Urteil des OLG Brandenburg vom 14.03.2017

OLG Brandenburg: wiedereinsetzung in den vorigen stand, eigenes verschulden, aufruf, entziehung, aussetzung, gerichtsgebäude, fahrbahn, sperrfrist, verkehrsunfall, sperrung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 Ss 86/09, 1 Ws
184/09, 1 Ws 206/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 231 Abs 2 StPO, § 329 Abs 1
StPO, § 329 Abs 3 StPO, § 332
StPO
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Verwerfung der
Berufung wegen Abwesenheit des zu Hauptverhandlungsbeginn
erschienenen Angeklagten nach Unterbrechung der Verhandlung
wegen Ausbleibens des Verteidigers
Leitsatz
1.War der Angeklagte "bei Beginn der Hauptverhandlung" erschienen und die
Hauptverhandlung wegen Ausbleibens des Verteidigers des Angeklagten unterbrochen
worden, so kann die spätere Abwesenheit des Angeklagten nach erneutem Aufruf die
Verwerfung der Berufung gem. § 329 Abs. 1 StPO nicht rechtfertigen. Vielmehr hätte das
Berufungsgericht nach §§ 231 Abs. 2, 332 StPO verfahren müssen.
2. Dem Angeklagten ist Wiedereinsetzung in die Berufungshauptverhandlung im Wege der
Analogie zu § 329 Abs. 3 StPO zu gewähren, da er zu Unrecht als säumig behandelt worden
ist. Die Gewährung der Wiedereinsetzung in diesen Fällen beruht auf der Überlegung, dass
derjenige, der zu Beginn der Hauptverhandlung nicht säumig war, aber zu Unrecht als säumig
behandelt worden ist, einem schuldlos Säumigen gleichgestellt werden muss (ähnlich
Senatsbeschluss vom 22.10.2004 - 1 Ws 151/04 -; Senatsbeschluss vom 8.9.2009 - 1 Ss
53/09).
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss der 4. kleinen
Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 30. Juli 2009 aufgehoben. Die Kosten des
Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der
Landeskasse auferlegt.
2. Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in die
Berufungshauptverhandlung gewährt.
3. Das Verwerfungsurteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 2.
Juni 2009 und die dagegen erhobene Revision sind gegenstandslos.
4. Auf die Beschwerde des Verteidigers des Angeklagten wird der Beschluss der 4.
kleinen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 2. Juni 2009 über die Auferlegung
der Kosten hinsichtlich der Aussetzung der Hauptverhandlung aufgehoben. Die insoweit
im Beschwerdeverfahren entstandenen Verfahrenskosten und notwendigen Auslagen
trägt die Landeskasse.
5. Der Antrag des Angeklagten, die (vorläufige) Entziehung der Fahrerlaubnis
aufzuheben und den Führerschein an den Angeklagten herauszugeben, wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hat dem Rechtsmittelführer mit Anklage vom 15.
Oktober 2008 die Begehung des Verbrechens eines gefährlichen Eingriffs in den
Straßenverkehr in der Absicht der Verdeckung einer Straftat gem. § 315 b Abs. 1 Nr. 3,
Abs. 3 iVm. § 315 Abs. 3 Nr. 1 lit. b 2. Var. StGB in Tateinheit mit Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte unter Beisichführen eine Waffe gem. § 113 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1
StGB und in weiterer Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr gem. §
316 StGB sowie in Tatmehrheit dazu Bestechung vorgeworfen. Der Angeklagte soll in der
Nacht zum 26. Juli 2008 nach vorangegangenem erheblichem Alkoholgenuss in
fahruntüchtigem Zustand gegen 2:15 Uhr mit dem Pkw Opel, amtliches …., die
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fahruntüchtigem Zustand gegen 2:15 Uhr mit dem Pkw Opel, amtliches …., die
Bundesstraße 109 in Kenntnis der eigenen Fahruntüchtigkeit befahren haben. Als der
Angeklagte im Bereich des Straßenabschnittes 95 durch die Polizeibeamtin Kluge einer
Verkehrskontrolle unterzogen werden sollte und durch Haltekelle zum Anhalten
aufgefordert worden war, sei er mit unverminderter Geschwindigkeit auf die ihn zum
Anhalten auffordernde Polizeibeamtin zugefahren. Die wegen des eingeschalteten
Blaulichtes am Funkstreifenwagen und der von ihr geschwenkten Haltekelle sowie mit
einer signalgelben Warnweste deutlich sichtbare Polizeibeamtin habe nur durch einen
reaktionsschnellen Sprung von der Fahrbahn einer Frontalkollision mit dem vom
Angeklagten geführten Fahrzeug ausweichen können. Hierdurch habe der Angeklagte
seine ungehinderte Weiterfahrt erzwingen und der Aufdeckung seiner Trunkenheitsfahrt
entgehen wollen. Eine um 4:21 Uhr entnommen Blutprobe habe eine
Alkoholkonzentration von 1,95 mg/g ergeben. Des Weiteren soll der Angeklagte auf dem
Weg zur Polizeiwache gegenüber den Polizeibeamten geäußert haben:
Mit Urteil vom 23. Februar 2009 hat das Amtsgericht Zehdenick den Angeklagten wegen
Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen je 50,00 € verurteilt,
die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen sowie eine Sperrfrist für die
Neuerteilung der Fahrerlaubnis von 6 Monaten verhängt. Im Übrigen hat das
Amtsgericht den Angeklagten freigesprochen.
Gegen diese Entscheidung haben sowohl der Angeklagte als auch die
Staatsanwaltschaft Neuruppin, letztere zum Nachteil des Angeklagten, jeweils am 24.
Februar 2009 Berufung eingelegt. Der Angeklagte hat seine Berufung nicht, die
Staatsanwaltschaft unter dem Datum des 14. April 2009 begründet. Mit der Berufung
strebt die Staatsanwaltschaft Neuruppin eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe (auch)
wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Widerstand gegen
Vollstreckungsbeamte sowie wegen Bestechung an.
Mit Verfügung vom 15. Mai 2009 hat der Vorsitzende der 4. kleinen Strafkammer des
Landgerichts Neuruppin Termin zur Hauptverhandlung auf den 2. Juni 2009, 12:00 Uhr
anberaumt.
Bei Aufruf der Sache war der Angeklagte vor Gericht erschienen.
Im Sitzungsprotokoll vom 2. Juni 2009 ist ausgeführt:
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft hat die 4. kleine Strafkammer des Landgerichts
Neuruppin die Berufung des Angeklagte gem. § 329 StPO verworfen,
. Weiter heißt es im
Urteilstenor:
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Urteilstenor:
Hinsichtlich der Berufung der Staatsanwaltschaft Neuruppin hat das Landgericht die
Hauptverhandlung ausgesetzt, darüber hinaus dem Verteidiger des Angeklagten die
durch sein Fernbleiben im Termin am 2. Juni 2009 entstandenen Kosten im
Beschlusswege auferlegt.
Das Verwerfungsurteil sowie der Aussetzungsbeschluss nebst Kostenentscheidung
wurden dem Verteidiger des Angeklagten am 10. Juni 2009 zugestellt. Mit dem am 16.
Juni 2009 beim Landgericht Neuruppin eingegangen Anwaltschriftsatz hat der
Angeklagte Wiedereinsetzung in die Berufungshauptverhandlung beantragt sowie gegen
das Verwerfungsurteil Revision eingelegt und beides begründet.
Mit weiterem Schriftsatz, eingegangen bei Gericht ebenfalls am 16. Juni 2009, wendet
sich der Verteidiger des Angeklagten gegen die Auferlegung der Kosten der Aussetzung
im Beschluss vom 2. Juni 2009. In beiden Schriftsätzen wird auf die unvorhersehbare
Verkehrssituation mit zwei Unfällen hingewiesen.
Mit Beschluss vom 30. Juli 2009 hat die 4. kleine Strafkammer des Landgerichts
Neuruppin den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als
„unzulässig“ verworfen. Gegen diese, dem Verteidiger des Angeklagten am 6. August
2009 zugestellte Entscheidung wendet sich der Angeklagte mit seiner am 13. August
2009 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde.
Mit Anwaltschriftsatz vom 30. September 2009 beantragt der Angeklagte des Weiteren,
die (vorläufige) Entziehung der Fahrerlaubnis aufzuheben und den Führerschein
herauszugeben.
II.
1. a)
gemäß §§ 306 Abs. 1, 311 Abs. 2 StPO form- und fristgerecht bei Gericht angebrachte
sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Gem. § 329 Abs. 3 iVm. § 44 StPO setzt die Gewährung von Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand voraus, dass der Angeklagte ohne Verschulden gehindert war, den
Berufungstermin wahrzunehmen. Im vorliegenden Fall jedoch war der Angeklagte zur
Berufungshauptverhandlung erschienen. Gem. § 243 Abs. 1 Satz 1 StPO beginnt die
Hauptverhandlung mit dem Aufruf der Sache. Ausweislich des
Hauptverhandlungsprotokolls vom 2. Juni 2009 „begann“ auch die Hauptverhandlung
über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft mit dem Aufruf zur
Sache am 2. Juni 2009 um 12:00 Uhr, und es wurde festgestellt, dass der Angeklagte
erschienen war.
Entsprechend hat das Landgericht Neuruppin die Berufung des Angeklagten zu Unrecht
verworfen. Sinn und Zweck des § 329 Abs. 1 StPO ist es, den Angeklagten zu hindern,
die Entscheidung des Berufungsgerichts dadurch hinauszuzögern, dass er sich der
Verhandlung entzieht (BGHSt 17, 188; BGHSt 23, 331, 334; BGHSt 25, 281, 283; BGHSt
27, 236, 238; KK-Ruß, StPO, 6. Aufl. 2009. § 329 Rdnr. 1; Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl.
2009, Rdnr. 2).
Das Gesetz nimmt dabei aus Gründen der Verfahrensbeschleunigung in Kauf, dass ein
möglicherweise unrichtiges Urteil allein wegen des unentschuldigten Ausbleibens des
Angeklagten rechtskräftig wird. Diese Ausnahme von dem Grundsatz, dass gegen einen
abwesenden Angeklagten kein Urteil erlassen werden darf (vgl. §§ 230 Abs. 1, 332 StPO)
beruht auf der Unterstellung, dass der säumige Angeklagte an der Durchführung der
Hauptverhandlung kein Interesse hat und auf das Rechtsmittel und damit auf eine
sachliche Prüfung des angefochtenen Urteils verzichtet (BGHSt 15, 287, 289; BGHSt 24,
143, 150; OLG Düsseldorf StV 1982, 127; OLG Hamm NStZ 1997, 368). Wegen des
Ausnahmecharakters der Vorschrift ist allgemein anerkannt, dass § 329 Abs. 1 StPO im
Interesse des Angeklagten eng ausgelegt werden muss. Dementsprechend hat der
Bundesgerichtshof im Anschluss an die Rechtsprechung des Reichsgerichts entschieden,
dass die sofortige Verwerfung der Berufung des Angeklagten nach § 329 Abs. 1 StPO
nicht mehr zulässig ist, wenn das Berufungsgericht schon in einem früheren Termin zur
Sache verhandelt hat (vgl. BGHSt 17, 188). Ebenso ist nach einhelliger Ansicht die
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Sache verhandelt hat (vgl. BGHSt 17, 188). Ebenso ist nach einhelliger Ansicht die
sofortige Verwerfung der Berufung wegen der Ausnahmenatur der Vorschrift nicht mehr
statthaft, wenn der Angeklagte zu Beginn der Hauptverhandlung erschienen ist, sich
aber kurz darauf wieder entfernt hat (vgl. RGSt 63, 53, 57; BGHSt 23, 331, 332; BayObLG
VRS 61, 131, BayObLG NStZ 1981, 112; KG JR 1985, 343; Eb. Schmidt, StPO II, 329 Rdnr.
9; Schneidewin NJW 1961, 841; Bloy JuS 1986, 592).
So liegt der Fall aber hier. Ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls war der
Angeklagte am 2. Juni 2009 erschienen, was einem
Verwerfungsurteil gem. § 329 Abs. 1 StPO entgegensteht. Mag die Hauptverhandlung
wegen Ausbleibens des Verteidigers des Angeklagten unterbrochen worden sein, so
kann die spätere Abwesenheit des Angeklagten nach erneutem Aufruf die Verwerfung
der Berufung des Angeklagten nicht rechtfertigen. Vielmehr hätte das Berufungsgericht
nach §§ 231 Abs. 2, 332 StPO verfahren müssen.
Damit liegt an sich kein Fall vor, in dem eine Frist (hier: Teilnahme an der
Berufungshauptverhandlung) versäumt worden wäre. Jedoch ist Wiedereinsetzung in die
Berufungshauptverhandlung im Wege der Analogie zu § 329 Abs. 3 StPO auch
demjenigen zu gewähren, der zwar zum Termin geladen und erschienen war, jedoch zu
Unrecht als säumig behandelt worden ist. Die Gewährung der Wiedereinsetzung in
diesen Fällen beruht auf der Überlegung, dass derjenige, der zu Beginn der
Hauptverhandlung nicht säumig war, aber zu Unrecht als säumig behandelt worden ist,
einem schuldlos Säumigen gleichgestellt werden muss (ähnlich Senatsbeschluss vom
22.10.2004 - 1 Ws 151/04 -; Senatsbeschluss vom 8.9.2009 - 1 Ss 53/09 -; BGH NJW
1987, 1776, 1777; OLG Hamburg StV 2001, 339; OLG Köln NStZ-RR 2002, 142; Meyer-
Goßner, StPO, 52. Aufl. 2009, § 329 Rdnr. 41 [Fehlen ordnungsgemäßer Ladung]; OLG
Frankfurt NStZ-RR 2005, 174, 175; Meyer-Goßner aaO. [Verwerfung der Berufung wegen
erst im Laufe des Verfahrens erkannter Verhandlungsunfähigkeit ]).
b)
würde, wenn man das unentschuldigte Entfernen des Angeklagten vor 13:00 Uhr aus
dem Gerichtsgebäude als ein unentschuldigtes Nichterscheinen bei Beginn der
Hauptverhandlung ansehen würde. In diesem Fall wäre dem Angeklagten ebenfalls
Wiedereinsetzung in der Berufungshauptverhandlung zu gewähren. Denn dann wäre zu
berücksichtigen, dass gem. § 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO (Verbrechen) ein Fall der
notwendigen Verteidigung vorliegt (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 iVm. §§ 315 Abs. 3 Nr. 1
lit. b 2. Var., 12 Abs. 1, 3 StGB) und der Verteidiger des Angeklagten ohne eigenes
Verschulden gehindert war, zur Hauptverhandlung zu erscheinen. In der
obergerichtlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass das Ausbleiben des Angeklagten
dann als entschuldigt anzusehen ist, mithin und auch kein Verwerfungsurteil nach § 329
Abs. 1 StPO ergehen darf, wenn unter Verstoß entgegen § 140 Abs. 2 StPO kein
Verteidiger bestellt (vgl. OLG Stuttgart StV 2009, 12) oder unter Verstoß gegen § 218
StPO der Verteidiger nicht geladen worden ist (vgl. BayObLG StV 2002, 356; OLG Köln
VRS 95, 138, 139). Gleiches muss in Bezug auf den Angeklagten auch dann gelten, wenn
im Fall der notwendigen Verteidigung der Verteidiger ohne Verschulden gehindert war,
an der Berufungshauptverhandlung teilzunehmen. Denn in diesem Fall hätte das Gericht
ohnehin in der Sache nicht verhandeln dürfen (arg. aus § 338 Nr. 5 StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, Abs. 7 StPO.
2.
angefochtene Verwerfungsurteil beseitigt und die Revision des Angeklagten
gegenstandslos (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Aufl. 2009, § 342, Rn. 2; KK-Kuckein,
StPO, 6. Aufl. 2008, § 342, Rn. 6), was lediglich aus Klarstellungsgründen im Tenor
aufgeführt ist.
3.
Hauptverhandlung durch Beschluss vom 2. Juni 2009 ist gem. § 304 Abs. 2 StPO
statthaft. Das Rechtsmittel ist begründet und führt zur Aufhebung des Beschlusses.
Gemäß § 145 Abs. 4 StPO können einem (notwendigen) Verteidiger die durch eine
Aussetzung des Verfahrens entstandenen Kosten nur dann auferlegt werden, wenn ihm
am Fernbleiben von der Hauptverhandlung ein Verschulden trifft.
Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Der Verteidiger des Angeklagten war aufgrund einer
unvorhersehbaren Verkehrssituation, insbesondere wegen erheblichen Verkehrsstaus
infolge mehrerer Verkehrsunfälle mit massiven Folgen, an der Teilnahme an der
Hauptverhandlung gehindert.
Nach den Ausführungen im Hauptverhandlungsprotokoll vom 2. Juni 2009 war
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Nach den Ausführungen im Hauptverhandlungsprotokoll vom 2. Juni 2009 war
gerichtsbekannt, dass sich in den frühen Morgenstunden auf dem nördlichen Berliner
Ring (A 10) ein schwerer Verkehrsunfall ereignet hat, infolgedessen es zur Sperrung der
Autobahn und massiven Staus kam. Der Verteidiger des Angeklagten hat glaubhaft
gemacht, dass es in engem zeitlichem Abstand am Morgen des 2. Juni 2009 auf dem
Berliner Ring zu zwei Unfällen gekommen ist: Bei einer Karambolage unter Beteiligung
von Lkw und Pkw zwischen dem Autobahndreieck Pankow und Mühlenbeck sei eine Frau
schwer verletzt und mit einem Hubschrauber in ein Krankenhaus geflogen worden, des
Weiteren seien im weiteren Verlauf der A 10 zwischen Oberkrämer und Dreieck
Havelland zwei Lastkraftwagen kollidiert, die Feuer gefangen hätten. Infolge der Unfälle
sei die Fahrbahn Richtung Hamburg für mehrere Stunden gesperrt gewesen. Des
Weiteren führte der Verteidiger des Angeklagten aus, dass er trotz eines eingeplanten
Zeitpuffers für die Fahrt von Berlin nach Neuruppin von 60 bis 90 Minuten nicht mehr das
Landgericht zu einer Zeit erreicht hätte, zu der mit einer Hauptverhandlung noch zu
rechnen war. Da mit einer solchen Kombination von schwerwiegenden Unfällen nicht zu
rechnen war, trifft den Verteidiger kein Verschulden an seinem Ausbleiben im Termin am
2. Juni 2009. Die Kostenentscheidung beruht – da die Beschwerde des Verteidigers nicht
Teil des Strafverfahrens ist – auf einer entsprechenden Anwendung von § 467 StPO.
4.
Herausgabe des Führerscheins bleibt ohne Erfolg.
Während des Revisionsverfahrens ist die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach
herrschender Meinung nicht deshalb aufzuheben, weil die Verfahrensdauer die Dauer der
Sperre übersteigt. Denn der Ablauf der Sperrfrist verleiht dem Angeklagten keinen
Rechtsanspruch auf Neuerteilung (vgl. KG VRS 53, 278; OLG Naumburg BA 2000, 378;
OLG Karlsruhe MDR 1977, 948; OLG Hamburg DAR 1981, 27; OLG Stuttgart VRS 63, 363;
OLG Düsseldorf DAR 1983, 62; OLG Düsseldorf VRS98, 190; Meyer-Goßner, StPO, 52.
Aufl. 2009, § 111a Rdnr. 12). Dem Berufungsgericht bleibt es unbenommen, über die
Frage der Aufrechterhaltung der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis erneut zu
entscheiden, wobei der Angeklagte mit einer gewissen Verlängerung der tatsächlichen
Sperre als Folge der Berufungseinlegung rechnen muss (vgl. OLG Düsseldorf NZV 1999,
389; OLG Koblenz VRS 68,41).
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