, ein Reisegewerbe als Textilhändler auszuüben. Er ist insoweit befugt zum
Feilbieten von Kleidung, Schuhe, Unterwäsche und Geschenkartikeln mit einer
Wertgrenze von 26 Euro.
Das gemeinsame Kind erhält Leistungen des Landkreises … nach dem
Unterhaltsvorschussgesetz. Zwischen dem Landkreis und dem Kind ist hinsichtlich der
insoweit geleisteten Beträge eine Rückübertragungsvereinbarungen betreffend
übergegangener bzw. noch übergehender Unterhaltsansprüche geschlossen worden.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Beklagte müsse sich zumindest als fiktiv
leistungsfähig zur Zahlung des geltend gemachten Unterhaltes behandeln lassen.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie für das gemeinsame Kind M B, geboren am
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
den Beklagten zu verurteilen, an sie für das gemeinsame Kind M B, geboren am
7. September 2004, ab dem Monat Juli 2006 monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von
177 Euro, monatlich im Voraus, spätestens bis zum 5. eines jeden Monats zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat sich auf mangelnde Leistungsfähigkeit berufen und dazu insbesondere behauptet,
unter Berücksichtigung des Bezuges von -Leistungen nicht leistungsfähig zu
sein. Zudem stehe einer Erwerbstätigkeit, die es ihm erlaube, neben der Deckung des
eigenen Bedarfes seinem Kind den notwendigen Lebensbedarf zu sichern, seine
mangelnden Deutschkenntnisse und seine Ausländereigenschaft entgegen.
Mit dem am 29. Mai 2007 verkündeten Urteil hat das Amtsgericht Senftenberg die Klage
abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Beklagte sei angesichts seiner
persönlichen Eigenschaften, insbesondere unter Berücksichtigung dessen, dass er
keinen Beruf erlernt und keine intensiven Deutschkenntnisse habe, nicht in der Lage, für
das Kind finanziell zu sorgen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin. Sie vertritt weiterhin die
Auffassung, der Beklagte habe seine Leistungsunfähigkeit nicht ausreichend dargetan.
Er habe auch unter Beachtung seiner ausländischen Herkunft nicht dargelegt und
nachgewiesen, entsprechend seiner Vorbildung, und seinen Fähigkeiten und der
Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise seine Arbeitskraft bestmöglich eingesetzt zu
haben.
Die Klägerin beantragt nunmehr,
in Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an das
Kind M… B… zu ihren Händen für den Zeitraum von Juli 2006 bis einschließlich Juni 2007
monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 177 Euro und ab Juli 2007 monatlichen
Kindesunterhalt in Höhe von 175 Euro zu zahlen, die rückständigen Beträge sofort und
die zukünftig fällig werdenden Beträge monatlich im Voraus bis spätestens zum 5. Tag
eines jeden Monats.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er behauptet weiterhin, zur Zahlung des geltend gemachten Unterhaltes weder in
tatsächlicher noch in fiktiver Hinsicht leistungsfähig zu sein. Insoweit bezieht er sich auf
eine dem Schriftsatz vom 8. November 2007 beigefügte Anlage, die Auskunft über seine
Einkünfte im Rahmen seines ausgeübten Gewerbes geben soll.
II.
Die in zulässiger Weise eingelegte Berufung hat in vollem Umfange Erfolg.
1.
Dem gemeinsamen Kind der Parteien, für das die Klägerin als gesetzliche
Prozessstandschafterin gemäß § 1629 Abs. 3 S. 1 BGB in zulässiger Weise auftritt, steht
ein Unterhaltsanspruch gemäß den §§ 1601 ff. BGB zumindest in der im Tenor
genannten Höhe zu.
Der Unterhaltsbedarf für den Zeitraum von Juli 2006 bis Juni 2007 berechnet sich als
Mindestunterhaltsanspruch gemäß § 2 der Regelbetragsverordnung (1. Altersstufe) in
Höhe von 177 Euro (188 Euro abzüglich eines gemäß § 1612b BGB a.F. anzurechnenden
Kindergeldanteils von 11 Euro) und für die Zeit ab Juli 2007 bis einschließlich Dezember
2007 sodann in Höhe von 175 Euro (186 Euro abzüglich eines Kindergeldanteils von 11
Euro). Ab Januar 2008 erhöht sich dieser Unterhaltsanspruch sodann auf 202 Euro (279
Euro abzüglich des hälftigen Kindergeldes gemäß § 1612b Abs. 1 BGB n.F. in Höhe von
77 Euro), § 1612a Abs. 1 BGB i.V.m. § 36 Nr. 4 EGZPO, was aber angesichts dessen,
dass die Klägerin weiterhin allein einen Unterhaltsanspruch in Höhe von 175 Euro
geltend gemacht hat, dahinstehen kann.
An der Bedürftigkeit des gemeinsamen Kindes der Parteien bestehen angesichts seines
noch jungen Alters und der Tatsache, dass das Kind eigene Einkünfte oder eigenes
Vermögen nicht besitzt, keine Bedenken. Dies gilt auch, soweit das Kind Leistungen
nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UnterhVG) erhalten hat, da es sich dabei um
22
23
24
25
26
27
28
29
nach dem Unterhaltsvorschussgesetz (UnterhVG) erhalten hat, da es sich dabei um
subsidiäre, auf den Bedarf nicht anzurechnende staatliche Leistungen handelt.
Aufgrund der wirksamen Rückübertragungsvereinbarungen bestehen unter Beachtung
von § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 2 UnterhVG auch keine Bedenken an der
Aktivlegitimation.
Hinsichtlich dieser Ansprüche hat der Beklagte nicht ausreichend dargetan,
leistungsunfähig zu sein.
2.
Für seine die Sicherung des Regelbetrages bzw. des Mindestunterhaltes nach § 1612a
BGB in der ab dem 01.01.2008 geltenden Fassung betreffende Leistungsunfähigkeit ist
der Verpflichtete in vollem Umfange darlegungs- und beweisbelastet (BGH FamRZ 2002,
536 ff; st. Rspr. des Senats, Brandenburgisches OLG FamRZ 2007, 1336 f.; FamRZ 2007,
72; jurisPR-FamR 25/2006 Nr. 3; NJW-RR 2005, 949; FuR 2004, 38, 40; NJWE-FER 2001, 70
ff.; s. auch JAmt 2004, 502; FamRB 2004, 216, 217). Dazu bedarf es der vollständigen
Darlegung sowohl der Einkünfte wie auch des Vermögens durch den
Unterhaltsverpflichteten, wobei dieser auf Grund der vorstehenden Ausführungen die
volle Darlegungs- und Beweislast trägt. Da der Beklagte dem nicht ausreichend
nachgekommen ist, kann bereits nicht überprüft werden, ob er in tatsächlicher Hinsicht
leistungsunfähig hinsichtlich der zuvor dargestellten Unterhaltsansprüche des
gemeinsamen Kindes ist. Schon aus diesem Grunde hat die Klage vollen Erfolg.
So hat der Beklagte hinsichtlich seiner Einkünfte nach dem SGB II ( ) im
Rahmen des Hauptsacheverfahren keinerlei Belege eingereicht, bzw. nähere Angaben
getätigt. Insoweit wäre eine vollständige Übersicht seiner Einkünfte erforderlich, die es
ermöglicht zu überprüfen, ob er unter Wahrung des ihm zustehenden notwendigen
Selbstbehaltes in der Lage ist, den geltend gemachten Unterhaltsanspruch zu
befriedigen. Hierzu fehlt jegliches näheres Vorbringen des Beklagten; allein der bloße
Hinweis auf den Bezug von Leistungen nach dem SGB II genügt dem nicht (st. Rspr. des
Senats, OLG Brandenburg, FamRZ 2007, 72, 73; OLG-Report 2007, 782; NJW-RR 2005,
949).
Ebenso ist nach derzeitigem Stand nicht in gebotenem Umfange feststellbar, inwieweit
der Beklagte Einkünfte aus der Ausübung eines Gewerbes seit Mai 2007 bezieht. Auch
insoweit fehlt es im Rahmen des Hauptsacheverfahrens an ausreichend substantiiertem
Vorbringen des Beklagten. Die hierzu eingereichte, wohl vom Beklagten selbst gefertigte
Aufstellung (Bl. 102 d. A.) ist zu detailarm, schon weil sie keinerlei nähere Aufsplitterung
der dargestellten Einnahmen und Kostenpositionen enthält. I. Ü. fehlt es an jeglicher
Darlegung der bzw. nach August 2008 erzielten Einnahmen.
Auf diesen Umstand hat der Senat den Beklagten bereits anlässlich des
Hinweisbeschlusses vom 19. September 2007 und sodann erneut im Rahmen der
mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2008 ausdrücklich hingewiesen, insbesondere
auch unter dem weiteren Hinweis darauf, dass die im Rahmen der Prozesskostenhilfe
eingereichten Unterlagen nicht automatisch Gegenstand des Verfahrens sind.
Gleichwohl hat der Beklagte sein Vorbringen in keiner Weise weiter substantiiert oder
durch Beifügung entsprechende Unterlagen belegt. Ebenso hat er eine Erklärung
darüber, dass die Unterlagen aus dem Prozesskostenhilfe-Heft Gegenstand des
Hauptsacheverfahrens sein sollen, unterlassen.
Darüber hinaus fehlt es ebenso an der Darlegung der Vermögensverhältnisse des
Beklagten im Rahmen der Hauptsache. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung
dessen, dass diese im Rahmen des Bezuges von Leistungen nach dem SGB II nur
teilweise Anrechnung finden (vgl. §§ 11 Abs. 2 S. 2, 30 SGB II), für den
Unterhaltsanspruch der minderjährigen Tochter dagegen in vollem Umfang einzusetzen
sind (Götsche, FamRB 2006, 53, 57 f. m. N.). Hierzu fehlen jegliche weiterführende
Ausführungen bzw. Belege, weshalb auch insoweit die tatsächliche Leistungsunfähigkeit
des Beklagten nicht überprüft werden kann. Den entsprechenden Hinweisen des
Senates aus seinem Beschluss vom 19. September 2007 bzw. im Rahmen der
mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2008 ist der Beklagte nicht nachgekommen
und hat dazu kein weitergehendes Vorbringen getätigt bzw. keine weiterführenden
Belege eingereicht.
3.
Da hiernach die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Beklagten nicht abschließend
überprüft werden kann, kommt es auf die nachfolgende Ausführung zu seiner fiktiven
30
31
32
33
34
35
überprüft werden kann, kommt es auf die nachfolgende Ausführung zu seiner fiktiven
Leistungsfähigkeit an sich nicht mehr an. Gleichwohl muss sich der Beklagte nach
Ansicht des Senats auch als fiktiv leistungsfähig behandeln lassen, wie aus den weiteren
Ausführungen hervorgeht.
a.
Die für einen Unterhaltsanspruch vorausgesetzte Leistungsfähigkeit des
Unterhaltsverpflichteten wird nicht allein durch das tatsächlich vorhandene Einkommen
des Unterhaltsschuldners, sondern vielmehr auch durch seine Erwerbsfähigkeit
bestimmt. Reichen seine tatsächlichen Einkünfte nicht aus, so trifft ihn
unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, seine Arbeitsfähigkeit in bestmöglicher Weise
einzusetzen und mögliche Erwerbstätigkeit auszuüben (BGH FamRZ 2003, 1471, 1473).
Gegenüber minderjährigen Kindern erfährt diese Verpflichtung aufgrund der Vorschrift
des § 1603 Abs. 2 BGB eine Verschärfung dahin, dass den Unterhaltspflichtigen eine
noch erheblich gesteigerte Verpflichtung zur Ausnutzung seiner Arbeitskraft trifft. Dies
folgt aus der die Eltern treffenden rechtlichen und sittlichen Pflicht, ihre Kinder am Leben
zu erhalten; diese Pflicht findet ihre Grenze allein in der Unmöglichkeit (OLG Dresden,
FamRZ 2007, 1477; RG JW 1903, 29, zitiert bei OLG Dresden OLG-Report 2005, 496).
Legt der Unterhaltsverpflichtete nicht dar, dieser Obliegenheit vollständig gerecht
geworden zu sein, so muss er sich ein in zumutbarer Weise fiktiv erzielbares Einkommen
zurechnen lassen. Die Zurechnung zumutbar erzielbarer fiktiver Einkünfte ist auch
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG FamRZ 2005, 1893).
Ein gem. § 1603 Abs. 2 BGB verschärft haftender Unterhaltspflichtiger hat sich intensiv,
d.h. unter Anspannung aller Kräfte und Ausnutzung aller vorhandenen Möglichkeiten um
die Erlangung eines hinreichend entlohnten Arbeitsplatzes zu bemühen. Er muss alle
verfügbaren Mittel für den Unterhalt des Kindes verwenden, alle Erwerbsmöglichkeiten
ausschöpfen und auch einschneidende Veränderungen in seiner eigenen
Lebensgestaltung in Kauf nehmen, um ein die Zahlung des Regelbetrages
sicherstellendes Einkommen zu erzielen (BVerfG, FamRZ 2003, 661).
Bei eigener Arbeitslosigkeit hat sich der Pflichtige durch intensive Suche um eine
Erwerbsstelle zu bemühen; bei Arbeitsstellen mit geringeren Einkommen ist entweder
eine neue Arbeitsstelle oder eine weitere Beschäftigung zu suchen, um zusätzliche Mittel
zu erlangen, z.B. durch zusätzliche Gelegenheits- und Aushilfstätigkeiten (OLG Köln
NJWE-FER 1999, 84, 85). Arbeitszeiten von bis zu 48 Wochenstunden sind durchaus
zumutbar (OLG Köln ZFE 2007, 195), ebenso kommen für die Ausübung einer
Nebentätigkeit Zeiten in Betracht, die üblicherweise dem Freizeitbereich zuzuordnen
sind (OLG Dresden, FamRZ 2007, 1477 und OLG-Report 2005, 496). Die beruflichen
Dispositionsmöglichkeiten treten dabei weitgehend hinter der Elternverantwortung
zurück (OLG Bremen FamRZ 2007, 74 f.; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 29, 30),
weshalb sich die Bemühungen um die (Wieder-) Erlangung einer Arbeit nicht auf den
Bereich des erlernten Berufes oder der zuletzt ausgeübten Tätigkeit beschränken
dürfen. Vielmehr ist dem Unterhaltspflichtigen grundsätzlich anzusinnen, sich jedenfalls
nach einiger Zeit um jede Art von Tätigkeit, auch eine solche unterhalb seines
Ausbildungsniveaus, zu bemühen. Hierzu zählen Arbeiten für ungelernte Kräfte ebenso
wie Arbeiten zu ungünstigen Zeiten oder zu wenig attraktiven Arbeitsbedingungen
(Brandenburgisches OLG ZFE 2007, 192, 193; OLG Zweibrücken a. a. O.).
Für die Suche nach Arbeit selbst ist die Zeit aufzuwenden, die erforderlich ist, alle der
nach Vorgesagtem in Betracht kommenden Stellen zu erfassen, sich darauf zu
bewerben und Vorstellungsgespräche wahrzunehmen. Dies wird bei Arbeitslosen in aller
Regel dem Zeitaufwand eines vollschichtig Erwerbstätigen entsprechen
(Brandenburgisches OLG, OLG-Report 2006, 976, 977), wohingegen bei Erwerbstätigen
geringere Anforderungen zu stellen sein können.
Für die ordnungsgemäße Erfüllung sämtlicher der zuvor dargestellten Voraussetzungen
ist der Unterhaltsverpflichtete darlegungs- und beweisbelastet. Dies gilt auch für die
Richtigkeit der Behauptung fehlender realer Beschäftigungschancen (Brandenburgisches
OLG ZFE 2007, 192, 193; JAmt 2004, 502, 503). Einen allgemeinen Erfahrungssatz, dass
wegen hoher Arbeitslosigkeit, mangelnder Ausbildung, fortgeschrittenen Alters oder
sonstiger ungünstiger Bedingungen trotz gehöriger Bemühungen keine
Beschäftigungsmöglichkeit besteht, existiert nicht (Brandenburgisches OLG ZFE 2007,
192, 193; OLG Köln ZFE 2007, 195).
b.
Diesen strengen Anforderungen wird das Vorbringen des Beklagten in keiner Weise
gerecht.
36
37
38
39
40
Allein der Verweis darauf, dass er keine Ausbildung habe, und dass er über mangelnde
Deutschkenntnisse verfügte, genügt nicht. Insoweit kann allein bei entsprechenden
Bewerbungsbemühungen überprüft werden, ob nicht gleichwohl unter Beachtung der im
Einzelfall gegebenen besonderen persönlichen Verhältnisse eine Möglichkeit des
Beklagten gegeben ist, eine ausreichend dotierte Arbeitsstelle zu finden. Der
Unterhaltsverpflichtete kann sich i. Ü. auch regelmäßig nicht auf fehlende
Deutschkenntnisse berufen, wenn er sich bereits längere Zeit in Deutschland aufhält. Im
Rahmen seiner Erwerbsobliegenheiten obliegt es Unterhaltsverpflichteten-/berechtigten,
die der deutschen Sprache nicht oder nur unvollständig mächtig sind, zur Herstellung
bzw. Verbesserung ihrer beruflichen Chancen die deutsche Sprache zu erlernen (vgl.
OLG Stuttgart, FamRZ 2007, 1908, 1909; OLG Schleswig, FamRZ 2007, 1474). Nach
den unbestrittenen Angaben der Klägerin lebt der Beklagte seit mindestens 10 Jahren in
Deutschland und hatte daher auch genügend Zeit, Deutschkenntnisse zu erwerben.
Zumindest nach Geburt des gemeinsamen Kindes war er insoweit verpflichtet,
bestmöglich seine persönlichen und beruflichen Kenntnisse zu entwickeln, um Chancen
auf dem Arbeitsmarkt zur Erlangung einer ausreichend dotierte Erwerbsstelle zu
verbessern.
Ferner ist jedenfalls für die Zukunft zu beachten, dass Zahlungen auf titulierte
Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder von dem bereinigten Einkommen des
Unterhaltspflichtigen abzusetzen sind, d. h. diese Beträge bleiben bei der Berechnung
des ALG II anrechnungsfrei. Diese Rechtsprechung des Senats auf der Grundlage des
SGB II a. F. (Brandenburgisches OLG, FamRZ 2006, 1297, 1299; vgl. ferner OLG Koblenz,
OLG-Report 2006, 1296; SozG Aachen FamRZ 2006, 1296, 1297; SozG Dortmund JAmt
2005, 144; Fichtner/Wenzel-Augstein, Kommentar zur Grundsicherung, 3. Aufl. 2005, §
11 SGB II Rn. 3) entspricht auch der zum 1. August 2006 in Kraft getretenen
Neuregelung des § 11 Abs. 2 Nr. 7 SGB II. Der Unterhaltsverpflichtete kann also den
Anspruch kostenfrei vor dem Jugendamt titulieren und allein in Höhe der Regelbeträge
Nebenverdienste erzielen, ohne befürchten zu müssen, dass sich seine -
Einkünfte verringern. Dass der Beklagte aber nicht in der Lage ist, monatlich 177 Euro
bzw. ab Juli 2007 monatlich 175 Euro zu erzielen, erscheint auch bei Beachtung seiner
besonderen persönlichen Umstände kaum denkbar; jedenfalls fehlt es hierzu bislang an
jeglichem Vortrag des Beklagten.
III.
Die zu Lasten des Beklagten getroffene Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO,
die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit auf § 708 Ziff. 10 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich. Weder haben die hier
entschiedenen Rechtsfragen grundsätzliche Bedeutung, noch ist eine Entscheidung des
Bundesgerichtshofes zur Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
Berufungswert: 2.474 Euro
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum