Urteil des OLG Brandenburg vom 13.03.2017
OLG Brandenburg: körperverletzung, schmerzensgeld, zustellung, adhäsionsverfahren, strafzumessung, entschädigung, geldstrafe, quelle, sammlung, strafantrag
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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Strafsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
1 Ss 4/09, 1 Ws 12/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 224 Abs 1 Nr 3 StGB, § 404
Abs 1 S 3 StPO
Strafverfahren wegen gefährlicher Körperverletzung:
Voraussetzungen eines hinterlistigen Überfalls; förmliche
Zustellung eines außerhalb der Hauptverhandlung gestellten
Adhäsionsantrages
Leitsatz
Die Voraussetzungen für die Annahme eines hinterlistigen Überfalls gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 3
StGBGemäß § 404 Abs. 1 Satz 3 StPO muss der außerhalb der Hauptverhandlung gestellte
Adhäsionsantrag dem Angeklagten förmlich zugestellt werden.
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 7. kleinen Strafkammer des
Landgerichts Potsdam vom 7. August 2008 im Rechtsfolgenausspruch mit den
dazugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Aufgehoben wird des Weiteren die im Adhäsionsverfahren erfolgte Verurteilung des
Angeklagten zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz mit den
zugehörigen Feststellungen.
Die weitergehende Revision wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass der
Schuldspruch wie folgt abgeändert wird: Der Angeklagte ist der vorsätzlichen
Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) schuldig.
Um Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des
Landgerichts Potsdam zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Potsdam verurteilte am 14. Dezember 2007 den Angeklagten wegen
gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, deren
Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Darüber hinaus hat das Amtsgericht
den Angeklagten verurteilt, wegen der von ihm am 17. Juni 2007 zum Nachteil des
Verletzten ….. begangenen Straftat Schadensersatz in Höhe von 149,62 € sowie
Schmerzensgeld in Höhe von 3.000,00 € zu zahlen, wobei von einer Entscheidung über
einen weitergehenden Anspruch des Verletzten auf Schmerzensgeld abgesehen wurde.
Das Urteil wurde hinsichtlich der zivilrechtlichen Ansprüche für vorläufig vollstreckbar
gegen eine Sicherheitsleistung in Höhe von 3.000,00 € erklärt. Die gegen diese
Entscheidung erhobene Berufung des Angeklagten hat die 7. kleine Strafkammer des
Landgerichts Potsdam mit Urteil vom 7. August 2008 verworfen.
Mit dem bei Gericht am 14. August 2008 eingegangenen Anwaltsschriftsatz hat der
Angeklagte Revision eingelegt und diese, nach Zustellung des Urteils am 15. September
2008, mit weiterem, bei Gericht am 15. Oktober 2008 angebrachten Anwaltsschriftsatz,
begründet. Darüber hinaus hat der Angeklagte Beschwerde gegen den
Bewährungsbeschluss der 7. kleinen Strafkammer des Landgerichts Potsdam eingelegt,
soweit ihm, dem Angeklagten, auferlegt worden war, an den Zeugen und Geschädigten
….. monatliche Zahlungen in Höhe von 100,00 € zu leisten.
II.
1.
344, 345 StPO form- und fristgerecht angebracht worden.
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2.
teilweise Erfolg.
Die aufgrund der erhobenen Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils zeigt einen
materiell-rechtlichen Rechtsfehler in der rechtlichen Würdigung zum Nachteil des
Revisionsführers auf.
a)
wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB (hinterlistiger
Überfall) nicht. Zwar hat das Landgericht Potsdam rechtfehlerfrei einen Überfall des
Revisionsführers auf den Zeugen ...., der zu den festgestellten Verletzungen geführt hat,
angenommen, wodurch sich der Angeklagte einer (einfachen) vorsätzlichen
Körperverletzung schuldig gemacht hat. Dieser Überfall war entsprechend den
Feststellungen des Landgerichts Potsdam jedoch nicht hinterlistig im Sinne von § 224
Abs. 1 Nr. 3 StGB.
Ein Überfall ist ein unvorhergesehener Angriff, auf den sich der Angegriffene nicht
rechtzeitig einstellen kann. Hinterlistig ist ein Überfall jedoch nur dann, wenn der Täter
planmäßig, in einer auf Verdeckung seiner wahren Absicht gerichteten Weise vorgeht,
um gerade hierdurch dem Angegriffenen die Abwehr eines nicht erwarteten Angriffs zu
erschweren und eine Vorbereitung auf die Verteidigung auszuschließen (vgl. bereits
RGSt 65, S. 66; ebenso: BGH GA 68, S. 370, BGH NJW 2004, S. 1966). Hierbei genügt
das bloße Ausnutzen eines Überraschungsmomentes allein noch nicht (vgl. BGH GA 61,
S. 241; BGH MDR (H) 1981, S. 267, BGH NJW 2004, S. 1966; BGH NStZ 2007, S. 702
m.w.N., Schönke/Schröder/Stree, StGB, 27. Aufl. 2008, § 224 Rdnr. 10 m.w.N.).
Ein solcher hinterlistiger Überfall gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 3 StGB lag nach den
Feststellungen des Landgerichts Potsdam jedoch nicht vor. Auch wenn der Täter das
Opfer plötzlich von hinten angreift, müsste hierin eine planmäßige, auf Verdeckung
seiner wahren Absichten hinaus laufende Vorgehensweise liegen. Ein solches
planmäßiges auf Verdeckung ausgerichtetes Verhalten des Revisionsführers kann - wie
die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 12.
Januar 2009 zutreffend ausführt - den vom Landgericht Potsdam getroffenen
Feststellungen nicht entnommen werden. Danach fasste der Revisionsführer nämlich
seinen Entschluss, den Zeugen .... überraschend von hinten kräftig zu schlagen oder zu
stoßen, unmittelbar nach einer verbalen, situativ bedingten Auseinandersetzung, in
deren Folge sich der Zeuge .... vom Revisionsführer abgewandt und nur zwei oder drei
Schritte entfernt hatte. Demnach kann der Angeklagte und Revisionsführer lediglich das
Überraschungsmoment des arglosen Zeugen ausgenutzt haben. Dies ergibt sich auch
aus den Ausführungen des Berufungsgerichts zur Strafzumessung, wonach die
Tatbegehung (Bl. 12 UA) strafmildernd
berücksichtigt worden ist. Dieser Spontanentschluss steht jedoch der Annahme eines
hinterlistigen Überfalls entgegen. Im Ergebnis hat sich damit der Angeklagte einer
(einfachen) vorsätzlichen Körperverletzung zum Nachteil des Zeugen .... gemäß § 223
Abs. 1 StGB schuldig gemacht; der nach § 230 Abs. 1 StGB erforderliche Strafantrag ist
gestellt worden.
Da vorliegend - wie die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer
Stellungnahme vom 12. Januar 2009 zutreffend ausführt - ausgeschlossen werden kann,
dass in einer neuen Hauptverhandlung noch zusätzliche dem Beschwerdeführer
nachteilige Erkenntnisse, insbesondere im Hinblick auf ein planmäßiges Vorgehen,
getroffen werden können, kann der Senat gemäß § 354 Abs. 1 StPO die erforderliche
Korrektur des Schuldspruchs selbst vornehmen.
b)
Berufungsgericht aufgrund der fehlerhaften Annahme einer gefährlichen
Körperverletzung der Strafzumessung einen falschen Strafrahmen zu Grunde gelegt hat.
Während der Regelstrafrahmen nach § 224 StGB von 6 Monaten bis zu 10 Jahren
Freiheitsstrafe reicht, lautet er im Fall der (einfachen) vorsätzlichen Körperverletzung
nach § 223 StGB auf Freiheitsstrafe von 1 Monat bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe in Höhe
von 5 bis zu 360 Tagenssätzen. Mithin ist nicht auszuschließen, dass das
Berufungsgericht bei Anwendung des für den Angeklagten günstigeren Strafrahmens zu
einer geringeren Strafe gelangt wäre.
c)
Adhäsionsverfahren zur Zahlung von Schmerzensgeld und Schadensersatz an den
Zeugen .... verurteilt worden ist. Ausweislich der Verfahrensakte wurde entgegen § 404
Abs. 1 Satz 3 StPO der Adhäsionsantrag bislang nicht dem Angeklagten förmlich
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Abs. 1 Satz 3 StPO der Adhäsionsantrag bislang nicht dem Angeklagten förmlich
zugestellt. Der Sitzungsniederschrift ist darüber hinaus nicht zu entnehmen, dass der
Adhäsionsantrag mündlich in der Hauptverhandlung gestellt worden ist. Dem zufolge
fehlt es an einem wirksamen Adhäsionsantrag, was von Amts wegen zu prüfen ist (BGH
NStZ-RR 2005, S. 380, BGH StV 2008, 127).
Das Landgericht Potsdam wird entweder vor der neuen Hauptverhandlung den „Antrag
auf Entschädigung des Verletzten im Strafverfahren“ des Zeugen .... vom 15. Oktober
2007 (Bl. 46 d.A.) dem Angeklagten förmlich zustellen oder dem Zeugen .... in der
neuen Hauptverhandlung die Möglichkeit einräumen müssen, seinen Adhäsionsantrag
mündlich zu stellen, was im Sitzungsprotokoll zu dokumentieren ist.
III.
Eine Entscheidung über die vom Revisionsführer erhobene Beschwerde gemäß § 304
Abs. 1 StPO gegen den Bewährungsbeschluss des Landgerichts Potsdam vom 7. August
2008 ist nicht veranlasst, da das zur erneuten Verhandlung berufene Landgericht
Potsdam ggfs. auch insoweit eine neue Entscheidung treffen wird.
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