Urteil des OLG Brandenburg vom 18.04.1997

OLG Brandenburg: gesellschaft, strafbefehl, rechtskraftwirkung, erlass, link, quelle, feststellungsklage, sammlung, krankenkasse, verjährung

1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 62/05
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Tenor
Der Antrag des Beklagten vom 29.4.2005, ihm für ein Berufungsverfahren gegen das am
1.4.2005 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder)
Prozesskostenhilfe zu gewähren, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Beklagte war alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der … gesellschaft
mbH, über deren Vermögen mit Beschluss vom 18.4.1997 das Insolvenzverfahren
eröffnet wurde. Die Klägerin, ein Sozialversicherungsträger, machte dort nicht
abgeführte Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung geltend, erhielt in diesem
Insolvenzverfahren jedoch keine Zahlungen.
Am 31.8.1998 erließ das Amtsgericht Frankfurt (Oder) unter dem Aktenzeichen 4.10 Cs
134 Js 175/97 einen rechtskräftig gewordenen Strafbefehl gegen den Beklagten wegen
eines Vergehens nach § 266a StGB (Bl. 18-19R d. A.). Der dort angegebene Tatzeitraum
betrifft die Monate Oktober 1996 bis Januar 1997.
Am 9.10.1999 unterzeichnete der Beklagte ein Schuldanerkenntnis (Bl. 7 d. A.), worin er
erklärte, der Klägerin für nicht abgeführte Beitragsanteile der Arbeitnehmer der …
gesellschaft mbH für September 1996 bis Dezember 1996 einen Betrag in Höhe von
29.626,15 DM zu schulden und auf die Einrede der Verjährung zu verzichten.
Die Klägerin erwirkte gegen den Beklagten unter dem 7.8.2002 beim Amtsgericht
Frankfurt (Oder) einen Urkunden-Vollstreckungsbescheid (Az.: 11 B 3732/01, Bl. 8. d. A.),
der als Rechtsgrund Folgendes ausweist:
Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 a StGB wegen nicht
abgeführter Arbeitnehmeranteile aus dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag der Firma
… gesellschaft mbH, …, für September 1996 bis Dezember 1996 gemäß
Forderungsschreiben vom 10.08.1999 und Schuldanerkenntnis vom 09.10.1999.
Dieser Vollstreckungsbescheid wurde dem Beklagten am 21.11.2002 zugestellt. Ein
Rechtsmittel legte er dagegen nicht ein.
Mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) zum Aktenzeichen 3.1 IN 105/03 wurde
über das Vermögen des Beklagten am 24.4.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet.
Die Klägerin meldete mit Schreiben vom 22.5.2003 (Bl. 6 d. A.) beim Insolvenzverwalter
über das Vermögen des Beklagten ihre durch Schuldanerkenntnis des Beklagten vom
9.10.1999 und durch Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom
07.08.2002, Aktenzeichen 11 B 3732/01, rechtskräftig titulierte Forderung in Höhe von
19.191,37 € einschließlich titulierten Zinsen und Kosten des Mahnverfahrens zur
Insolvenztabelle an. Als Rechtsgrund gab die Klägerin dabei Schadensersatzforderung
aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 II BGB in Verbindung mit § 266a StGB an.
Der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Beklagten stellte die angemeldete
Forderung zur Tabelle fest. Der Beklagte erkannte die Forderung der Höhe nach
ebenfalls an, widersprach jedoch dem Rechtsgrund hinsichtlich des Betrages von
15.147,61 € (Bl. 9 d. A.).
Die Klägerin meint, da der angemeldete Anspruch nicht der Restschuldbefreiung
unterliege, bestehe ein Feststellungsinteresse an diesem Rechtsgrund. Der Beklagte
hafte für die nicht abgeführten Sozialversicherungsbeiträge, weil er gegen ein ihrem
Schutz dienendes Gesetz verstoßen habe. Zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen seien
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
Schutz dienendes Gesetz verstoßen habe. Zu den jeweiligen Fälligkeitsterminen seien
ausreichend Mittel vorhanden gewesen, um die Arbeitnehmeranteile zahlen zu können.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass der Widerspruch des Beklagten gegen den im Insolvenzverfahren
über das Vermögen des Beklagten vor dem Amtsgericht Frankfurt (Oder), Aktenzeichen
3.1 IN 105/03, zur unter der laufenden Nummer 6 der Insolvenztabelle festgestellten
Forderung der Klägerin angegebenen Rechtsgrund unbegründet ist.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat gemeint, er habe sich nicht nach § 266 a StGB strafbar gemacht. Er
hat behauptet, er habe sich damals in einer schwierigen und ausweglosen Situation
befunden und habe resigniert. Es sei aber so, dass die von ihm vertretene GmbH zu den
jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten bereits nicht mehr leistungsfähig gewesen sei. Die
Löhne und die Zahlungen zur Krankenkasse seien nur verzögert gezahlt worden. Aus
diesem Umstand ergebe sich auch, dass die Klägerin die Beiträge gestundet habe. Der
GmbH seien im Januar 1997 überraschend und plötzlich Forderungen in Höhe von
550.0000 DM verlorengegangen, weil der Bauherr aus einem großen Bauvorhaben
jegliche Zahlungen verweigert habe.
Das Landgericht hat durch am 1.4.2005 verkündetes Urteil der Klage stattgegeben.
Dieses Urteil ist dem Beklagten am 8.4.2005 zugestellt worden. Mit am 2.5.2005 beim
Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz hat der Beklagte für ein beabsichtigtes
Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe beantragt.
Der Beklagte meint, der rechtskräftige Vollstreckungsbescheid und der Strafbefehl
stellten keinen unwiderlegbaren Beweis für die Verwirklichung des objektiven und
subjektiven Tatbestandes des § 266a StGB dar. Dies habe er substantiiert bestritten.
Die Klägerin ist dem Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten entgegengetreten. Sie
meint, das Vorliegen des rechtskräftigen Vollstreckungsbescheides verwehre es dem
Beklagten, sich noch einmal in der Tatsacheninstanz dagegen zu wehren.
II. Der Prozesskostenhilfeantrag des Beklagten war zurückzuweisen. Die von ihm
beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.
Die von der Klägerin erhobene Klage ist zulässig und begründet.
Die Zulässigkeit der Klage ergibt sich aus den §§ 184 Satz 1, 177 Abs. 2, 302 Nr. 1 InsO.
Die Klägerin hat gemäß § 174 Abs. 2 InsO eine Forderung gegen den Beklagten aus
einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung zur Tabelle angemeldet. Der
Beklagte hat sein ihm dagegen zustehendes Widerspruchsrecht ausgeübt. Dies eröffnet
der Klägerin die Feststellungsklage gegen den Beklagten. Nur auf diese Weise kann sie
verhindern, dass ihr bereits titulierter Anspruch aus dem Vollstreckungsbescheid der
Restschuldbefreiung unterfällt.
Die Klage ist auch begründet.
Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Beklagte wegen der Handlungen, wegen derer
die Klägerin gegen ihn Schadensersatzansprüche geltend macht, gegen sich einen
Strafbefehl hat rechtskräftig werden lassen. Es ist auch unerheblich, dass der Beklagte
die Forderungen der Klägerin ausdrücklich anerkannt hat.
Entscheidend ist, dass zwischen den Parteien rechtskräftig feststeht, dass der Beklagte
der Klägerin einen Betrag in Höhe von 15.147,61 € aus einer vorsätzlich begangenen
unerlaubten Handlung schuldet. Dies steht fest, nachdem der Vollstreckungsbescheid
des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 7.8.2002 (Az.: 11 B 3732/01), rechtskräftig
geworden ist. Zwar findet beim Erlass eines Vollstreckungsbescheides keine
Schlüssigkeitsprüfung statt. Jedoch geht die ständige Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs, der der Senat sich anschließt, davon aus, dass ein
Vollstreckungsbescheid nach Ablauf der Einspruchsfrist in vollem Umfang materiell
rechtskräftig wird (vgl. hierzu Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 700 Rn 15 m. w.
N.). Eine der Fallgruppen, bei denen die Rechtsprechung ausnahmsweise
Rechtskraftdurchbrechungen zulässt (sittenwidrige Kreditverträge, sittenwidrige
Bürgschafts- und Mithaftungsübernahmeverträge, Partnerschaftsverträge, usw.) liegt
hier ersichtlich nicht vor. Nichts anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass die Klägerin
den Vollstreckungsbescheid im Urkundenverfahren erwirkt hat. Da der Beklagte weder
25
26
27
den Vollstreckungsbescheid im Urkundenverfahren erwirkt hat. Da der Beklagte weder
gegen den Urkunden-Mahnbescheid noch gegen den Urkunden-Vollstreckungsbescheid
Rechtsmittel eingelegt hat, ist der Vollstreckungsbescheid vorbehaltslos rechtskräftig
geworden.
Der rechtskräftige Vollstreckungsbescheid hindert das erkennende Gericht im
vorliegenden Verfahren daran, anzunehmen, dass der Klägerin gegen den Beklagten
kein Anspruch gemäß § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266a StGB in Höhe von 15.147,61 €
zusteht. Das Gericht muss wegen der Rechtskraftwirkung des Vollstreckungsbescheides
davon ausgehen, dass der Beklagte sich gemäß § 266a StGB strafbar gemacht hat.
Die dagegen vom Beklagten im vorliegenden Verfahren erhobenen Einwendungen
können nicht mehr berücksichtigt werden. Er hätte sie geltend machen müssen, als die
Klägerin gegen ihn ihre Forderungen titulieren ließ.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 118
Abs. 1 Satz 4 ZPO.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum