Urteil des OLG Brandenburg vom 23.10.2008

OLG Brandenburg: tragen von schutzhelmen, mitverschulden, immaterieller schaden, eigenes verschulden, unerlaubte handlung, amtspflicht, körperschaft, depression, form, radfahrer

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
2 U 34/08
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 253 Abs 2 BGB, § 254 BGB, §
839 BGB, § 844 Abs 2 S 1 BGB,
§ 1922 Abs 1 BGB
Amtshaftung auf Grund einer
Verkehrssicherungspflichtverletzung: Schadenersatz- und
Schmerzensgeldanspruch der Ehefrau eines auf einer mit einem
Oberflächendefekt versehenen Straße tödlich verunglückten
Fahrradfahrers unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens
Tenor
a) Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom
23.10.2008, Az. 17 O 422/07, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Der Klageantrag zu Nr. 1a) auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes
wird in Höhe des Betrages, der unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils des
verstorbenen Ehemannes der Klägerin von 2/3 angemessen ist, dem Grunde nach für
gerechtfertigt erklärt, soweit er sich auf einen ererbten Anspruch des verstorbenen
Ehemannes stützt.
2. Der Klageantrag zu Nr. 1b) wird dem Grunde nach zu 1/3 für gerechtfertigt erklärt.
3. Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 1/3 alle
zukünftigen materiellen Schäden aus dem tödlichen Verkehrsunfall ihres Ehemannes
vom 02.08.2005 auf der … Chaussee in N… zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht
auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
b) Soweit
aa) im Tenor des Urteils des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 23.10.1998 unter 1.
ein eigener Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines unter Berücksichtigung eines
Mitverantwortungsanteils des verstorbenen Ehemannes der Klägerin von 2/3
angemessenen Schmerzensgeldes für gerechtfertigt erklärt wurde
und soweit
bb) in dem Tenor jenes Urteils unter 3. festgestellt wurde, dass der Beklagte
verpflichtet sei, der Klägerin alle zukünftigen immateriellen Schäden aus dem tödlichen
Verkehrsunfall ihres Ehemannes vom 02.08.2005 auf der … Chaussee in N… unter
Berücksichtigung eines Mitverantwortungsanteils des verstorbenen Ehemannes der
Klägerin von 2/3 zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf
Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind,
cc) werden das Urteil und das zu Grunde liegende Verfahren aufgehoben und wird
der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.
c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
d) Die weitergehende Berufung des Beklagten und die Berufung der Klägerin werden
zurückgewiesen.
e) Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der
Berufung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
f) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten aus eigenem, ererbtem und abgetretenem
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Die Klägerin begehrt von dem Beklagten aus eigenem, ererbtem und abgetretenem
Recht Schmerzensgeld, Schadensersatz für den ihr entstandenen materiellen Schaden
und die Feststellung der Haftung für zukünftige materielle und immaterielle Schäden aus
dem tödlichen Unfall ihres Ehemannes am 2. August 2005.
Der Ehemann der Klägerin starb, nachdem er im Bereich eines Straßenschadens auf der
… Chaussee in N… vom Fahrrad gestürzt war. Wegen der Einzelheiten des Sach- und
Streitstandes wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme durch Grundurteil entschieden. Dabei hat es
einen Anspruch der Klägerin auf Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe des
Betrages, der unter Berücksichtigung eines Mitverantwortungsanteils des verstorbenen
Ehemannes in Höhe von 2/3 angemessen ist, dem Grunde nach für gerechtfertigt
erklärt. Den Anspruch der Klägerin auf Ersatz des materiellen Schadens hat es in Höhe
von 1/3 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Darüber hinaus hat es festgestellt,
dass der Beklagte verpflichtet sei, der Klägerin zu 1/3 alle zukünftigen materiellen und
unter Berücksichtigung eines Mitverantwortungsanteils von 2/3 alle zukünftigen
immateriellen Schäden aus dem Unfall zu ersetzen, soweit sie nicht auf
Sozialversicherungsträger übergegangen sind.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte als Träger der Straßenbaulast
verkehrssicherungspflichtig gewesen sei. Soweit es sich bei der Radfahrt um eine
erlaubnispflichtige Veranstaltung gehandelt habe, hafte möglicherweise der Dienstherr
des Verunglückten neben dem Beklagten. Die Verkehrssicherungspflicht des Beklagten
sei dadurch jedoch nicht ausgeschlossen gewesen. Der Beklagte habe die ihm als
Amtspflicht und auch gegenüber Radfahrern obliegende Verkehrssicherungspflicht
schuldhaft verletzt, indem er die Straßenschäden nicht beseitigt habe. Die
Streckenkontrollen seien nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, da die
Beweisaufnahme ergeben habe, dass die streitgegenständlichen Straßenschäden
bereits mindestens mehrere Wochen vorhanden gewesen seien. Weiter habe der
Beklagte seine Amtspflicht verletzt, indem er kein Warnschild aufgestellt habe. Bei der
Bemessung der Schadensersatzpflicht sei jedoch ein erhebliches Mitverschulden des
Ehemannes der Klägerin zu berücksichtigen. Der Ehemann der Klägerin habe in Kauf
genommen, dass sein Blick auf die Straße durch die Kolonne, in der er gefahren sei,
verdeckt gewesen sei. Auch habe er keinen Schutzhelm getragen. Dies sei ihm als
eigenes Verschulden zuzurechnen, jedoch auch als solches seines Dienstherrn, der das
Tragen von Schutzhelmen nicht angeordnet habe.
Gegen dieses Urteil wenden sich sowohl das beklagte Land als auch die Klägerin mit
ihren Berufungen.
Das beklagte Land bestreitet nunmehr, dass der Ehemann der Klägerin das Schlagloch
durchfahren habe und nur hierdurch zu Fall gekommen sei. Vielmehr habe er auf den
Ausruf des vor ihm Fahrenden „Vorsicht Schlagloch“ eine Vollbremsung durchgeführt,
wodurch sein Vorderrad blockiert habe und er noch vor dem Erreichen des Schlaglochs
einen Überschlag vollzogen habe, der zu den Verletzungen geführt habe. Eine
Amtspflichtverletzung sei bei einem Oberflächendefekt von 5 cm Tiefe noch nicht
anzunehmen. Auch sei ein Oberflächendefekt an dieser Stelle für den Ehemann der
Klägerin angesichts der allgemein schlechten Oberfläche der Straße nicht überraschend
gewesen, sodass der Beklagte ihn hiervor nicht habe schützen müssen. Auch bestehe
kein Anspruch des Straßennutzers darauf, dass ein Oberflächenschaden umgehend
beseitigt werde. Das Fehlen eines Warnschildes sei nicht kausal geworden für den Sturz,
weil sich die Gruppe, der der Ehemann der Klägerin angehörte, auf einer Zeitfahrt
befunden habe und deshalb anzunehmen sei, dass er und die Gruppe sich von einem
Warnschild nicht hätten beeindrucken lassen. Jedenfalls treffe den Ehemann der Klägerin
ein überwiegendes Mitverschulden an dem Unfall. Die überzogene Vollbremsung gehe
zu seinen Lasten. Weiter habe er an einer nach § 29 Abs. 2 StVO
genehmigungspflichtigen, jedoch nicht genehmigten Radsportveranstaltung
teilgenommen. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens hätte der Veranstalter den
Beklagten von allen Haftungsansprüchen freistellen müssen. Dass das
Genehmigungsverfahren nicht durchgeführt worden sei, könne den Beklagten nicht
schlechter stellen. Außerdem sei der Ehemann der Klägerin in enger Kolonne mit nicht
angepasster Geschwindigkeit gefahren, sodass er keine ausreichende Sicht auf die vor
ihm liegende Strecke gehabt habe. Schließlich sei es als Mitverschulden des
Verunglückten anzusehen, dass er ohne Helm fuhr. Der Beklagte behauptet wie bereits
in erster Instanz, der Verunglückte hätte mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit keine tödlichen Verletzungen davon getragen, wenn er einen Helm
getragen hätte.
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Die Klägerin rügt zunächst, die Annahme eines Mitverschuldens entbehre einer
rechtlichen Grundlage. Weiter rügt die Klägerin unrichtige und unvollständige
Tatsachenfeststellung. Hierzu bestreitet sie wie bereits in erster Instanz, dass ihr
Ehemann in einer engen Kolonne gefahren sei. Die Gruppe sei vielmehr weit
auseinandergezogen gefahren. Der Abstand des Ehemanns der Klägerin zu dem
Vorausfahrenden habe ca. 10 m betragen. Sie rügt weiter, dass das Landgericht ein
Mitverschulden des verstorbenen Ehemannes darauf gestützt habe, dass dieser keinen
Fahrradhelm trug. Er habe damit nicht verkehrsordnungswidrig gehandelt. Auch wenn er
einen Helm getragen hätte, hätte er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit
einen Genickbruch oder einen schweren Wirbelsäulenschaden davongetragen, er habe
schwere Gesichtsverletzungen erlitten.
Der Beklagte als Berufungskläger beantragt,
die Klage unter Abänderung des Grundurteils des Landgerichts Frankfurt (Oder)
vom 23. Oktober 2008, Az. 17 O 422/07, abzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das
Landgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin als Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Als Berufungsklägerin beantragt sie,
das Grundurteil des Landgerichts Frankfurt (Oder), verkündet am 23. Oktober
2008, Az. 17 O 422/07, teilweise abzuändern und ein Grundurteil des Inhalts zu erlassen,
dass die materiellen und immateriellen Schadensersatzansprüche der Klägerin aus dem
Verkehrsunfall vom 2. August 2005 auf der … Chaussee in N… gegenüber dem
Beklagten dem Grunde nach ohne einen Mitverantwortungsanteil des verstorbenen
Ehemannes der Klägerin für gerechtfertigt erklärt werden, soweit sie nicht auf
Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
Der Beklagte als Berufungsbeklagter beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er wiederholt seine erstmals in zweiter Instanz aufgestellte Behauptung, der Ehemann
der Klägerin sei nicht durch das streitgegenständliche Loch gefahren, sondern durch
eine Vollbremsung zuvor zu Fall gekommen.
II.
Beide Berufungen sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und
begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).
In der Sache hat nur die Berufung des Beklagten teilweise Erfolg.
A. Klageantrag zu 1a)
1) ererbter Anspruch der Klägerin auf Ersatz des immateriellen Schadens
Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen ererbten Anspruch aus § 253 Abs. 2 i. V. m.
§ 839 Abs. 1 BGB, Art. 34 GG und § 1922 Abs. 1 BGB auf Ersatz des immateriellen
Schadens, den der Verunglückte erlitten hat, dessen Erbin sie ist.
a) Amtspflichtverletzung
Zutreffend hat das Landgericht entschieden, dass der Beklagte als Straßenbaulastträger
eine ihm obliegende Amtspflicht verletzt hat, indem er den Oberflächendefekt von
unstreitig mindestens 5 cm Tiefe weder beseitigt noch vor ihm gewarnt hat.
Der Verkehrsteilnehmer muss eine Straße grundsätzlich in dem Zustand hinnehmen, in
dem er sie vorfindet (vgl. auch BGH, VersR 1979, 1055). Die dem Beklagten als
Amtspflicht obliegende Verkehrssicherungspflicht umfasst nur die Pflicht, den Verkehr
auf der Landesstraße möglichst gefahrlos zu gestalten, insbesondere
Verkehrsteilnehmer vor unvermuteten, aus der Beschaffenheit der Straße sich
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Verkehrsteilnehmer vor unvermuteten, aus der Beschaffenheit der Straße sich
ergebenden und bei zweckgerechter Benutzung des Verkehrsweges nicht ohne weiteres
erkennbaren Gefahrenstellen zu sichern (st. Rspr., siehe nur Senat, Urteil vom
13.02.2007, Az. 2 U 12/06, zitiert nach Juris, dort Rdnr. 14). Inhalt der
Verkehrssicherungspflicht kann dabei nur sein, was im Interesse des Verkehrs nach
objektivem Maßstab billigerweise verlangt werden kann und zumutbar ist (so OLG
Schleswig, VersR 1989, 627; OLG Hamm, OLGZ 1994, 301, 303). Eine völlige
Gefahrlosigkeit ist mit zumutbaren Mitteln nicht zu erreichen (so OLG Hamm, a. a. O.).
Für das Gebiet des Landes Brandenburg bestehen insoweit keine Einschränkungen, da -
wie allgemein bekannt - der Qualitätsstandard des Straßen- und Wegenetzes im Land
Brandenburg seit längerem demjenigen in anderen Bundesländern in nichts mehr
nachsteht, ja diesen sogar vielfach deutlich übertrifft (vgl. Senat, Urteil vom 13.02.2007,
Az. 2 U 12/06, zitiert nach Juris, dort Rdnr. 14).
Auch nach den vorstehenden Maßstäben war der Beklagte verpflichtet, den hier
streitgegenständlichen Oberflächendefekt zu beseitigen oder die Verkehrsteilnehmer vor
dem Defekt zu warnen. Die landgerichtliche Würdigung der Zeugenaussagen, wonach
der Defekt bereits mehrere Wochen vor dem Unfall existierte, wird von keiner Partei
angegriffen, sodass die dementsprechende Feststellung des Landgerichts zu Grunde zu
legen ist. Es kann daher hier offen bleiben, ob auch dann, wenn der Defekt am 28. Juli
2005 noch nicht vorgelegen hätte, wie der Beklagte behauptet hat, eine Pflicht
bestanden hätte, am Tag des Unfalls am 2. August 2005 vor dem Defekt zu warnen oder
ihn zu beseitigen.
Unerheblich ist auch die Erörterung des Beklagten, dass es sich nicht um ein
„Schlagloch“, sondern nur um einen „Oberflächendefekt“ gehandelt habe. Maßgeblich
ist insoweit, ob der Zustand der Straße vorhersehbar geeignet war, die voraussichtlichen
Straßennutzer zu schädigen. Der hier gegenständliche Oberflächenschaden war nach
den durch die vorgelegten und in der Ermittlungsakte enthaltenen Lichtbilder belegten
Ausmaßen geeignet, Radfahrer zu schädigen, weil das Loch mit 5 cm Tiefe,
kraterförmiger Gestalt und einem Durchmesser von etwa 15 cm am Boden und etwa 30
bis 40 cm am oberen Rand geeignet war, das Rad eines Fahrrades zu blockieren.
Darüber hinaus lag das Loch in einem Abstand von etwa 50 cm zum rechten
Fahrbahnrand und damit in der typischen Fahrtlinie von Radfahrern. Da die … Chaussee
auch für den Verkehr von Radfahrern geöffnet war, hatte der Beklagte im Rahmen seiner
Verkehrssicherungspflicht auch diese im Rahmen der oben dargestellten Maßstäbe vor
Schaden zu bewahren.
Auf einen Defekt der streitgegenständlichen Art musste sich der Verunglückte an der
konkreten Stelle nicht von vornherein einstellen. Insbesondere ließ der allgemeine
Zustand der Straße ein Loch von solcher Tiefe und Ausdehnung nicht erwarten. Soweit
der Beklagte nun unter Bezugnahme auf die Aussagen der Zeugen behauptet, bei der
… Chaussee handele es sich allgemein um eine schlechte Straße, bei der stets und
immer wieder Oberflächendefekte auftauchten, ist dieser Vortrag schon nicht
ausreichend substantiiert, weil sich ihm nicht entnehmen lässt, welcher Art und
Häufigkeit die Schäden sind, mit denen zu rechnen sein soll. Die vorliegenden Fotos
lassen jedenfalls im Bereich von etwa 100 m vor und 20 m nach der Unfallstelle keine
auch nur annähernd vergleichbaren Schäden erkennen.
b) Drittgerichtetheit
Die Amtspflicht oblag dem Beklagten auch gegenüber Radfahrern wie dem
Verunglückten, weil sie zu den zu erwartenden Straßennutzern zählen. Unerheblich ist
insoweit, dass sich der Verunglückte gemeinsam mit 14 weiteren Kollegen auf einer
Zeitfahrt befand. Es kann hier dahinstehen, ob es sich bei der Fahrt um eine
Veranstaltung im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 StVO handelte, die die Straße mehr als
üblich in Anspruch nahm und deshalb erlaubnispflichtig war. Denn der Oberflächendefekt
gefährdete den in Begleitung von weiteren Radfahrern fahrenden Verunglückten nicht
anders als einen einzelnen Radfahrer. Der Umfang der dem Beklagten gegenüber den
Radfahrern obliegenden Amtspflicht war daher nicht davon abhängig, ob der
Verunglückte allein oder in einer Gruppe fuhr.
c) kein Haftungsausschluss
Zu Recht hat das Landgericht einen Haftungsausschluss durch § 29 Abs. 2 StVO
verneint. Auch wenn es sich bei der Fahrt um eine erlaubnispflichtige Veranstaltung im
Sinne des § 29 Abs. 2 StVO gehandelt hätte und der Beklagte eine Erlaubnis nur unter
der Auflage der Haftungsfreistellung erteilt hätte, hätte er damit nach dem eigenen
Vortrag des Beklagten nicht die Verkehrssicherungspflicht übertragen, sondern nur
einen Anspruch gegen den Veranstalter auf Freistellung von den Ansprüchen der
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einen Anspruch gegen den Veranstalter auf Freistellung von den Ansprüchen der
Veranstaltungsteilnehmer begründet. Dass der Dienstherr des Verunglückten die
Erlaubnis nicht beantragt hat und damit keine Verpflichtung zur Freistellung gegenüber
dem Beklagten eingegangen ist, ist dem Verunglückten auch unter keinem
Gesichtspunkt zuzurechnen.
Tatsachen, die eine Haftung des Beklagten nach § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB ausschließen
könnten, sind nicht ersichtlich. Soweit denkbar ist, dass der Verunglückte auch einen
Schadensersatzanspruch gegen seinen Dienstherrn hatte, stellte dies aufgrund des
Grundsatzes der Einheitlichkeit der öffentlichen Hand keine anderweitige
Ersatzmöglichkeit im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB dar. Unter dem Gesichtspunkt
der vermögensrechtlichen Einheit der öffentlichen Hand ist § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil vom 14. November 2002,
Az. III ZR 131/01, zitiert nach Juris, dort Rdnr. 18 m. w. N.) dann allgemein unanwendbar,
wenn sich - wie hier - ein aus dem gleichen Sachverhalt ergebender Ersatzanspruch
gegen eine andere Stelle der öffentlichen Hand richtet. Dieser Rechtsprechung liegt die
Überlegung zu Grunde, dass eine Verweisungsmöglichkeit der aus dem Gesichtspunkt
der Amtshaftung in Anspruch genommenen Körperschaft auf die aus anderen Gründen
haftende Körperschaft keine Entlastung der öffentlichen Hand zur Folge haben würde
und es auch nicht dem inneren Verhältnis der beiden beteiligten öffentlich-rechtlichen
Körperschaften zueinander und zudem die Haftung auslösenden Ereignis entsprechen
würde, wenn diejenige Körperschaft, die durch eine unerlaubte Handlung ihres Beamten
die Haftung der anderen Körperschaft erst begründet habe, den Geschädigten an die
andere Körperschaft sollte verweisen dürfen, die der Haftung ferner steht als die
verweisende Körperschaft.
d) Ursächlichkeit der Amtspflichtverletzung
Die Amtspflichtverletzung in Form der mangelnden Reparatur des Oberflächendefekts
war auch ursächlich für den Sturz des Ehemannes der Klägerin. Der Beklagte hat in
erster Instanz den Vortrag der Klägerin nicht bestritten, dass ihr Ehemann das Loch
durchfuhr und dadurch zu Fall kam. Er hat nur bestritten, dass das Loch bereits am 28.
Juli 2005 vorhanden gewesen sei. Soweit der Beklagte nunmehr behauptet, der
Ehemann der Klägerin habe auf einen Warnruf eines Kollegen hin eine unangemessene
Vollbremsung ausgeführt und sei nur deshalb gestürzt, ist dieser Vortrag verspätet und
deshalb gemäß § 531 Abs. 2 ZPO in zweiter Instanz nicht mehr zuzulassen. Es ist weder
ersichtlich noch vorgetragen, dass der Beklagte in erster Instanz ohne sein Verschulden
nicht in der Lage gewesen wäre, diese Sachverhaltsdarstellung vorzutragen, denn er
beruft sich insoweit pauschal auf den Inhalt der Ermittlungsakte. Das
Ermittlungsverfahren war jedoch bereits vor der Klageerhebung im vorliegenden
Verfahren mit seiner endgültigen Einstellung abgeschlossen.
Unerheblich ist die Behauptung des Beklagten, dass der Schaden auch eingetreten
wäre, wenn er, der Beklagte, ein Warnschild aufgestellt hätte, weil sich der Verunglückte
als Mitglied einer Radsportgruppe nicht von dem Schild hätte beeindrucken lassen. Die
Beweislast dafür, dass der Schaden auch bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten
eingetreten wäre, trägt jedoch der Schädiger (vgl. Palandt-Grüneberg, 69. Auflage 2010,
Vorb v § 249 Rdnr. 66), d. h. hier der Beklagte. Er hat keinen Beweis für seine
Behauptung angetreten.
e) Möglichkeit eines immateriellen Schadens
Es ist auch denkbar, dass dem Verunglückten ein immaterieller Schaden in Form von
Schmerzen entstanden ist, da er nach dem Sturz noch gelebt hat, sodass grundsätzlich
ein - auch vererbbarer - Anspruch entstanden sein kann, sodass ein Grundurteil ergehen
konnte.
f) Mitverschulden des Verunglückten
Zu Recht hat das Landgericht allerdings ein Mitverschulden des Verunglückten an dem
Unfall im Sinne des § 254 BGB angenommen, das bei der Bemessung des
angemessenen Schmerzensgeldes zu berücksichtigen ist.
aa) Verstoß gegen das Sichtfahrgebot
Auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen hat der Verunglückte gegen das
Sichtfahrgebot aus § 3 Abs. 1 StVO verstoßen oder fuhr nicht mit der gebotenen
Aufmerksamkeit. Zwar hat das Landgericht fehlerhaft ohne Beweisaufnahme die
streitige Behauptung des Beklagten zu Grunde gelegt, die Sicht des Verunglückten sei
dadurch behindert gewesen, dass er in einer Kolonne zu dicht hinter dem
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dadurch behindert gewesen, dass er in einer Kolonne zu dicht hinter dem
Vorausfahrenden fuhr. Die unstreitige Feststellung des Landgerichts im Tatbestand, die
Fahrt sei in einer „mehr oder weniger engen Kolonne“ absolviert worden, lässt nicht
ohne weiteres auf eine relevante Sichtbehinderung schließen. Im Ergebnis ist die
Wertung des Landgerichts, der Verunglückte habe gegen das Sichtfahrgebot verstoßen,
jedoch nicht zu beanstanden. Es kann dahinstehen, ob die Behauptung des Beklagten
zutrifft oder ob der Verunglückte mit einem wohl ausreichenden Abstand von etwa 10 m
zu dem Vorausfahrenden fuhr, wie die Klägerin behauptet. In beiden Fällen verstieß der
Verunglückte entweder gegen das Sichtfahrgebot oder fuhr nicht mit der erforderlichen
Aufmerksamkeit. Aus den vorgelegten Fotografien lässt sich ersehen, dass der
streitgegenständliche Oberflächendefekt aus einer zum Anhalten ausreichenden
Entfernung von mehreren Metern deutlich als solcher erkennbar war. Zu dieser
Einschätzung ist der Senat aufgrund eigener Lebenserfahrung und der vorgelegten
Fotos in der Lage.
Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf
hinwies, dass ein Kraftfahrzeug, das vor dem Verunglückten in die Lücke zwischen
diesem und dem vorausfahrenden Radfahrer eingeschert wäre, dessen Sicht auf den
Oberflächendefekt behindert hätte, sodass der Verunglückte nicht mehr darauf habe
reagieren können, ist dies unerheblich. Einerseits ist schon nicht ersichtlich, dass die
Klägerin behaupten will, dass es ein solches Fahrzeug tatsächlich gegeben habe. Bisher
hat die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit nur vorgetragen, dass ihr Ehemann dem
Oberflächenschaden nicht habe ausweichen können, weil links neben ihm ein Fahrzeug
gefahren sei. Selbst wenn jedoch ein Fahrzeug vor dem Verunglückten in der Weise
eingeschert wäre, dass es die Sicht des Verunglückten auf die Fahrbahn behinderte, so
hatte der Verunglückte aus § 3 Abs. 1 StVO die Pflicht, einen solchen Abstand zu dem
Fahrzeug zu halten, dass er bei der von ihm gefahrenen Geschwindigkeit auch
unvorhergesehene Schäden rechtzeitig erkennen und darauf reagieren konnte.
bb) kein Fahrradhelm
Zu Unrecht hat das Landgericht angenommen, dass dem Verunglückten auch
insoweit ein Mitverschulden anzulasten sei, als er keinen Fahrradhelm getragen habe. Es
kann dahinstehen, ob es bereits grundsätzlich ein schuldhaftes Verhalten darstellt, wenn
ein Teilnehmer an einer Radfahrt zur Erlangung des Sportabzeichens, bei der eine
bestimmte Strecke innerhalb einer vorgegebenen Zeit zurückgelegt werden muss,
keinen Fahrradhelm trägt. Auch wenn dies der Fall wäre, wäre Voraussetzung für die
Zurechnung eines Mitverschuldens, dass das schuldhafte Verhalten (mit-)ursächlich für
die Entstehung des Schadens oder den Schadensumfang war. Dies hat die Klägerin
bestritten und behauptet, dass der Verunglückte auch dann zu Tode gekommen oder
jedenfalls schwer an der Wirbelsäule verletzt worden wäre, wenn der Verunglückte einen
Helm getragen hätte. Weiter hat sie darauf hingewiesen, dass der Verunglückte schwere
Gesichtsverletzungen erlitten hatte. Unstreitig stürzte der Verunglückte kopfüber auf die
Straße, wobei er ausweislich des Arztbriefes (Anlage K1) multiple Frakturen der Schädel-
und Gesichtsschädelknochen sowie eine Mittelgesichtsfraktur erlitt, jedoch offenbar
keine Frakturen etwa der Arme. Letzteres deutet darauf hin, dass er mit den Armen
keine Schutzbewegung mehr ausgeführt hat. Dem Arztbrief ist weiter zu entnehmen,
dass in der rechten Seite des Gesichts eine so schwerwiegende Weichteilschwellung
eingetreten war, dass seine rechte Pupille nicht untersucht werden konnte. Außerdem
hatte er erhebliche Blutungen aus dem Nasenrachenraum. Dies legt nahe, dass der
Verunglückte auf die rechte Gesichtshälfte gestürzt war, die auch von einem üblichen
Fahrradhelm nicht geschützt worden wäre. Schließlich ergibt sich aus den Fotos Bl. 53
und 54 der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder), Az. 283 Js
45513/05, dass der Verunglückte von dem Oberflächendefekt aus gemessen etwa 3 m
durch die Luft flog, bevor er auf die Straße prallte. Dies zeigt, dass der Aufprall mit
erheblicher Bewegungsenergie erfolgte. Dass ein üblicher Fahrradhelm bei einem so
schwerwiegenden Sturz die eingetretenen Folgen verhindert hätte, ist damit nicht
offensichtlich.
Unter diesen Umständen erscheint die schlichte Behauptung des für ein
Mitverschulden des Verunglückten darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten, der
Schaden wäre nicht eingetreten, wenn der Verunglückte einen Fahrradhelm getragen
hätte, als Behauptung „ins Blaue“ und deshalb unbeachtlich.
cc) keine Anordnung, einen Fahrradhelm zu tragen
Da schon nicht ausreichend dargelegt ist, dass es mitursächlich für den Schaden
war, dass der Verunglückte keinen Fahrradhelm trug, lässt es sich dem Verunglückten
auch nicht als Mitverschulden zurechnen, dass sein Dienstherr nicht angeordnet hatte,
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auch nicht als Mitverschulden zurechnen, dass sein Dienstherr nicht angeordnet hatte,
dass ein solcher Helm zu tragen sei.
dd) Umfang des Mitverschuldens
Bei einer Betrachtung sämtlicher relevanter Umstände wiegt das Mitverschulden des
Verunglückten so schwer, dass der von dem Landgericht angesetzte
Mitverschuldensanteil in Höhe von 2/3 zu Lasten des Verunglückten angemessen
erscheint. Zwar handelte es sich um einen erheblichen Oberflächendefekt, dessen
Gefährlichkeit für Radfahrer auch für die Bediensteten des Beklagten erkennbar war.
Jedoch hätte der Verunglückte den Unfall vermeiden können, wenn er dem
Sichtfahrgebot entsprochen hätte und nur so schnell, mit solchem Abstand zu den
Vorausfahrenden und solcher Aufmerksamkeit gefahren wäre, dass er noch vor dem
auch für ihn sichtbaren Oberflächendefekt hätte anhalten oder ihm hätte ausweichen
können.
2) eigener Anspruch der Klägerin auf Ersatz immateriellen Schadens
Zu Unrecht hat das Landgericht auf der Grundlage der festgestellten Tatsachen der
Klägerin dem Grunde nach einen eigenen Anspruch auf Ersatz des ihr selbst
entstandenen immateriellen Schadens aus § 253 Abs. 2 BGB i. V. m. § 839 Abs. 1 Satz 1
BGB, Art. 34 GG zugesprochen.
Zutreffend ist die Ansicht des Landgerichts, dass die in Form der
Verkehrssicherungspflicht bestehende Amtspflicht des Beklagten auch gegenüber der
Klägerin als naher Angehörigen des Verunglückten bestand. Eine Schadensersatzpflicht
gegenüber der Klägerin als nur mittelbar Betroffener ist dennoch nur begründet, soweit
nach der Rechtsprechung die Ersatzfähigkeit mittelbarer Schäden anerkannt ist. So
genannte Schockschäden sind nach der Rechtsprechung nur ersatzfähig, wenn die
Gesundheitsbeschädigung des nahen Angehörigen nach Art und Schwere deutlich über
das hinausgeht, was Nahestehende als mittelbar Beeinträchtigte in derartigen Fällen
erfahrungsgemäß an Beeinträchtigungen erleiden (vgl. Palandt-Grüneberg, 69. Auflage
2010, Vorb v § 249 Rdnr. 40). Hierzu hat die Klägerin behauptet, dass sie aufgrund der
Todesnachricht eine chronische Depression entwickelt habe. Dies hat der Beklagte in
erster Instanz bestritten. Das Landgericht hat hierzu keine Beweisaufnahme
durchgeführt und in dem Urteil auch nicht ausdrücklich festgestellt, dass die Klägerin an
einer chronischen Depression leide. Da somit keine tragfähigen Feststellungen zu einer
durch den Unfall hervorgerufenen Gesundheitsbeschädigung der Klägerin getroffen
worden sind, war das Urteil insoweit auf den Antrag des Beklagten gemäß § 538 Abs. 2
Satz 1 Nr. 4 ZPO aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das
Landgericht zurückzuverweisen.
3) abgetretener Anspruch des Sohnes auf Schmerzensgeld
Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen abgetretenen Anspruch auf Ersatz des
dem Sohn der Familie, Herrn M… W…, entstandenen immateriellen Schadens aus § 253
Abs. 2 BGB i. V. m. § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 34 GG, § 398 BGB.
Auch der immaterielle Schaden des Sohnes der Klägerin ist nur ersatzfähig, wenn die
Gesundheitsbeschädigung nach Art und Schwere deutlich über das hinausgeht, was
Nahestehende als mittelbar Beeinträchtigte in derartigen Fällen erfahrungsgemäß an
Beeinträchtigungen erleiden. Dies hat die Klägerin schon nicht dargelegt. Sie hat hierzu
vorgetragen, dass ihr Sohn wegen einer akuten reaktiven Depression nach dem Tod
seines Vaters bis zum 19.08.2005 arbeitsunfähig erkrankt gewesen sei und hat
behauptet, dass zwischen Vater und Sohn ein „sehr freundschaftliches Verhältnis“
bestanden habe. Eine akute Depression, die zu einer Arbeitsunfähigkeit von etwas mehr
als zwei Wochen führt, übersteigt nach der Erfahrung des Senats das Maß der
Beeinträchtigung, die nahe Angehörige in derartigen Fällen erfahrungsgemäß erleiden,
jedenfalls noch nicht deutlich.
Damit bestand kein abtretbarer Anspruch des Sohnes der Familie auf Zahlung eines
Schmerzensgeldes. Insoweit war auf die Berufung des Beklagten das Urteil abzuändern,
die Klage abzuweisen und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
B. Klageantrag zu 1b)
Mit dem Klageantrag zu 1b) macht die Klägerin einen eigenen materiellen Schaden in
Form entgangenen Unterhalts für den Zeitraum 1. September 2005 bis 31. Dezember
2007, d. h. 28 Monate à 700,00 Euro, insgesamt 19.600,00 Euro, geltend. Die von der
Klägerin in der Klageschrift darüber hinaus dargelegten Ausgaben für Kreditraten etc.,
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Klägerin in der Klageschrift darüber hinaus dargelegten Ausgaben für Kreditraten etc.,
hat sie zur Begründung des Anspruchs nicht herangezogen, sodass sie für die
Entscheidung unerheblich sind.
Ein Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Ersatz dieses Schadens ergibt sich
dem Grunde nach aus § 844 Abs. 2 Satz 1 BGB i. V. m. § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB, Art. 34
GG. Auch dieser Anspruch ist jedoch gemäß § 254 Abs. 1 BGB bereits dem Grunde nach
aus den oben unter A.1) genannten Gründen um den Mitverschuldensanteil des
Verunglückten von 2/3 gemindert, sodass das Urteil des Landgerichts insoweit
zutreffend und die Berufungen der Klägerin und des Beklagten zurückzuweisen waren.
C. Klageantrag zu 2.
Dem Wortlaut nach umfasst der Tenor des erstinstanzlichen Urteils zu 3. dem
Klageantrag 2. entsprechend nur solche materiellen und immateriellen Schäden, die der
Klägerin selbst entstehen werden.
Die Feststellung der Verpflichtung zum Ersatz zukünftiger Schäden setzt voraus, dass
die Entstehung solcher Schäden zu erwarten ist und diese heute nicht beziffert werden
können. Dies trifft auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nur auf materielle
Schäden der Klägerin zu.
1) Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden aus § 253 Abs. 2 BGB
Ersatzfähige immaterielle Schäden können nach dem Vortrag der Klägerin allenfalls im
Zusammenhang mit der behaupteten und nicht bewiesenen chronischen Depression
entstehen. Da die Ersatzpflicht für bisher erlittene eigene immaterielle Schäden der
Klägerin derzeit nicht festgestellt werden kann, lässt sich auch eine zukünftige
Ersatzpflicht für immaterielle Schäden nicht feststellen. Insoweit waren das Urteil und
das zu Grunde liegende Verfahren daher auf den Antrag des Beklagten aufzuheben und
die Sache gemäß § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO an das Landgericht zurückzuverweisen.
2) Anspruch auf Ersatz materieller Schäden
Die Klägerin hat auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen gegen den
Beklagten jedenfalls einen Anspruch aus § 844 Abs. 2 Satz 1 BGB auf Ersatz des ihr in
Zukunft noch entgehenden Unterhalts, wobei dieser sich heute noch nicht beziffern
lässt. Auch wenn er auf eine fiktive Lebensdauer des Verunglückten zu berechnen wäre,
ist nicht sicher vorherzusehen, wie hoch im Verlauf der Jahre die Hinterbliebenenrente
sein wird, die die Klägerin vom Dienstherrn des Verunglückten bezieht, und wie sich die
Besoldung entwickelt, die ihm zugestanden hätte. Der Anspruch umfasst auch die von
der Klägerin geltend gemachte Pflegeleistung ihres Ehemannes (vgl. Palandt-Sprau, 69.
Auflage 2010, § 845 Rdnr. 2).
Zutreffend hat das Landgericht den Anspruch auf Ersatz zukünftiger materieller Schäden
aufgrund des Mitverschuldens des Verunglückten nur in Höhe des Anteils von 1/3
zuerkannt.
Insoweit waren daher die Berufungen der Klägerin und des Beklagten zu diesem Teil des
mit dem Klageantrag zu 2. geltend gemachten Anspruchs zurückzuweisen.
III.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO. Wegen
des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung war diese der
Schlussentscheidung vorzubehalten.
IV.
Gebührenstreitwert
Euro
Gegenstand der Berufungsinstanz war.
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