Urteil des OLG Brandenburg vom 14.03.2017

OLG Brandenburg: gesamtstrafe, kumulation, link, quelle, bewährung, sammlung, auflage, auflösung, form, verurteilter

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 Ss 83/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 53 Abs 1 StGB, § 54 Abs 1 S 2
StGB, § 55 Abs 1 StGB
Gesamtstrafenbildung: Nachteilsausgleich bei Bildung mehrerer
Gesamtstrafen
Leitsatz
Nötigt die Zäsurwirkung einzubeziehender Verurteilungen zur Bildung mehrerer
Gesamtstrafen, muss das Gericht einen sich daraus möglicherweise für den Angeklagten
ergebenen Nachteil in Folge eines zu hohen Gesamtstrafübels ausgleichen. Das Gericht muss
insoweit in den Gründen darlegen, dass es sich dieser Sachlage bewusst gewesen ist und
erkennen lassen, dass es das Gesamtmaß der Strafen für schuldangemessen gehalten hat
(vgl. BGH StV 2007, 632 t).
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 3. kleinen Strafkammer des
Landgerichts Neuruppin vom 11. Juli 2008 in den Aussprüchen über die
Gesamtfreiheitsstrafen aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet
verworfen.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts
Neuruppin zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Perleberg verhängte gegen den Angeklagten mit Urteil vom 28.
Februar 2008 wegen Betruges in neun Fällen und wegen Beleidigung unter Einbeziehung
der Strafe auf dem Urteil des Amtsgerichts Perleberg vom 26. November 2006 (23 Ds
760/06) unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe eine Gesamtfreiheitsstrafe
von zwei Jahren und sechs Monaten. Gleichzeitig verurteilte ihn das Amtsgericht
Perleberg wegen Betruges in drei Fällen und vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis
zu einer weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten.
Die gegen dieses Urteil eingelegte, in der Berufungshauptverhandlung auf den
Rechtsfolgenausspruch beschränkte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht
Neuruppin mit Urteil vom 11. Juli 2008 verworfen. Hiergegen richtet die Revision des
Angeklagten, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
II.
Das gemäß § 333 StPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Rechtsmittel
ist zulässig und hat - vorläufigen - Erfolg.
Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat sich in ihrer Antragsschrift
vom 21. Oktober 2008 zu der Revision u.a. wie folgt geäußert:
"Die Aussprüche über die Gesamtfreiheitsstrafen können (…) keinen Bestand
haben, weil zu besorgen ist, dass das Landgericht die Möglichkeit eines zu hohen
Gesamtstrafübels nicht bedacht hat.
Nach § 55 1 StGB sind die § 53 und 54 StGB auch anzuwenden, wenn ein
rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder
erlassen ist, wegen einer anderen Tat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung
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erlassen ist, wegen einer anderen Tat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung
begangen hat, wobei jedoch insoweit zu berücksichtigen ist, dass nach der
Rechtsprechung die frühere Verurteilung eine Zäsur in dem Sinne bildet, dass nur aus
den vor der früheren Verurteilungen liegenden Einzeltaten zusammen mit dieser eine
Gesamtstrafe gebildet werden kann, insoweit für die späteren Taten eine selbständige
Einzel- oder Gesamtstrafe gebildet werden muss (vgl. LK/Rissing-van Saan, Anm. 13 zu §
55 StGB m. w. N., 11. Auflage, 1998).
Nötigt - wie vorliegend - die Zäsurwirkung einzubeziehender Verurteilungen zur
Bildung mehrerer Gesamtstrafen, muss das Gericht einen sich daraus möglicherweise
für den Angeklagten ergebenen Nachteil in Folge eines zu hohen Gesamtstrafübels
jedoch ausgleichen. Das Gericht muss insoweit in den Gründen darlegen, dass es sich
dieser Sachlage bewusst gewesen ist und erkennen lassen, dass es das Gesamtmaß der
Strafen für schuldangemessen gehalten hat (vgl. BGH StV 2007, 632 t).
Wenngleich insoweit die Urteilsgründe erkennen lassen, dass das Landgericht bei
der Bildung der Gesamtstrafe in Höhe von 2 Jahren und 6 Monaten aus den Einzelstrafen
für die vor der Verurteilung durch das Amtsgericht Perleberg am 27.11.2006
begangenen Taten und den Einzelstrafen für die dem Urteil des Amtsgerichts Perleberg
vom 27.11.2006 zugrunde liegenden Taten insoweit berücksichtigt hat, dass auch im
Hinblick auf die drohenden Widerrufe der zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe
und Strafresten aus
ein Härteausgleich zu gewähren ist - UA S. 11 -‚ wäre über diese Darlegungen
hinaus die Darlegung im Urteil erforderlich gewesen, dass das Gericht sich der Sachlage
bewusst war, dass durch die mit der Zäsurwirkung verbundenen Zufälligkeiten der
Gesamtstrafenbildung trotz gleichzeitiger Aburteilung mehrerer Straftaten entgegen §
53 1, 54 1 2 StGB es im Ergebnis statt zu einer Verschärfung der Einsatzstrafe zu einer
Kumulation der verhängten Strafen kommen kann (vgl. BGHSt 41, 310ff., 313) und
daher ein sich daraus möglicherweise für den Angeklagten ergebender Nachteil in Folge
eines zu hohen Gesamtstrafübels auszugleichen ist (vgl. BGH StV 2007, 632 fj.
Solche Darlegungen, aus denen sich ergibt, dass das Gericht die Gesamthöhe
des ausgesprochenen Freiheitsentzuges von 4 Jahren auf seine Schuldangemessenheit
hin überprüft hat, sind den Ausführungen (UA 5. 11, 12) jedoch nicht zu entnehmen."
Gemäß diesen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Ausführungen unterliegt das
angefochtene Urteil hinsichtlich der Gesamtstrafenaussprüche der Aufhebung. Die
weitergehende Revision hingegen ist entsprechend § 349 Abs. 2 StPO offensichtlich
unbegründet.
Die Sache ist im Umfang der Aufhebung gemäß § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO an eine
andere kleine Strafkammer des Landgerichts Neuruppin zurückzuverweisen.
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