Urteil des OLG Brandenburg vom 25.07.2006

OLG Brandenburg: wohnung, wohnrecht, eigentümer, garage, dienstbarkeit, anteil, kellergeschoss, ausschluss, pflege, rechtshängigkeit

1
2
3
4
5
6
Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 5.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 153/06
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 745 Abs 2 BGB, § 812 Abs 1 S
1 BGB, § 986 Abs 1 S 1 BGB, §
1092 Abs 1 S 2 BGB, § 1093
BGB
Nutzungsentgelt: Anspruch eines Grundstückseigentümers
gegen die Lebensgefährtin des auf Grund einer beschränkten
persönlichen Dienstbarkeit Wohnberechtigten
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 25. Juli 2006 verkündete Urteil der 2.
Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 12 O 50/06 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der auf
Grund dieses Urteils beizutreibenden Beträge abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Vater der Klägerin war Eigentümer von Grundbesitz, eingetragen in den
Grundbüchern von M. Blatt 1201 und Blatt 1995, Flur 5, Flurstücke 254/52, 881 (Blatt
1201) sowie 760 (Blatt 1995) mit einer Größe von 510, 1040 und 363 m² gelegen in M.,
...weg 7, den er gemeinsam mit der Beklagten, seiner Lebensgefährtin, bewohnt.
Mit notariellem Übertragungsvertrag vom 28. November 2001 (Notar B. in E., UR-Nr.
1707/2001- Bl. 6 ff GA) übertrug der Vater der Klägerin seinen mit einem Einfamilienhaus
und Nebengebäude bebauten Grundbesitz, und zwar die Flurstücke 254/52 und 760 der
Beklagten zu 1. zu einem ideellen Anteil von 1/10, der Klägerin zu einem solchen von
9/10, und das Flurstück 881 der Flur 5 zu einen ideellen Anteil von 1/10 der Klägerin.
In Ziffer II des Vertrages vereinbaren die Parteien als Erwerber mit dem
Veräußerer, diesem auf Lebenszeit „als Gegenleistung„ für die Überlassung des
Grundbesitzes ein Wohnrecht als beschränkt persönliche Dienstbarkeit des Inhalts zu
gewähren, dass dem Vater der Klägerin an der in der oberen Etage des Hauses
gelegenen Wohnung, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad, ein unentgeltliches
Wohnrecht eingeräumt werde, mit dem Recht, sämtliches Nebengelass im Wohnhaus
und sämtliche Räume in den Nebengebäuden zu nutzen.
Mit der Begründung, die Beklagte nutze das Kellergeschoss des zweigeschossigen
Wohnhauses, in dem sich ein Wohnraum sowie Dusche und WC befänden sowie die auf
dem Wohngrundstück befindliche Garage, verlangt die Klägerin mit der Klage Zahlung
eines Nutzungsentgelts. Durch diese Eigennutzung des Kellergeschosses zu
Wohnzwecken sowie der Garage nehme die Beklagte ihr, der Klägerin, die ihr als
Eigentümerin gemäß § 903 BGB zustehende Nutzungsmöglichkeit. Denn diese Nutzung
der Beklagten werde von dem dem Veräußerer eingeräumten Wohnungsrecht nicht
erfasst.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme über die Nutzung des Kellers und der
Garage die Klage abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, nach dem Ergebnis der
Beweisaufnahme stehe fest, dass die Beklagte die Kellerräume des Wohnhauses nicht
nutze. Der hierzu gehörte Zeuge, der Vater der Klägerin und Lebensgefährte der
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
nutze. Der hierzu gehörte Zeuge, der Vater der Klägerin und Lebensgefährte der
Beklagten, habe das Haus näher beschrieben. Danach handele es sich um einen
einfachen einstöckigen Bungalow mit ausschließlich einer Wohnung im Erdgeschoss und
dem einfachen, nicht zu Wohnzwecken nutzbaren Keller, der ausschließlich von ihm, dem
Zeugen, genutzt werde. Zudem handele es sich bei dem Keller um Nebenräume im
Sinne des § 1093 Abs. 3 BGB. Die Klage sei auch nicht mit der Hilfsbegründung
gerechtfertigt, wonach die Beklagte die Erdgeschosswohnung des Bungalows
gemeinsam mit dem Zeugen N. nutze. Der Berechtigte könne gemäß § 1093 Abs. 2
BGB seine Familie sowie die zur standesgemäßen Bedienung und zur Pflege
erforderlichen Personen in die Wohnung aufnehmen. Hierzu zähle auch die
Lebensgefährtin des Zeugen. Soweit nach der Regelung im Notarvertrag vom 28.
November 2001 die Ausübung des Wohnrechts nicht einem Dritten überlassen werden
dürfe, unterliege die Lebensgefährtin des Zeugen nicht dieser Regelung, da darunter nur
Personen außerhalb der Familienangehörigen oder des Hauspersonals zu verstehen
seien.
Gegen das Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
Die Klägerin rügt mit der Berufung, dass das erstinstanzliche Gericht ihren unstreitigen
Vortrag nicht berücksichtigt habe. Zudem habe es den Regelungsgehalt des § 1093 Abs.
1 BGB verkannt.
Während des gesamten erstinstanzlichen Rechtsstreits sei unstreitig gewesen, dass die
Beklagte das Kellergeschoss nutze. Die Beklagte habe lediglich bestritten, das
Kellergeschoss zu bewohnen, sie nutze den Keller jedoch als Abstellraum. Dennoch habe
das Landgericht den Zeugen N. zu der Frage der Kellernutzung durch die Beklagte
gehört. Es fehlten auch die Ausführungen des Gerichts zur Glaubwürdigkeit des Zeugen
als Lebensgefährten der Beklagten. Schließlich seien die Ausführungen zur Abbedingung
des § 1093 Abs. 2 BGB nicht haltbar. Die Beklagte sei als Dritte im Sinne der
vertraglichen Vereinbarung zu sehen und dürfe deswegen das Erdgeschoss nicht nutzen.
Die Klägerin beantragt,
das am 25. Juli 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 12 O
50/06 - abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
1. an sie 4.355,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem
Basiszinssatz der EZB seit dem 14. Dezember 2005 (Rechtshängigkeit der Klage) und
2. an sie für die Nutzung des Grundstücks ...weg 7 in M. eine jeweils am
letzten Tag des Monats fällige monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe von 522 €
seit dem 14. Dezember 2005 (Rechtshängigkeit der Klage) nebst Zinsen in Höhe von 5
% Punkten über dem Basiszinssatz der EZB hieraus, seit dem Datum der Fälligkeit der
jeweiligen monatlichen Nutzungsentschädigung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil mit näherer Darlegung.
Wegen des Sach- und Streitstand im Übrigen wird auf die Feststellungen des
erstinstanzlichen Gerichts im angefochtenen Urteil und ergänzend auf den Inhalt der von
den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die vorgelegten Unterlagen verwiesen.
II.
Die Berufung ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und
begründet worden (§§ 511 Abs. 1 und 2, 513, 517, 520, 519 ZPO). In der Sache hat die
Berufung keinen Erfolg.
Die Klägerin kann von der Beklagten für die Nutzung des Hauses ...weg 7 in M., einem
unterkellerten Bungalow, aufstehend auf dem Flurstück 254/52 der Flur 5, kein
Nutzungsentgelt verlangen.
Vertragliche Ansprüche sind nicht ersichtlich.
Die Klägerin kann den Anspruch auf Zahlung eines Nutzungsentgelts auch nicht aus §
745 Abs. 2 BGB herleiten. Gemäß Abs. 3 Satz 2 dieser Vorschrift kann das Recht des
einzelnen Teilhabers auf einen seinem Anteil entsprechenden Bruchteil der Nutzungen
nicht ohne seine Zustimmung beeinträchtigt werden.
22
23
24
25
26
27
In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass ein Ehegatte, der nach Scheitern der Ehe das
gemeinsame Hausgrundstück verlässt, eine Nutzungsentschädigung als Ausgleich für
die entgangene Nutzungsmöglichkeit verlangen kann. Bei einem solchen Scheitern der
Gemeinschaft kann der ausziehende Teilhaber von dem verbleibenden gemäß § 745
Abs. 2 BGB entspr. eine dem Interesse aller Teilhaber nach billigem Ermessen
entsprechende Verwaltung und Benutzung verlangen, die in der Regel auf Entschädigung
der entgangenen Nutzungsmöglichkeit gerichtet sein wird; dabei kann unmittelbar auf
Zahlung dieses Entgelts geklagt werden. Dies gilt allerdings nur, sofern nicht die
Verwaltung und Benutzung durch Vereinbarung oder durch Mehrheitsbeschluss geregelt
ist.
Auf den vorliegenden Fall übertragen könnte der Klägerin nur dann ein Nutzungsentgelt
zugesprochen werden, wenn ihr dadurch, dass die Beklagte das Haus mitbewohnt, eine
zuvor bestehende Nutzungsmöglichkeit genommen würde. Der Senat vermag jedoch
nicht festzustellen, dass jemals eine solche Nutzungsmöglichkeit der Klägerin bestanden
hätte.
Die Parteien haben mit dem Vater der Klägerin in dem Übertragungsvertrag vereinbart,
dass Letzterem unter Ausschluss des Eigentümers ein dingliches unentgeltliches
Wohnrecht an den Wohnräumen des Hauses, welches nur über eine Wohnung verfügt,
auf Lebenszeit zusteht. Dieses Wohnrecht ist nicht nur auf einige räumliche Bereiche des
einstöckigen Wohnhauses beschränkt. Denn dem Vater wurde auch das Recht
eingeräumt, sämtliches Nebengelass, das heißt auch den Keller und sämtliche Räume in
den Nebengebäuden, also auch die Garage, zu nutzen und nicht nur im Sinne von §
1093 Abs. 3 BGB mitzubenutzen. Dem Wohnrecht unterfallen damit nach der insoweit
eindeutigen Regelung auch die Nebenräume und Nebengelass, so dass der Berechtigte
dies alles unter Ausschluss des Eigentümers nutzen darf. Die Urkunde, die die
Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich hat, gibt nichts dafür her, dass
dennoch eine Aufspaltung des Nutzungsverhältnisses in zwei räumliche Bereiche
dahingehend vereinbart worden wäre, dass ein Teil des Gebäudes dem Wohnrecht
unterliegt, während etwa der Keller und die Garage hiervon ausgenommen worden
wären. Insbesondere vermag die Regelung über die anteilige Tragung der
Wohnungsnebenkosten durch die Beteiligten als Nebenleistung der zünftigen
Eigentümer das Wohnungsrecht nicht einzuschränken.
Eindeutig wurde das Wohnrecht gemäß § 1093 Abs. 1 Satz 1 BGB auch unter Ausschluss
des Eigentümers bewilligt, so dass das Nutzungsrecht nicht den Eigentümern und damit
anteilig der Klägerin sondern allein dem Berechtigten zusteht. Damit haben zugleich
sämtliche am Abschluss des Vertrages Beteiligte die Benutzung des Wohnhauses im
Sinne von § 745 Abs. 2 BGB dahin geregelt, dass das Nutzungsrecht allein dem
Berechtigten und nicht den Eigentümern zusteht. Der Klägerin kann dann aber keine
Nutzungsmöglichkeit genommen werden, wenn sie sie nach dem Vertrag von
vorneherein nicht hatte und auf Lebenszeit des Berechtigten auch nicht haben sollte.
Die Klägerin kann Nutzungsersatz von der Beklagten auch nicht aus dem Gesichtspunkt
der ungerechtfertigten Bereicherung gemäß §§ 812 Abs. 1, Satz 1, 2. Alternative, 818
Abs. 2 BGB verlangen.
Soweit es um die Nutzung des Hausgrundstücks auf Kosten der Klägerin geht, gelten die
obigen Ausführungen entsprechend. Durch das Wohnrecht des Veräußerers ist es den
Eigentümern verwehrt, selbst Nutzungen aus der Wohnung zu ziehen, solange das
Wohnrecht besteht, also auf dessen Lebenszeit. Auf Kosten des
Bereicherungsgläubigers wäre der Bereicherungsschuldner aber nur dann bereichert,
wenn dem Vermögensvorteil auf der einen Seite ein Vermögensnachteil auf der anderen
Seite gegenüberstünde, also eine irgendwie geartete wirtschaftliche Schlechterstellung
einträte. Das ist dann nicht der Fall, wenn der Eigentümer nicht nur faktisch gehindert
ist, die Räume anderweitig zu nutzen, sondern, wie vorliegend, ihm eine
Nutzungsmöglichkeit zu Wohnzwecken rechtlich nicht zusteht. Ein daraus erzielter
Gewinn wäre nämlich nur dann auf Kosten des Eigentümers erlangt, wenn er selbst
diesen Nutzen mit dem ihm verbliebenen Zuweisungsgehalt hätte erzielen können.
Selbst eine unberechtigte Überlassung der Wohnung durch den Wohnungsberechtigten
würde nichts daran ändern, dass der Eigentümer selbst die von dem Berechtigten
weitergegebene Nutzung nicht ziehen kann. Daraus folgt, dass die möglicherweise
unentgeltliche Überlassung der Wohnung an die Beklagte, selbst wenn die Klägerin dies
nicht dulden müsste, nicht dazu führen würde, dass die Klägerin nunmehr hieraus selbst
Nutzungen aus der Wohnung ziehen könnte, so lange das Wohnrecht besteht. Die
Beklagte wäre also nicht auf Kosten der Klägerin, sondern lediglich auf Kosten des
Wohnberechtigten bereichert. Allein die wirtschaftlich unter Umständen vorteilhafte, aber
28
29
30
31
32
33
34
Wohnberechtigten bereichert. Allein die wirtschaftlich unter Umständen vorteilhafte, aber
wohnrechtswidrige Nutzung kann deshalb nicht dazu führen, dass ein daraus erzielter
Nutzungsvorteil an den Eigentümer abgeführt werden müsste.
Schließlich fehlt es an der weiteren Anspruchsvoraussetzung, dem Fehlen eines
Rechtsgrundes.
Die Beklagte ist die Lebensgefährtin des Berechtigten. Damit ist sie Familienangehörige
des Berechtigten im Sinne des § 1093 Abs. 2 BGB. Als solche steht der Beklagten
gemäß § 986 BGB ein von dem Besitzrecht des Berechtigten abgeleitetes Besitzrecht an
der Wohnung zu, so dass die Klägerin die Aufnahme der Beklagten in die Wohnung und
damit auch deren Mitnutzung zu dulden hat.
Aus der § 1092 Abs. 1 S. 2 BGB entsprechenden Regelung des notariellen Vertrages,
wonach die Ausübung des Wohnrechts keinem Dritten überlassen werden darf, ergibt
sich nichts anderes. Eine Überlassung der Ausübung des Wohnrechts an einen Dritten ist
nicht darin zu sehen, dass die Beklagte von ihrem Lebensgefährten, dem Vater der
Klägerin, in die Wohnung aufgenommen worden wäre. In Erweiterung von § 1091 BGB
bestimmt § 1093 Abs. 2 BGB, dass der Wohnungsberechtigte befugt ist, auf Dauer seine
Familie sowie die zur standesgemäßen Bedienung und Pflege erforderlichen Personen in
die Wohnung aufzunehmen. Hieraus resultiert für den Eigentümer des dienenden
Grundstücks eine erweiterte Duldungspflicht, die von der Möglichkeit, auf Grund einer
ausdrücklichen Gestattung nach § 1092 Abs. 1 Satz 2 die Ausübung der Dienstbarkeit
auch Dritten zu überlassen, zu unterscheiden ist (BGH NJW 1962, 1392, OLG Celle MDR
1998, 1344) und aus der der Aufgenommene selbst kein eigenes Recht zum Wohnen
erlangt. Die Beklagte kann aber dieses von dem Berechtigten abgeleitete Recht zum
Wohnen gemäß § 986 Abs. 1 Satz 1 BGB als Rechtsgrund entgegenhalten.
Schließlich scheidet auch ein Anspruch aus §§ 987 ff. BGB aus. Denn diese das
Verhältnis zwischen Eigentümer und Besitzer regelnden Vorschriften setzen das
Bestehen eines Herausgabeanspruchs nach § 985 BGB voraus, den der Eigentümer
gegen den Wohnberechtigten und damit auch gegenüber der Beklagten, die ihr
Besitzrecht gemäß § 986 BGB von dem Wohnberechtigten ableiten kann, nicht hat.
Aus den vorgenannten Gründen folgt zugleich, dass der Schriftsatz der Klägerin vom 11.
Juli 2007 keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gibt und
dass kein Grund vorliegt, die Revision zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen §§ 97, 708 Ziffer 11, 711.
Streitwert: 23.147,00 €.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum