Urteil des OLG Brandenburg vom 26.10.2005
OLG Brandenburg: unterbrechung der verjährung, grundstück, ddr, mauer, republik, klagefrist, anwendungsbereich, erfüllung, grundbuch, kaserne
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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 5.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 163/05
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1 Abs 1 MauerG, § 14 AufbauG
Enteignungsentschädigung nach dem Mauergrundstücksgesetz:
Anwendbarkeit des Gesetzes bei Errichtung einer
Kasernenanlage für Grenzsoldaten auf dem enteigneten
Grundstück
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am 26. Oktober 2005 verkündete Urteil der 5.
Zivilkammer des Landgerichts Cottbus – 5 O 370/00 – wird mit der Maßgabe
zurückgewiesen, dass die Klage als unbegründet abgewiesen wird.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf Grund dieses Urteils beizutreibenden
Beträge abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger zu 2. (im folgenden Kläger) ist nach erfolgter Erbauseinandersetzung
Alleinerbe des R. G. (Erblasser).
Der Erblasser war im Grundbuch von K. Blatt 4389 als Eigentümer des 939 m² großen
Grundstücks, gelegen in der Gemeinde K., …, Flur 9, Flurstück 995 (Grundstück)
eingetragen. Das Gebiet, in dem das Grundstück liegt, wurde 1962 zum Aufbaugebiet
erklärt, wobei diese Erklärung mit Sicherungsmaßnahmen im Raum B. begründet worden
war. Im Zuge dieser Sicherungsmaßnahmen sollten auf dem Flurstück 995 sowie
Nachbarflurstücken zwei Kompaniegebäude und ein Dienstgebäude errichtet sowie
mehrere kleinere Bauvorhaben der Grenzpolizei ausgeführt werden.
Mit Inanspruchnahmebescheid des Rates des Kreises P. vom 19. Juli 1962 wurde das
Grundstück gemäß § 14 Aufbaugesetz enteignet, der Erblasser wurde am 2. Mai 1963
mit 4.851,50 M/DDR entschädigt. Rechtsträger des sodann im Grundbuch als volkseigen
ausgewiesenen Grundstücks, auf dem eine Kaserne für die Grenztruppen errichtet
wurde, war seit 1965 die Regierung der DDR/Ministerium für Nationale Verteidigung.
Die Kläger beantragten die Rückübertragung des Grundstücks nach dem
Vermögensgesetz und mit Schreiben vom 27. August 1996 den begünstigten
Rückerwerb des Grundstücks nach dem Mauergrundstücksgesetz. Die
Oberfinanzdirektion C. lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 25. Juli 2000 ab.
Bereits zuvor, mit notariellem Vertrag vom 7. Juli 1999 war das Grundstück im Wege des
Investitionsvorrangs zu einem Preis von 462,00 DM/m² an die S. und L. W. GmbH
verkauft worden, die am 12. November 2001 in das Grundbuch eingetragen wurde.
In dem Verfahren nach dem Vermögensgesetz erließ das Landesamt zur Regelung
offener Vermögensfragen am 13. Dezember 2004 einen Widerspruchsbescheid, durch
den der Widerspruch der Kläger gegen den ablehnenden Bescheid des ARoV
zurückgewiesen wurde. Der Bescheid ist seit dem 31. Januar 2005 bestandskräftig.
Die Parteien streiten darum, ob es sich bei dem in K. am … gelegenen Grundstück um
ein Mauer- und Grenzgrundstück im Sinne von § 1 MauerG handelt.
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Die Kläger haben behauptet, das Grundstück sei zu Grenzsicherungszwecken enteignet
worden. Die auf dem Grundstück errichtete Grenztruppenkaserne habe zwischen
verschiedenen Sperranlagen gelegen und der Sicherung des gesamten Grenzgebietes
einschließlich der Zugangskontrollen zu der Gemeinde K., die vollständig im Grenzgebiet
gelegen habe, gedient. Das Grundstück sei von Bewuchs/Bebauung befreit worden, um
eine freie Sicht auf das Grenzvorfeld zu ermöglichen. Die Kaserne sei unmittelbar und
räumlich mit den Sperranlagen verbunden gewesen. Die Grenztruppen seien zur
Durchführung des Tötungsbefehles notwendig gewesen. In dem zwischen der Kaserne
und den ehemaligen Grenzanlagen gelegenen Wohngebiet hätten nur staatstreue
Mitarbeiter der Armee und der Staatssicherheit sowie hohe DDR-Funktionäre gewohnt.
Mit ihrer am 27. September 2000 eingereichten Klage haben die Kläger ursprünglich die
Veräußerung und Übereignung des Grundstücks zu einem Kaufpreis in Höhe von 25 %
des Verkehrswertes gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 MauerG verlangt. Hilfsweise haben sie die
Feststellung des Bestehens eines Erlösauskehranspruchs in Höhe von 75 % des
Kauferlöses gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 MauerG aus der Veräußerung des Grundstücks an
die S. und L. W. GmbH in B. und weiter hilfsweise die Verpflichtung zur Auskunftserteilung
über den erzielten Erlös im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MauerG aus der Veräußerung des
Grundstücks begehrt.
Nachdem das Verfahren mit Beschluss vom 23. Mai 2001 bis zur rechtskräftigen
Entscheidung über den Restitutionsantrag ausgesetzt und im Frühjahr 2005 wieder
aufgenommen worden war, haben die Parteien den Rechtsstreit betreffend die Klage der
Klägerin zu 1. nach Erbauseinandersetzung übereinstimmend für erledigt erklärt. Die
Hilfsanträge hat der Kläger zu 2. mit Zustimmung der Beklagten zurückgenommen und
seinen Hauptantrag in einen Antrag auf Zahlung in Höhe von 75 % des Bodenwertes
(183.639,42 €) geändert.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, der Kläger habe die Klagefrist nicht
eingehalten. Sie sei nicht innerhalb einer Notfrist von zwei Monaten nach Zustellung des
Bescheides erhoben worden. Zwar sei mit den ursprünglichen Anträgen die Frist
eingehalten worden. Denn der Bescheid vom 25. Juli 2000 sei bei dem Klägervertreter
am 27. Juli 2000 eingegangen und die Klage am 27. September 2000 anhängig
geworden, wobei es unschädlich sei, dass die Klageschrift erst am 25. Oktober 2000
zugestellt worden sei. Der Kläger habe jedoch die Klage mit Schriftsatz vom 9. Mai 2005,
also nach Ablauf der Klagefrist, geändert und nicht etwa eine bloße Berichtigung der
Anträge oder bloße Klarstellung im Hinblick auf das erkennbare Klageziel vorgenommen.
Die ursprünglichen Hilfsanträge habe er ausdrücklich zurückgenommen und statt des
ursprünglichen Hauptantrags nicht nur das Surrogat gefordert. Der Annahme der
verfristeten Klage stehe nicht entgegen, dass der Bescheid der OFD C. vom 25. Juli 2000
von Anfang an rechtswidrig gewesen sei, da das Verfahren nicht nach § 1 Abs. 3 Nr. 2
MauerG ausgesetzt worden sei. Denn allein die Anfechtung und Aufhebung des
Bescheides reiche zur Bejahung der geltend gemachten Ansprüche nicht aus. Das
Mauergrundstücksgesetz habe in §§ 2 und 3 konkrete Ansprüche geregelt, die nur bei
Vorliegen bestimmter Anspruchsvoraussetzungen zugesprochen werden könnten. Im
Übrigen sei es den Klägern durchaus zuzumuten gewesen, den nunmehr geltend
gemachten Anspruch auf Verkehrswertauskehr bereits als Hilfsantrag in der Klageschrift
geltend zu machen. Schließlich entspreche die Bejahung der Verfristung der Klage auch
dem Regelungszweck des § 7 MauerG. Ziel der in § 7 Abs. 2 Satz 1 MauerG bestimmten
Klagefrist sei, das Rechtsmittelverfahren zu beschleunigen und damit für
Rechtssicherheit zu sorgen, damit innerhalb eines überschaubaren Zeitraums feststehe,
ob dem Berechtigten die geltend gemachten Ansprüche zustehen oder ob der Bund
weiterhin über das Grundstück verfügen kann. Daraus werde auch ersichtlich, dass es
entscheidend auf den geltend gemachten Anspruch ankomme.
Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung.
Der Kläger meint, er habe die Klage rechtzeitig erhoben. Den Erlösauskehranspruch
habe er bereits hilfsweise mit der Klageschrift geltend gemacht. Nachdem die Höhe des
von der Käuferin gezahlten Kaufpreises festgestanden habe, habe er mit Schriftsatz vom
9. Mai 2005 den Leistungsantrag angekündigt und gleichzeitig die Hilfsanträge
zurückgenommen. Dies stelle eine zulässige Klageänderung im Sinne des § 264 Nr. 2
und 3 ZPO dar, da statt des ursprünglichen Gegenstands ein anderer gefordert werde.
Es beruhe auf einem offensichtlichen Versehen, dass im Hilfsantrag § 3 Abs. 2 Satz 1
MauerG genannt worden sei. Es sei ohne weiteres zu erkennen gewesen, dass er, der
Kläger, Geldersatz für den Fall, dass ihm das Eigentum an dem streitgegenständlichen
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Kläger, Geldersatz für den Fall, dass ihm das Eigentum an dem streitgegenständlichen
Grundstück wegen einer Veräußerung des Grundstücks nicht übertragen werden kann,
verlange. Diesen Anspruch habe er beziffert, nachdem er von der Veräußerung und der
Höhe des erzielten Kaufpreises erfahren habe. Auch der Klagegrund sei gleich geblieben.
Der zuletzt geltend gemachte Zahlungsanspruch beruhe zwar nicht auf § 3 Abs. 2 Satz 2
MauerG, sondern auf § 3 Abs. 1 Satz 3 MauerG. Dieser Anspruch verfolge den Zweck
eines äquivalenten Wertausgleichs für den Fall, dass der Anspruch gemäß § 2 Abs. 1
Satz 1 MauerG nicht erfüllt werde. Danach sei der Fall nicht anders zu behandeln, als
wenn der Kläger zunächst auf Erfüllung geklagt und die Klage sodann, wegen
Unmöglichkeit der Erfüllung, auf Schadensersatz umgestellt habe.
Der Anwendungsbereich des Mauergrundstücksgesetzes sei eröffnet. Entscheidend
hierfür sei, dass das Grundstück für Maßnahmen zum Ausbau oder der Sicherung der
Staatsgrenze in Anspruch genommen worden sei und es in einer räumlichen Nähe zur
Staatsgrenze gelegen habe. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Das Grundstück liege
in unmittelbarer Nähe des heutigen Z. D. bzw. der früheren P.-M.-A.. Die Staatsgrenze
zu Westberlin habe sich in nordöstlicher Richtung ca. 800 m Luftlinie und in nördlicher
Richtung in ca. 1000 m Luftlinie befunden, sodass es in geographischer Nähe zur
ehemaligen Staatsgrenze nach Westberlin gelegen habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 26. Oktober 2005 - 5 O 370/00 -
abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an ihn unter Aufhebung des Bescheides der
Oberfinanzdirektion vom 25. Juli 2000 (Az. O 1002-MauerG-PM-62-BV 34) 183.639,42 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 26. Oktober 2005 zu
zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie ist nach wie vor der Ansicht, dass
das Grundstück nicht in den Anwendungsbereich des Mauergrundstücksgesetzes falle.
Wegen des Sach- und Streitstands im Übrigen wird auf den Inhalt der von den Parteien
gewechselten Schriftsätze sowie des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und
begründet worden (§§ 511 Abs. 1 und 2, 513, 514, 517, 519, 520 ZPO).
In der Sache hat die Berufung keinen Erfolg.
Die Klage ist entgegen der Ansicht des Landgerichts zwar zulässig, jedoch unbegründet.
Die Klage wurde rechtzeitig erhoben.
Gemäß § 7 Abs. 2 MauerG ist die Klage innerhalb einer Frist (einer Notfrist im Sinne der
Zivilprozessordnung) von zwei Monaten nach Zustellung des Bescheides zu erheben. Im
vorliegenden Fall war der ablehnende Bescheid am 25. Juli 2000 erlassen worden und
dem Verfahrensbevollmächtigten des Klägers am 27. Juli 2000 zugestellt worden. Am 27.
September 2000 ist die Klage auf Verkauf des Grundstücks nach dem
Mauergrundstücksgesetz, hilfsweise auf Auskehr von 75 % des Verkaufserlöses bei dem
Landgericht eingegangen. Sie ist aus Gründen, die nicht im Verantwortungsbereich der
Kläger gelegen haben, erst am 25. Oktober 2000 zugestellt worden, sodass die Klage als
rechtzeitig erhoben gilt (§ 270 Abs. 3 ZPO a.F.).
Die Unterbrechung durch Klageerhebung gemäß § 209 a. F. BGB erstreckte sich auch
auf den hilfsweise geltend gemachten Anspruch, das ist der Zahlungsanspruch auf
Auskehr des Veräußerungserlöses. Seit dem 1. Januar 2002 ist die Verjährung insoweit
gehemmt. Die Aussetzung des Verfahrens hatte auf die hemmende Wirkung keinen
Einfluss (Palandt/Heinrichs, § 204 Rn. 48).
Die Verjährung wurde durch Klageerhebung zwar nur in der Gestalt und in dem Umfang
unterbrochen und ist nur in der Gestalt nunmehr gehemmt, wie der Anspruch mit der
Klage rechtshängig gemacht worden ist und grundsätzlich von dem geltend gemachten
Streitgegenstand bestimmt wird. Das gilt jedoch nicht uneingeschränkt. In der
Rechtsprechung ist anerkannt, dass die verjährungsunterbrechende Wirkung der Klage
gemäß § 209 Abs. 1 BGB a. F. über den Streitgegenstand hinausgehen kann. Schon das
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gemäß § 209 Abs. 1 BGB a. F. über den Streitgegenstand hinausgehen kann. Schon das
Reichsgericht hat §§ 477 Abs. 3, 639 Abs. 1 BGB a. F. auf vergleichbare Ansprüche
erstreckt, ebenso der BGH (BGHZ 39, 287, 292; 48, 108, 112 f.; 58, 30, 35 ff.) und
entschieden, dass die auf Ersatz des vollen Schadens gerichtete Klage die Verjährung
des Schadensersatzanspruchs auch insoweit unterbricht, als der Schaden sich nach
Klageerhebung erweitert und der Anspruch auch nach Eintritt der Verjährung umgestellt
werden kann (BGH NJW 1985, 1152, 1154). Darüber hinaus ist anerkannt, dass die
verjährungsunterbrechende Wirkung der Klage gemäß § 209 Abs. 1 BGB a. F. die mit
dem Klageanspruch materiell wesensgleichen Ansprüche erfasst (BGHZ 104, 268, 274 f.;
132, 240, 243). Entscheidend ist insoweit, ob der später geltend gemachte Anspruch
demselben Ziel wie der zunächst erhobene Anspruch dient und sich nach Grund und
Rechtsnatur als Ausprägung des geltend gemachten Anspruchs darstellt. Verhält es sich
so, muss der Schuldner damit rechnen, dass der Gläubiger die gesetzlichen
Möglichkeiten zur Durchsetzung des mit der Klage verfolgten Interesses ausschöpft
(BGH NJW 1974, 1327 f.). Die Unterbrechung der Verjährung des später geltend
gemachten Anspruchs ist in diesem Fall vom Zweck der Unterbrechung der Verjährung
des zunächst geltend gemachten Anspruchs gedeckt und tritt mit der Unterbrechung
der Verjährung des zunächst erhobenen Anspruchs ein.
An diesem Maßstab gemessen hat die am 25. Oktober 2000 erhobene Klage auf
Verpflichtung der Beklagten, das Grundstück zu 25 % des Verkehrswertes an die Kläger
zu veräußern und zu übereignen, auch die Klage auf Zahlung von 75 % des
Verkehrswertes unterbrochen. Dieser Zahlungsanspruch war zwar nicht Gegenstand der
Klage und damit auch nicht mit dem geltend gemachten Anspruch identisch. Er mag
auch ein rechtlich selbständiger Anspruch sein. Der Zahlungsanspruch tritt jedoch an die
Stelle des Verkaufsanspruchs und dient damit demselben Ziel wie dieser, dass er in
Gestalt des Verkehrswertes dem Gläubiger das Surrogat der geschuldeten Leistung
verschafft. Dies rechtfertigt es, die Unterbrechung der Verjährung durch die Erhebung
einer Klage auf Erfüllung des Primäranspruchs auf den Anspruch auszudehnen, der an
die Stelle des Primäranspruchs getreten ist (vgl. BGH NJW RR 2006, 736, 739). Dem
Unterschied im Gegenstand des Anspruchs kommt insoweit keine Bedeutung zu. Nach
dem Zweck des § 209 Abs. 1 BGB a. F. kann sich die verjährungsunterbrechende
Wirkung zwar nur dann auf einen nicht streitgegenständlichen Anspruch erstrecken,
wenn der zur Begründung dieses Anspruchs vorgetragene Lebenssachverhalt in seinem
Kern bereits Gegenstand der Klage war. Dem steht es jedoch gleich, wenn sich der
später geltend gemachte Anspruch - wie hier - aus dem Verteidigungsvorbringen des
Beklagten ergibt, was hier mit Schriftsatz der Beklagten vom 26. März 2001 (Bl. 69 d.A.)
geschehen ist. Denn in diesem Fall muss der Schuldner von vornherein damit rechnen,
dass der Gläubiger sein Interesse gegebenenfalls mit Hilfe eines neuen, wesensgleichen
Anspruchs weiterverfolgt. Anderenfalls hätte es der Schuldner in der Hand, den
entscheidenden Sachverhalt erst nach dem Eintritt der Verjährung vorzutragen und
damit beide Ansprüche zu Fall zu bringen (BGH, a. a. O.).
Damit wirkte die verjährungshemmende Wirkung der Klage auch nach Änderung des
Hauptantrags für diesen Antrag fort.
Der Antrag des Klägers auf Zahlung des Verkehrswertes von 75 % des Grundstücks hat
jedoch in der Sache keinen Erfolg. Bei dem 1962 enteigneten Grundstück handelt es sich
nicht um ein Mauer- und Grenzgrundstück im Sinne von § 1 MauerG.
Nach § 1 Abs. 1 MauerG sind Mauer- und Grenzgrundstücke solche Grundstücke, die in
den § 8 des Gesetzes über die Staatsgrenze der Deutschen Demokratischen Republik
vom 25. März 1982 (GBl. I Nr. 11 Seite 197) bezeichneten Grenzgebiet liegen und zum
Zwecke der Errichtung oder des Ausbaus von Sperranlagen an der ehemaligen Grenze
zwischen der Bundesrepublik Deutschland einschließlich Berlin (West) und der Deutschen
Demokratischen Republik einschließlich Berlin (Ost) in Volkseigentum überführt und
genutzt worden sind.
Dahingestellt bleiben kann, ob das Grundstück im Grenzgebiet liegt. Denn der Senat
vermag nicht festzustellen, dass es zum Zwecke der Errichtung oder des Ausbaus von
Sperranlagen an der ehemaligen Grenze zwischen Berlin (West) und der Deutschen
demokratischen Republik in Volkseigentum überführt und genutzt worden.
a. Nach Sinn und Zweck des Mauergrundstücksgesetzes muss die Überführung des
Grundstücks in Volkseigentum dem Zweck der Errichtung oder des Ausbaus von
Sperranlagen gedient haben, um eine Anspruchsberechtigung der ehemaligen
Eigentümer feststellen zu können. Diese Zweckrichtung muss dem Überführungsakt
unmittelbar zu Grunde gelegen haben. In diesem Zusammenhang ist es allerdings
ausreichend, dass die Enteignung lediglich dem Motiv des Mauer- oder
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ausreichend, dass die Enteignung lediglich dem Motiv des Mauer- oder
Grenzanlagenbaus diente. Auf die tatsächliche Durchführung dieser Maßnahmen nach
der Enteignung kommt es dagegen nicht an (Erlass des BMF vom 12. September 1996 -
Az. VI A Ziffer 2 01002 - 30.3 - 66/96 - [VIZ 1996, 636]).
Mit dem Begriff der Sperranlagen nimmt § 1 Abs. 1 MauerG insgesamt Bezug auf die
von der DDR zur Sicherung der Grenze durchgeführten Maßnahmen, die mit einer
Überführung der dazu genutzten Grundstücke in das Volkseigentum verbunden waren.
Dabei ist der Begriff weit auszulegen. Dies gebietet bereits der Normzweck des § 1 Abs.
1 MauerG, der Bund solle sich an Grundstücken, die einer besonders verwerflichen
Verwendung gedient haben, nicht bereichern. Angesichts dieses Normzweckes kommt
es nicht darauf an, ob die Verwendung der enteigneten Grundstücke unmittelbar oder
lediglich mittelbar dazu diente, die innerdeutsche Grenze unpassierbar zu gestalten.
Auch Einrichtungen, die für sich genommen keine Sperrfunktion erfüllten, aber etwa
Hilfseinrichtungen für Anlagen mit direkter Sperrwirkung waren, haben als funktionale
Einheit der Absicherung der Grenze gedient und nehmen damit am Unrechtscharakter
der Grenzsicherung teil. Im Übrigen erfasst § 1 Abs. 1 MauerG ausdrücklich Grundstücke
nicht nur im Schutzstreifen, sondern im gesamten Grenzgebiet. In den damit auch
umfassten Sperrzonen waren jedoch unmittelbar als Hindernis aufgestellte
Sperranlagen, also Sperranlagen im engeren Sinne, grundsätzlich nicht vorhanden
(Wasmuth, a. a. O., § 1 Rn. 28 ff.). Für eine weite Begriffsdeutung sprechen schließlich die
Gesetzesmaterialien selbst. Der Entwurf des Bundesrates zu einem Gesetz zur
Einbeziehung der Mauer- und Grenzgrundstücke in das Vermögensgesetz (BT
Drucksache 13/120 Seite 4) sah noch vor, dass die Grundstücke unmittelbar zum
Zwecke der Errichtung von Sperranlagen entzogen worden sein mussten. Auf die
Beschränkung der Unmittelbarkeit verzichtet aber § 1 Abs. 1 MauerG. In den
Anwendungsbereich des Mauergrundstücksgesetzes fallen danach sämtliche
Grundstücke, die nach der Gesamtkonzeption des DDR-Grenzregimes unmittelbar oder
mittelbar dazu gedient haben, die innerdeutsche Grenze gegenüber einem
Überschreiten abzusperren. Sperranlagen sind damit nicht nur solche Anlagen, denen
für sich genommen eine direkte Sperrwirkung zukam. Es ist vielmehr ausreichend, dass
sie jedenfalls im Zusammenspiel mit anderen Einrichtungen darauf abzielten, die Grenze
unpassierbar zu gestalten.
Sperranlagen sind danach zunächst alle körperlichen Hindernisse, die selbst
Fluchtversuche verhindern oder erschweren sollten. Dazu gehören Mauern, Grenzzäune,
Gräben, Beobachtungstürme, Panzerreiter, Überwachungseinrichtungen, Kontrollstellen,
Selbstschussanlagen oder Munitionsfelder einschließlich der die Munition auslösenden
Stolperdrähte. Daneben sind Sperranlagen aber auch unbebaute Flächen, die in einem
funktionalen Zusammenhang mit den eigentlichen Sperranlagen stehen, also etwa
Kontrollstreifen, Kolonnenwege oder Sichtschneisen, die den Grenztruppen ein
Aufspüren von Personen erleichtern sollten (Wasmuth, a. a. O., § 1 MauerG Rn. 29 ff.).
b. Im vorliegenden Fall war das Grundstück zum Zwecke der Vornahme von
Sicherungsmaßnahmen im Raum Berlin enteignet worden. Dieser sehr weit formulierte
Enteignungszweck deckt zwar auch den Mauerbau im Sinne von § 1 MauerG ab.
Vorgesehen war das Grundstück jedoch als Standort für Kompaniegebäude etc..
Tatsächlich ist auf dem Grundstück unter Einbeziehung der Nachbargrundstücke eine
Kasernenanlage für Grenztruppen errichtet worden. Dieser Anlage kam in Bezug auf die
Grenze aber keine direkte Sperrwirkung zu. Ein Bezug zu ihr ergab sich erst daraus, dass
auf dem Grundstück in den Kasernen Grenzsoldaten wohnten, deren Aufgabe es war, die
durch Absperrungen gesicherte Grenze überwachten. Dieser Umstand rechtfertigt es
aber nicht, auch die Kasernenanlage selbst schon als Sperranlage anzusehen. Denn
hierdurch wurden die Kasernengebäude kein funktionaler Bestandteil der Absperrung.
Als solcher könnten sie nur dann angesehen werden, wenn sie selbst im Zusammenspiel
mit Sperrmaßnahmen dazu gedient hätten, die Grenze unpassierbar zu gestalten, wie
dies bei den Kontrollstreifen etc. der Fall war. Ein anderes Verständnis würde dem
Ausnahmecharakter des Mauergrundstücksgesetzes, der es rechtfertigt, diese
Mauergrundstücke wegen ihres hohen Symbolwertes (BT-Drucks. 13/3734 S. 7) anders
als das sonstige Verwaltungs- und Finanzvermögen, welches dem Bund mit der
Wiedervereinigung zufiel, zu behandeln, nicht gerecht werden.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 97, 708 Ziffer 10, 711.
Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich (§ 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO).
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