Urteil des OLG Brandenburg vom 23.12.2008

OLG Brandenburg: eltern, gemeinsame elterliche sorge, trennung, wohl des kindes, haushalt, medikamentöse behandlung, stationäre behandlung, psychotherapeutische behandlung, umzug, schule

1
2
3
4
Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 UF 2/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1671 Abs 1 BGB, § 1671 Abs 2
Nr 2 BGB
Elterliche Sorge: Übertragung des
Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Kindesmutter u.a. wegen
deren größerer psychischer Stabilität
Tenor
Auf die Beschwerde des Kindesvaters wird der Beschluss des Amtsgerichts Oranienburg
vom 23. Dezember 2008 – Az. 35 F 267/08 – teilweise abgeändert und insgesamt wie
folgt neu gefasst:
Unter Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Übrigen wird das
Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder L. und N. L. auf die Kindesmutter allein
übertragen.
Die weitergehende Beschwerde des Kindesvaters wird zurückgewiesen.
Der Antrag des Kindesvaters auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für N.
und L. L. wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Kindesvater auferlegt.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1. und 2. sind die – seit 1. September 2001 verheirateten, seit Ende
September 2008 allerdings getrennt lebenden - Eltern des am … 2002 geborenen L. L.
und der am … 2004 geborenen N. L..
Mit einem am 10. November 2008 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag hat die
Kindesmutter die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für beide Kinder
beantragt und zugleich um Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung
nachgesucht.
Die Kindeseltern sind in Vollzeit berufstätig. Die Kindesmutter ist Beamtin beim
Finanzamt B. mit einer regelmäßigen (Gleit-)Arbeitszeit zwischen 8.00 und 16.30 Uhr;
der Kindesvater Mitarbeiter des Ordnungsamtes P., der allerdings seit dem 24.
September 2008 arbeitsunfähig erkrankt war und seit Februar 2009 im sog. Hamburger
Modell die stufenweise Wiedereingliederung in seine Erwerbstätigkeit verfolgt. Die
Kindesmutter hat jeweils nach der Geburt der Kinder ein Jahr lang Erziehungsurlaub in
Anspruch genommen. Der Kindesvater hat nach der Geburt des Sohnes und im
Anschluss an das Erziehungsjahr der Kindesmutter zwei Monate lang Erziehungsurlaub
genommen. L. besucht inzwischen die …schule in O. von 7.15 bis maximal 17.00 Uhr, N.
die Kindertagesstätte von 7.00 bis 17.00 Uhr. Bei der Betreuung der Kinder ist in der
Vergangenheit auch auf die in unmittelbarer Nähe wohnenden Großeltern
väterlicherseits zurückgegriffen worden.
Seit dem 8. September 2008 hat es zwischen den Kindeseltern verstärkt Streit und
Auseinandersetzungen gegeben, die schließlich in eine Trennung mündeten. In deren
Folge wurde der Kindesvater – wohl am 24. September 2008 - in der psychiatrischen
Abteilung im Krankenhaus H. stationär aufgenommen. Nach den Behauptungen der
Kindesmutter sei ihr von den Ärzten mitgeteilt worden, „dass ihr Mann (an) einer
gespaltenen Persönlichkeit leidet, Suizidgedanken hegt und therapiert werden müsste“.
Die zunächst vollstationäre Behandlung wurde in der Folgezeit teilstationär fortgesetzt.
5
6
7
8
9
10
11
12
Die zunächst vollstationäre Behandlung wurde in der Folgezeit teilstationär fortgesetzt.
In dieser Zeit hielt sich der Kindesvater nach dem Besuch der Tagesklinik zunächst in der
Regel auf dem ehelichen Hausgrundstück auf, wobei es vielfach zu
Auseinandersetzungen kam; zum Zwecke der Übernachtung hat der Kindesvater jeweils
den – in unmittelbarer Nähe gelegenen - Haushalt seiner Eltern aufgesucht, bis er
morgens in Absprache mit der Kindesmutter die Kinder zur Kita/Schule gebracht hat.
Die Kindesmutter beabsichtigt, mit den beiden Kindern nach Berlin
(Hohenschönhausen/Weißensee/Niederschönhausen) umzuziehen. Dort leben
Angehörige ihrer Familie, zudem verkürzt sich ihr Arbeitsweg mit der Folge, dass mehr
Betreuungszeit für die Kinder zur Verfügung steht.
Die Kindesmutter nimmt für sich in Anspruch, stets die Hauptbezugsperson für die
Kinder gewesen zu sein, während der Kindesvater sich eher aus dem Familienleben
zurückgezogen habe und mit der Betreuung und Erziehung der Kinder und der Führung
eines eigenständigen Haushalts überfordert wäre und deshalb zu seinen Eltern ziehen
würde. Der Rückgriff auf die Eltern des Kindesvaters rechtfertige sich angesichts der
besseren „Qualifikation“ der uneingeschränkt zur Verfügung stehenden Kindesmutter
nicht.
Die Verfahrenspflegerin hat in ihrer Stellungnahme vom 2. Dezember 2008 ausgeführt,
dass L. bei seinem Vater, aber in allererster Linie wegen des ihm lieb gewordenen
sozialen Umfeldes (Schule, Freunde, Großeltern) bleiben wolle. Tatsächlich könne aus
seinen Äußerungen eine größere Bindung an die Mutter und seine Schwester, die sich im
Übrigen eindeutig zur Mutter positioniere, abgelesen werden.
Ähnlich, wenn auch L. in der Bindung an O. weniger ausgeprägt, äußerten sich die Kinder
in der richterlichen Anhörung am 3. Dezember 2008.
In dem Anhörungstermin am 10. Dezember 2008 hat der Kindesvater die weiterhin
ambulante und medikamentöse Behandlung wegen Depressionen infolge der Trennung
von seiner Frau bestätigt. Der Kindesvater hat sich ausgehend von einem Verbleib der
Kindesmutter in O. eine mehr oder minder gemeinsame Betreuung bzw. ein
Wechselmodell vorgestellt. Er hat gemeint, die Kindesmutter könne mit den Kindern
weiterhin das Familiengrundstück bewohnen, während er zu seinen Eltern ziehen werde.
Die Verfahrenspflegerin hat einen Umzug von L. mit der Kindesmutter und seiner
Schwester für zumutbar gehalten, wenn die Bindung zu den Großeltern väterlicherseits
und natürlich zum Vater weiterhin konsequent gepflegt werde; eine Geschwistertrennung
hielt sie für nicht zuträglich.
Mit Beschluss vom 23. Dezember 2008 hat das Amtsgericht – nach telefonischer
Befragung der den Kindesvater behandelnden Ärztin - sodann die gemeinsame elterliche
Sorge hinsichtlich der Bereiche Aufenthaltsbestimmungsrecht, Kita-, Hort- und
Schulangelegenheiten, Gesundheitsfürsorge und Angelegenheiten der
Entwicklungsförderung/Hilfen zur Erziehung aufgelöst und auf die Kindesmutter
übertragen. In der Verhandlung habe sich gezeigt, dass die Eltern nicht über
hinreichende Ressourcen verfügen, in den für die Kinder wichtigen Fragen zu
gemeinsamen Entscheidungen zu kommen. Die Ursachen hierfür lägen vor allem in dem
vom Kindesvater nicht bewältigten Trennungskonflikt, der – verbunden mit
Schuldzuweisungen an seine Frau auch hinsichtlich seiner Erkrankung – die Wahrung der
Kindesinteressen überlagere. Die danach gebotene Aufhebung der gemeinsamen
elterlichen Sorge führe zur Übertragung der hier im Einzelnen aufgeführten
Aufgabenkreise auf die Kindesmutter, die gesundheitlich und emotional besser geeignet
sei, die elterliche Sorge auszuüben. Der Kindesvater sei vorläufig und auf unabsehbare
Zeit mit der Bewältigung der Trennung, seiner Erkrankung und der Wiedereingliederung
in den Arbeitsalltag beschäftigt und könne daneben nicht noch die elterliche
Verantwortung für die beiden Kinder wahrnehmen. N. wolle ohnehin im Haushalt der
Kindesmutter bleiben. Die mit dem dann erforderlichen Schul- und Ortswechsel
tatsächlich zu erwartenden Schwierigkeiten bei L. seien durch eine anderweitige
Entscheidung, die eine nur unzulängliche Betreuung und Versorgung erwarten ließe,
nicht aufzuwiegen.
Gegen diese ihm am 8. Januar 2009 zugestellte Entscheidung wendet sich der
Kindesvater mit seiner am 9. Januar 2009 eingegangenen und zugleich begründeten
Beschwerde, mit der er die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und demzufolge
die Wiederherstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge bzw. – so zuletzt im
Anhörungstermin am 9. April 2009 – die Übertragung des
Aufenthaltsbestimmungsrechtes für beide Kinder auf sich selbst zu erreichen sucht. Er
bestätigt, dass sich die Kindeseltern nicht einigen können, wo die Kinder zukünftig ihren
13
14
15
16
17
18
19
bestätigt, dass sich die Kindeseltern nicht einigen können, wo die Kinder zukünftig ihren
Lebensmittelpunkt haben, meint aber, es sei der Kindesmutter aus Gründen des
Kindeswohls zuzumuten, das ihr unterbreitete Angebot eines Verbleibs auf dem
Hausgrundstück der Familie mit den in O. sozial fest verwurzelten Kindern anzunehmen.
Der Vorteil kürzerer Arbeitswege der Mutter werde durch die deutlich ungünstigeren
Wohnverhältnisse in einer Wohnung in der Anonymität der Großstadt statt in einem
Einfamilienhaus mit Garten und unter Verlust des Freundes- und Bekanntenkreises aus
Schule und Kita deutlich nicht aufgewogen. Ferner sei die telefonische Auskunft der den
Kindesvater behandelnden Ärztin keineswegs eine geeignete Grundlage zur
Einschätzung dessen Erziehungseignung. Tatsächlich sei er uneingeschränkt in der Lage,
die Kinder zu betreuen und zu versorgen; er könne seine Dienstzeiten anpassen und auf
die Unterstützung seiner Eltern bauen und dadurch den Verbleib der Kinder in der ihnen
gewohnten Umgebung sicherstellen.
Die Kindesmutter verteidigt die angefochtene Entscheidung mit näherer Darlegung. Der
von ihr weiterhin beabsichtigte zügige Umzug diene mit der aus ihrer Sicht dringend
gebotenen größeren räumlichen Trennung der Eltern der Beruhigung der Situation und
sei auch für L. trotz der nicht zu verkennenden Bindung an die bisherige Umgebung
zumutbar. Der sog. Oma-Opa-Tag sei durch den Umzug nicht berührt, habe vielmehr
auch schon vor dem Umzug der Familie von B. nach O. stattgefunden und könne – auch
mit Übernachtungen und Urlaubsaufenthalten - problemlos aufrechterhalten werden.
Wichtiger als Haus und Garten seien geregelte Familienverhältnisse und ein liebevolles
ruhiges Zuhause. Ein Verbleib im ehelichen Hausgrundstück sei mit Blick auf die
wiederholten Drohungen des Kindesvaters mit Rauswurf nicht sichergestellt und werde
von ihr nachhaltig abgelehnt. Die Kindesmutter sieht keinen Anlass, an der Richtigkeit
der Darstellung des Amtsrichters zu dem Inhalt seines Gesprächs mit der behandelnden
Ärztin zu zweifeln. Tatsächlich habe der Antragsteller noch am 5. Februar 2009 erklärt, er
fühle sich nicht stark genug, seine Arbeit im Hamburger Modell (3 Stunden täglich)
wieder aufzunehmen. Sie wiederholt ihre Auffassung, dass der Kindesvater ohnehin mit
der Erziehung der Kinder überfordert wäre, weil er auch in der Vergangenheit
Konfliktsituationen immer auf die Mutter verlagert oder sehr schnell auf seine Eltern
zurückgegriffen habe.
Die Verfahrenspflegerin wiederholt nach erneuter Befragung der Kinder ihre
Einschätzung aus erster Instanz.
Das Jugendamt hat in seiner Stellungnahme vom 23. Januar 2009 die unüberbrückbar
gegensätzlichen Auffassungen der Kindeseltern zum künftigen Lebensmittelpunkt der
Kinder bei ansonsten aber noch vorhandener Kommunikationsbasis bestätigt. Das
Jugendamt betont die herausragende Bedeutung der Bindungskontinuität und –
intensität, die mit Blick auf die unstreitig deutlich höheren Betreuungsanteile in
größerem Umfang in der Person der Kindesmutter zu finden sei.
II.
Die befristete Beschwerde des Kindesvaters ist gemäß § 621 e ZPO in Verbindung mit §§
621 Abs. 1 Nr. 1, 517, 520 ZPO zulässig. Das Rechtsmittel bleibt in der Sache jedoch
weitgehend ohne Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht der Kindesmutter das
Aufenthaltsbestimmungsrecht für die beiden Kinder übertragen. Dem gegenläufigen
Antrag des Kindesvaters in zweiter Instanz konnte deshalb kein Erfolg beschieden sein.
Nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB kann einem Elternteil die elterliche Sorge bzw.
Teile davon allein übertragen werden, wenn die Kindeseltern nicht nur vorübergehend
getrennt voneinander leben und zu erwarten ist, dass die Aufhebung der gemeinsamen
Sorge und die Übertragung auf einen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten
entsprechen.
1. Für die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge, für die kein Regel-Ausnahme-
Verhältnis gesetzlich geregelt ist (vgl. BGH NJW 2000, 203; FamRZ 2008, 592), ist im
Wege einer Prognoseentscheidung zu prüfen, inwieweit beide Elternteile uneingeschränkt
zur Pflege und Erziehung des Kindes geeignet sind, ob ein Wille zur Kooperation besteht
und ob keine sonstigen Gründe vorliegen, die es im Interesse des Kindeswohls gebieten,
das Sorgerecht nur einem Elternteil zu übertragen. Ein Mindestmaß an
Verständigungsmöglichkeiten zwischen den Eltern ist Voraussetzung für die
Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge (vgl. BGH FamRZ 1982, 1179;
2008, 592).
a) Im Streitfall ist im Ergebnis des wechselseitigen schriftsätzlichen Vorbringens und
insbesondere im Rahmen der persönlichen Anhörung der Kindeseltern im Senatstermin
am 9. April 2009 sehr deutlich geworden, dass die Kindeseltern nicht mehr willens
20
21
22
am 9. April 2009 sehr deutlich geworden, dass die Kindeseltern nicht mehr willens
und/oder in der Lage sind, zum Wohl ihrer beiden Kinder hinsichtlich der Bestimmung
ihres dauerhaften Aufenthalts zusammenzuwirken oder auch nur eine gemeinsam
getragene Entscheidung zu finden. Ebenso zielstrebig und beharrlich, wie die
Kindesmutter ihre Umzugspläne von O. nach Berlin unter Mitnahme der beiden Kinder
voranzutreiben sucht, erstrebt der Kindesvater den Verbleib der Kinder in O., und zwar
im vormals gemeinsam genutzten Hausgrundstück, sei es nun im Haushalt der aus
seiner Sicht am besten dort verbleibenden Kindesmutter oder für den Fall des -
ersichtlich unausweichlichen - Auszuges der Kindesmutter in dem dann dort von ihm
selbst und ggf. mit Unterstützung seiner Eltern geführten Haushalt. Beide Elternteile
waren nicht (mehr) ernstlich bereit, ihre unvereinbaren Standpunkte zum künftigen
Aufenthalt der Kinder zu überdenken und nach einer einvernehmlichen Lösung zu
suchen. Der Senat konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Kindeseltern –
mutmaßlich im Ergebnis nachwirkender trennungsbedingter Verletzungen – ohne jede
Rücksicht nicht nur auf den anderen Elternteil, sondern insbesondere auch ohne das
erforderliche Einfühlungsvermögen in die Interessen und das Wohl ihrer Kinder, die nicht
allein aufgrund der Trennung, sondern – dies gilt gerade auch für L. - insbesondere auch
mit Blick auf die Ungewissheiten in Bezug auf den künftigen Aufenthalt nicht unerheblich
belastet waren, ihre eigenen Vorstellungen umzusetzen suchen und dabei die Wünsche
und Bedürfnisse ihrer Kinder jedenfalls hintanstellen. Dies gilt umso mehr als sich im
Laufe des Verfahrens unübersehbare Anzeichen dafür ergeben haben, dass die beiden
Kinder aus unterschiedlichen Motiven heraus keine zwanglos übereinstimmenden
Vorstellungen über den künftigen Aufenthalt entwickelt haben. Bedauerlicherweise ist
nicht erkennbar geworden, dass die Eltern dies auch nur wahrgenommen oder gar in ihre
Überlegungen einbezogen haben; sie haben sich vielmehr geradezu verbissen auf ihre
jeweilige Position versteift und sich trotz einer eindringlichen Bitte auch des Senates
faktisch schon einem ernstlichen Gespräch über eine Kompromisslösung verschlossen.
Es ist leider nicht ersichtlich, dass in absehbarer Zeit eine Verbesserung der
Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern in Bezug auf den künftigen
dauerhaften Aufenthalt der Kinder zu erwarten ist. Bei dieser Sachlage konnte eine
Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge für den Bereich
Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht in Betracht kommen.
b) Allerdings gilt auch der Grundsatz, dass eine Entscheidung zum Sorgerecht nur
insoweit erforderlich und geboten ist, als die Eltern tatsächlich darüber streiten. Anders
als das Amtsgericht sieht der Senat keine Notwendigkeit, über die Übertragung des
Aufenthaltsbestimmungsrechts hinaus eine Entscheidung zur elterlichen Sorge,
namentlich zu Kita-, Hort- und Schulangelegenheiten, der Gesundheitsfürsorge und
Angelegenheiten der Entwicklungsförderung/ Hilfen zur Erziehung, zu treffen. Der Streit
der Eltern konzentriert sich auf die Frage des künftigen Wohnsitzes ihrer Kinder, der
angesichts des Umstandes, dass dieser unstreitig entweder beim Kindesvater in O.
beibehalten oder mit der Kindesmutter nach Berlin verlegt werden wird, zwangsläufig
auch räumliche Auswirkungen auf den Besuch von Kita, Schule und Hort entweder
weiterhin in O. oder im Einzugsbereich der neuen Wohnung in Berlin haben wird. Das
Amtsgericht selbst führt keine tragfähige Begründung für die von ihm getroffenen
weitergehenden Entscheidungen zum elterlichen Sorgerecht an. Der Senat hat im
Ergebnis des Beschwerdeverfahrens keine ernstlichen Zweifel daran, dass die
Kindeseltern mit der Entscheidung über den künftigen Wohnsitz die sich daraus weiter
ableitenden Fragen für den Schulbesuch etc. der Kinder verantwortlich und unter
Wahrung der die elterliche Sorge prägenden Aspekte einer kooperativen
Entscheidungsfindung regeln können und werden. So hat etwa die – zunächst in diesem
Punkt uneinsichtig auftretende - Kindesmutter im dringenden Interesse ihres Sohnes
ausdrücklich erklärt, einen Schulwechsel im laufenden Schuljahr tatsächlich nicht (mehr)
vorzunehmen. Auf der anderen Seite verschließt sich der Kindesvater selbstverständlich
nicht der Erkenntnis, dass bei einem Wegzug der Kinder nach Berlin notwendig eine neue
Schule, ein neuer Hort bzw. eine neue Kita für die Kinder gefunden werden muss. Für
einen über den künftigen Lebensmittelpunkt der Kinder hinausgehenden Streit der
Kindeseltern, der weitergehende Entscheidungen zum Sorgerecht gebieten würde,
besteht derzeit jedenfalls kein Anlass. Mit Ausnahme des
Aufenthaltsbestimmungsrechts soll es deshalb ansonsten bei der Ausübung der
gemeinsamen elterlichen Sorge bleiben.
2. Bei der Frage, welchem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen ist,
ist derjenigen Regelung der Vorzug zu geben, von der zu erwarten ist, dass sie im Sinne
des Kindeswohls die bessere Lösung darstellt. Bei der prognostischen Beurteilung sind
die Gesichtspunkte der Erziehungseignung und Bindungstoleranz der Eltern, der
Bindungen der Kinder, des Kontinuitätsgrundsatzes, des Förderungsgrundsatzes und
schließlich auch des Kindeswillens von entscheidender Bedeutung, wobei die Gewichtung
23
24
25
26
schließlich auch des Kindeswillens von entscheidender Bedeutung, wobei die Gewichtung
im konkreten Einzelfall dem Gericht überlassen ist (vgl. Brandenburgisches
Oberlandesgericht FamRZ 2003, 1953).
Der Senat geht davon aus, dass grundsätzlich sowohl die Kindesmutter wie auch der
Kindesvater erziehungsgeeignet und in der Lage sind, die Kinder angemessen zu
fördern. Es gibt jedenfalls derzeit keine hinreichend verifizierten greifbaren
Anhaltspunkte dafür, dass in der Vergangenheit bis zur Trennung der Kindeseltern hier
auf Seiten eines Elternteils nennenswerte Defizite zutage getreten wären. Allerdings
kann der als solcher unstreitige Umstand, dass die Trennung der Eltern den Kindesvater
in eine tiefe psychische Krise gestürzt hat, im Rahmen der hier zu treffenden
Entscheidung nicht außer Acht gelassen werden.
Der Kindesvater ist im Zusammenhang mit dem Trennungskonflikt Ende September
2008 aufgrund einer suizidalen Krise mit depressiver Verstimmung über einen Zeitraum
von knapp vier Monaten zunächst stationär und vom 30. Oktober 2008 bis einschließlich
19. Januar 2009 in der Tagesklinik in O. engmaschig psychotherapeutisch und
medikamentös behandelt worden. Behandelnde Ärztin war in dem zuletzt genannten
Zeitraum die von dem Senat als sachverständige Zeugin gehörte Fachärztin für
Psychiatrie und Psychotherapie Bl., die im Zuge der mehrmonatigen Behandlung eine
deutlich spürbare Verbesserung des eingangs der Behandlung sehr affektlabilen,
depressiv gestimmten, äußerst leicht kränkbaren Kindesvaters attestiert hat, die
tatsächlich zwischenzeitlich – bei Fortsetzung der medikamentösen Behandlung und
Inanspruchnahme weiterer ambulanter psychotherapeutischer Behandlung - den
Wiedereinstieg in das Arbeitsleben im Hamburger Modell ermöglicht hat. Im Rahmen
ihrer Behandlung, so die Zeugin weiter, sei unabhängig von der akuten
trennungsbedingten suizidalen depressiven Krise eine gleichermaßen
behandlungsbedürftige grundlegende Persönlichkeitsstörung in Form einer Affektlabilität
zutage getreten, die dadurch gekennzeichnet sei, dass der Kindesvater generell mit
Stress- oder Belastungssituationen nicht souverän umgehen könne. Wenn es nicht in
seinem Sinne liefe, so reagiere der Kindesvater sehr schnell impulsiv und übe Druck aus;
er sei in der Möglichkeit, auf unwillkommene Situationen adäquat zu reagieren, also in
seiner Affektsteuerung nicht unerheblich gestört. Diese Störung sei einerseits
medikamentös zu beeinflussen, bedürfe aber anderseits einer – aus Sicht der Zeugin
auf etwa 2 – 3 Jahre anzulegenden – nachhaltigen psychotherapeutischen Behandlung.
Mit dem Medikamenteneinsatz solle schließlich die Affektmodulation nicht verhindert
werden; Ziel der Behandlung sei vielmehr in erster Linie, ein – langjährig eingeübtes –
persönlichkeitsbedingtes Reaktionsmuster aus eigenem Antrieb/innerer Überzeugung
des Patienten aufzubrechen und zu einem insgesamt mehr gelassenen Umgang mit
Belastungssituationen zu gelangen. Diese Angaben der – sachverständigen – Zeugin
zum gesundheitlichen Status des Kindesvaters sind plausibel, insgesamt schlüssig und
halten einer kritischen Würdigung durch den Senat stand. Der Senat geht im Ergebnis
dessen davon aus, dass der Kindesvater nicht in gleicher Weise wie die Kindesmutter
über die erforderliche psychische Stabilität verfügt, den unbestreitbaren Belastungen
einer alltäglichen umfassenden Betreuung, Versorgung und Förderung der beiden – vom
Trennungskonflikt der Eltern nicht unbelasteten – Kinder neben der Ausübung einer
Vollzeittätigkeit begegnen zu können und dabei den Bedürfnissen der Kinder gerecht zu
werden.
Der Senat sieht auch und gerade mit Blick auf den Schriftsatz des Kindesvaters vom 7.
Mai 2009 keinen Anlass zur Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den
gesundheitlichen Problemen des Kindesvaters. Die Ausführungen in dem Schriftsatz sind
nicht geeignet, die überzeugende Einschätzung der sachverständigen Zeugin in Zweifel
zu ziehen. Allein die pauschale Negation deren ohne Weiteres plausibler Einschätzung
rechtfertigt die Einholung eines Gutachtens nicht. Der Kindesvater hat in seiner
persönlichen Anhörung selbst angegeben und letztlich in dem zitierten Schriftsatz
wiederholt, dass aus ärztlicher Sicht eine – seiner Einschätzung nach jedenfalls rund
einjährige - psychotherapeutische Behandlung angezeigt und zwischenzeitlich auch
aufgenommen ist. Dies bestätigt die Überzeugung des Senates, dass es dem
Kindesvater derzeit an der psychischen Stabilität für die Übernahme einer bislang so
nicht gewohnten Rolle als quasi alleinerziehender, vielleicht noch durch seine Eltern
unterstützter Vater fehlt.
Die Kindesmutter hat unbestritten keine vergleichbaren Schwierigkeiten und im Übrigen
– dies bestätigt auch das Jugendamt in seinem Bericht vom 23. Januar 2009 – auch in
der Vergangenheit nicht nur nach der Geburt der beiden Kinder, sondern insbesondere
auch „in den letzten Monaten seit der Erkrankung des Kindesvaters die höheren
Betreuungsanteile für die Kinder“ übernommen. Der Senat will damit nicht die
grundsätzliche Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters in Zweifel ziehen oder – darauf sei
27
28
29
30
grundsätzliche Erziehungsfähigkeit des Kindesvaters in Zweifel ziehen oder – darauf sei
vorsorglich ausdrücklich hingewiesen - auch nur durchgreifende Bedenken gegen seine
Eignung zur Wahrnehmung von Umgangskontakten einschließlich Übernachtungen der
Kinder in seinem Haushalt geltend machen; das Gericht sieht vielmehr aufgrund der
höheren psychischen Belastbarkeit der Kindesmutter hier nicht unerhebliche Vorteile im
Rahmen der Abwägung der für die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes
maßgeblichen Gesichtspunkte.
Zur Bindungstoleranz der Kindeseltern können derzeit keine tragfähigen Feststellungen
getroffen werden, weil diese bisher nicht ernstlich auf die Probe gestellt worden ist.
Bereits in engem zeitlichem Zusammenhang zur Trennung ist der Konflikt über den
künftigen Wohnsitz der Kinder ausgebrochen. Vorläufig haben sich die Kindeseltern –
nicht zuletzt wohl aufgrund des Senatsbeschlusses vom 2. Februar 2009 über die
einstweilige Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Beschlusses - trotz des
Streits über das Aufenthaltsbestimmungsrecht in der Versorgung und Betreuung der
Kinder im Übrigen arrangiert, was angesichts der Nachbarschaft des vormaligen
Familiengrundstücks und des großelterlichen Grundstücks väterlicherseits in O. nicht mit
allzu großen Schwierigkeiten verbunden war. Soweit der Kindesvater die Einschätzung
einer in seiner Person in höherem Maße vorhandenen Bindungstoleranz daraus
abzuleiten sucht, dass er mit einem Verbleib der Kinder im mütterlichen Haushalt unter
der Voraussetzung eines Verbleibs der Kindesmutter in O. einverstanden ist, vermag der
Senat dem nicht zu folgen. Der Senat sieht darin eher den – letztlich wohl fruchtlosen –
Versuch, die noch nicht überwundene Trennung der Kindeseltern durch
Aufrechterhaltung einer räumlichen Nähe und entsprechend intensiver persönlicher
Kontaktmöglichkeiten abzumildern oder gar die Chancen für eine Wiederherstellung der
Familie zu erhalten. Im Übrigen unterstützt die Tatsache, dass der Kindesvater den
Verbleib der Kinder in einem allerdings weiterhin in O. angesiedelten mütterlichen
Haushalt trotz seines nunmehr eigenen Antrages auf Übertragung des alleinigen
Aufenthaltsbestimmungsrechts weiterhin als die eigentlich beste aller aus seiner Sicht
denkbaren Lösungen ansieht, eher den Eindruck des Senates, dass er „im tiefsten
Inneren“ tatsächlich selbst der Ansicht ist, dass für die Kinder ein dauerhafter Aufenthalt
im mütterlichen Haushalt im Grundsatz vorzuziehen ist – eine Einschätzung, die dem
Kindesvater, der seine Kinder zweifelsohne in gleicher Weise liebt wie die Kindesmutter,
nicht leicht gefallen sein wird und die ihn deshalb besonders ehrt.
Auch unter dem Aspekt des Kontinuitätsgrundsatzes kann ein ganz entscheidendes
Übergewicht eines Elternteils nicht festgestellt werden. Dem unstreitig ganz
überwiegenden Anteil der Kindesmutter an der Betreuung und Erziehung im ersten
Lebensjahr der beiden Kinder kann heute kein entscheidendes Gewicht mehr
beigemessen werden. Zwar hat die Kindesmutter mit Blick auf die (teil-)stationäre
Behandlung des Kindesvaters auch in der jüngeren Vergangenheit zeitweise wieder die
Hauptanteile in der Versorgung erbracht; zuletzt aber haben sich unstreitig beide Eltern
wieder im Rahmen ihrer gerade auch zeitlichen Möglichkeiten bei der Betreuung und
Versorgung der Kinder abgewechselt, so dass sich ein nennenswerter Vorsprung eines
Elternteils schon unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität nicht konstatieren lässt.
Die Bindung der Kinder an ihre Eltern ist nahezu gleichermaßen gut ausgeprägt;
Anzeichen für eine negative Beeinflussung der Kinder gegen den jeweils anderen
Elternteil gibt es erfreulicherweise nicht. Auch unter dem Aspekt des Bindungsverhaltens
sieht der Senat allerdings eine – wenn auch nur marginale - Präferenz für die
Kindesmutter, bedingt möglicherweise durch die insgesamt und gerade auch seit der
Trennung objektiv vorhandenen größeren Betreuungsanteile. N. hat im laufenden
Verfahren durchgehend eine größere emotionale Nähe zur Kindesmutter zum Ausdruck
gebracht und dies mit dem Wunsch nach einem Verbleib in deren Haushalt, wo immer
das auch sein mag, verbunden. Sie verbindet mit einem Umzug nach Berlin ausdrücklich
positive Erwartungen. L. zeichnet insoweit ein etwas schwieriger aufzulösendes Bild. Er
hat ganz unzweifelhaft eine ganz besonders innige Beziehung zu seinem derzeitigen
Wohnort O. entwickelt und kann und will sich – auch das zieht sich durch das gesamte
Verfahren – einen für den Fall des Verbleibs im mütterlichen Haushalt unausweichlichen
Wegzug nicht wirklich vorstellen. Bei dieser Bindung handelt es sich aber um eine
weniger aus der Anhänglichkeit an den Kindesvater geborene, sondern ausschließlich
sozialräumig orientierte, also aus der Sicherheit des gewohnten sozialen Umfeldes, und
hier ausdrücklich der in der Schule gewonnenen Freunde, erwachsene Nähe. Auch für L.
aber ist die Kindesmutter – dies ergibt sich etwa aus der richterlichen Anhörung beim
Amtsgericht am 3. Dezember 2008 – der erste Ansprechpartner bei Sorgen und Nöten.
Beide Kinder verfügen darüber hinaus über gut ausgeprägte Bindungen zu den
Großeltern väterlicherseits, wobei ein Kontaktabbruch allein durch den Wegzug der
Kinder aus O. nicht zu besorgen ist. Weder ist ersichtlich, dass die Kindesmutter den
31
32
33
Kinder aus O. nicht zu besorgen ist. Weder ist ersichtlich, dass die Kindesmutter den
Kontakt der Kinder zu ihren Großeltern nicht fördern möchte noch stellt sich die
Entfernung zwischen O. und dem demnächst neuen Wohnort in Berlin ein
unüberwindbares Hindernis dar. Im Übrigen wird im Rahmen der Umgangsausübung des
Kindesvaters eine Kontaktpflege auch mit den Großeltern zwanglos aufrechterhalten
werden können.
Dem Kindeswillen konnte für sich betrachtet vorliegend keine entscheidende Bedeutung
beigemessen werden, dies schon deshalb nicht, weil beide Kinder aufgrund ihres
geringen Alters noch nicht in der Lage sind, einen autonomen Willen zu bilden. Vor
Vollendung des 12. Lebensjahres verfügen Kinder in aller Regel nicht über die
verstandesmäßige und seelische Reife, eine tragfähige, selbstbestimmte und
vernunftgeleitete Entscheidung über den künftigen Aufenthaltsort treffen zu können (vgl.
Johannsen/Henrich/Jäger, Eherecht, 3. Aufl., § 1671 Rdnr. 82; Brandenburgisches
Oberlandesgericht FamRZ 2003, 1953; OLG Stuttgart FamRZ 2006, 1857). Gleichwohl
war natürlich die besondere räumlich-soziale Verbundenheit von L. an seinen derzeitigen
Wohnort bei der Abwägung zu berücksichtigen.
Angesichts der vorstehend im Einzelnen erörterten Umstände des Streitfalles fällt die
Entscheidung des Senates nicht so eindeutig zugunsten der Kindesmutter aus, wie dies
noch das Amtsgericht für angezeigt erachtet hat. Der Senat verkennt insbesondere
nicht, dass beide Kinder ganz offensichtlich eine gleichermaßen innige wie tragfähige
Beziehung zu beiden Elternteilen haben und der – mit der Übertragung des
Aufenthaltsbestimmungsrechtes auf die Kindesmutter – unausweichliche Ortswechsel,
verbunden mit dem Verlust jedenfalls des alltäglich verfügbaren in O. bestehenden
Freundeskreises nach der schon nicht leicht zu tragenden Trennung der Eltern einen
schwerwiegenden Einschnitt im Leben beider Kinder bedeutet. Umso wichtiger ist
allerdings die Wahrung der geschwisterlichen Bindung, die zwar keines der Kinder konkret
hervorhebt oder ausdrücklich bewegt, die jedoch für die Stabilität der weiteren
Entwicklung von wesentlicher Bedeutung sein wird. Eine Trennung der in ihren
ausdrücklichen Wünschen zur örtlichen Präferenz divergierenden Kinder hat allerdings
erfreulicherweise keines der Elternteile auch nur in Betracht gezogen. Der Senat hält
allerdings dafür, dass auch L. mit dem Wechsel zum Ende des Schuljahres letztlich
klarkommen und auch an seinem zukünftigen neuen Wohnsitz in Berlin ein soziales
Umfeld finden wird, an dem er sich uneingeschränkt wohlfühlt. Ein Umzug ist für sich
betrachtet kein ungewöhnliches und Kindern nicht zumutbares Ereignis in der heute
insgesamt von größerer Mobilität gekennzeichneten Lebenswirklichkeit. Beide Kinder
haben bereits einmal einen Umzug von Berlin nach O. gut überstanden; es gibt keine
greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass L. in seiner Entwicklung Schaden nehmen könnte,
wenn er nunmehr erneut umziehen muss, mag er sich das derzeit auch nicht wirklich
vorstellen können. Der Senat hat keinen Zweifel daran, dass die Kindesmutter L. die
emotionale Unterstützung und Sicherheit wird geben können, dass er auch die
räumliche Trennung von seinem gewohnten Umfeld nach der Trennung seiner Eltern
verkraften wird. Der Wegzug der Kindesmutter aus O. ist immerhin von der rationalen
und insoweit ohne Weiteres nachvollziehbaren und auch glaubhaften Erwägung eines
ganz erheblich kürzeren Arbeitsweges mit der daraus erwachsenden Möglichkeit einer
zeitintensiveren persönlichen Betreuung der Kinder motiviert und keine „bloße Laune“
oder aus selbstsüchtigen Motiven heraus oder mit dem Ziel einer Entfremdung der
Kinder vom Vater und dessen Familienangehörigen erfolgt. Die Übertragung des
Aufenthaltsbestimmungsrechts für beide Kinder auf den Vater allein oder auch nur ganz
entscheidend unter dem Aspekt der Aufrechterhaltung eines gewohnten
Lebensumfeldes, insbesondere für L., kam nicht in Betracht, nachdem für die
Kindesmutter eine größere psychische Stabilität für die Kindererziehung und eine - wohl
auch aus der Übernahme geringfügig höherer Betreuungsanteile - doch etwas tiefer
gehende emotionale Verbundenheit der Kinder sprach - Aspekte, denen aus Sicht der
Senates bei der Abwägung aller einzubeziehenden Umstände letztlich das höhere
Gewicht beizumessen ist.
Soweit schließlich in dem bereits zitierten Schriftsatz des Kindesvaters vom 7. Mai 2009
eine Überforderung der Kinder bei Verbleib im mütterlichen Haushalt mit Blick auf einen
neuen Lebensgefährten der Kindesmutter in den Raum gestellt wird, sieht der Senat
dafür keinen Anlass. Allein aus dem Umstand, dass L. „einen fremden Mann in der
Wohnung der Mutter vorgefunden hat“, darauf schließen zu wollen, dass die
Kindesmutter „offensichtlich“ beabsichtigt, „sofort die Kinder nicht nur mit einer neuen
Umgebung, sondern mit einer neuen Familiensituation zu konfrontieren“, sprich mit
einem neuen Lebensgefährten, erscheint abwegig, jedenfalls nicht hinreichend fundiert.
Die Behauptungen bzw. Schlussfolgerungen hierzu sind derart substanzlos und
erkennbar ins Blaue hinein getätigt, dass sich eine weitergehende Ausforschung – von
Sachaufklärung kann schon keine Rede sein - von vornherein verbietet. Vielmehr
34
35
36
37
Sachaufklärung kann schon keine Rede sein - von vornherein verbietet. Vielmehr
erscheint es gerade mit Blick auf das Kindeswohl, aber auch für den weiteren Umgang
der Kindeseltern miteinander angezeigt, die erforderlich gewordene Entscheidung über
den künftigen Aufenthaltsort der Kinder alsbald zu treffen mit der Folge, dass für alle
Beteiligten insoweit Sicherheit besteht, sie sich darauf einrichten und die Lösung der
weiter anstehenden Fragen ohne die Last eines schwebenden Aufenthaltstatus der
Kinder angehen können.
Beide Kindeseltern, insbesondere aber die Kindesmutter als Inhaberin des
Aufenthaltsbestimmungsrechtes werden zukünftig beweisen müssen, dass sie den
augenscheinlich nicht überwundenen Paarkonflikt zurückstellen und im Interesse ihrer
beiden Kinder zu einer Gesprächskultur zurückfinden können, die die weiterhin
erforderlichen gemeinsamen Entscheidungen der elterlichen Sorge ermöglicht, die
ständige Bereitschaft zur Kommunikation und Kooperation erfordert. Angesprochen ist
hier nach der – mangels Vereinbarung der Eltern leider gerichtlich zu treffenden -
Entscheidung zum ständigen Aufenthalt der Kinder zuvorderst eine Regelung zum
Umgangsrecht des Vaters. Einzuschließen ist dabei auch die Möglichkeit einer auch
zukünftigen Kontaktpflege mit den Großeltern väterlicherseits, die die Kinder bisher
offensichtlich als wichtige Ansprechpartner erlebt haben. Die Kindeseltern werden sich
vor Augen halten müssen, dass ihnen – abgesehen vom Wohnsitz der Kinder – weiterhin
gemeinsam die elterliche Verantwortung obliegt, die jede negative Einflussnahme oder
Druckausübung auf die Kinder, sei dies auch nur unterschwellig, in Bezug auf den
anderen Elternteil verbietet und ein erhebliches Maß an Großzügigkeit erfordert, die
schon bei einem regelmäßigen Informationsaustausch beginnt und bei einer
sachgerechten Umgangsregelung nicht endet und die – so der Eindruck des Senates im
Anhörungstermin - derzeit leider etwas in den Hintergrund geraten zu sein scheint. Die
Kindeseltern sollten sich für den Fall künftig auftretender Schwierigkeiten im Interesse
ihrer beiden Kinder auch nicht scheuen, die Unterstützung von Fachkräften des
Jugendamtes oder von diesem vermittelter Träger in Anspruch zu nehmen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 FGG. Der Umstand, dass die vom
Amtsgericht vorgenommene Auflösung der gemeinsamen elterlichen Sorge über das –
den Kernpunkt des Streits bildende - Aufenthaltsbestimmungsrecht hinaus keinen
Bestand hatte, bleibt ohne kostenrechtliche Auswirkung. Zum einen begründet die über
die Anträge der Parteien hinaus gehende Entscheidung des Amtsgerichts keine
Streitwerterhöhung; zum anderen war zu berücksichtigen, dass der Kindesvater im
Beschwerdeverfahren erstmals einen eigenen Antrag auf Übertragung des alleinigen
Aufenthaltsbestimmungsrechts gestellt hat und insoweit unterlegen ist.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 30 Abs. 2 KostO.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach §§ 621 e Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist nicht
veranlasst, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum