Urteil des OLG Brandenburg vom 20.11.2006
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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 3.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
3 W 73/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 240 ZPO, § 568 ZPO
Unterbrechung des Rechtsstreits im Falle der Eröffnung eines
Insolvenzverfahrens
Tenor
I. Der Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 20.11.2006 - Az. 10 O 292/06 - in der
Gestalt des Nichtabhilfe-Beschlusses vom 6.12.2006 wird aufgehoben.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Mit dem Vortrag, er habe dem Beklagten verschiedene, im Einzelnen bezeichnete
Darlehen gewährt, verlangt der Kläger vom Beklagten mit der am 11.7.2006
eingereichten Klage die Zahlung von insgesamt 31.418,83 EUR nebst Zinsen. Bereits
mit Beschluss vom 9.8.2005 (Az. 35 IK 549/05) hatte das Amtsgericht Potsdam das
(Verbraucher-)Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten eröffnet und einen
Treuhänder bestellt. Das Landgericht hat mit dem vom Beklagten im Wege der
sofortigen Beschwerde angegriffenen, im Tenor genannten Beschluss festgestellt, dass
das Verfahren gemäß § 240 ZPO unterbrochen sei.
II.
Da die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter getroffen wurde, entscheidet
auch das Beschwerdegericht - kraft Gesetzes - durch eines seiner Mitglieder als
Einzelrichter (§ 568 Satz 1 ZPO). Gründe, die gemäß § 568 Satz 2 ZPO eine Übertragung
des Verfahrens auf den Senat als Kollegium in der Besetzung nach § 122 Abs. 1 GVG
erfordern, liegen im Streitfall nicht vor. Denn die Sache weist weder besondere
Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf noch hat sie grundsätzliche
Bedeutung.
Das Rechtsmittel des Beklagten ist als sofortige Beschwerde zulässig. Gemäß § 567 Abs.
1 Nr. 1 in Verbindung mit § 252 ZPO findet gegen Entscheidungen, die aufgrund
gesetzlicher Bestimmung die Aussetzung des Verfahrens anordnen, die sofortige
Beschwerde statt. Entsprechend wird bei Entscheidungen, die die Unterbrechung des
Rechtsstreits wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Partei
feststellen, ebenfalls die sofortige Beschwerde für zulässig erachtet (vgl. OLG München,
NJW-RR 96, 229; zustimmend Baumbach-Hartmann, ZPO, 67. Aufl., § 252 Rn. 4; ebenso
Musielak, ZPO, 5. Aufl., § 252 Rn. 1) Aus der im Nichtabhilfebeschluss zitierten
Entscheidung des Bundesgerichtshofs (ZIP 04, 2399) kann nicht abgeleitet werden, dass
die sofortige Beschwerde gegen Beschlüsse, die eine Unterbrechung des Rechtsstreits
gemäß § 240 ZPO feststellen, unzulässig ist. Mit der genannten Entscheidung bejaht der
Bundesgerichtshof die Zulässigkeit des Rechtsmittels der Berufung gemäß § 511 ZPO,
wenn die Verfahrensunterbrechung durch Zwischenurteil gemäß § 280 Absatz 2 ZPO
ausgesprochen wurde. Diese Entscheidung ist auf die vorliegende Verfahrenssituation
nicht übertragbar, in der das Landgericht eine angebliche Unterbrechung des Verfahrens
durch Beschluss festgestellt hat.
Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels; es
wurde von dem Beklagten insbesondere form- und fristgerecht eingelegt (§ 569 Abs. 1
Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 ZPO).
In der Sache selbst hat die sofortige Beschwerde Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der
angefochtenen Entscheidung. Das Landgericht hat die Unterbrechung des Rechtsstreits
gemäß § 240 Satz 1 ZPO wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
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gemäß § 240 Satz 1 ZPO wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Vermögen des Beklagten zu Unrecht bejaht. Die Voraussetzungen für eine
Unterbrechung des Rechtsstreits gemäß § 240 Satz 1 ZPO lagen nicht vor. Eine
Unterbrechung des Rechtsstreits nach vorgenannter Vorschrift tritt nur ein, wenn der
Rechtsstreit zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits gem. § 261 ZPO
rechtshängig ist. Wenn das Insolvenzverfahren bereits vor Klageerhebung eröffnet
wurde, gilt § 240 ZPO nicht (vgl. etwa Zöller-Greger, ZPO, 26. Aufl., Vor § 239 Rn. 7;
Baumbach-Hartmann, ZPO, § 240 Rn. 6; Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung
(Schumacher), Vor §§ 85 bis 87, Rn. 42). Vorliegend wurde das Insolvenzverfahren
bereits am 9.8.2005 eröffnet. Dem Rechtsstreit liegt eine nachfolgend erhobene Klage
zugrunde. Die Annahme seiner Unterbrechung gemäß § 240 Satz 1 ZPO schied hiernach
aus.
Eine gegenteilige Betrachtungsweise kann auch nicht der Entscheidung des
Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 16.6.1999 (NJW-RR 99, 1428) entnommen
werden. Denn die genannte Entscheidung, die eine analoge Anwendung des § 240 ZPO
bei Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens vor Zustellung eines
Mahnbescheides bejaht, bezieht sich ausdrücklich auf die frühere Rechtslage unter der
Geltung der Gesamtvollstreckungsordnung. Die genannte Entscheidung stellt klar, dass
nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung am 1.1.1999 kein Wahlrecht eines Gläubigers
mehr besteht, eine die Masse betreffende Forderung außerhalb eines
Insolvenzverfahrens gegen den Insolvenzschuldner geltend zu machen.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens
sind Kosten des Rechtsstreits (vgl. OLG München, NJW-RR 96, 228; Baumbach, ZPO, 65.
Aufl., § 252 Rz. 9).
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen; es fehlt an den gesetzlichen
Voraussetzungen gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 133
GVG. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert die
Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine
Entscheidung des Bundesgerichtshofes als Rechtsbeschwerdegericht. Die Entscheidung
beruht im Wesentlichen auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalles.
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