Urteil des OLG Brandenburg vom 23.01.2006
OLG Brandenburg: eheliches güterrecht, ddr, ertragswert, haushalt, erhaltung, beitrag, forstwirtschaft, gewinnung, viehzucht, eigentümer
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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 WF 154/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1376 Abs 4 BGB, § 1378 Abs 1
BGB, § 1380 BGB, Art 234 § 4
Abs 4 BGBEG, § 40 FamGB DDR
Prozesskostenhilfe; eheliches Güterrecht: Erfolgsaussicht eines
Ausgleichsanspruchs nach § 40 FGB/DDR und eines
Zugewinnausgleichsanspruchs
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts
Eberswalde vom 23. Januar 2006 abgeändert.
Der Antragstellerin wird auch für die Folgesache über das eheliche Güterrecht unter
Beiordnung von Rechtsanwältin B. in T. zu den Bedingungen einer ortsansässigen
Anwältin Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie Zahlung von insgesamt 127.973 €
begehrt.
Der weitergehende Prozesskostenhilfeantrag und die weitergehende Beschwerde werden
zurückgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist überwiegend
begründet. Der Antragstellerin ist Prozesskostenhilfe auch für die Folgesache über das
eheliche Güterrecht in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang zu bewilligen.
Denn die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet insoweit hinreichende Aussicht auf
Erfolg, § 114 ZPO.
Aufgrund der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl.
Zöller/ Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 114, Rz. 19) ergibt sich für die Antragstellerin ein
Ausgleichsanspruch gemäß § 40 FGB/DDR von 53.000 € und ein
Zugewinnausgleichsanspruch gemäß § 1378 Abs. 1 BGB von 74.973 €, also ein
Zahlungsanspruch von insgesamt 127.973 €.
Voraussetzung für einen Ausgleichsanspruch gemäß § 40 Abs. 1 FGB/DDR, Art. 234 § 4
Abs. 4 EGBGB ist, dass der Ehegatte wesentlich zur Vergrößerung oder Erhaltung des
Vermögens des anderen beigetragen hat. Ein solcher Beitrag kann in einer mittelbaren
Entlastung des anderen Ehepartners durch Leistungen im Haushalt und bei der
Erziehung der Kinder gesehen werden (vgl. BGH, FamRZ 1993, 1048; OLG Brandenburg,
1. Familiensenat, FamRZ 2003, 452 ff). Die Antragstellerin, die zusammen mit dem
Antragsgegner und den gemeinsamen Kindern in dem vom Antragsgegner geerbten
Haus in L. gelebt hat, hat dargestellt, dass sie den Haushalt geführt, die beiden Töchter
betreut und darüber hinaus Gemüse und Tabak angebaut sowie Tiere gezüchtet hat,
zunächst einige Jahre berufstätig, später bis zum Jahr 1988 nur im häuslichen Bereich
gearbeitet hat, sodass ein solcher Beitrag der Antragstellerin angenommen werden
kann, und zwar unabhängig davon, ob die Kinder - stundenweise - die Krippe und später
den Kindergarten besucht haben oder nicht.
Für das summarische Prozesskostenhilfeverfahren ist von den von der Antragstellerin
genannten Werten auszugehen, die im Hauptsacheverfahren im Hinblick auf das
Bestreiten des Antragsgegners durch ein Wertermittlungsgutachten eines
Sachverständigen festzustellen sind. Der Wert des gesamten Grundvermögens des
Antragsgegners einschließlich des Wohnhauses hatte nach den Angaben der
Antragstellerin am 3.10.1990 einen Wert von rd. 212.000 €. Da der Höchstwert eines
Anspruchs gemäß § 40 Abs. 2 Satz 1 FGB/DDR bei der Hälfte des Wertes des
Vermögens des anderen Ehegatten liegt, kann die Antragstellerin ein Viertel dieses
Wertes (vgl. dazu Schael, NJ 2004, 289 ff., 294; s. a. OLG Dresden, FamRZ 2000, 885,
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Wertes (vgl. dazu Schael, NJ 2004, 289 ff., 294; s. a. OLG Dresden, FamRZ 2000, 885,
887; FamRZ 2001, 761, 762; OLG Brandenburg - 1. Senat für Familiensachen -, FamRZ
2003, 452, 454; FamRZ 2004, 630; Götsche, FamRB 2003, 256, 258), also einen Betrag
von 53.000 €, verlangen.
Im Prozesskostenhilfeverfahren kann der Berechnung des Ausgleichsanspruchs die
gesamte Grundfläche zu Grunde gelegt werden, unabhängig davon, dass die
landwirtschaftlichen Flächen von einer LPG genutzt worden sind. Denn die Beurteilung
der Frage, ob diese Nutzung wie diejenige eines Betriebes zu beurteilen ist (vgl. dazu
Ministerium der Justiz (Hrsgb.), Kommentar zum FGB der DDT, 5. Aufl., § 40, Anm. 1.1.)
oder ob eine Erhaltung oder Vergrößerung dieses Vermögens nicht angenommen
werden kann, weil der LPG ein dauerndes und umfassendes Nutzungsrecht zustand,
welches jegliche Bewirtschaftung des Grundstücks einschließlich des Rechts zur
Errichtung von Bauten und baulichen Veränderungen umfasste (vgl. dazu Rohde u. a.,
Bodenrecht, 1989, S. 103 f) und damit das Grundvermögen im Ergebnis dem Einfluss
des Eigentümers entzogen hat, stellt eine, soweit ersichtlich, bisher nicht erörterte und
entschiedene Rechtsfrage dar, die wegen ihrer Bedeutung im
Prozesskostenhilfeverfahren nicht abschließend zu Lasten der Prozesskostenhilfe
begehrenden Partei entschieden werden darf (vgl. dazu Zöller/Philippi, a.a.O., § 114, Rz.
21).
Ferner hat die Antragstellerin einen Zugewinnausgleichsanspruch nach § 1378 Abs. 1
BGB in Höhe von 75.500 € schlüssig vorgetragen.
Sie selbst hat neben dem oben ermittelten Anspruch gemäß § 40 FGB/DDR in Höhe von
53.000 € kein Anfangsvermögen. Bereinigt man dieses Anfangsvermögen um den
Kaufkraftschwund mit dem Faktor von 98,6 : 80,6 (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 65.
Aufl., § 1376, Rz. 30), ergibt sich ein Betrag von rd. 64.836 € (= 53.000 € x 98,6 : 80,6).
Das Endvermögen der Antragstellerin besteht nur aus dem Anspruch aus § 40 FGB,
sodass sich kein Zugewinn ergibt.
Bei der Ermittlung des Zugewinns des Antragsgegners ist für das summarische
Prozesskostenhilfeverfahren vom vollen wirklichen Wert seines Grundvermögens
auszugehen. Zwar kann gemäß § 1376 Abs. 4 BGB der reale Ertragswert eines land-
oder forstwirtschaftlichen Betriebs maßgeblich sein (vgl. dazu im Einzelnen
Staudinger/Thiele (2000), § 1376, Rz. 14). Dies ist aber nur dann der Fall, wenn der land-
oder forstwirtschaftliche Betrieb sowohl bei der Berechnung des Anfangsvermögens als
auch des Endvermögens zu berücksichtigen ist (s. a. MünchKomm/Koch, BGB, 4. Aufl., §
1376, Rz. 40). Dies ist vorliegend zu verneinen.
Im Anfangsvermögen des Antragstellers befand sich kein land- und forstwirtschaftlicher
Betrieb. Vielmehr hat der Antragsgegner nach dem insoweit unwidersprochenen Vortrag
der Antragstellerin die zunächst von einer LPG bewirtschafteten Nutzflächen erst im Jahr
1991 übernommen und danach als sog. Wiedereinrichter den landwirtschaftlichen
Betrieb begründet. Der Betrieb ist also, ausgehend vom Eintritt in den Güterstand der
Zugewinngemeinschaft am 3.10.1990, während der Ehe aufgenommen worden. Selbst
wenn man im Hinblick darauf, dass die im Eigentum des Antragsgegners befindlichen
landwirtschaftlichen Flächen vor dem 3.10.1990 von der LPG bewirtschaftet worden sind
und der Antragsgegner den Betrieb alsbald nach dem 3.10.1990 aufgenommenen hat,
davon ausgehen sollte, dass der Antragsteller den landwirtschaftlichen Betrieb in die Ehe
eingebracht hat, kann ungeachtet der weiteren Frage, ob der Betrieb auch beim
Endvermögen zu berücksichtigen ist, nicht der Ertragswert angesetzt werden. Denn im
Prozesskostenhilfeverfahren kann diese Rechtsfrage, die bisher, soweit ersichtlich, weder
erörtert noch entschieden ist, wegen ihrer Bedeutung nicht abschließend zu Lasten der
Prozesskostenhilfe begehrenden Antragstellerin entschieden werden (vgl. dazu
Zöller/Philippi, a.a.O., § 114, Rz. 21).
Auch bei der Ermittlung des Endvermögens des Antragsgegners ist vom Verkehrswert
des Grundvermögens und nicht vom Ertragswert auszugehen. Denn abgesehen davon,
dass der Ertragswert nur dann maßgeblich ist, wenn der landwirtschaftliche Betrieb
bereits bei der Berechnung des Anfangsvermögens zu berücksichtigen ist, muss der
Betrieb überhaupt noch bestehen und eine Weiterführung oder Wiederaufnahme durch
den Eigentümer oder seine Abkömmlinge muss erwartet werden können. Erforderlich ist
insoweit eine zum selbstständigen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb geeignete,
eingerichtete und bestimmte Grundstückseinheit oder Mehrheit von Grundstücken,
welche mit entsprechenden Baulichkeiten versehen ist, der Betrieb muss auf
landwirtschaftliche Nutzung - Ackerbau, Viehzucht u. a. - oder Forstwirtschaft -
Gewinnung von Nutz- und Brennholz, Baumschulen usw. - gerichtet sein (vgl.
Staudinger/Thiele (2000), § 1376, Rz. 15). Dies ist nach den Angaben der Antragstellerin
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Staudinger/Thiele (2000), § 1376, Rz. 15). Dies ist nach den Angaben der Antragstellerin
nicht der Fall. Sie hat insoweit ausgeführt, dass der 63 Jahre alte Antragsgegner den
Betrieb nicht fortführe, mit einer Übernahme durch die Kinder sei nicht zu rechnen. Dem
ist der insoweit beweispflichtige (vgl. BGH, FamRZ 1989, 1276) Antragsgegner nicht
entgegengetreten. Er hat lediglich pauschal behauptet, den Betrieb noch zu führen,
wobei die Erträge allerdings nur noch der eigenen Lebensunterhaltung dienten.
Damit ist auf Seiten des Antragsgegners von einem Anfangsvermögen von rd. 212.000
€ (= 176.925 € Bodenwert und 35.000 € Wert des Hauses) auszugehen. Davon ist der
Anspruch der Antragstellerin aus § 40 FGB/ DDR abzuziehen. Es verbleibt ein Betrag von
159.000 €. Nach Bereinigung um den Kaufkraftschwund mit dem Faktor 98,6 : 80,6
ergibt sich ein Anfangsvermögen des Antragsgegners von rd. 194.509 €.
Das Endvermögen des Antragsgegners, bestehend aus Grundvermögen und Wohnhaus
sowie der Forderung der Antragstellerin nach § 40 FGB/DDR, beträgt 344.455 € (=
327.455 € + 70.000 € - 53.000 €). Zieht man davon das oben ermittelte
Anfangsvermögen ab, ergibt sich ein Zugewinn von 149.946 € (= 344.455 € - 194.509
€). Davon steht der Antragstellerin gemäß § 1378 Abs. 1 BGB die Hälfte zu, das sind
74.973 €.
Der Einwand des Antragsgegners, auf die Zugewinnausgleichsforderung seien
Vorausempfänge gemäß § 1380 BGB anzurechnen, mag im Hauptverfahren geprüft
werden. Hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass er der Antragstellerin etwas durch
Rechtsgeschäft mit der Bestimmung zugewendet habe, dass es auf die
Ausgleichsforderung angerechnet werden sollte, hat der Antragsgegner bisher nicht
vorgetragen.
Die vom Antragsgegner angeführte längere Trennungszeit rechtfertigt grundsätzlich
keine andere Beurteilung, nachdem die Parteien keine anderweitige Regelung
herbeigeführt haben (vgl. dazu Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., Anm. zu
und vor § 1385 BGB).
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