Urteil des OLG Brandenburg vom 09.08.2010

OLG Brandenburg: anspruch auf rechtliches gehör, dokumentation, eugh, akteneinsicht, quelle, pauschal, erlass, verfügung, sammlung, link

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
Vergabesenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
Verg W 5/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 71a GWB, § 120 Abs 2 GWB, §
124 Abs 2 GWB
Vergabeverfahren: Pflicht zur Vorlage an den BGH; Folge eines
den Eingang eines Angebots betreffenden
Dokumentationsmangels
Tenor
Die Gehörsrüge der Antragstellerin vom 5. Februar 2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
Die gemäß § 120 Abs. 2 i.V.m. § 71a GWB zulässige Gehörsrüge der Antragstellerin ist
unbegründet.
Weder musste der Senat die Sache gemäß § 124 Abs. 2 GWB dem BGH wegen der
beabsichtigten Abweichung von einer Entscheidung des BGH oder eines anderen
Oberlandesgerichts, Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts und des
Bundesverfassungsgerichts vorlegen, noch dem EuGH. Auch die Verweigerung
weitergehender Akteneinsicht der Antragstellerin durch den Senat verletzt nicht deren
Anspruch auf rechtliches Gehör.
a) Eine Vorlage an den EuGH nach § 124 Abs. 2 GWB kommt nicht in Betracht.
§ 124 Abs. 2 GWB regelt ausschließlich die Divergenzvorlage an den BGH, nicht die
Vorlage an den EuGH. Die Vorlage an den EuGH kommt allein nach Art. 234 EGV in
Betracht. Die Voraussetzung für eine solche Vorlage, nämlich die zweifelhafte
entscheidungserhebliche Auslegung einer europarechtlichen Norm, hat die
Antragstellerin jedoch nicht dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich.
b) Der Senat hatte auch nicht gemäß § 124 Abs. 2 GWB die Sache dem BGH wegen
beabsichtigten Abweichens von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts
oder des BGH vorzulegen. Die Pflicht zur Vorlage gemäß § 124 Abs. 2 GWB besteht nur
dann, wenn der erkennende Senat von der Entscheidung eines anderen
Oberlandesgerichts oder des BGH abweichen will. Eine - von der Antragstellerin auch
nicht aufgezeigte - beabsichtigte Abweichung von Entscheidungen des BVerwG oder des
BverfG begründet ohnehin keine Pflicht zur Vorlage gemäß § 124 Abs. 2 GWB.
Die Abweichung muss außerdem ergebnisrelevant sein. Letzteres ist nur dann der Fall,
wenn das vorlegende Gericht als tragende Begründung seiner Entscheidung einen
Rechtssatz zugrunde legen will, der mit einem die Entscheidung eines anderen
Oberlandesgerichts oder des BGH tragenden Rechtssatz nicht übereinstimmt. Diese
Voraussetzungen lagen nicht vor.
aa) Der Senat hatte die Sache nicht gemäß § 124 Abs. 2 GWB im Hinblick auf die
Entscheidung des OLG Naumburg (Beschluss vom 13.10.2006, 1 Verg 6/06 - zitiert nach
juris) dem BGH vorzulegen.
Zu Recht macht allerdings die Antragstellerin geltend, aus der Dokumentation der
Auftraggeber gehe nicht hervor, ob der auf Platz 1 liegende Bieter sein Angebot
zunächst innerhalb der ursprünglichen Angebotsfrist bis zum 17.11.2009, 12.00 Uhr
eingereicht hat. Damit steht andererseits entgegen der Auffassung der Antragstellerin
aber nicht bereits fest, dass dies nicht der Fall gewesen sei.
Der Senat hat dazu ausgeführt, dass es schon nicht mehr darauf angekommen sei, ob
die V… GmbH zum Zeitpunkt der Verlängerung der Angebotsfrist durch die
Auftraggeber ihr Angebot bereits eingereicht hatten, nachdem die Auftraggeber die
Angebotsfrist in vergaberechtlich nicht zu beanstandender Weise wirksam verlängert
hatten. Schon deshalb gingen die Vermutungen der Antragstellerin ins Leere, die
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hatten. Schon deshalb gingen die Vermutungen der Antragstellerin ins Leere, die
Auftraggeber hätten die Angebotsfrist verlängert, um der V… GmbH die rechtzeitige
Abgabe eines Angebots zu ermöglichen, nachdem absehbar gewesen sei, dass diese ihr
Angebot innerhalb der ursprünglichen Angebotsfrist nicht mehr werde einreichen können
(Beschluss Seite 19 unter Nr. 4). Damit hat der Senat entgegen der Auffassung der
Antragstellerin zunächst berücksichtigt, dass in den Vergabeunterlagen der genaue
Zeitpunkt des Eingangs des Angebotes der V… GmbH am 17.11.2008 nicht
dokumentiert ist. Er hat aus diesem Umstand lediglich nicht die von der Antragstellerin
für richtig gehaltenen Schlüsse gezogen.
Der Senat ist mit seiner Entscheidung auch nicht von der des OLG Naumburg
abgewichen.
Das OLG Naumburg geht davon aus, dass ein Mangel in der Dokumentation jedenfalls
dazu führt, dass bei allen Vorgängen, deren Rekonstruktion misslingt bzw. mit Zweifeln
behaftet bleibt, der Bewertung des Vergabeverfahrens diejenige tatsächliche Alternative
zugrunde zu legen ist, die nach dem unstreitigen Vorbringen und dem schlüssigen
Vorbringen des Antragstellers möglich erscheint (OLG Naumburg, a.a.O., Rn. 48). Der
Senat brauchte jedoch den genauen Zeitpunkt des Eingangs des Angebotes der V…
GmbH nicht zu rekonstruieren. Jedenfalls ergibt sich nach dem dokumentierten Verlauf
des Vergabeverfahrens nicht, dass die Auftraggeber im Hinblick darauf die Angebotsfrist
verlängert hätten, dass die V… GmbH nicht rechtzeitig ihr Angebot würde einreichen
können. Das kann auch nicht auf Grund der fehlenden Dokumentation des genauen
Zeitpunkts des Einganges des Angebotes der V… GmbH am 17.11.2008 vermutet
werden. Schlüssig dargelegt hat die Antragstellerin nicht, dass die Auftraggeber im
Zeitpunkt der Entscheidung über die Verlängerung der Angebotsfrist gewusst hätten,
dass die V… GmbH ihr Angebot nicht rechtzeitig würde einreichen können. Nach dem
dokumentierten Verlauf des Vergabeverfahrens muss vielmehr davon ausgegangen
werden, dass die Auftraggeber sich (ausschließlich) im Hinblick auf die ihnen nicht
mögliche rechtzeitige Beantwortung von Bieterfragen und unter dem Eindruck der Rüge
und der Ankündigung eines Nachprüfungsverfahrens durch einen weiteren Bieter zur
Verlängerung der Angebotsfrist entschlossen.
Tatsächliche Anhaltspunkte für ihre Vermutung, die Auftraggeber hätten schon die Frist
von sechs Tagen zur Beantwortung von Bieterfragen vorsätzlich verstreichen lassen, weil
die V… GmbH mit der Angebotserarbeitung in Zeitverzug geraten wäre, zeigt die
Antragstellerin auch nicht auf. Allein aus der - unterstellt - fehlenden Dokumentation der
Gründe für die verspätete Beantwortung ergibt sich jedenfalls kein begründeter Verdacht
der Manipulation der Auftraggeber zugunsten der V… GmbH.
bb) Der Senat hatte die Sache nicht gemäß § 124 Abs. 2 GWB im Hinblick auf die
Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 2.3.2005 (VII-Verg 70/04 - zitiert nach juris) dem
BGH vorzulegen.
Die Antragstellerin hat lediglich pauschal darauf hingewiesen, dass sich der Senat u.a.
nicht mit dem Beschluss des OLG Düsseldorf vom 2.3.2005 (VII-Verg 70/04)
auseinandergesetzt habe. Der Senat geht davon aus, dass die Antragstellerin auf die
Ausführungen des OLG Düsseldorf in diesem Beschluss zu der Frage abstellt, ob wegen
des von der Vergabekammer dem Antragsteller versagten rechtlichen Gehörs einer
Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und einer Zurückverweisung der Sache an
die Vergabekammer nahe zu treten gewesen sei.
Der Senat weicht mit seiner Entscheidung schon deshalb nicht von der des OLG
Düsseldorf ab, weil das OLG Düsseldorf lediglich erwogen, nicht aber entschieden hat,
die angefochtene Entscheidung der Vergabekammer aufzuheben und das Verfahren
zurückzuverweisen. Hiervon abgesehen ist das OLG Düsseldorf in seiner Entscheidung
auch nicht davon ausgegangen, dass bei einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch
die Vergabekammer das Beschwerdegericht zur Aufhebung der Entscheidung und
Zurückverweisung verpflichtet, sondern lediglich in analoger Anwendung von § 130 VwGO
berechtigt ist.
cc) Der Senat hatte die Sache nicht gemäß § 124 Abs. 2 GWB im Hinblick auf die
Entscheidung des OLG Naumburg (Beschluss vom 29.4.2008, 1 W 14/08 - zitiert nach
juris) dem BGH vorzulegen.
Die Antragstellerin hat auch hier lediglich pauschal darauf hingewiesen, dass sich der
Senat u.a. nicht mit dem Beschluss des OLG Naumburg vom 29.4.2008 (1 W 14/08)
auseinandergesetzt habe. Der Senat geht davon aus, dass die Antragstellerin auf die
Ausführungen des OLG Naumburg in diesem Beschluss zu der Frage abstellt, ob die von
der dortigen Antragsgegnerin festgesetzte Angebotsfrist angemessen und ausreichend
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der dortigen Antragsgegnerin festgesetzte Angebotsfrist angemessen und ausreichend
war oder ob die Antragsgegnerin die Angebotsfrist hätte verlängern müssen.
Der Senat weicht mit seiner Entscheidung jedoch schon deshalb nicht von der des OLG
Naumburg ab, weil das OLG Naumburg in seiner Entscheidung die sofortige Beschwerde
bereits als unzulässig verworfen hat. Alle weiteren Ausführungen des OLG Naumburg in
dieser Sache tragen dessen Entscheidung nicht, sind mithin nicht
entscheidungserheblich und lediglich ein obiter dictum. Zudem wäre nach Auffassung
des OLG Naumburg unabhängig von der Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde auch
schon der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung in mehrfacher Hinsicht
unzulässig gewesen; zum einen wegen Nichtbeachtung des Anwaltszwanges, zum
anderen wegen der Stellung eines prozessual unzulässigen Antrages und des sich
daraus ergebenden fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses. Unabhängig von
Vorstehendem lag schließlich der Entscheidung des OLG Naumburg ein im wesentlichen
Punkt anderer Sachverhalt zugrunde. In der Sache ging es dort um die Frage, ob die
Antragsgegnerin vergaberechtlich verpflichtet war, die Angebotsfrist zu verlängern, weil
sich die Angebotsfrist für die Antragstellerin aus von der Antragsgegnerin nicht zu
vertretenden Gründen individuell verkürzt hatte. Im vom Senat zu entscheidenden Fall
ging es um die Frage, ob die Auftraggeber vergaberechtlich berechtigt waren, die
Angebotsfrist zu verlängern, nachdem sie Bieterfragen nicht rechtzeitig innerhalb der in
§ 17b Nr. 7 VOL/A festgelegten Frist beantwortet hatten.
c) Weitergehende Akteneinsicht war der Antragstellerin aus den im Beschluss des
Senates vom 12.1.2010 (Seite 24 Nr. 10) nicht zu gewähren. Das Recht der
Antragstellerin auf rechtliches Gehör ist durch die gewährte Akteneinsicht gewahrt
worden, da ihr Einsicht in alle entscheidungserheblichen Aktenbestandteile im rechtlich
möglichen Umfang gewährt worden ist.
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