Urteil des OLG Brandenburg vom 14.03.2017

OLG Brandenburg: zwangsgeld, mittellosigkeit, chancengleichheit, verkehrsmittel, quelle, sammlung, handbuch, link, vollstreckung, bad

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 WF 173/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 14 FGG, § 33 FGG, § 114 ZPO
Familiensache in der freiwilligen Gerichtsbarkeit:
Prozesskostenhilfe für Zwangsmittelverfahren; zwangsweise
Durchsetzung des Umgangs mit dem umgangsunwilligen
Elternteil
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das
Amtsgericht zurückverwiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gemäß §§ 14 FGG, 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der
aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Antragstellerin kann
Prozesskostenhilfe nicht aus den vom Amtsgericht angeführten Gründen versagt
werden. Die Sache ist entsprechend § 572 Abs. 3 ZPO an das Amtsgericht
zurückzuverweisen, da dort noch Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob und
gegebenenfalls in welchem Umfang die Antragstellerin nach ihren persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung
aufzubringen, § 114 ZPO (vgl. auch Verfahrenshandbuch Familiensachen-
FamVerf/Gutjahr, § 1 Rz. 197; Keidel/Sternal, FGG, 15. Aufl., § 25, Rz. 21). Denn bislang
liegt lediglich eine Erklärung der Antragstellerin über ihre persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse vom 21.6.2004 vor. Das Amtsgericht wird die
Antragstellerin auffordern, eine aktuelle Erklärung über ihre persönlichen und
wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen einzureichen. Auf dieser Grundlage wird das
Amtsgericht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats prüfen, ob die
Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß §§ 14 FGG, 114 ZPO
gegeben sind und danach erneut über den Antrag der Antragstellerin entscheiden.
Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe im Rahmen eines
Zwangsmittelverfahrens nach § 33 FGG. Auch für ein solches Verfahren kann
Prozesskostenhilfe grundsätzlich bewilligt werden (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., §
119, Rz. 34).
Dem Begehren der Antragstellerin, den Antragsgegner mit Zwangsmitteln zu belegen,
kann die hinreichende Erfolgsaussicht nicht abgesprochen werden. Dabei ist es zunächst
ohne Bedeutung, dass der ausdrückliche Antrag der Antragstellerin darauf gerichtet ist,
dem Antragsgegner wegen Zuwiderhandlung gegen die bestehende Umgangsregelung
vom 27.4.2004 ein Zwangsgeld anzudrohen, obwohl das Amtsgericht Bad Freienwalde,
als es die Umgangsvereinbarung der Eltern familiengerichtlich genehmigt hat, bereits
ein Zwangsgeld angedroht hat. Denn bei dem Verfahren nach § 33 FGG handelt es sich
um ein Amtsverfahren, das einen Antrages nicht bedarf. Angesichts dessen, dass ein
Zwangsgeld bereits angedroht, dem Erfordernis des § 33 Abs. 3 S. 1 FGG somit schon
Genüge getan worden ist, kommt vorliegend bereits die Festsetzung eines
Zwangsgeldes in Betracht. Eine hinreichende Erfolgsaussicht besteht insoweit.
Die Antragstellerin möchte den Antragsgegner durch Zwangsmittel dazu anhalten,
Umgang mit dem gemeinsamen Kind zu pflegen. Für die Frage, ob dieses Begehren
hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht, kommt es zunächst darauf an, ob die
Vollstreckung gegen den unwilligen Umgangsberechtigten mit den Mitteln des § 33 FGG
möglich ist (so OLG Celle, MDR 2001, 395; Oelkers, FuR 2002, 433, 435) oder ob dies
abzulehnen ist, weil ein erzwungener persönlicher Umgang sinnlos und entwürdigend ist
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abzulehnen ist, weil ein erzwungener persönlicher Umgang sinnlos und entwürdigend ist
(so Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1684, Rz. 33; vgl. auch
Familienrechtsreformkommentar/Rogner, § 1684, Rz. 4; Schwab/ Motzer, Handbuch des
Scheidungsrechts, 5. Aufl., Teil III, Rz. 298 sowie zum speziellen Fall eines erzwungenen
Umgangs im Beisein eines Sachverständigen BVerfG, FamRZ 2004, 523). Diese streitige
Rechtsfrage darf im Prozesskostenhilfeverfahren nicht zulasten der Antragstellerin
beantwortet werden.
Soweit es bei der Frage, ob für das Begehren der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden
Partei hinreichende Erfolgsaussicht besteht, um die Rechtslage geht, reicht es aus, dass
der Standpunkt des Antragstellers zumindest vertretbar ist. Um die Chancengleichheit
der bedürftigen und der bemittelten Partei zu wahren, dürfen schwierige Rechtsfragen
nicht bereits im Prozesskostenhilfeverfahren zu Lasten des Antragstellers entschieden
werden. Denn auch der Bedürftige muss die Chance haben, die Frage obergerichtlich
klären zu lassen. Das gilt insbesondere dann, wenn es sich um eine Sache von
grundsätzlicher Bedeutung handelt, derentwegen die Revision oder die
Rechtsbeschwerde zugelassen werden müsste (vgl. BVerfG, NJW 1991, 413; BGH, NJW
1998, 82; Senat, FamRZ 2000, 1033, 1035; Zöller/Philippi, a. a. O., § 114, Rz. 25;
Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl.?, § 114, Rz. 5; FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 257). So
liegt der Fall hier mit Rücksicht auf die streitige Rechtsfrage, ob der Umgang mit dem
umgangsunwilligen Elternteil zwangsweise durchgesetzt werden kann. Der für die
Antragstellerin günstige Rechtsstandpunkt, nämlich die Möglichkeit der zwangsweisen
Durchsetzung des Umgangs, ist zumindest vertretbar.
Das Amtsgericht ist im angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, dass in der
Umgangsvereinbarung vom 27.4.2004 nur ein Umgangsrecht des Antragsgegners, nicht
jedoch eine Pflicht zum Umgang geregelt sei. Dies ist aber zumindest nicht zweifelsfrei.
Denn die Umgangsregelung enthält Pflichten auch für den Antragsgegner, indem
festgelegt ist, dass er das Kind zu den vereinbarten Zeiten beim anderen Elternteil
abholt und wieder dorthin zurückbringt. Die Zwangsgeldandrohung des Amtsgerichts
richtet sich ausdrücklich auch gegen beide Elternteile. Diese Zweifel hinsichtlich der
Frage, ob die Besuchsregelung eine Verpflichtung des Antragsgegners enthält, dürfen im
Prozesskostenhilfeverfahren ebenfalls nicht zu Lasten der Antragstellerin gehen.
Auch kann im Prozesskostenhilfeverfahren nicht zum Nachteil der Antragstellerin
angenommen werden, der Antragsgegner sei aufgrund seiner Mittellosigkeit tatsächlich
nicht in der Lage, den Umgang auszuüben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die
Entfernung zwischen seinem Wohnort W… und dem Wohnort des Kindes, A…, laut
Routenplaner 46 km beträgt und sogar öffentliche Verkehrsmittel vorhanden sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 14 FGG, 127 Abs. 4 ZPO.
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