Urteil des OLG Brandenburg vom 05.03.2010

OLG Brandenburg: einstweilige verfügung, reisekosten, vorsteuerabzug, innenverhältnis, gebühr, flughafen, versicherung, quelle, sammlung, vertretung

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 6.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
6 W 82/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Norm:
§ 91 Abs 2 S 3 ZPO
Kostenentscheidung: Gebühren- und
Auslagenerstattungsanspruch zweier beklagter Rechtsanwälte
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin wird der
Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam vom 5.3.2010 – 2 O 335/08 –
teilweise abgeändert und unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wie folgt
neu gefasst:
Auf Grund des Urteils des Landgerichts Potsdam vom 9.10.2008 und des
Beschlusses des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 16.7.2009 - 6 U 87/08 -
werden die von der Verfügungsklägerin an die Verfügungsbeklagten zu 1.) und 2.) zu
erstattenden Kosten auf
2.858,60 €
(i. B. zweitausendachthundertachtundfünfzig und 60/100
EUR)
nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach §
247 BGB ab dem 16.10.2008 aus 1.478,43 € und ab dem 5.10.2009 aus 1.380,17 €
festgesetzt.
Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die
Verfügungsklägerin einerseits 5 % und die Verfügungsbeklagten zu 1.) und 2.)
andererseits 95 % zu tragen. Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt
die Verfügungsklägerin allein. Die Gebühr gemäß Nr. 1812 KV GKG wird auf die Hälfte
ermäßigt.
Gründe
I.
Die Verfügungsklägerin, eine Rechtsanwalts-Partnerschaftsgesellschaft, nahm die beiden
Verfügungsbeklagten, zwei Rechtsanwälte mit Sitz in M…, auf Unterlassung wegen von
ihr als wettbewerbswidrig angesehenen Verhaltens in Anspruch.
Das Landgericht hat zunächst antragsgemäß eine einstweilige Verfügung erlassen, dann
jedoch nach Widerspruch der Verfügungsbeklagten durch Urteil die einstweilige
Verfügung aufgehoben, den auf ihren Erlass gerichteten Antrag zurückgewiesen und die
Kosten des Verfahrens der Verfügungsklägerin auferlegt. Ihre dagegen eingelegte
Berufung hat die Verfügungsklägerin zurückgenommen. Ihr sind die Kosten des
Berufungsverfahrens auferlegt worden.
Die Verfügungsbeklagten reichten zwei Kostenfestsetzungsanträge für beide Instanzen
ein und erklärten, dass der Verfügungsbeklagte zu 1.) den Verfügungsbeklagten zu 2.)
vertreten habe und umgekehrt. Deshalb seien auch zwei Mal Reisekosten und die
Terminsgebühr festzusetzen, da sie beide im Termin zur mündlichen Verhandlung vor
dem Landgericht aufgetreten seien.
Der Rechtspfleger des Landgerichts hat mit Beschluss vom 5.3.2010 die von der
Verfügungsklägerin an den nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten
Verfügungsbeklagten zu 1.) zu erstattenden Kosten auf 3.098,79 € und die von der
Verfügungsklägerin an den vorsteuerabzugsberechtigten Verfügungsbeklagten zu 2.) zu
erstattenden Kosten auf 2.688,80 € festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss, der ihr am 10.3.2010 zugestellt worden ist, wendet sich die
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Gegen diesen Beschluss, der ihr am 10.3.2010 zugestellt worden ist, wendet sich die
Verfügungsklägerin mit ihrer am 24.3.2010 bei Gericht eingegangenen sofortigen
Beschwerde, mit der sie sich dagegen wendet, dass für jeden Verfügungsbeklagten
gesonderte Kosten festgesetzt worden sind. Außerdem macht sie geltend, die
Verfügungsbeklagten hätten mehrere Termine wahrgenommen, die Reisekosten seien
anteilig darauf zu verteilen. Dabei komme es nicht darauf an, ob die
Verfügungsbeklagten berufliche oder private Termine wahrgenommen hätten.
Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 9.6.2010 dem Rechtsbehelf nicht
abgeholfen und ihn dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung
vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und
2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig. Der Wert der Beschwer beträgt für die Verfügungsklägerin
3.063,09 € (durch mehrere Rechtsanwälte verursachte Mehrkosten in Höhe von 2.928,99
€ und 50 % der für einen Prozessbevollmächtigten festgesetzten Reisekosten in Höhe
von insgesamt 268,20 €) und übersteigt damit den Beschwerdewert von 200 €.
Die sofortige Beschwerde ist begründet, soweit sich die Verfügungsklägerin gegen die
Festsetzung von Gebühren und Reisekosten für zwei Rechtsanwälte wendet. Sie ist
unbegründet, soweit sie die unterbliebene Verteilung der anwaltlichen Reisekosten auf
einen beruflichen und einen privaten Anteil beanstandet.
Mehrkosten, die durch die Beauftragung mehrerer Rechtsanwälte auf Seiten der
Verfügungsbeklagten entstanden sein könnten, sind nicht erstattungsfähig.
Es bestehen schon Zweifel, ob die Verfügungsbeklagten erstinstanzlich mehrere
Rechtsanwälte beauftragt haben. Denn die erstinstanzlichen Schriftsätze für die
Verfügungsbeklagten hat die Sozietät eingereicht, der die beiden Verfügungsbeklagten
angehören. Gesonderte Schriftsätze für jeden einzelnen Verfügungsbeklagten sind erst
im Berufungsverfahren eingereicht worden. Letztlich kommt es hierauf nicht an.
Denn nach § 91 Abs. 2 Satz 3 ZPO sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit
zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der
Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste.
Eine solche Ausnahme ist gegeben, wenn ein konkreter sachlicher Grund die
Inanspruchnahme von mehreren Prozessbevollmächtigten gebietet. Die Frage, ob dies
stets der Fall ist, wenn Streitgenossen klagen oder verklagt werden, wurde in der
Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs
vom 20.1.2004 (VI ZB 76/03, NJW-RR 2004, 536, zitiert nach Juris) ist diese Frage
höchstrichterlich geklärt. Danach besteht zwar grundsätzlich keine kostenrechtliche
Verpflichtung zur Bestellung eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten. Jeder
Streitgenosse darf sich durch einen eigenen Bevollmächtigten vertreten lassen (BVerfG
NJW 1990, 2124, zitiert nach Juris).
Allerdings besteht kein Kostenerstattungsanspruch im Falle des Rechtsmissbrauchs
(BVerfG, a. a. O.). Darüber hinaus sind Kosten von mehreren Prozessbevollmächtigten
dann nicht erstattungsfähig, wenn feststeht, dass ein eigener Prozessbevollmächtigter
für eine interessengerechte Prozessführung nicht erforderlich sein wird (BGH, Beschluss
vom 20.1.2004 VI ZB 76/03, Juris Rn 8), insbesondere wenn man nicht von einem
Interessengegensatz zwischen mehreren Streitgenossen ausgehen kann (BGH,
Beschluss vom 2.5.2007, XII ZB 156/06, MDR 2007, 1160, zitiert nach Juris).
Nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen war es nicht erforderlich, dass beide
Verfügungsbeklagte jeweils einen eigenen Prozessbevollmächtigten mit ihrer
Interessenwahrnehmung beauftragt haben. Die Interessen der beiden
Verfügungsbeklagten verliefen parallel. Dass ein Interessengegensatz zwischen den
beiden Verfügungsbeklagten vorliegen könnte, ist nicht ersichtlich.
Der Kostenerstattungsanspruch der Verfügungsbeklagten ist deshalb auf den Betrag zu
beschränken, der sich ergeben hätte, wenn sie einen gemeinsamen
Prozessbevollmächtigten beauftragt hätten (BGH, Beschluss vom 2.5.2007, XII ZB
156/06, MDR 2007, 1160; Senat, Beschluss vom 16.4.2008, 6 W 167/07; jeweils zitiert
nach Juris).
Bei der Berechnung der Gebühren eines fiktiven gemeinsamen Prozessbevollmächtigten
beider Verfügungsbeklagten ist die Mehrwertsteuer nicht festzusetzen. Der
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beider Verfügungsbeklagten ist die Mehrwertsteuer nicht festzusetzen. Der
Verfügungsbeklagte zu 1.) ist als angestellter Rechtsanwalt zwar nicht zum
Vorsteuerabzug berechtigt. Zum Vorsteuerabzug berechtigt ist nur der
Verfügungsbeklagte zu 2.). Bei einer derartigen Fallkonstellation ist zu prüfen, wer im
Innenverhältnis der Streitgenossen die Kosten zu tragen hat (BGH, Beschluss vom
25.20.2005, VI ZB 58/04, Zöller/Herget, § 91 Rn 13 Stichwort "Umsatzsteuer"). Ergibt
sich aufgrund der Regelungen, die das Innenverhältnis der Streitgenossen betreffen,
dass einer von ihnen die gesamten Kosten des gemeinsamen Prozessbevollmächtigten
zu tragen hat, sind dies die vom Gegner zu erstattenden Kosten. Hier ist davon
auszugehen, dass der Verfügungsbeklagte zu 2.) als Arbeitgeber die Kosten der
Prozessführung des Verfügungsbeklagten zu 1.) zu übernehmen hat. Denn die
Inanspruchnahme beider Verfügungsbeklagten ergab sich daraus, dass sie zum
maßgeblichen Zeitpunkt - wie sich aus dem Anlagenkonvolut ASt 3 zur Antragsschrift
ergibt - im Geschäftsverkehr als eine aus zwei Rechtsanwälten bestehende
Außensozietät auftraten. Die Gestaltung des Außenauftritts der beiden
Verfügungsbeklagten liegt in der Verantwortung des Verfügungsbeklagten zu 2.) als
Arbeitgeber.
Die Verfügungsklägerin hat grundsätzlich auch die anwaltlichen Reisekosten zu
erstatten. Sie hat die in M… ansässigen Verfügungsbeklagten vor dem Landgericht
Potsdam verklagt. Das war für die Verfügungsbeklagten ein auswärtiges Gericht. Es
handelt sich um notwendige Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -
verteidigung, wenn eine vor einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei
einen an ihrem Wohnsitz oder Geschäftsort ansässigen Rechtsanwalt mit ihrer
Vertretung beauftragt (BGH NJW 2003, 898 - Auswärtiger Rechtsanwalt II). Daraus folgt,
dass die Kosten der Anreise zu erstatten sind, allerdings nur die Reisekosten eines der
beiden Verfügungsbeklagten.
Dass die Verfügungsbeklagten sich noch Sehenswürdigkeiten in der Umgebung des
Gerichtsorts angesehen haben, hat das Landgericht ausreichend rechnerisch
berücksichtigt und lediglich die Reisekosten vom Flughafen zum Landgericht Potsdam
und zurück festgesetzt.
Private Besichtigungen nach dem Termin zur mündlichen Verhandlung führen nicht
dazu, dass die Verfügungsbeklagten ihre Reisekosten anteilig selbst zu tragen hätten.
Denn es ist bei lebensnaher Betrachtungsweise davon auszugehen, dass sie die Reise
nicht ohne den beim Landgericht Potsdam anberaumten Termin angetreten hätten.
Dass sie weitere geschäftliche Termine wahrgenommen hätten, ist dagegen nicht
ersichtlich. Sie haben durch anwaltliche Versicherung glaubhaft gemacht, dass dies nicht
der Fall war.
Die fiktiven Kosten eines gemeinsamen Prozessbevollmächtigten der
Verfügungsbeklagten berechnen sich bei einem Streitwert von 15.000,00 € deshalb wie
folgt:
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die gerichtliche Gebühr trägt die
Verfügungsklägerin allein, weil sie durch ihr teilweise erfolgloses Rechtsmittel ausgelöst
worden ist.
Eine Wertfestsetzung für die Kosten gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG ist nicht erforderlich.
Der Kostenwert ist nur dann festzusetzen, wenn sich die Gerichtsgebühren nach dem
Streitwert berechnen, vgl. § 63 Abs. 1 GKG. Im Verfahren der sofortigen Beschwerde
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Streitwert berechnen, vgl. § 63 Abs. 1 GKG. Im Verfahren der sofortigen Beschwerde
gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss ist dies nicht der Fall. Es wird eine Festgebühr
erhoben, wenn die Beschwerde erfolglos bleibt, Nr. 1812 KV GKG, anderenfalls entstehen
keine Gerichtsgebühren.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2
ZPO nicht vorliegen.
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