Urteil des OLG Brandenburg vom 17.03.2009

OLG Brandenburg: beschwerdebefugnis, wiederholungsgefahr, behörde, ukraine, link, sammlung, quelle, versuch, rechtswidrigkeit, inhaftierung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
11. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 Wx 34/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 20 FGG
Freiheitsentziehung im Ausländerrecht: Ablehnung eines
Antrags auf Zurückschiebungshaft; Beschwerdebefugnis der
Ausländerbehörde; Rechtsschutzbedürfnis
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des
Landgerichts Cottbus vom 17. März 2009 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Nach der unerlaubten Durchreise des Betroffenen durch das Bundesgebiet ist dieser von
den polnischen Grenzbehörden verhaftet worden. Im Wege der einstweiligen Anordnung
hat das Amtsgericht Cottbus - Az.: 92 XIV 11/09 - eine Haftanordnung bis zum 21. Januar
2009 getroffen. Nach der Übernahme des Betroffenen von den polnischen Behörden hat
die Antragstellerin einen Antrag auf Anordnung der Zurückschiebungshaft gestellt.
Diesen hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 21. Januar 2009 - unter Aufhebung der
einstweiligen Anordnung - zurückgewiesen. In der Beschwerdeinstanz hat die
Antragstellerin nach Ablauf des ursprünglich beantragten Haftzeitraums die Feststellung
begehrt, dass der gegenüber dem Amtsgericht gestellte Haftantrag rechtmäßig gestellt
worden sei. Wegen der Einzelheiten des landgerichtlichen Verfahrens wird ergänzend auf
die vollständige Darstellung in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin als unzulässig
verworfen und zur Begründung ausgeführt: Die Antragstellerin sei nicht
beschwerdebefugt, weil die Entscheidung des Amtsgericht sie nicht beschwere. Nach
Ablauf des beantragten Haftzeitraums könne eine nachträgliche gerichtliche
Überprüfung nur erfolgen, wenn tiefgreifende Grundrechtseingriffe geltend gemacht
würden, wenn fortdauernde Wirkungen eines rechtswidrigen Handelns beseitigt werden
müssten oder wenn eine Wiederholungsgefahr bestehe. Da ein anerkennenswertes
Interesse des Staates, eine zu seinem Nachteil ergangene richterliche Entscheidung
nachträglich durch eine weitere Instanz überprüfen zu lassen, nicht bestehe, sei die
erforderliche Beschwerdebefugnis (§ 20 FGG) nicht festzustellen. Soweit in der Judikatur
zum Teil - weitergehend - unter Hinweis auf das Erfordernis der „Waffengleichheit“ eine
Beschwerdebefugnis bejaht worden sei, ist die Kammer dem nicht gefolgt, zumal die zu
Grunde liegenden Fallgestaltungen von der vorliegenden abweiche.
Das Rechtsmittel könne auch nicht als isolierte Kostenbeschwerde angesehen werden,
weil die Antragstellerin sich auch auf gerichtlichen Hinweis nicht in dieser Richtung
geäußert habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung, welche der
Antragstellerin am 31. März 2009 zugestellt worden ist, wird auf die bei den Akten (Bl. 37
ff.) befindliche Ausfertigung Bezug genommen.
Mit der am 14. April 2009 beim Landgericht eingegangenen sofortigen weiteren
Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr zweitinstanzliches Begehren weiter und
beantragt hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Sie macht im Wesentlichen geltend:
Das Landgericht habe zu Unrecht unberücksichtigt gelassen, dass sie ein praktisches
Ziel verfolge, nämlich die Abwehr von (bereits vorliegenden) Kostenforderungen und von
(künftig möglichen) Schadensersatzansprüchen. Zudem habe das Amtsgericht faktisch
auch die einstweilige Anordnung vom 20. Januar 2009 aufgehoben und damit für
rechtswidrig erklärt. Im Übrigen habe der Haftgrund des § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG
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rechtswidrig erklärt. Im Übrigen habe der Haftgrund des § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AufenthG
vorgelegen; insbesondere habe der Betroffene konkrete Umstände, die die Erfüllung
seiner Ausreisepflicht belegen könnten, nicht glaubhaft gemacht.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig; denn die Antragstellerin macht geltend,
das Landgericht habe die Erstbeschwerde zu Unrecht als unzulässig erachtet. In der
Sache bleibt die Rechtsbeschwerde jedoch ohne Erfolg.
Zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass die Antragstellerin im
Beschwerdeverfahren zuletzt nicht mehr den Antrag auf Haftanordnung geltend
gemacht hat, sondern - allein - die Feststellung, dass der Antrag vom 21. Januar 2009
ursprünglich begründet gewesen sei. Eine Auslegung des Begehrens dahin, dass -
entsprechend § 20a Abs. 1 S. 2 FGG nur die Auslagenentscheidung des Amtsgerichts
angefochten werde, kam angesichts der gerichtlichen Hinweise und der ausdrücklichen
Antragstellung nicht in Betracht.
Im Gegensatz zu der Rechtsauffassung der Antragstellerin hat das Amtsgericht auch
nicht die konkludente Feststellung getroffen, dass die im Wege der einstweiligen
Anordnung getroffene Haftanordnung vom 20. Januar 2009 bis zum 21. Januar 2009
rechtswidrig gewesen sei. Die Aufhebung der einstweiligen Anordnung hatte ersichtlich
den Sinn, die sofortige Freilassung des Betroffenen sicherzustellen; eine Aussage dazu,
ob die Haft in der Zeit bis zum 21. Januar 2009 rechtmäßig oder rechtswidrig war, ist
dem amtsgerichtlichen Beschluss nicht zu entnehmen und war offenbar auch nicht
bezweckt.
Weiterhin zutreffend hat das Landgericht eine Beschwerdebefugnis der Antragstellerin
für nicht gegeben erachtet. Eine fortbestehende - oder auch nur drohende -
Rechtsbeeinträchtigung der Antragstellerin, die gemäß § 20 FGG Voraussetzung für die
Einlegung der Erstbeschwerde ist, ist unter keinem Gesichtspunkt zu erkennen. Da es zu
einer Inhaftierung auf Grund des Antrags vom 21. Januar 2009 nicht gekommen ist, ist
eine Grundlage für Ersatzansprüche des Betroffenen unzweifelhaft nicht gegeben. Auch
unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr kann hier ausnahmsweise keine
Beschwerdebefugnis der Antragstellerin hergeleitet werden. Die vom Landgericht
festgestellte Aufenthaltssituation des Betroffenen - Desertion von der französischen
Fremdenlegion und Versuch der Durchreise durch Deutschland und Polen, um in die
Ukraine zu gelangen - ist ersichtlich so einmalig, dass eine Wiederholung, in der Person
des Betroffenen selbst oder eines Dritten, praktisch nicht zu erwarten ist. Dieses Fehlen
der Wiederholungsgefahr unterscheidet den Streitfall auch von den obergerichtlichen
Entscheidungen, in denen - in anderen Fallkonstellationen - auf landesrechtlicher
Grundlage ein rechtsschutzwürdiges Interesse der Behörde anerkannt worden ist (OLG
Rostock, Beschluss vom 16. Juli 2007, 3 W 79/07 und OLG München, Beschluss vom 02.
Februar 2006, 34 Wx 158/05; jeweils zitiert nach juris). Schließlich liegt auch eine
Divergenz zur Entscheidung des Kammergerichts vom 31. Dezember 2003 (25 W 62/03),
die den Senat gegebenenfalls zu einer Vorlage des Verfahrens an den
Bundesgerichtshof gemäß § 28 Abs. 2 FGG veranlassen würde, nicht vor. In jenem Fall
ging es um ein Rechtsmittel der Behörde gegen die vom Landgericht ausgesprochene
Feststellung der Rechtswidrigkeit der Haft, nicht um eine von der Behörde initiierte
Feststellung, das Amtsgericht hätte (eigentlich) eine Haftanordnung erlassen müssen.
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