Urteil des OLG Brandenburg vom 14.03.2017

OLG Brandenburg: unbeteiligter dritter, unternehmen, firma, genehmigung, verjährungsfrist, entlastung, öffentlich, baustelle, aktivlegitimation, pastor

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
13. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 U 24/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 823 Abs 1 BGB, § 852 BGB, § 4
Nr 3 VOB B
Bauvertrag: Verkehrssicherungspflicht des Auftragnehmers und
des Subunternehmers
Tenor
Die Berufungen der Beklagten zu 1. und zu 2. werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten zu je 1/2.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages
abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leisten.
Gründe
I.
Am 13.7.2000 genehmigte das Brandenburgische Straßenbauamt unter Verweis auf
Ziffer 5. der der Genehmigung beigefügten Baumschutzmerkblätter ein Bauvorhaben
der I. GmbH zur Verlegung einer Kabelschutzrohranlage und die Benutzung der
Bundesstraße 1.. im streitbetroffenen Abschnitt. Die I. GmbH beauftragte die A. SA,
diese wiederum ihre damals noch unter dem Namen A. GmbH firmierende Tochter, die
Beklagte zu 1. mit der Durchführung der Arbeiten. Mit Vertrag vom 18.5.2000 übertrug
die Beklagte zu 1. sämtliche Leistungen auf die H. GmbH & Co. KG (im folgenden H.). In
Ziffer 2. Abs. 2 des Vertrages ist der Vertragsgegenstand mit "Planung, incl. Einholung
aller Genehmigungen, Erstellung und Dokumentation einer Kabelschutzrohranlage
einschließlich aller Nebenarbeiten" bezeichnet. Unter Ziffer 3. Abs. 2 des Vertrages heißt
es, "dass der Auftragnehmer für die Einhaltung aller vorgenannten Vorschriften und
Regeln verantwortlich ist." In der Anlage 2 Teil 3 zum v.g. Vertrag sind unter der
Überschrift „Leistungsbeschreibung Bauleistungen“ als Nebenleistungen besondere
Leistungen definiert. Als solche sind u. a. „die Sicherung von Bäumen sowie die
Feststellung der Pflügbarkeit der Trasse“ aufgeführt. Wegen der Einzelheiten des
Vertrags wird auf Blatt 55 ff. verwiesen.
Die Firma H. ihrerseits beauftragte die Firma M. GmbH (im folgenden M.) als weiteren
Subunternehmer mit der Durchführung der Verlegearbeiten. Die Trassenplanung wie
auch die Dokumentation übertrug sie der Ingenieurgesellschaft mbH S.. Die Firma M.
band die Beklagte zu 2. als weitere Subunternehmerin vertraglich ein. Diese führte die
Kabelverlegearbeiten im Bereich der Bundesstraße 1… anschließend durch.
Aus Anlass einer Routinekontrolle des streitbetroffenen Straßenabschnitts durch die
Straßenmeisterei E. am 20.9.2000 stellte sich heraus, dass die Kabel im wurzelnahen
Bereich verlegt worden waren. Davon unterrichtete die Straßenmeisterei das
Brandenburgische Straßenbauamt mit Schreiben vom 21.9.2000. Dieses seinerseits
informierte die Bauherrin, die I. GmbH. Am 6.10.2000 fand im Auftrag von Mitarbeitern
des Dezernats 4 des Brandenburgischen Straßenbauamtes unter Beteiligung des
Sachverständigen F., Vertretern des Straßenbauamtes, dem Geschäftsführer der
Beklagten zu 2. und der Firma M. ein Ortstermin statt. Am 17.11.2000 informierte der
Sachverständige F. das Straßenbauamt, dass 27 genauer bezeichnete Bäume zur
Gefahrenabwehr zu fällen seien. Die mit den Fällarbeiten beauftragte Firma stellte der
Straßenbaumeisterei 4.819,80 DM in Rechnung. Den insgesamt durch die
Wurzelbeschädigung bei den Kabelverlegearbeiten entstandenen Schaden an den
Bäumen schätzt der Sachverständige F. in seinem Gutachten vom 4.12.2000 auf
190.206 DM.
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Der Justitiar des Brandenburgischen Straßenbauamtes, der Zeuge W., wurde erstmals
am 21.1.2001 mit dem Vorgang befasst. Anschließend führten das Brandenburgische
Straßenbauamt und die Beklagte zu 2. erfolglos Verhandlungen über die
streitgegenständliche Forderung.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagten zu verurteilen, an ihn als Gesamtschuldner 110.961,61 € nebst 5
% Zinsen seit 8.11.2003 zu zahlen.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme der Klage im
Wesentlichen stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Aktivlegitimation
des Klägers folge aus Art. 90 Abs. 2 GG. Die Einrede der Verjährung greife nicht durch.
Für den Beginn der Verjährungsfrist bei Schadensersatzansprüchen einer öffentlich
rechtlichen Körperschaft sei maßgeblich auf die Kenntnis desjenigen Mitarbeiters
abzustellen, der für die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruches zuständig
sei. Das sei hier der Justitiar des Straßenbauamtes W.. Beide Beklagten hafteten unter
dem Gesichtspunkt einer Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht. Nicht nur den im
Ergebnis bauausführenden Betrieb, sondern auch denjenigen, der im Rahmen der
Subunternehmerkette zwar nicht Bauherr sei, jedoch andere Unternehmer als
Subunternehmer einschalte, träfen Sorgfaltspflichten. Die Beklagte zu 1. als
Generalunternehmerin treffe die Pflicht, für die Einhaltung der Sorgfaltspflichten
gegenüber dem Eigentümer der jeweiligen Alleebäume Sorge zu tragen. Dieser Pflicht
genüge ein Unternehmen nicht allein durch die Beauftragung eines bis dahin
verlässlichen Subunternehmers. Auch bei Einschaltung von Subunternehmern verbleibe
eine Sorgfaltspflicht in Form einer Organisationspflicht. Die Beklagte zu 1. hätte
organisatorisch sicherstellen müssen, dass die Vorschriften zum Schutz der Bäume bei
den Baumaßnahmen beachtet und eingehalten werden. Sie hätte jedenfalls
stichprobenartige Kontrollen vornehmen müssen, ob die Vorschriften zum Schutz der
Bäume eingehalten würden. Dieser Verpflichtung sei sie nach ihrem eigenen Vorbringen
nicht nachgekommen. Die Haftung der Beklagten zu 2. als bauausführendes
Unternehmen ergebe sich daraus, dass sie gegenüber dem Eigentümer der Alleebäume
eine Sorgfaltspflicht verletzt habe. Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht des für die
Standsicherheit von Bäumen Verantwortlichen bei Baumaßnahmen folge aus den RASLG
4 und der DIN 18920. Deren Vorschriften habe die Beklagte zu 2. verletzt, indem sie die
Trasse mittels Risshaken in einer Entfernung von 1 m bis 2 m von den Baumstämmen
durchführte. Die von ihr behauptete Bedenkenanzeige gegenüber ihrem Auftraggeber
und dessen Weisung, trotz der Bedenken wie geschehen, die Kabel mittels Pflugtechnik
zu verlegen, seien zu ihrer Entlastung ungeeignet. Eine vertragliche Verpflichtung, die im
Ergebnis zu Beschädigungen des Eigentums eines am Vertrag nicht beteiligten Dritten
führe, könne nicht geeignet sein, die gesetzlich normierte Schadensersatzpflicht aus §
823 BGB aufzuheben. Wegen der näheren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die
Gründe der angefochtenen Entscheidung.
Mit ihren Berufungen verfolgen beide Beklagten ihr erstinstanzlichen Begehren,
Klageabweisung, weiter. Beide bezweifeln weiterhin die Aktivlegitimation des Klägers.
Außerdem halten beide übereinstimmend an der von ihnen bereits erstinstanzlich
erhobenen Einrede der Verjährung fest.
Die Beklagte zu 1. trägt darüber hinaus vor, nicht Generalunternehmerin, wie es in erster
Instanz immer geheißen habe und wie auch im Tatbestand der angefochtenen
Entscheidung festgestellt sei, gewesen zu sein, sondern Generalübernehmerin. In dieser
Eigenschaft habe sie der ihr obliegenden Verkehrssicherungspflicht durch Übertragung
sämtlicher mit der Kabelverlegung anfallenden Arbeiten auf ein als zuverlässig
bekanntes Unternehmen Genüge getan. Kontroll- und Überwachungspflichten träfen sie
nicht mehr. Außerdem sei nicht ersichtlich, dass selbst bei Ausübung ihrer Kontroll- und
Überwachungspflicht die eingetretenen Wurzelschädigungen vermeidbar gewesen seien.
Sie habe keinerlei Einflussmöglichkeiten auf die Arbeitsweise der Beklagten zu 2.,
sondern lediglich auf die ihres Vertragspartners, nämlich der H. gehabt.
Die Beklagte zu 2. wendet außerdem mangelndes Verschulden ein. Dazu wiederholt sie
ihr Vorbringen aus erster Instanz, von ihrem Auftraggeber zur Durchführung der
streitgegenständlichen Leistungen gezwungen worden zu sein.
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Die Beklagten beantragen,
das am 17.1.2007 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts
Cottbus abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
Die gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO zulässigen Berufungen der Beklagten bleiben im
Ergebnis ohne Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht einen Schadensersatzanspruch des Klägers aus § 823
Abs. 1 BGB gegen jeden der Beklagten bejaht. Das Vorbringen der Beklagten in ihren
Berufungsbegründungen rechtfertigt eine abweichende Entscheidung nicht.
1. Zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche wegen der an den Alleebäumen
an der Bundesstraße 1… im Abschnitt 30 eingetretenen Schäden ist der Kläger
aktivlegitimiert. Seine Aktivlegitimation folgt aus Art. 90 Abs. 2 GG. Im Rahmen der
Auftragsverwaltung der Länder für den Bund vertreten die Länder den Bund kraft
Gesetzes; in diesem Rahmen sind sie grundsätzlich berechtigt, Zahlungsansprüche, die
im Zusammenhang mit der Erfüllung dieses Auftrags gegenüber Dritten entstehen, im
eigenen Namen geltend zu machen (BVerwG NVwZ 1983, 471, 471). Die den Ländern
zugewiesene Auftragsverwaltung bezieht sich ihrem Gegenstand nach auf den
gesamten Umfang der Bundesstraßenverwaltung, und zwar grundsätzlich auch insoweit,
als der Bund Träger der (internen finanziellen) Straßenbaulast ist (BVerwG NVwZ 1983,
471 ff.). In dem der Auftragsverwaltung dadurch gezogenen Rahmen erfüllen die Länder
zwar Bundesaufgaben; sie tun dies aber - dem Wesen der Auftragsverwaltung
entsprechend - aus eigener und selbstständiger Verwaltungskompetenz (BVerwG,
a.a.O.). Diese verfassungsrechtliche Regelung gilt - da Art. 90 Abs. 2 GG insofern keine
Ausnahme macht - grundsätzlich auch für die Durchsetzung von Zahlungsansprüchen.
Die von der Kompetenz nach Art. 90 Abs. 2 GG ebenfalls erfasste Vermögensverwaltung
erstreckt sich auf jede Tätigkeit, die in Vollzug der öffentlich-rechtlichen
Infrastrukturaufgabe der Bereitstellung von Fernstraßen vorgenommen wird (vgl. auch
Brandenburgisches Oberlandesgerichts, OLG-NL 2001, 193 ff.). Anderes gilt nur für die
Verwaltung des staatlichen Vermögens, das nicht der Erfüllung einer ordentlichen
Aufgabe dient (vgl. Maunz-Dürig, GG, Art. 90, Rn. 46), etwa entwidmete
Straßengrundstücke.
Die mit der zur Entscheidung anstehenden Klage geltend gemachten Ansprüche auf
Schadensersatz stehen im unmittelbaren Zusammenhang mit der den Ländern
zugewiesenen Straßenbaulast für die Bundesstraßen. Pflanzungen an der Straße gelten
entweder als Bestandteil oder jedenfalls als deren Zubehör. Die Geltendmachung von
Schadensansprüchen für die durch die Kabelverlegearbeiten an ihren Wurzeln
beschädigten Bäumen rechnen ausgehend davon zur Verwaltung des Vermögens, das
hoheitlichen Zwecken, nämlich der Unterhaltung öffentlicher Straßen dient.
2. Die Beklagten zu 1. und 2. haften für die infolge der Tiefbauarbeiten - bereits in erster
Instanz unstreitig - eingetretenen Schäden an den Alleebäumen der Bundesstraße 1…,
wie sie sich aus den Feststellungen des Sachverständigen F. in seinem Gutachten
ergeben. Denn die Beklagten haben ihre Verkehrssicherungspflichten zum Schutz
unbeteiligter Dritter zumindest fahrlässig verletzt. Die Verkehrssicherungspflicht hat die
allgemeine Rechtspflicht zum Inhalt, im Verkehr Rücksicht auf die Gefährdung anderer zu
nehmen. Sie beruht auf dem Gedanken, dass jeder, der eine Gefahrenquelle schafft, die
notwendigen Vorkehrungen zum Schutz gefährdeter Rechtsgüter Dritter zu treffen hat.
a) Diese Pflicht trifft auch die Beklagte zu 1.. Verkehrssicherungspflichtig ist, wer für den
Bereich der Gefahrenquelle verantwortlich und in der Lage ist, die zur Gefahrabwehr
erforderlichen Maßnahmen zu treffen (BGH VersR 2006, 803). Auf Baustellen treffen die
Sicherungspflichten zunächst den Bauherrn als Veranlasser der gefährlichen Aktivitäten
(Werner-Pastor, Der Bauprozess, 11. Aufl., Rn. 1852; MüKo-Wagner, BGB, 4. Aufl., § 823
Rn. 448; BGH NJW 1993, 1647, 1648). Nach Baubeginn ist dies in erster Linie der
Bauunternehmer, der mit seinen Bauarbeiten die Gefahrenquelle unmittelbar schafft
und auch die tatsächliche Verfügungsgewalt hat, um die notwendigen und zumutbaren
Sicherungsmaßnahmen zu treffen und für geordnete Verhältnisse auf der Baustelle zu
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Sicherungsmaßnahmen zu treffen und für geordnete Verhältnisse auf der Baustelle zu
sorgen. Ihn trifft die primäre Verkehrssicherungspflicht (Werner-Pastor, a.a.O., Rn. 1846,
m.w.N.). Allein oder primär verkehrssicherungspflichtig mag die Beklagte zu 1., die weder
die Planungsleistungen selbst vorgenommen noch die schadensverursachenden
Bauarbeiten durchgeführt hat, nicht gewesen sein. Sie ist allerdings trotz vollständiger
Weitergabe des ihr erteilten Auftrags an die H. (begrenzt) verkehrssicherungspflichtig
geblieben.
Nach der Rechtsprechung des 11. Zivilsenats des Brandenburgischen
Oberlandesgerichts, der der erkennende Senat sich anschließt, bleiben dem
Generalunternehmer selbst dann, wenn er seine Verkehrssicherungspflicht im Einzelfall
delegiert, Kontroll- und Überwachungspflichten. Diese sind darauf gerichtet, ob der
übernehmende Unternehmer die übertragenen Sicherungsmaßnahmen auch tatsächlich
(zuverlässig) ausführt (Brb. OLG, BauR 2003, 119, 200). Bereits die Annahme einer
wirksamen Übertragung der der Beklagten zu 1. als Generalunternehmerin obliegenden
Verkehrssicherungspflichten auf die H. begegnet Bedenken. Es ist schon zweifelhaft, ob
die bloße Aufzählung der Baumschutzmaßnahmen in der Anlage 2 zu dem mit der H.
geschlossenen Vertrag unter dem Stichwort Nebenleistungen überhaupt den
Anforderungen an die geforderte klare Absprache bei Übertragung von
Verkehrssicherungspflichten genügt. Angesichts dessen, dass unter der vertraglichen
Regelung zur Haftung (Ziffer 12 des Vertrages) lediglich eine solche zur Freistellung der
Beklagten zu 1. enthalten ist, und dem Vertrag auch ansonsten keine ausdrückliche
Absprache zur Delegation von allgemeinen Schutzpflichten zu entnehmen ist, ist eine
vertragliche Übertragung der die Beklagte zu 1. treffenden Verkehrssicherungspflichten
auf die H. nicht ersichtlich. Ob für eine klare Absprache zur Übertragung der
Verkehrssicherungspflichten die Erwähnung der Sicherungsmaßnahmen zur
Unfallverhütung unter den als Nebenleistungen definierten besondere Leistungen
ausreichend ist, kann im Ergebnis offen bleiben. Zwar zählen
Unfallverhütungsmaßnahmen auf Baustellen zu den typischen
Verkehrssicherungspflichten. Dass diese als besondere Leistung auf die H. delegiert
werden sollte, kann angesichts der Formulierung in den Eingangssätzen zu den
besonderen Leistungen keinem Zweifel unterliegen, betrifft aber nicht zwingend die
gegenüber Dritten bestehenden weiteren Verkehrssicherungspflichten. Letztlich kann die
Frage der wirksamen Übertragung aller Verkehrssicherungspflichten hier offen bleiben.
Jedenfalls sind der Beklagten zu 1. Kontroll- und Überwachungspflichten verblieben.
Der Einwand der Beklagten zu 1., entgegen den Feststellungen im angefochtenen Urteil
nicht Generalunternehmerin, sondern -übernehmerin zu sein, führt zu keiner anderen,
insbesondere nicht zu einer von der erstinstanzlichen Würdigung abweichenden
Beurteilung. Dass das Landgericht die Beklagte zu 1. im unstreitigen Tatbestand des
erstinstanzlichen Urteils als Generalunternehmerin bezeichnet hat, beruht auf der
Bezeichnung der Beklagten zu 1. als Generalunternehmerin in dem am 18.5.2000 mit
der H. geschlossenen Vertrag, im Übrigen aber auch auf dem eigenen Vortrag der
Beklagten zu 1. im Schriftsatz vom 4.3.2004, dem das Vorbringen im Schriftsatz vom
9.12.2003 nicht entgegen steht. Es kann letztlich dahinstehen, ob die Beklagte zu 1. mit
ihrem diesbezüglichen Vortrag nicht bereits gem. § 531 Abs. 2 ZPO wegen der
Bindungswirkung des Tatbestandes (§§ 314, 529 ZPO) ausgeschlossen ist. Zwischen den
Parteien hat trotz der Bezeichnung der Beklagten zu 1. als Generalunternehmerin in
erster Instanz zu keiner Zeit Streit darüber bestanden, dass die Beklagte zu 1. selbst
keine Werkleistungen erbracht hat und keinen dafür eingerichteten Betrieb unterhält,
sondern alle Werkleistungen durch Subunternehmer hat ausführen lassen. Diese
Unterscheidung in der Begrifflichkeit und in Art und Umfang an der Baubeteiligung
rechtfertigt indessen eine abweichende Beurteilung in Bezug auf ihre Pflichtenlage,
Vorkehrungen zum Schutz von Rechtsgütern Dritter aus Anlass der
Kabelverlegearbeiten zu treffen, nicht. Als Generalübernehmerin ist sie wie ein
Generalunternehmer durch einen Werkvertrag mit dem Besteller/Bauherrn verbunden.
Gleichzeitig besteht zu dem von ihr beauftragten Nachunternehmen eine
werkvertragliche Beziehung. Bei dieser Sachlage ist sie hinsichtlich der
Verkehrssicherungspflicht auf Baustellen eher einem Bauunternehmer als dem Bauherrn
vergleichbar. Die von ihr zitierten Grundsätze zur vollständigen Entlastung von der
Verkehrssicherungspflicht bei Auswahl eines als zuverlässig geltenden und sachkundigen
Unternehmens gelten indessen für den Bauherrn (vgl. Werner-Pastor, a.a.O., Rdnr.
1853).
Bei dieser Sachlage kommt es für das (Fort-)Bestehen von Verkehrssicherungspflichten
der Beklagten zu 1. einzig darauf an, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie
trotz vollständiger Vergabe der Kabelverlegearbeiten an Nachunternehmen die Baustelle
sicherungstechnisch „beherrscht“ hat und unmittelbar in der Lage gewesen ist,
Gefahren zu sehen und diese abzuwenden. Dabei kann eine „Beherrschung“ der
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Gefahren zu sehen und diese abzuwenden. Dabei kann eine „Beherrschung“ der
Baustelle - wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend
ausgeführt hat - nach Übertragung der Durchführung der Bauleitung an die H. lediglich
darin bestehen, dass die Beklagte zu 1. als Hauptunternehmerin durch entsprechende
Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen gegenüber ihrem unmittelbaren
Nachunternehmer sicherstellt, dass dieser seinerseits die zum Schutz von Rechtsgütern
Dritter erforderlichen Sicherungsvorkehrungen trifft oder bei Beauftragung eines
weiteren Nachunternehmens dieses zur Einhaltung der erforderlichen
Schutzvorkehrungen anhält und dessen Verkehrssicherungspflichterfüllung überwacht.
Von einer derartigen Möglichkeit des Hauptunternehmens, die Einhaltung der
Verkehrssicherungspflichten durch das letztlich bauausführende Unternehmen zu
gewährleisten, ist auch bei einer längeren Kette von Nachunternehmerverträgen wie
vorliegend durch entsprechende vertragliche Gestaltung der jeweiligen
Nachunternehmerverträge auszugehen.
Die generelle Gefährlichkeit der Kabelverlegearbeiten für Baumwurzeln war sowohl für die
Beklagte zu 1. als auch für jeden weiteren Baubeteiligten ohne weiteres erkennbar. Das
Bauvorhaben betraf Tiefbauarbeiten u. a. entlang der B 1…, die am Straßenrand
Baumbewuchs aufweist. Die entsprechende Kenntnis der Beklagten zu 1. von den
vorhandenen Gegebenheiten folgt aus Anlage 2 zum v. g. Vertrag. Darin ist in der
Einleitung unter der Überschrift „Allgemeines“ eine Beschreibung der Umgebung, durch
welche die zu errichtende Kabelschutzrohranlage verlaufen wird, enthalten. Darüber
hinaus hätte jedoch auch die Möglichkeit konkreter Kenntnisnahme von der Gefährdung
der Baumwurzeln und eine Abwendungsmöglichkeit durch Gewährleistung eines nach
unten verlagerten Überwachungssystems bestanden. Gem. Ziffer 6 des Vertrages
betreffend die Beteiligung von Unterauftragnehmern hat sich die Beklagte zu 1. ein
Mitspracherecht bei der Einschaltung weiterer Nachunternehmer sowie den Widerruf der
zu deren Einstellung erforderlichen Genehmigung aus wichtigem Grund, gem. Ziffer 7.1
Abs. 5 des Vertrages ausdrücklich auch rechtsverbindliche Erklärungen gegenüber
Behörden und Dritten vorbehalten sowie in Ziffer 7. 4 Abs. 7 mit ihrem unmittelbaren
Nachunternehmer, der H., Koordinationsbesprechungen vereinbart. Mit Hilfe der
Koordinierungsbesprechungen sowie des Mitwirkungsrechts bei der Beteiligung von
Unterauftragnehmern war es der Beklagten zu 1. unschwer möglich, das
vertragsgemäße Verhalten nicht nur ihres unmittelbaren Nachunternehmens, sondern
weitergehend auch das von dessen etwaigen Nachunternehmen zu überwachen und auf
etwaiges Fehlverhalten durch Zwischenschaltung ihres unmittelbaren
Nachunternehmers in Form geeigneter Anweisungen oder sonstiger Maßnahmen zu
reagieren. Diesen Kontrollpflichten ist die Beklagte zu 1. unstreitig nicht nachgekommen.
Sie hat selbst nicht geltend gemacht, über die sorgfältige Auswahl und der Beauftragung
der H. hinaus zum weiteren Bauverlauf Kontrollen durchgeführt zu haben, insbesondere
kontrolliert zu haben, ob die H. den von ihr beauftragten Nachunternehmer, die Firma
M., sorgfältig ausgewählt hat und dieser wiederum mit der Beklagten zu 2. ein
zuverlässiges fachkundiges Unternehmen beauftragt und dessen Verlegearbeiten
jedenfalls stichprobenartig überwacht hat. Soweit sie gegen die Annahme einer
fortbestehenden Kontroll- und Überwachungspflicht einwendet, sie hätte selbst bei
Feststellung von Ausführungsmängeln der Beklagten zu 2. mangels unmittelbarer
vertraglicher Beziehungen zu dieser auf die Bauausführung keinen Einfluss nehmen
können, kann dies nicht zu ihrer Entlastung gereichen. Richtig ist zwar, dass sie die
Beklagte zu 2. mangels vertraglicher Beziehung nicht unmittelbar hätte anweisen
können, die zum Schutz der Baumwurzeln erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die
Beklagte zu 1. traf aber die Pflicht, sich wegen der Einhaltung der
Baumschutzmaßnahmen an ihre Vertragspartnerin, die H., zu halten, um
sicherzustellen, dass diese, gegebenenfalls wiederum über ihren Nachunternehmer M.
auf die Beklagte zu 2. einwirkt und auf die Einhaltung der Baumschutzmaßnahmen
dringt.
Hinsichtlich der Schadenshöhe fehlt es bereits an einer Auseinandersetzung mit den
erstinstanzlichen Entscheidungsgründen, auf die der Senat ergänzend verweist.
b) Die Beklagte zu 2. haftet dem Kläger als primär verkehrssicherungspflichtiges
bauausführendes Unternehmen auf Ersatz der bei der Kabelverlegung eingetretenen
Baumwurzelschäden in der ausgeurteilten Höhe. Unabhängig davon, ob - wie die
Beklagte zu 2. geltend macht - sie ihrerseits von ihrem Auftraggeber, der Firma M., trotz
ihrer Bedenkenanzeige angewiesen worden ist, die Kabelverlegearbeiten wie geschehen,
durchzuführen, würde eine Anweisung der Firma M. im Verhältnis zum Kläger ihr
Verschulden nicht entfallen lassen. Maßgeblich in der Beziehung zwischen der Beklagten
zu 2. und dem Kläger ist nicht ihre vertragliche Weisungsgebundenheit zu ihrem
Auftraggeber, sondern einzig die zu den Rechtsgütern Dritter. Für deren Schutz ist sie
als bauausführendes Unternehmen im Rahmen ihrer allgemeinen
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als bauausführendes Unternehmen im Rahmen ihrer allgemeinen
Verkehrssicherungspflicht ungeachtet der vertraglichen Innenbeziehung zu ihrem
Auftraggeber verantwortlich. Kollidieren wie im vorliegenden Fall vertragliche Pflichten
einerseits und die allgemeine Verkehrssicherungspflicht andererseits, bleibt dem
Vertragspartner gegebenenfalls nichts anderes übrig, als sich einer Weisung seines
Auftraggebers zum Schutz der absoluten Rechtsgüter zu widersetzen. Den Kläger trifft
auch kein Mitverschulden, welches die Haftung der Beklagten zu 2. dem Umfang nach
reduzieren oder gänzlich ausschließen würde, § 254 BGB. Zwar ist in der
Genehmigungsplanung der Bau des Kabelrohrschachts mittels Kabelpflugs in einem
Abstand von 2 m von den Bäumen vorgesehen, der konkrete Arbeitsablauf mithin der
genehmigenden Behörde bekannt gewesen. Daraus folgt indessen noch kein
Mitverschulden im Sinne des § 254 BGB. Zum einen entbindet die generelle Erlaubnis
einer bestimmten Arbeitsweise den Adressaten der Genehmigung nicht von seinen
allgemeinen Sorgfaltspflichten, wie sie sich aus den dem Genehmigungsbescheid
beigefügten Baumschutzunterlagen ergeben. Zum anderen haben
Genehmigungsplanung und die darauf erteilte Genehmigung einerseits und die
Verkehrssicherungspflicht andererseits voneinander abweichende Zielrichtungen. Anders
als die allgemeinen Verkehrssicherungspflichten dient die vom Landesstraßenbauamt
für das Vorhaben entlang der Bundesstraße 1… erteilte Genehmigung primär der
Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie bei Abgrabungen -
wie sie vorliegend in Rede stehen - dem Schutz des Straßenkörpers
(Marschall/Schroeter/Kastner, BFStrG, 5. Aufl., § 9 Rn. 1 ff). Bei deren Erteilung können
von der Natur der Sache her nur solche gefahrträchtigen Umstände berücksichtigt
werden, die der Genehmigungsbehörde erkennbar sind, wie etwa Vorhandensein anderer
Versorgungsleitungen o.ä.. Die konkrete Reichweite der Wurzeln der Alleebäume lässt
sich erst bei Durchführung der genehmigten Tiefbauarbeiten feststellen. Diesem
Umstand trägt die Genehmigung mit der Auflage Ziffer 5 Rechnung.
Zur weiteren Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen im
erstinstanzlichen Urteil, denen die Beklagte zu 2. mit ihrer Berufungsbegründung nicht
entgegen getreten ist.
3. Mit ihren Verjährungseinreden dringen die Beklagten ebenfalls nicht durch.
Die Verjährungsfrist für die hier einzig in Betracht kommenden Ansprüche aus
unerlaubter Handlung beträgt drei Jahre. Sie beginnt mit Kenntnis vom Schaden und der
Person des Schädigers, § 852 BGB a.F. i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB. Bei
Unternehmen und öffentlich-rechtlichen Körperschaften kommt es auf die Kenntnis der
Person des nach der innerbetrieblichen Organisation zuständigen Bediensteten, bei der
Verfolgung von Regressansprüchen grundsätzlich auf die Kenntnis der Bediensteten der
Regressabteilung an (BGH NJW 2000, 1411). Dieser ist Wissensvertreter im Sinne des §
166 BGB. Vorliegend ist dem Justitiar des Sachgebiets 5, der im Landesstraßenbauamt
für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen zuständig ist, der
Schadensvorgang 27/00 am 1.1.2001 vorgelegt worden. Die Klage ist am 15.10.2003,
und damit rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist, bei Gericht eingegangen und den
Beklagten am 7. bzw. 10.11.2003 zugestellt worden. Entgegen der Auffassung der
Beklagten ist nicht auf einen früheren Zeitpunkt der Kenntniserlangung abzustellen. Die
Bediensteten des Landesstraßenbauamtes, die den Ortstermin wahrgenommen haben
und denen die Mitteilung über die Notwendigkeit von Baumfällmaßnahmen zuging,
waren nicht die für den Verjährungsbeginn maßgeblichen Wissensvertreter des Landes
im Sinne des § 166 BGB. Sind, wie hier, innerhalb der regressbefugten Körperschaft
mehrere Stellen für die Bearbeitung eines Schadensfalls zuständig, kommt es
grundsätzlich auf den Kenntnisstand der Bediensteten der für Regresse zuständigen
Stelle/Abteilung an. Angehörige einer anderen Abteilung können allenfalls deren
Vertreter sein unter der Voraussetzung, dass sie maßgeblich die Klärung der
tatsächlichen Anspruchsvoraussetzungen herbeizuführen haben. Unerlässliche
Voraussetzung für eine Wissenszurechnung ist dann jedoch, dass der betreffende
Bedienstete, der früher als der Bedienstete der Regressabteilung Kenntnis erlangt hat,
(zumindest) mit der Vorbereitung von Regressansprüchen betraut ist, BGH, NJW 2000,
1411, 1413. Daran fehlt es für die übrigen schon vor dem 11.1.2001 mit dem
Baumschadensfall befassten Bediensteten. Diese sind ausschließlich im Rahmen der
Aufgaben der Straßenbaulast des Straßenbauamtes mit einer auf Schadensfeststellung
zur Sicherstellung gefahrlosen Straßenverkehrs gerichteten Zielsetzung eingeschritten
bzw. vom Sachverständigen über die Notwendigkeit von Baumfällmaßnahmen
unterrichtet worden.
4. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf §§ 97, 100 Abs. 1 ZPO, die zur
vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
34 Es besteht keine Veranlassung, die Revision zuzulassen, weil die dafür in § 543 Abs. 2
ZPO gesetzlich bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
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