Urteil des OLG Brandenburg vom 22.06.2010
OLG Brandenburg: negative feststellungsklage, treu und glauben, geschäftsführer, rückzahlung, provision, dienstleistungsvertrag, rüge, rechtshängigkeit, original, leistungsklage
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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 U 66/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Tenor
Das Versäumnisurteil des 6. Zivilsenates vom 22.6.2010 - 6 U 66/09 - wird aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 11.6.2009 verkündete Urteil der 1. Kammer
für Handelssachen des Landgerichts Potsdam - 51 O 164/08 - abgeändert. Die Klage
wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen mit
Ausnahme der durch die Säumnis der Beklagten entstandenen Kosten, die diese trägt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe von 115 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages
abwenden, wenn nicht die Klägerin vor Beginn der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von
115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Parteien standen miteinander in Geschäftsverbindung. Der frühere Geschäftsführer
der Klägerin Dr. M… H… und Frau C… A… sind Lebensgefährten. Frau A… war zunächst
Prokuristin, später Geschäftsführerin der Beklagten. Im Zeitpunkt der für den
Rechtsstreit maßgeblichen Ereignisse war Dr. B… G… Geschäftsführer der Beklagten.
Dr. H… wurde am 29.5.2008 als Geschäftsführer der Klägerin abberufen. Die Klägerin
begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von Provisionszahlungen für
Personalvermittlungen, die Dr. H… ihrer Auffassung nach zu Unrecht ohne Rechtsgrund
veranlasst habe.
Die Parteien schlossen am 21.3.2007 einen Dienstleistungsvertrag und eine dazu
gehörige Vergütungsvereinbarung (Bl. 17-19 d. A.). Danach sollte die Beklagte die
Klägerin bei der Suche und der Vermittlung von neuen Mitarbeitern unterstützen. Nach
der Vergütungsvereinbarung sollte die Beklagte u. a. eine Vermittlungsprovision von €
8.000,00 zzgl. MwSt. für jeden von ihr an die Klägerin vermittelten Mitarbeiter erhalten.
Die Provision sollte drei Monate nach Einstellung des Mitarbeiters fällig werden,
vorausgesetzt dieser befindet sich dann noch in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis
mit der Klägerin. Nach § 5 Nr. 1 des Dienstleistungsvertrages sollten Änderungen und
Ergänzungen des Vertrages nur wirksam sein, wenn sie schriftlich erfolgen. Dies sollte
auch für die Aufhebung des Schriftformerfordernisses gelten.
Die Beklagte berechnete der Klägerin am 21.12.2007 für die Vermittlung der Mitarbeiter
P…, S… und T… jeweils 8.000,00 € netto. Diese Rechnungen beglich die Klägerin am
23.1.2008 und am 20.2.2008. Unter dem 25.4.2008 berechnete die Beklagte für die
Vermittlung des Mitarbeiters D… 8.000,00 €. Die Klägerin bezahlte die Rechnung am
Folgetag.
Die Parteien unterzeichneten am 21.4.2008 eine Vereinbarung (Bl. 20 d. A.), nach der
mehrere Änderungen ihres Dienstleistungsvertrages ab 1.5.2008 in Kraft treten sollten.
Danach sollte die Vermittlungsprovision der Beklagten nunmehr € 8.300,00 zzgl. MwSt.
für jeden von ihr an die Klägerin vermittelten Mitarbeiter betragen und die Provision am
ersten Arbeitstag des von der Beklagten vermittelten Mitarbeiters fällig sein.
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Die Beklagte stellte der Klägerin mit Datum vom 1.5.2008 drei Rechnungen über jeweils
€ 8.300,00 netto betreffend die Mitarbeiter K…, Ko… und B… (Bl. 21, 23 und 25 d. A.),
die die Klägerin am 16.5.2008 in voller Höhe bezahlte. Mit diesen drei Mitarbeitern war
jeweils ein Anstellungsvertrag am 8.4.2008 mit Arbeitsbeginn zum 1.5.2008 geschlossen
worden, der sodann von der Klägerin jeweils mit Schreiben vom 13.6.2008 innerhalb der
Probezeit zum 30.6.2008 gekündigt wurde.
Die Beklagte berechnete der Klägerin für die Vermittlung der Mitarbeiter W… und We…,
mit denen am 16.4.2008 bzw. 10.4./21.4.2008 Arbeitsverträge unterzeichnet wurden,
am 1.5.2008 ebenfalls jeweils € 8.300,00 netto (Bl. 29 und 30 d. A.). Diese Rechnungen
beglich die Klägerin am 21.5.2008.
Mit Schreiben vom 14.7.2008 forderte die Klägerin die Beklagte zur Rückzahlung von
insgesamt € 33.500,00 € auf; mit Anwaltsschreiben vom 20.8.2008 ließ die Klägerin die
Beklagte mahnen und eine Zahlungsfrist bis zum 31.8.2008 setzen, die die Beklagte
verstreichen ließ.
Die Beklagte hat am 2.9.2008 einen Mahnbescheid gegen die Klägerin in Höhe von €
40.000,00 erwirkt. Nach Widerspruch der Klägerin wurde das Mahnverfahren an das
Landgericht Potsdam, Az.: 2 O 387/08, abgegeben. Im streitigen Verfahren hat die
Beklagte mit Schriftsatz vom 6.2.2009 die Klage bzw. den Mahnantrag mit der als
Verzicht gemeinten Erklärung zurückgenommen, dass sie erkannt habe, dass die
Forderung unbegründet sei.
Die Klägerin hat im vorliegenden Verfahren mit der Klageschrift vom 16.12.2008
negative Feststellungsklage dahingehend erhoben, dass der Beklagten gegen sie kein
Anspruch in Höhe von € 40.000,00 zustehe. Insoweit haben die Parteien im
Verhandlungstermin vor dem Landgericht am 7.5.2009 den Rechtsstreit
übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Klägerin hat gemeint, für die Vermittlung der Mitarbeiter, für die ihr die Beklagte am
1.5.2008 Rechnungen gestellt habe, habe noch die Vergütungsregelung des
Dienstleistungsvertrages in seiner ursprünglichen Fassung vom 21.3.2007 gegolten.
Deshalb habe die Beklagte ihr € 24.900,00 netto für die innerhalb der dreimonatigen
Frist gekündigten Mitarbeiter K…, Ko… und B… zurückzuerstatten. Für die Vermittlung
der Mitarbeiter W… und We… habe sie jeweils 300,00 € netto zuviel gezahlt.
Die Beklagte habe auch die vollen Provisionen von je € 8.000,00 netto betreffend die
Mitarbeiter P…, S…, D… und T… zurückzuzahlen, da die Leistung der Beklagten nicht
ursächlich für die Vertragsabschlüsse mit ihnen gewesen seien. Die Mitarbeiterin J… P…
sei durch eigene Mitarbeiter der Klägerin gewonnen worden. Die spätere Mitarbeiterin
B… S… habe sich aus eigener Initiative bei ihr, der Klägerin, beworben; dabei habe der
damalige Geschäftsführer der Klägerin, Dr. H…, das Bewerbungsgespräch geführt und
im Anschluss daran den Anstellungsvertrag mit ihr geschlossen. M… D… habe sich auf
einen Tipp eines Kollegen der Fachhochschule … hin über die Webseite der Klägerin bei
ihr aus eigener Initiative beworben. Die Mitarbeiterin L… T… habe ihre Bewerbung direkt
an ihre E-Mail-Adresse "jobs@l....com" gesendet.
Ob ihr ehemalige Geschäftsführer Dr. H… und Frau A… kollusiv zusammengewirkt
hätten, sei ohne Bedeutung. Mündliche Zusatzvereinbarungen der Parteien seien wegen
der Schriftformklausel in dem Vertrag der Parteien unbeachtlich. Auch das Schreiben
ihres Geschäftsführers vom 22.4.2008, auf das sich die Beklagte für ihre Behauptung der
vorzeitigen Geltung der Änderungsvereinbarung zur Begründung ihrer
Vergütungsansprüche berufe, genüge als einseitige Aussage dem Schriftformerfordernis
nicht. Im Übrigen sei die Unterschrift unter diesem Schreiben nicht echt.
Die Beklagte schulde die Rückzahlung der Nettobeträge in Höhe von 57.500,00 € aus
dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Außerdem habe sie wegen
Verzuges für die vorprozessuale Tätigkeit ihres Rechtsanwaltes 1.099,00 € zu zahlen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 58.599,00 € nebst Zinsen in Höhe von acht
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 33.500,00 € seit dem 1.9.2008 und aus
25.099,00 € seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Die Beklagte hat behauptet, die damaligen Geschäftsführer der Parteien hätten
hinsichtlich der Regelung über die dreimonatige Mindestverweildauer des Mitarbeiters für
die Provision besprochen, dass diese nur in solchen Fällen greifen sollte, in denen eine
arbeitnehmerseitige Kündigung ausgesprochen werde. Da dies bezüglich der drei
Verträge mit den Mitarbeitern K…, Ko… und B… nicht geschehen sei, bestehe ein
Rechtsgrund für die Provisionszahlungen. Es sei zudem auch fernmündlich zwischen den
damaligen Geschäftsführern der Parteien vereinbart worden, dass für diese Mitarbeiter
die neue Vergütungsregelung gelten sollte. Bezüglich der Mitarbeiter W… und We… habe
ihr die Provision in Höhe von jeweils € 8.300,00 netto und nicht nur in Höhe von €
8.000,00 netto zugestanden; denn die damaligen Geschäftsführer der Parteien hätten
sich darauf geeinigt, dass die unter dem 21.4.2008 veränderte Vergütungsvereinbarung
für all diejenigen Arbeitnehmer gelten sollte, die ihre Tätigkeit bei der Klägerin ab dem
1.5.2008 aufnehmen. Dies habe der Geschäftsführer der Klägerin der Beklagten mit
Schreiben vom 22.4.2008 (Bl. 88 d. A., Original Bl. 139 d. A.) bestätigt.
Soweit die Klägerin die Rückzahlung der Vermittlungsprovision für die Mitarbeiter P…,
S…, D… und T… verlange, habe sie, die Beklagte, in allen vier Fällen Aktivitäten zur
Mitarbeitergewinnung entfaltet. So habe sie Bewerbungsunterlagen selektiert, Termine
für Bewerbungsgespräche und E-Mails der Klägerin bearbeitet.
Dem Rückzahlungsverlangen der Klägerin stehe entgegen, dass sie durch Zahlung die
Forderungen anerkannt habe. Dass die Klägerin sich auf die Schriftformklausel berufe,
verstoße gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Bereits der
Dienstleistungsvertrag, die Vergütungsvereinbarung dazu und die Änderungen hierzu
lägen der Klägerin im Original nicht vor.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und der Beklagten die Kosten insgesamt
auferlegt, auch soweit die Parteien den Rechtsstreit für in der Hauptsache erledigt erklärt
haben.
Zur Begründung hat es ausgeführt, für die geleisteten Zahlungen habe ein Rechtsgrund
nicht bestanden bzw. sei später weggefallen. Zum einen seien die Verträge von drei
vermittelten Mitarbeitern innerhalb von drei Monaten gekündigt worden; dies führe nach
den ursprünglichen vertraglichen Vereinbarungen der Parteien zum Wegfall der Provision
in Höhe von 24.000,00 €. Die geänderten Vereinbarungen fänden auf diese
Provisionsansprüche keine Anwendung. Selbst wenn die Parteien mündlich die Geltung
der neuen Regelung vereinbart hätten, sei diese Abrede jedenfalls mangels Einhaltung
der Schriftform unwirksam. Zurückzuzahlen seien deshalb auch zwei Mal 300,00 €.
Hinsichtlich der gezahlten Provision für vier Mitarbeiter in Höhe von 32.000,00 € schulde
die Beklagte deren Rückzahlung, weil sie insoweit keine Vermittlungsleistung erbracht
habe, vielmehr seien diese Mitarbeiter auf eigene Initiative Arbeitnehmer der Klägerin
geworden.
Der Beklagten seien auch die Kosten hinsichtlich des erledigten Teils aufzuerlegen. Die
negative Feststellungsklage sei zulässig gewesen. Ein Rechtsschutzinteresse sei erst
nach dem Klageverzicht der Beklagten entfallen.
Gegen dieses Urteil, ihr zugestellt am 16.6.2009, hat die Beklagte durch bei Gericht am
24.6.2009 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese durch am 17.9.2009
eingegangenen Schriftsatz begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist auf
ihren am 17.8.2009, einem Montag, eingegangenen Antrag bis zu diesem Tag verlängert
worden war.
Die Beklagte beanstandet, das Landgericht habe zu Unrecht ihren Vortrag
unberücksichtigt gelassen, dass die Parteien schon bei der ursprünglichen Fassung des
Vertrages die Schriftform nicht beachtet hätten. Die Berufung der Klägerin auf die
vereinbarte Schriftform sei treuwidrig und deshalb unzulässig.
Fehlerhaft sei auch die Auslegung des Landgerichts, dass keine Vermittlungsprovision
geschuldet sei, wenn das Arbeitsverhältnis der vermittelten Arbeitnehmer nicht
fortbestanden habe; diese Klausel habe auf die streitgegenständlichen Provisionen keine
Anwendung mehr finden sollen. Hierzu habe das Landgericht Beweis erheben müssen.
Ohne Sachaufklärung habe das Landgericht auch die Kausalität der
Vermittlungsbemühungen der Beklagten in Abrede gestellt. Das Landgericht habe
außerdem übersehen, dass der Wert der Gegenleistung, die die Klägerin empfangen
habe, nach den Grundsätzen der Saldotheorie von ihren Ansprüchen abzusetzen sei.
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Bei der Kostenentscheidung hinsichtlich des für erledigten Teils der Klage habe das
Landgericht übersehen, dass vor dem Hintergrund der prozessualen Erklärung im
Parallelverfahren kein Rechtsschutzbedürfnis auf Feststellung bestanden habe.
Gegen die Beklagte ist im Termin zur mündlichen Verhandlung am 22.6.2010 ein die
Berufung zurückweisendes Versäumnisurteil ergangen, das ihr am 6.7.2010 zugestellt
worden ist. Dagegen hat sie durch am 20.7.2010 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz
Einspruch eingelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage unter Abänderung des
erstinstanzlichen Urteils insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.
Die Klägerin hält das landgerichtliche Urteil für richtig. Das Landgericht habe es auch
nicht versäumt, den Wert der Leistungen abzuziehen, die die Beklagte für die Klägerin
erbracht habe. Soweit davon auszugehen sei, dass es an Vermittlungsleistungen der
Beklagten gemangelt habe, habe das Landgericht ohnehin keine Abzüge bei der
Klageforderung vornehmen können.
Die Akte des Landgerichts Potsdam, Az.: 2 0 387/08, war beigezogen und Gegenstand
der mündlichen Verhandlung.
Die Klägerin hat nach Schluss der mündlichen Verhandlung die Rüge erhoben, der
Beklagtenvertreter verfüge über keine Prozessvollmacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den
Parteien gewechselten Schriftsätze und ihre Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Auf den rechtzeitigen Einspruch der Beklagten war das ihre Berufung zurückweisende
Versäumnisurteil des Senates vom 22.6.2010 aufzuheben. Die gemäß den §§ 517, 520
ZPO zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete
Berufung der Klägerin hat Erfolg.
Der Zulässigkeit der Berufung und der Wirksamkeit des Einspruchs der Beklagten steht
nicht entgegen, dass ihr Prozessbevollmächtigter ohne Prozessvollmacht gehandelt
hätte. Die Beklagte hat auf die von der Klägerseite nach Schluss der mündlichen
Verhandlung vor dem Berufungsgericht erhobene Rüge Prozessvollmachten im Original
zur Gerichtsakte gereicht.
Frau C… A… hat dem Beklagtenvertreter eine Prozessvollmacht erteilt, wie sich aus der
Vollmachtsurkunde vom 22.12.2008 ergibt. Zu diesem Zeitpunkt war sie
Geschäftsführerin der Beklagten, wie aus dem vom Klägervertreter im Termin zur
mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 22.6.2010 überreichten
Handelsregisterauszug hervorgeht. Diese Prozessvollmacht gilt auch in der zweiten
Instanz fort und war nicht mit dem Erlass des erstinstanzlichen Urteils erloschen (BGH
NJW-RR 1991, 1214, zitiert nach Juris; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 86 Rn
11).
Ohne Einfluss auf die Prozessvollmacht des Beklagtenvertreters ist der Umstand, dass
Frau A… als Geschäftsführerin abberufen und zunächst Herr T… Ho… und dann Frau H…
M… als neue Geschäftsführer bestellt worden sind. Denn Änderungen in der gesetzlichen
Vertretung einer Partei beenden die von dem gesetzlichen Vertreter vorher erteilte
Prozessvollmacht nicht, § 86 ZPO. Auf die Frage, ob die Veräußerung der
Geschäftsanteile an der Beklagten und die Bestellung von Frau M… als
Geschäftsführerin wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung unwirksam sind oder
nicht, und ob deshalb auch die von Frau M… an Herrn T… Ho… erteilte Generalvollmacht
und die von diesem erteilte Prozessvollmacht keine Rechtswirkungen entfalten konnten,
kommt es deshalb nicht an.
Selbst wenn es darauf ankäme, dass auch Frau M… als neue Geschäftsführerin eine
Prozessvollmacht erteilt hat, und selbst wenn ihre Berufung als Geschäftsführerin
unwirksam gewesen wäre, dürfte dies nicht dazu führen, dass der Beklagtenvertreter als
nicht ausreichend bevollmächtigt anzusehen wäre. Denn Frau M… ist bis zum Schluss
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nicht ausreichend bevollmächtigt anzusehen wäre. Denn Frau M… ist bis zum Schluss
der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren als Geschäftsführerin der Beklagten
im Handelsregister eingetragen gewesen. Dies hat der Senat nach der erhobenen Rüge
der Prozessvollmacht durch Einholung eines aktuellen Handelsregisterauszugs
festgestellt. Die von ihr erteilte Generalvollmacht dürfte deshalb gemäß § 15 Abs. 3 HGB
als von dem zuständigen Vertretungsorgan erteilt anzusehen sein, so dass auch die von
Herrn Ho… erteilte Prozessvollmacht wirksam wäre. Wegen des Fortwirkens der von der
ursprünglichen Geschäftsführerin erteilten Prozessvollmacht braucht dies jedoch nicht
entschieden zu werden.
Die Prozessvollmacht des Beklagtenvertreters ist auch nicht durch die vorübergehende
Niederlegung des Mandats erloschen. Denn im Anwaltsprozess kann die
Mandatsniederlegung allein – genauso wenig wie die bloße Kündigung des Mandats
durch den Auftraggeber des Prozessbevollmächtigten - die Prozessvollmacht zum
Erlöschen bringen. Hinzu kommen muss vielmehr die Anzeige der Bestellung eines
anderen Anwalts, § 87 Abs. 1 ZPO. Eine solche Bestellung ist nicht erfolgt. Damit blieb
die Prozessvollmacht des Beklagtenvertreters trotz Mandatsniederlegung bestehen.
Auf die umstrittene Frage, ob eine derart spät erhobene Rüge der Prozessvollmacht
gemäß § 296a ZPO ausgeschlossen ist oder nicht, kommt es deshalb nicht an.
Zu Unrecht hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Auf das Rechtsmittel der
Beklagten war sie in vollem Umfang abzuweisen.
1.) Der Klägerin steht kein Anspruch auf Rückzahlung der an die Beklagten für die
Vermittlung der Mitarbeiter K…, Ko… und B… gezahlten Provisionen gemäß § 812 Abs. 1
Satz 1 BGB. Für ihre Zahlungen bestand ein Rechtsgrund. Dieser liegt in dem
Dienstleistungsvertrag und der dazu gehörigen Vergütungsvereinbarung in der ab dem
1.5.2008 geltenden Fassung.
a.) Die Vertragsabschlüsse zwischen der Klägerin und diesen Mitarbeitern erfolgten zwar
schon am 18.3.2008, 2.4.2008 und 8.4.2008, d. h. vor Wirksamwerden der
Änderungsvereinbarung der Parteien vom 21.4.2008 am 1.5.2008. Diese Mitarbeiter
begannen ihre Tätigkeit für die Klägerin jedoch erst am 1.5.2008.
Damit handelte es sich um Vermittlungsleistungen der Beklagten, für die nach der
ursprünglichen Regelung des Dienstleistungsvertrages die Provision noch nicht fällig war.
Diese Lage änderte sich auch noch nicht bei Abschluss der Änderungsvereinbarung am
21.4.2008. Am 21.4.2008 waren die Provisionen auch nach der Änderungsvereinbarung
noch nicht fällig.
b.) Die Parteien haben die Änderungsvereinbarung vom 21.4.2008 übereinstimmend
dahingehend verstanden, dass sie auch für noch nicht fällig gewordene Provisionen der
Beklagten gelten soll.
Die Beklagte hat - wenige Tage nach Abschluss der Änderungsvereinbarung - am Tag
des Wirksamwerdens der Änderungen und am ersten Arbeitstag der Mitarbeiter K…,
Ko… und B…, nämlich am 1.5.2008, der Klägerin Provisionen für deren Vermittlung nach
Maßgabe der Änderungsvereinbarung in Rechnung gestellt. Diese Rechnungen der
Beklagten datieren auf den nach der Änderungsvereinbarung geltenden Fälligkeitstag
vom 1.5.2008 und weisen die danach geschuldete - höhere - Provision in Höhe von
8.300,00 € netto aus.
c.) Diese Auslegung der Änderungsvereinbarung entspricht dem Wortlaut der
Änderungsvereinbarung.
Zwar haben die Parteien schriftlich nicht ausdrücklich geregelt, ob auf derartige
Vorgänge der ursprüngliche Vertrag oder bereits die Änderungsvereinbarung
Anwendung finden soll.
Die Änderungsvereinbarung enthält jedoch keine Übergangsregelung. Es findet sich kein
Hinweis darauf, dass für bereits vermittelte Mitarbeiter, die ihre Tätigkeit für die Klägerin
noch nicht aufgenommen haben und für deren Vermittlung Provisionsansprüche der
Beklagten noch nicht fällig geworden sind, noch die Ursprungsvereinbarung der Parteien
gelten sollte.
In einem solchen Fall gilt - ebenso wie bei einer Gesetzesänderung, die keine
Übergangsregelung enthält - die Neuregelung in vollem Umfang sofort.
d.) Es kommt nicht darauf an, dass die Parteien in den Dienstleistungsvertrag vom
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d.) Es kommt nicht darauf an, dass die Parteien in den Dienstleistungsvertrag vom
21.3.2007 nicht nur eine einfache Schriftformklausel aufgenommen haben, wonach
Änderungen und Ergänzungen des Vertrages nur wirksam sind, wenn sie schriftlich
erfolgen, sondern das Schriftformerfordernis auch auf seine Aufhebung erstreckt haben
(sog. doppelte Schriftformklausel).
Grundsätzlich stünde eine solche, unter Kaufleuten unbedenkliche Regelung, zwar
Änderungen und Ergänzungen der schriftlichen Vereinbarungen der Parteien entgegen
(vgl. BGHZ 66, 378; BGH, Urteil vom 17.9.2009, I ZR 43/07, MMR 2010, 336, jeweils
zitiert nach Juris).Jedoch ist die einvernehmliche Anwendung der Änderungsvereinbarung
durch die Parteien auf bei ihrem Abschluss noch nicht fällig gewordene Provisionen der
Beklagten der Sache nach weder eine Änderung noch eine Ergänzung der
Änderungsvereinbarung oder des Dienstleistungsvertrages. Sie bringt lediglich das
gemeinsame, vom Wortlaut der Änderungsvereinbarung gedeckte Verständnis der
Parteien zum Ausdruck, dass die neue Vergütungsvereinbarung ab dem 1.5.2008 sofort
gelten soll.
Ob es die von der Klägerseite bestrittenen Telefonate zwischen den Parteien gegeben
hat, in denen sie sich über den Anwendungsbereich der Änderungsvereinbarung
verständigt haben sollen, und ob die dem inhaltlich entsprechende schriftliche
Bestätigung der Klägerin vom 22.4.2008 eine echte Unterschrift trägt, brauchte deshalb
nicht aufgeklärt zu werden. Es brauchte auch nicht entschieden zu werden, ob dieses
Schreiben dem vereinbarten Schriftformerfordernis genügt hätte oder nicht.
2.) Soweit die Klägerin zwei Mal jeweils 300,00 € netto für die Vermittlung der Mitarbeiter
W… und We… als nicht geschuldet gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückverlangt,
gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Auch insoweit hat die Klägerin auf
Rechnungen der Beklagten vom 1.5.2008, die die Beklagte nach der
Änderungsvereinbarung abgerechnet hat, gezahlt.
Insoweit waren sich die Parteien über die Auslegung der Änderungsvereinbarung
hinsichtlich ihres sofortigen Inkrafttretens auch auf noch nicht fällig gewordene
Provisionen der Beklagten einig.
3.) Die Klage bleibt auch ohne Erfolg, soweit die Klägerin die Rückzahlung der von ihr an
die Beklagte gezahlten Provisionen für die Vermittlung der Mitarbeiter P…, S…, D… und
T… in Höhe von insgesamt 32.000,00 € gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB beansprucht.
Wenn man mit der Klägerin davon ausgeht, dass Voraussetzung für das Entstehen des
Provisionsanspruchs der Beklagten eine Herstellung des Erstkontakts zwischen der
Klägerin und dem späteren Mitarbeiter ist, scheidet ein auf Rückzahlung gezahlter
Provisionen gerichteter Bereicherungsanspruch deshalb aus, weil der Klägerin nach
ihrem eigenen Vorbringen positiv bekannt war, dass die Beklagte ihr den jeweiligen
Mitarbeiter nicht nachgewiesen hat und dass deshalb keine Provisionspflicht bestehen
kann, § 814 BGB.
Auch wenn man annimmt, dass die Beklagte hier aufgrund des Dienstleistungsvertrages
nicht als Nachweis-, sondern als Vermittlungsmaklerin tätig werden sollte, mithin das
Entstehen eines Provisionsanspruchs nicht notwendig die Herstellung des Erstkontaktes
zum zukünftigen Arbeitnehmer voraussetzt, gilt nichts anderes. Denn dann hätte die
Tätigkeit der Beklagten in sonstiger Weise ursächlich für den Abschluss des
Arbeitsvertrages zwischen dem Mitarbeiter und der Klägerin sein müssen, um zu einem
Provisionsanspruch zu führen. Nach ihrem eigenen Vortrag hat die Klägerin selbst die
maßgeblichen Verhandlungen mit den jeweiligen Mitarbeitern geführt. Sie wusste
deshalb, welche Leistungen die Beklagte beim Zustandekommen der jeweiligen
Arbeitsverhältnisse erbracht hat und dass sie für die Herbeiführung des
Vertragsabschlusses nicht ursächlich waren.
4.) Die Berufung hat auch Erfolg, soweit sich die Beklagte dagegen wendet, dass ihr die
Kosten der übereinstimmend für erledigt erklärten negativen Feststellungsklage der
Klägerin auferlegt worden sind. Nach billigem Ermessen waren die Kosten der Klägerin
aufzuerlegen, weil ohne die Erledigung die Klage auch insoweit hätte abgewiesen werden
müssen, § 91a Abs. 1 ZPO.
Die negative Feststellungsklage war stets unzulässig.
Ihre Unzulässigkeit lag zunächst daran, dass bei ihrer Erhebung angesichts der bereits
von der Beklagten erhobenen Leistungsklage kein Rechtsschutzbedürfnis bestand. Die
Beklagte hat gegen die Klägerin einen Mahnbescheid vom 2.9.2008 über einen Betrag
von 40.000,00 € erwirkt. Dagegen hat die Klägerin am 24.9.2008 Widerspruch erhoben.
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von 40.000,00 € erwirkt. Dagegen hat die Klägerin am 24.9.2008 Widerspruch erhoben.
Am 21.10.2008 ist das Verfahren an das Landgericht Potsdam abgegeben worden.
Damit trat jedenfalls zu diesem Zeitpunkt gemäß § 696 Abs. 1 ZPO Rechtshängigkeit
der Leistungsklage der Beklagten ein. Die negative Feststellungsklage der Klägerin im
vorliegenden Verfahren ist erst danach, nämlich mit Eingang bei Gericht am 16.12.2008,
anhängig geworden.
Da die Beklagte in der Folgezeit - am 6.2.2009 - die Leistungsklage zurückgenommen
hat, entfiel zwar die doppelte Rechtshängigkeit. Allerdings hat die Beklagte mit der
Klagerücknahme erklärt, dass sie erkannt habe, dass die Forderung unbegründet sei.
Damit hat die Beklagte zu erkennen gegeben, dass sie sich dieser Forderung nicht mehr
berühmen will. Dabei kommt es nicht maßgeblich darauf an, ob bereits diese Erklärung
als Verzicht auf die streitige Forderung anzusehen ist oder nicht. Jedenfalls gab es für
eine negative Feststellungsklage angesichts einer solchen Erklärung mangels eines
hierzu berechtigenden Berühmens kein Rechtsschutzbedürfnis.
5.) Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 91 Abs. 1, 344 ZPO, die Entscheidung
über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, § 543 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung
der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch
erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
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