Urteil des OLG Brandenburg vom 23.04.2007

OLG Brandenburg: leichte fahrlässigkeit, wiedergabe, vergütung, entschädigung, ausarbeitung, quelle, sammlung, link, erstellung, sachverständiger

1
2
3
4
5
6
Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 4.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
13 WF 45/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 8 Abs 1 Nr 1 JVEG, § 8 Abs 2 S
1 JVEG
Sachverständigenvergütung: Erforderlichkeit des mit der
Begutachtung eines Kindes verbundenen Vergütungsanspruchs
Tenor
Die dem Sachverständigen zu erstattende Entschädigung wird unter Abänderung des
Beschlusses des Amtsgerichts Neuruppin vom 23. April 2007, Az.: 53 F 8/06, und unter
Zurückweisung der weitergehenden Beschwerde der Landeskasse auf 10.371,86 €
(einschließlich Mehrwertsteuer) festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gemäß § 4 Abs. 3 JVEG statthafte und in zulässiger Weise eingelegte Beschwerde der
Staatskasse hat in der Sache nur in geringem Maße - wie aus dem Beschlusstenor
ersichtlich - Erfolg.
Grundlage des Vergütungsanspruches ist § 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG. Danach erhält der
Sachverständige als Vergütung ein Honorar für seine Leistungen, das nach
Stundensätzen zu bemessen ist. Dementsprechend wird es gemäß § 8 Abs. 2 JVEG für
jede Stunde der erforderlichen Zeit gewährt, wobei die letzte bereits begonnene Stunde
voll gerechnet wird, wenn sie zu mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung
erforderlich war; anderenfalls beträgt das Honorar die Hälfte des sich für eine volle
Stunde ergebenden Betrages.
Aus § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG ergibt sich damit, dass sich die Anzahl der zu vergütenden
Stunden nicht daran orientiert, wie viele Stunden der Sachverständige zur Erstattung
des Gutachtens aufwandte, sondern daran, wie viele Stunden für die Erstattung des
Gutachtens erforderlich waren. Insoweit ist keine Änderung der Rechtslage gegenüber
dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG)
eingetreten. Für die Ermittlung der Anzahl der zu vergütenden Stunden kommt es - wie
im bisherigen Recht - nicht auf die vom Sachverständigen tatsächlich aufgewandten
Stunden an. Auch hängt die Zeit, die erforderlich ist, nicht von der individuellen
Arbeitsweise des jeweiligen Sachverständigen ab, sondern ist nach einem objektiven
Maßstab zu bestimmen.
Wie bisher schon kann auch unter der Geltung des JVEG allerdings davon ausgegangen
werden, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich aufgewandte Zeit
richtig sind und das die vom Sachverständigen zur Vergütung verlangten Stunden für die
Erstellung des Gutachtens auch notwendig waren. Dementsprechend findet regelmäßig
nur eine Plausibilitätsprüfung der Kostenrechnung anhand allgemeiner Erfahrungswerte
statt (zum alten Recht: OLG Hamm, JurBüro 2000, 663; OLG Düsseldorf JurBüro 1996,
43; zum neuen Recht: OLG Koblenz FamRZ 2007, 2002; Landessozialgericht Baden-
Württemberg Justiz 2005, 91).
Dies ist regelmäßig der Fall, wenn der Sachverständige – wie hier- die Kostenrechnung
nachvollziehbar nach dem von ihm im Einzelnen im Rahmen des Erforderlichen
aufgewandten Zeitaufwand für Aktenstudium, Exploration usw. gliedert. Sofern der
Sachverständige innerhalb des durch die Plausibilitätsprüfung gezogenen Rahmens
bleibt oder diesen Rahmen nur geringfügig überschreitet, wird er antragsgemäß
entschädigt.
Als erforderlich ist nur derjenige Zeitaufwand anzusetzen, den ein Sachverständiger mit
durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen braucht, um sich nach sorgfältigem
Aktenstudium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen zu machen, insbesondere
7
8
9
10
11
12
Aktenstudium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen zu machen, insbesondere
aber auch, um den Umfang der durchzuführenden Untersuchungen, Explorationen,
Tests usw. bestimmen zu können und nach eingehenden Überlegungen seine
gutachterliche Stellungnahme zu den ihm gestellten Fragen schriftlich niederzulegen.
Dabei sind der Umfang des ihm unterbreiteten Streitstoffes, der Grad der Schwierigkeit
der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung seiner Sachkunde auf dem
betreffenden Gebiet, der Umfang seines Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache
angemessen zu berücksichtigen (BGH GRUR 2004, 446).
Hiernach war weder die von dem Sachverständigen in Ansatz gebrachte Stundenzahl für
das Aktenstudium noch die für die Exploration des Herrn K., der Frau F. sowie der
Eheleute G. in Ansatz gebrachte Zeit der Hausbesuche sowie der damit verbundenen
Fahrtzeit zu beanstanden. Die für das Aktenstudium mit vier Zeitstunden in Ansatz
gebrachte Zeit sprengt weder jeden denkbaren Rahmen noch kann sie anlässlich des
hier zu beurteilenden Lebenssachverhalts als nicht erforderlich angesehen werden.
Vielmehr ist gerade ein sorgfältiges Aktenstudium als unbedingt notwendige
Voraussetzung dafür anzusehen, dass der Sachverständige die vom Gericht gestellten
Fragen richtig gewichtet und im Rahmen seiner gutachterlichen Stellungnahme
beantwortet. Der Beschwerdeführer hat für seine auf Schätzung beruhende
Erforderlichkeitsprüfung, nach der er für das Aktenstudium lediglich zwei Stunden für
angemessen hält, eine vertretbare Begründung, die sich mit dem Akteninhalt
auseinandergesetzt nicht abgegeben. Eine bloße Schätzung ist aber dem
Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz fremd (BVerfG JurBüro 2008, 44 ff).
Auch soweit der Beschwerdeführer die Fahrtzeiten des Sachverständigen zu den
Hausbesuchen rügt, hat sich der Beschwerdeführer nicht mit dem Inhalt des Gutachtens
auseinandergesetzt, um daran zu messen, ob der Sachverständige die Hausbesuche für
erforderlich halten durfte. Dies gilt ebenso für das von dem Sachverständigen geführte
Abschlussgespräch mit den Pflegeeltern und dem Kindesvater. Selbst wenn der
Sachverständige hier seinen eigentlichen Gutachterauftrag überschritten hätte, wäre
dies lediglich durch leichte Fahrlässigkeit herbeigeführt worden, die aber nicht zu einer
Verkürzung seines Vergütungsanspruchs führen kann (OLG Düsseldorf NJW-RR 1997,
1353).
Aufgrund der Komplexität des Sachverhalts, der Vielzahl der zu explorierenden
Beteiligten, dem Alter des Kindes sowie dessen Entwicklungsrückstandes ist das
Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die von dem Sachverständigen
angegebenen Stundenzahlen plausibel sind und grundsätzlich keiner Korrektur bedürfen.
Soweit das Landgericht auf die Stellungnahme des Beschwerdeführers hin die Auslagen
insoweit gekürzt hat, als es um die Wiedergabe des Akteninhalts auf Seiten 11 bis 48
des Gutachtens sowie der Position "Ausdrucke und Kopien (380 Kopien)" in der Rechnung
des Sachverständigen ging, ist dem zu folgen. Allerdings ist darüber hinaus die vom
Sachverständigen in Ansatz gebrachte Position "wissenschaftliche Auswertung und
Ausarbeitung des Gutachtens" um zwei Stunden zu kürzen, da davon auszugehen ist,
dass der Sachverständige diese Zeit für die Wiedergabe des Akteninhalts benötigt hat,
es sich insoweit also nicht um erforderliche Zeit gehandelt hat.
Insgesamt führt der Abzug von zwei Zeitstunden (150 € netto) einschließlich der
Mehrwertsteuer zu dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Betrag.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 4 Abs. 8 JVEG.
Datenschutzerklärung Kontakt Impressum