Urteil des OLG Brandenburg vom 06.12.2006

OLG Brandenburg: unterhalt, leistung des arbeitgebers, kredit, unfallversicherung, eltern, nettoeinkommen, beitrag, umschuldung, darlehen, belastung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 UF 33/07
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 1601 BGB, § 1612b Abs 5 BGB,
§ 1629 Abs 3 BGB, § 323 ZPO
Kindesunterhalt; Abänderungsklage: Abzugsfähige Positionen
bei der Ermittlung des Nettoeinkommens; wesentliche Änderung
der Verhältnisse
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Bernau vom 6. Dezember
2006 teilweise abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin in Abänderung der Jugendamtsurkunden
vom 25. November 2004 betreffend die Kinder N… (Urk.- Reg.-Nr. 626/2004) und M…
(Urk.-Reg.-Nr. 625/2004) folgenden monatlichen Unterhalt zu zahlen,
- für N…
- 257 € von Juli 2005 bis Februar 2006
- 240 € von März 2006 bis Juni 2007 und
- 237 € ab Juli 2007
abzüglich von Juli 2005 bis Oktober 2007 monatlich gezahlter 223 €,
zuzüglich 6,37 % Zinsen auf den auf die Zeit von Juli 2005 bis Februar 2006 entfallenden
Unterhaltsteilbetrag von insgesamt 272 € seit dem 1. Februar 2006,
- für M…
- 224 € von Juli 2005 bis Februar 2006,
- 199 € von März bis November 2006,
- 240 € von Dezember 2006 bis Juni 2007 und
- 237 € ab Juli 2007
abzüglich von Juli 2005 bis Oktober 2007 monatlich gezahlter 171 €,
zuzüglich 6,37 % Zinsen auf den auf die Zeit von Juli 2005 bis Februar 2006 entfallenden
Unterhaltsteilbetrag von insgesamt 224 € seit dem 1. Februar 2006.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Berufungswert beträgt 1.159 €.
Gründe
I.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten, ihrem seit dem 6.12.2006 von ihr geschiedenen
Ehemann, Unterhalt für die gemeinsamen, in ihrem Haushalt lebenden Kinder N…,
geboren am … 1997, und M…, geboren am ... 2000.
Der Beklagte verpflichtete sich durch Jugendamtsurkunden vom 25.11.2004, ab 11/04
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Der Beklagte verpflichtete sich durch Jugendamtsurkunden vom 25.11.2004, ab 11/04
monatlichen Unterhalt von 223 € für N… und von 171 € für M… zu zahlen. Die Klägerin
forderte den Beklagten durch Schreiben vom 8.6.2005 auf, ab 7/05 höheren monatlichen
Unterhalt zu zahlen, und zwar für N… 257 € und für M… 213 €. Sie ging von einem
Einkommen des Beklagten von 1.893 € aus und entnahm den Unterhaltsbetrag der
nächst höheren Einkommensgruppe. Dieses Begehren hat die Klägerin in erster Instanz
weiterverfolgt, der Beklagte ist dem entgegengetreten.
Das Amtsgericht hat die Klage durch das am 6.12.2006 verkündete Urteil abgewiesen.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf
das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie meint, vom
Einkommen des Beklagten dürfe die Rate für den während der Ehe aufgenommenen
Pkw-Kredit von 190 € nicht abgezogen werden, weil dieser Kredit umgeschuldet worden
und in einem anderen Kredit mit höherem Darlehensbetrag aufgegangen sei. Der
ursprüngliche Kredit habe der Finanzierung eines gemeinsam genutzten, großen
Fahrzeugs gedient, das die Familie benötigt habe. Ein solcher Bedarf bestehe nicht
mehr. Vom Beklagten könne daher verlangt werden, die Belastung zu verringern.
Zudem sei eine Höherstufung gerechtfertigt.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten in Abänderung der Jugendamtsurkunden vom 25.11.2004, betreffend
die Kinder N… (Urk.- Reg.-Nr. 626/2004) und M… (Urk.-Reg.-Nr. 625/2004) zu verurteilen,
an sie folgenden monatlichen Unterhalt zu zahlen,
- für N…
- 257 € von Juli 2005 bis Februar 2006
- 240 € ab März 2006,
abzüglich gezahlter 223 € monatlich von Juli 2005 bis Oktober 2007,
- für M…
- 224 € von Juli 2005 bis Februar 2006,
- 199 € von März bis November 2006,
- 240 € ab Dezember 2006,
abzüglich gezahlter 171 € monatlich von Juli 2005 bis Oktober 2007,
darüber hinaus auf den Unterhaltsrückstand von 272 € für N… und denjenigen von
224 € für M… Zinsen von 6,37 % seit dem 1.2.2006,
und das angefochtene Urteil dementsprechend abzuändern.
Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung und verteidigt das angefochtene
Urteil.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der
gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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II.
Die Berufung der Klägerin, die das vor der Scheidung der Parteien als
Prozessstandschafterin gemäß § 1629 Abs. 3 BGB eingeleitete Unterhaltsverfahren
ungeachtet der zwischenzeitlich erfolgten Ehescheidung fortsetzen darf (s. dazu
Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1629, Rz. 11), ist im Wesentlichen
begründet. Die Klägerin kann vom Beklagten für die Kinder N… und M… für die Zeit ab
Juli 2005 höheren Unterhalt, als durch Jugendamtsurkunden tituliert, verlangen. Die
Jugendamtsurkunden vom 25.11.2004 sind daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang abzuändern, § 323 Abs. 1 und 4 ZPO.
Der Beklagte muss für seine Kinder gemäß §§ 1601 ff. BGB Unterhalt in dem von der
Klägerin begehrten Umfang zahlen. Lediglich für die Zeit ab Juli 2007 ist der
Unterhaltsbetrag aufgrund der von diesem Zeitpunkt an geltenden Tabelle (Anlage I zu
den Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.2007) um
3 € je Kind geringer als beantragt. Aufgrund seines Einkommens ist der Beklagte auch in
der Lage, den verlangten Unterhalt zu zahlen.
Wie sich aus den vorliegenden Besoldungsnachweisen ergibt, hat der Beklagte im Jahr
2005 ein Nettoeinkommen von insgesamt 30.497,17 € erzielt, von dem nach Abzug der
Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung von 2.120,88 € noch 28.376,29 €
verbleiben. Dies entspricht einem Monatsbetrag von 2.364,69 €. Zieht man davon, was
die Klägerin zugesteht, 5 % für berufsbedingte Aufwendungen, das sind 118,23 €, sowie
die Beiträge zur Unfallversicherung von 16,53 € und zu den Lebensversicherrungen von
monatlich 97,48 € (vgl. dazu BGH, FamRZ 2005, 1871 ff.) ab, ferner den Nettobetrag der
vermögenswirksamen Leistung des Arbeitgebers von rd. 5 €, stellt sich das Einkommen
auf 2.127,45 €.
Die Kreditrate von 190,06 € ist ebenfalls vom Einkommen des Beklagten abzuziehen.
Denn die Parteien haben einen Kredit, auf den monatliche Raten in dieser Höhe von April
2004 an sechs Jahre lang zu zahlen sind, während der Ehe aufgenommenen. Die Kinder
teilen die Lebensstellung ihrer Eltern, sodass Verbindlichkeiten, die die Eltern
gemeinsam eingegangen sind und die deshalb auch bei Fortbestand der Ehe den
Familienunterhalt geschmälert hätten, grundsätzlich abzugsfähig sind, jedenfalls
solange, wie hier, der Regelbetrag gesichert ist (vgl. dazu Kalthoener/Büttner/Niepmann,
a.a.O., Rz. 1002). Daher kommt es darauf, ob der mit dem Darlehen finanzierte Pkw
weiterhin benötigt wird, ebenso wenig an, wie darauf, dass der Beklagte eine
Umschuldung vorgenommen und das Darlehen aufgestockt hat. Lediglich der Abzug der
auf der Umschuldung beruhenden höheren Belastung ist nicht gerechtfertigt und wird im
Übrigen vom Beklagten auch nicht geltend gemacht.
Da der Beklagte die Raten zahlt, was die Klägerin nicht mehr in Abrede gestellt hat, ist
der Betrag von 190,06 € abzuziehen. Das anrechenbare Einkommen des Beklagten
stellt sich auf rd. 1.937 €. Bei diesem Einkommen ist der zu zahlende Kindesunterhalt
grundsätzlich der Einkommensgruppe 5 der Unterhaltstabelle (Anlage I zu den
Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.2005) zu
entnehmen. Vorliegend erscheint es jedoch gerechtfertigt, den Unterhalt der
nächsthöheren Einkommensgruppe 6 zu entnehmen, was einem Betrag von 334 € für
N… und 276 € für M… entspricht. Denn der Beklagte ist nur seinen beiden Kindern
gegenüber unterhaltspflichtig, bei einer Höhergruppierung bleibt der
Bedarfskontrollbetrag von 1.150 € ohne weiteres gewahrt (1.937 € - 334 € - 276 € =
1.327 €; vgl. dazu Nr. 11.2 der genannten Leitlinien; s.a. Kalthoener/Büttner/Niepmann,
a.a.O., Rz. 116). Somit beläuft sich der Zahlbetrag nach Abzug des hälftigen Kindergelds
gemäß § 1612 b Abs. 5 BGB auf 257 € für N… und 199 € für M….
Im Jahr 2006 ist das Einkommen des Beklagten im Wesentlichen unverändert. Das
Nettoeinkommen beläuft sich nach den vorgelegten Besoldungsnachweisen auf
insgesamt 30.329,51 €. Nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung
von 2.285,88 € verbleibt ein Jahresbetrag von 28.043,63 €, der einem Monatsbetrag von
2.336,97 € entspricht. Setzt man davon wiederum 5 % für berufsbedingte Aufwendungen
von 116,85 €, den Beitrag zur Unfallversicherung von 18,46 €, die Beiträge zu den
Lebensversicherungen von 97,48 €, den Nettobetrag der vermögenswirksamen
Leistungen des Arbeitgebers von rd. 5 € und die auf den Monat umgelegte
Steuernachzahlung von 2,30 € (= 27,57 € : 12) ab, ergibt sich ein Monatseinkommen
von 2.096,88 €. Unter weiterer Berücksichtigung der Kreditrate von 190,06 € stellt sich
das anrechenbare Einkommen auf rd. 1.907 €.
Damit kann die Klägerin, wie oben dargestellt, den geltend gemachten und von Februar
2006 an der Einkommensgruppe 5 entnommenen Unterhalt für N… und M… ohne
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2006 an der Einkommensgruppe 5 entnommenen Unterhalt für N… und M… ohne
weiteres verlangen.
Da der am ... 2000 geborene M… im Dezember 2006 das sechste Lebensjahr vollendet
hat, erhöht sich der Unterhalt für ihn und ist, wie derjenige für N…, der 2. Altersstufe der
Tabelle zu entnehmen. Der Unterhalt beläuft sich auf 317 € je Kind, nach Abzug des
hälftigen Kindergeld ergibt sich ein Zahlbetrag von je 240 €.
Im Jahr 2007 hat sich das Einkommen des Beklagten leicht verringert. Es beläuft sich auf
der Grundlage der Besoldungsnachweise für Januar bis September 2007 sowie Oktober
bis Dezember 2006 auf 29.339,06 €. Nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und
Pflegeversicherung von 2.285,88 € verbleibt ein Jahresbetrag von 27.053,18 €, der einem
Monatsbetrag von 2.254,43 € entspricht. Setzt man davon wiederum 5 % für
berufsbedingte Aufwendungen von 112,72 €, den Beitrag zur Unfallversicherung von
18,46 €, die Beiträge zu den Lebensversicherungen von 97,48 € sowie den Nettobetrag
der vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers von rd. 5 € ab, ergibt sich ein
Monatseinkommen von 2.020,77 €. Unter weiterer Berücksichtigung der Kreditrate von
190,06 € stellt sich das anrechenbare Einkommen auf rd. 1.831 €. Wie oben dargestellt,
ist eine Höhergruppierung gerechtfertigt, sodass die Klägerin weiterhin die geltend
gemachten Beträge von 240 € (= 317 € - 77 €) je Kind verlangen kann. Der
Bedarfskontrollbetrag von 1.100 € ist nicht beeinträchtigt (1.831 € - 317 € - 317 € =
1.197 €).
Allerdings sind durch die seit dem 1.7.2007 geltende Tabelle (Anlage I zu den genannten
Unterhaltsleitlinien, Stand 1.7.2007) die Unterhaltsbeträge geringfügig herabgesetzt
worden, sodass sich bei im Übrigen unveränderten Zahlen der Unterhalt auf 314 € je
Kind stellt, was nach Abzug des hälftigen Kindergelds einem Zahlbetrag von 237 €
entspricht.
Die oben ermittelte Erhöhung des Unterhalts stellt eine wesentliche Änderung im Sinne
von § 323 Abs. 1 ZPO dar. Der nunmehr zu zahlende Unterhalt für N… liegt zwar für die
Zeit ab März 2006 nur um 7,6 % bzw. 6,3 % über dem bisher aufgrund der
Jugendamtsurkunde vom 25.11.2004 zu zahlenden Betrag und erreicht die 10 %-Grenze,
die bei der Prüfung der Wesentlichkeit häufig angenommen, für Prozessvergleiche
allerdings abgelehnt wird (vgl. dazu BGH, FamRZ 1986, 790; FamRZ 1992, 539), nicht.
Bei der 10 %-Schwelle handelt es sich aber nicht um eine schematische Grenze (vgl.
Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 323, Rz. 33). Sie stellt vielmehr nur einen Richtwert
dar, der unter Berücksichtung der Umstände des Einzelfalls flexibel zu handhaben ist
(vgl. Verfahrenshandbuch/Schael, § 1, Rz. 401; Johannsen/Henrich/ Brudermüller, a.a.O.,
§ 323 ZPO, Rz. 78). Daher ist der Unterhalt für beide Kinder, wie geschehen, zu erhöhen,
zumal die Erhöhung des Unterhalts für M… die 10 %-Grenze durchgehend bei weitem
übersteigt.
Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB auch der Höhe nach
(vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 288, Rz. 14 „Anhang zu § 288:
Basiszinssatz„) gerechtfertigt.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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