Urteil des OLG Brandenburg vom 20.02.2009

OLG Brandenburg: vergleich, wegerecht, breite, eigentümer, gesetzlicher vertreter, grunddienstbarkeit, zustand, vorgarten, grundbuchamt, rechtsnachfolger

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 5.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 U 87/09
Dokumenttyp:
Urteil
Quelle:
Normen:
§ 794 Abs 1 ZPO, § 1092 Abs 1
BGB
Beendigung des Rechtsstreits durch gerichtlichen Vergleich,
materiell-rechtliche Wirksamkeit des Vergleichs
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 20.
Februar 2009 – Az. 1 O 53/07 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der
außergerichtlichen Kosten des Streithelfers zweiter Instanz.
Die Kostenentscheidung erster Instanz wird dahingehend abgeändert, dass die
Beklagten außergerichtliche Kosten des Streithelfers nicht zu erstatten haben; im
Übrigen verbleibt es bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten im vorliegenden Berufungsverfahren um die Wirksamkeit des im
Termin vom 29. Juni 2007 vor dem Landgericht Potsdam protokollierten Vergleiches, mit
dem die unbekannten Erben nach E… W…, vertreten durch ihren gesetzlichen Vertreter,
als Eigentümer des Flurstücks 47 der Flur 25, eingetragen im Grundbuch von …, Blatt
4636 zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers des Flurstückes 21 der Flur 25, eingetragen
im Grundbuch von … Blatt 526, eine Grunddienstbarkeit (Geh-, Fahr- und Leitungsrecht)
entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze mit einer Breite von neun Metern bzw. bis
zur gesamten Breite des belasteten Grundstückes bewilligt hatten.
Ausgangspunkt des Rechtsstreites war, dass das in Abteilung II des Grundbuchs von …
Blatt 4636 zu Lasten des Flurstücke 47 und zu Gunsten des Flurstückes 21 eingetragene
Wegerecht auf der Grundlage einer Bescheinigung der Landeshauptstadt Potsdam vom
18. Juli 2006 durch das Grundbuchamt am 27. September 2006 gelöscht worden war. Mit
Beschluss vom 28. November 2006 - Az. 5 T 742/06 (Blatt 38 ff. d. A.) - hatte das
Landgericht Potsdam das Grundbuchamt im Wege der einstweiligen Anordnung
angewiesen, einen Widerspruch gegen die Löschung der ehemals in Abteilung II unter
der laufenden Nummer 1 eingetragenen Grunddienstbarkeit einzutragen. Mit dem
vorliegenden Verfahren begehrte der Kläger von den Eigentümern des Flurstücks 47 die
Berichtigung des Grundbuches gemäß § 894 BGB.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Feststellungen
in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Ergänzend ist auszuführen, dass die Beklagten bereits in erster Instanz geltend gemacht
haben, durch den am 29. Juni 2007 abgeschlossenen Vergleich sei der Rechtsstreit nicht
beendet worden. Der gerichtliche Vergleich sei unwirksam, weil damit über Rechte
verfügt worden sei, über die weder der Kläger noch die Beklagten bzw. der
Beklagtenvertreter hätten verfügen können. Hier sei entscheidend, dass nicht das
gelöschte Recht wieder eingetragen worden sei, sondern ein Recht, wie es sich aus dem
geschlossenen Vergleich ergebe. Bei diesem Vergleich sei allerdings unzulässig in die
Rechte des Eigentümers des ehemals unter Blatt 1752 gebuchten Grundstückes (heute
Blatt 501) eingegriffen worden. Bei dem insoweit berechtigten Eigentümer handele es
sich um den Rechtsnachfolger des Bildhauers K…, der 1859 die Parzelle von dem
Eigentümer Sch… erworben habe. Der heutige Eigentümer sei Herr B…, der Beklagte zu
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Eigentümer Sch… erworben habe. Der heutige Eigentümer sei Herr B…, der Beklagte zu
2. in dem Parallelverfahren 1 O 146/08 Landgericht Potsdam. Dem Eigentümer des
vorgenannten Grundstückes B… (heute Flurstück 46 der Flur 25) sei es gestattet, das
heutige Flurstück 47 „unbeschadet der darauf haftenden Wegegerechtigkeiten durch
Anlagen zu verschönern und namentlich mit Ziersträuchern zu bepflanzen“. Diese
Grunddienstbarkeit sei ebenfalls ohne Bewilligung des Berechtigten gelöscht worden und
das Recht sei auf Antrag des Berechtigten ebenfalls wieder einzuräumen. Der Kläger
verlange aber in dem Parallelverfahren, dass die ihm durch Vergleich vom 29. Juni 2007
eingeräumten Wegerechte in der Weise gestattet würden, dass die gesamte Wegefläche
vollständig frei gehalten werde.
Darüber hinaus sei der gerichtliche Vergleich vom 29. Juni 2007 nach § 779 BGB
unwirksam, weil die Parteien offensichtlich von einem unzutreffenden Sachverhalt
ausgegangen seien. Die Parteien hätten übersehen, dass über viele Jahre ein Vorgarten
vor dem Haus des Flurstückes 46 vorhanden gewesen sei, der in den Ausübungsbereich
des streitgegenständlichen Wegerechtes hineinreiche. Entsprechendes gelte auch für
einen Terrassenvorbau. Aus dem Vorbringen des Klägers in dem Parallelverfahren sei zu
schließen, dass dem Kläger die über viele Jahrzehnte vorherrschende Vorgartensituation
vor dem Haus auf dem Flurstück 47 nicht bekannt gewesen sei. Zu Gunsten des
damaligen gesetzlichen Vertreters der unbekannten Erben, des Rechtsanwaltes S…,
möge ebenfalls unterstellt werden, dass die näheren Umstände der Einschränkungen
des streitgegenständlichen Wegerechtes nicht näher bekannt gewesen seien. Dies gelte
auch für einen weiteren Gesichtspunkt, und zwar denjenigen der Grenzverschiebung des
klägerischen Grundstückes. Dazu hätten die Beklagten im Parallelverfahren 1 O 146/08
Landgericht Potsdam insbesondere im Schriftsatz vom 8. August 2008 vorgetragen.
Danach habe sich die östliche Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstückes um
etwa 1,5 m nach Osten verschoben, sodass die räumliche Ausdehnung des ursprünglich
einmal eingetragenen Wegerechtes nicht einfach in den gerichtlichen Vergleich habe
übernommen werden können. Dies hätten die Parteien offensichtlich bei dem
gerichtlichen Vergleichsabschluss nicht bedacht, weil sie dann allenfalls noch eine Breite
für das Wegerecht von acht Metern hätten vereinbaren dürfen. Der Vergleich sei aber
auch wegen Verstoßes gegen die §§ 134 und 138 BGB unwirksam, weil der damalige
gesetzliche Vertreter der Beklagten, Rechtsanwalt S…, die streitgegenständliche Fläche
(Flurstück 47) an Herrn V… B… verkauft und anschließend den Käufer in einem
Verfahren vor dem Amtsgericht Potsdam gegenüber Mietern vertreten habe.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht festgestellt, dass der
Rechtsstreit durch den abgeschlossenen Vergleich beendet worden ist. Zur Begründung
hat es ausgeführt, das Gericht habe in der mündlichen Verhandlung, die mit dem
Vergleichsabschluss geendet habe, darauf hingewiesen, dass die Löschung der
ursprünglich eingetragenen Grunddienstbarkeit zu Unrecht erfolgt sei und insoweit ein
Grundbuchberichtigungsanspruch bestehe. Der von dem Gericht sodann angeregte
Vergleich habe die „antiquierte“ Grunddienstbarkeit sprachlich modernisieren sollen.
Nichtigkeitsgründe des abgeschlossenen Vergleiches seien nicht ersichtlich.
Insbesondere werde durch diesen Vergleich nicht in Rechte Dritter eingegriffen. Stelle
sich ein Grundbuch hinsichtlich mehrerer gelöschter Eintragungen als fehlerhaft dar, so
sei es hinsichtlich der Berichtigungsansprüche völlig normal, dass, je nachdem welcher
der Berechtigten zu erst ein entsprechendes Berichtigungsverfahren einleite, dessen
Recht zu erst wieder zur Eintragung gelange. Dem Erlass eines streitigen Urteils auf
Wiedereintragung der gelöschten Dienstbarkeit hätten etwaige Rechte Dritter nicht
entgegengestanden, entscheidend sei alleine, dass die streitenden Parteien
Grundbucheintragungsberechtigte und –verpflichtete gewesen seien. Zudem weise der
Kläger zutreffend darauf hin, dass die streitige Dienstbarkeit, von der die Beklagten
meinten, diese dem jetzigen Nachbarn des Klägers einräumen zu müssen, eine
persönliche Dienstbarkeit sei, die nicht auf die Rechtsnachfolger habe übertragen
werden können. Schließlich habe die weitere Dienstbarkeit den Inhalt gehabt, dass diese
nur „unbeschadet darauf haftenden Wegegerechtigkeiten“ habe ausgeübt werden
dürfen.
Gegen das ihnen am 15. Mai 2009 zugestellte Urteil des Landgerichts Potsdam haben
die Beklagten mit am 15. Juni 2009 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht
eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese, nach Verlängerung der
Berufungsbegründungsfrist bis zum 17. August 2009, mit am 14. August 2009
eingegangenen Schriftsatz begründet.
Die Beklagten wenden sich gegen die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung
und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens. Ergänzend machen sie geltend, es sei
gerade nicht beantragt worden, die ursprüngliche Klage des Klägers abzuweisen,
vielmehr hielten die Beklagten die ursprüngliche Klage ausdrücklich für begründet. Das
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vielmehr hielten die Beklagten die ursprüngliche Klage ausdrücklich für begründet. Das
Verfahren sei nicht mit der Maßgabe aufgegriffen worden, dass die ursprüngliche Klage
des Klägers abgewiesen werden solle. Vielmehr sei mehrfach schriftsätzlich und auch im
Termin erklärt worden, dass die klägerischen Ansprüche als berechtigt erachtet würden
und dass die Beklagten auch bereit seien, dementsprechend ein Anerkenntnis
abzugeben. Mit diesem Kernanliegen habe sich das Landgericht nicht
auseinandergesetzt. Die Kostenentscheidung sei insofern unzutreffend, als ihnen auch
die Kosten des Streithelfers ohne Rücksicht auf dessen Beitrittswechsel auferlegt worden
seien.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 20. Februar 2009 – Az. 1 O 53/07 -
abzuändern und festzustellen, dass der Rechtsstreit 1 O 53/07 vor dem Landgericht
Potsdam nicht durch den am 29. Juni 2007 abgeschlossenen Vergleich beendet worden
ist,
hilfsweise,
das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 20. Februar 2009 abzuändern und die
Feststellungsklage des Klägers vom 17. Dezember 2008 abzuweisen sowie
hilfsweise,
den Rechtsstreit an das Landgericht Potsdam zurückzuverweisen.
Kläger und Streithelfer des Klägers beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung.
II.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig; sie wurde insbesondere form- und fristgerecht
eingelegt und begründet (§§ 517, 519, 520 ZPO). In der Sache bleibt das Rechtsmittel
ohne Erfolg, da das Landgericht zutreffend festgestellt hat, dass der Rechtsstreit durch
den Vergleich vom 29. Juni 2007 wirksam beendet worden ist.
A)
Hinsichtlich des Hauptantrages, festzustellen, dass der Rechtsstreit durch den Vergleich
vom 29. Juni 2007 nicht wirksam beendet worden ist, fehlt es bereits am erforderlichen
Rechtschutzbedürfnis, der Antrag ist insoweit unzulässig.
Wird durch eine Partei geltend gemacht, ein Rechtsstreit sei durch einen Vergleich nicht
wirksam beendet worden, so fehlt es in verfahrensrechtlicher Hinsicht für einen Antrag
auf Feststellung, dass der Rechtsstreit nicht durch den Vergleich beendet worden ist, an
dem erforderlichen Rechtschutzbedürfnis. Es genügt in einem solchen Fall vielmehr, den
Rechtsstreit fortzuführen, über den dann durch Zwischenurteil (wenn der Antrag
begründet ist) oder durch Endurteil entschieden werden kann (Zöller/Stöber, ZPO, 28.
Auflage 2010, § 794 ZPO, Rn 15 a). Zulässig ist allein der Antrag der Gegenseite auf
Feststellung der Wirksamkeit des Vergleiches (Zöller/Stöber, a.a.O.).
B)
Die Berufung hat auch mit dem gestellten Hilfsantrag keine Aussicht auf Erfolg, weil das
Landgericht im Ergebnis zutreffend festgestellt hat, dass der Rechtsstreit durch den
Vergleich vom 29. Juni 2007 wirksam beendet worden ist; danach besteht auch keine
Veranlassung, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur erneuten
Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht Potsdam zurückzuverweisen.
1.
Grundsätzlich gilt, dass der gerichtliche Vergleich als Prozesshandlung den Rechtsstreit
und die Rechtshängigkeit beendet. Diese Wirkung kommt aber nur einem materiell-
rechtlich wirksamen Vergleich zu, der gleichzeitig als Prozesshandlung ordnungsgemäß
zu Stande gekommen ist. Ein unwirksamer Vergleich führt dagegen nicht zur
Beendigung des Rechtsstreites, dieser ist vielmehr bei Geltendmachung der Nichtigkeit
fortzuführen (Zöller/Stöber, a.a.O., § 794 ZPO, Rn. 13, 15 f.).
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2.
Soweit die Beklagten geltend machen, der Vergleich beinhalte eine unzulässige
Vereinbarung zu Lasten Dritter, bzw. es sei über Rechte verfügt worden, über die die
Parteien des Vergleiches im vorliegenden Verfahren nicht hätten verfügen dürfen, weil
ihnen die entsprechende Dispositionsbefugnis gefehlt habe und der Vergleich sei
deswegen unwirksam, bleibt dieser Einwand ohne Erfolg.
a) Die Beklagten machen insoweit konkret geltend, es sei nicht das zu Unrecht im
Grundbuch gelöschte Recht durch den Vergleich wieder im Grundbuch eingetragen
worden, es werde vielmehr mit dem Vergleich in die Rechte eines Dritten, nämlich des
Eigentümers des vormals unter Blatt 1752 (heute Blatt 501) gebuchten Grundstückes
eingegriffen. Bei dem insoweit berechtigten Eigentümer handele es sich um den
Rechtsnachfolger des Bildhauers K…, der das Grundstück 1859 erworben habe. Dem
heutigen Eigentümer dieses Grundstückes (Flurstück 46 der Flur 25), Herrn B…, sei es
nach der vormaligen Grundbuchlage gestattet gewesen, das heutige Flurstück 47
„unbeschadet der darauf haftenden Wegegerechtigkeiten durch Anlagen zu verschönern
und namentlich mit Ziersträuchern zu bepflanzen“. In dem Parallelverfahren 1 O 146/08
Landgericht Potsdam mache der Beklagte gerade geltend, ihm sei durch den Vergleich
das Wegerecht in einer Weise eingeräumt worden, dass die gesamte Wegefläche
vollständig frei zu halten sei.
b) Diese Argumentation vermag der Berufung aus mehreren Gründen nicht zum Erfolg
zu verhelfen.
aa) Im Unterschied zu der gelöschten Dienstbarkeit, die Gegenstand dieses
Rechtsstreits ist, wurde dem damaligen Eigentümer des heutigen Flurstücks 46 der Flur
25 eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit eingeräumt (vormals eingetragen in
Abteilung II des Grundbuchs von … Blatt 4636 unter (12) r-d zu Gunsten des damaligen
Eigentümers, des Bildhauers F… K…). Anders, als das unter (8) in der genannten
Abteilung eingetragene Wegerecht, das zu Gunsten des Käufers und dessen
Besitznachfolgern begründet worden war, wurden die unter (12) eingetragenen Rechte
dem Bildhauer F… K… persönlich gewährt. Es findet sich in der Eintragung kein Hinweis
darauf, dass dieses Recht zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers bzw. des Bildhauers
K… und dessen Rechtsnachfolgern bestellt worden ist oder bestellt werden sollte.
Handelt es sich aber um eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit, so war diese nach
§ 1092 Abs. 1 BGB gerade nicht übertragbar und ist mit dem Tod des Bildhauers K…
erloschen. Durch den Abschluss des Vergleichs konnten in diesem Falle in mögliche
Rechte Dritter aus dieser beschränkt persönlichen Dienstbarkeit nicht eingegriffen
werden.
bb) Unabhängig davon ist aber selbst dann, wenn das unter (12) eingetragene Recht zu
Gunsten des Bildhauers K… nicht erloschen sein sollte, sondern bei Abschluss des
Vergleiches noch weiter Bestand gehabt hätte, in dieses Recht durch den Vergleich nicht
eingegriffen worden.
Im Range vor dem unter (12) in Abteilung II eingetragenen Recht war zu Gunsten des
Grundstücks des Klägers (Flurstück 21) das Wegerecht über das Flurstück 47 als dem
dienenden Grundstück eingetragen. Dieses Recht ist durch die von der Stadt …
veranlasste und vom Grundbuchamt durchgeführte Löschung im Grundbuch nicht
materiell-rechtlich erloschen, sondern bestand weiter fort. Lediglich das Grundbuch war
insoweit unrichtig geworden, wie dies auch in der Entscheidung des Landgerichts
Potsdam vom 28. November 2006 zutreffend zum Ausdruck gekommen ist. Allein durch
die Eintragung eines Löschungsvermerkes nach § 46 Abs. 1 GBO wird das Erlöschen
eines rechtswirksam bestellten und eingetragenen Rechtes nicht herbeigeführt. Bei § 46
Abs. 1 GBO handelt es sich um eine reine Ordnungsvorschrift (Hügel/Reetz, GBO, § 46
Rn. 47); die Löschung selbst kann aber nicht rückgängig gemacht werden, möglich ist
nur die Neueintragung des fehlerhaft gelöschten Rechtes (Hügel/Reetz, a.a.O.), was das
Ziel der in dem vorliegenden Verfahren erhobenen Klage auf Grundbuchberichtigung
war.
Bestand aber zu Gunsten des Grundstückes des Klägers die Grunddienstbarkeit
(Wegerecht) – bis zum Abschluss des Vergleiches – weiter fort, so konnte durch den
Abschluss des Vergleiches in ein – unterstelltes – Recht aus der unter (12)
eingetragenen Dienstbarkeit zu Gunsten des Bildhauers K… nur dann eingegriffen
werden, wenn im Wege des Vergleiches zu Gunsten des Grundstücks des Klägers ein
Recht begründet worden wäre, das über die bis zu diesem Zeitpunkt bestehende
Grunddienstbarkeit hinaus ging.
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Ein über das bestehende Wegerecht hinausgehende Berechtigung ist aber durch den
Abschluss des Vergleiches, der das bestehende Wegerecht inhaltlich lediglich modifiziert
hat, nicht begründet worden. Dies ergibt sich ohne weiteres bei einer Gegenüberstellung
des ursprünglich eingetragenen Rechtes und des nunmehr auf Grund des Vergleiches im
Grundbuch in Abteilung II eingetragenen Rechtes.
Zu Gunsten des Grundstücks des Klägers war auf Blatt 4636 des Grundbuchs von … ein
Wegerecht mit seinem konkreten Inhalt eingetragen (Blatt 26 d. A.). Der zu gewährende
Weg befindet sich danach an der östlichen Grenze des herrschenden Grundstückes, und
zwar in einer Breite von 30 Fuß (= 9,416 m). Der Weg war durch den Eigentümer des
dienenden Grundstückes auf seine Kosten „im fahrbaren Zustand zu erhalten“. Dieser
an der östlichen Grenze des Grundstücks des Klägers auf dem Grundstück der
Beklagten verlaufende Weg sollte also eine Breite von 9,41 m haben (bzw. an den
Stellen, an denen das Wegegrundstück diese Breite nicht erreicht, die vollständige Breite
des dienenden Grundstücks) und in dieser Breite in einem fahrbaren Zustand erhalten
werden. Ein darüber hinausgehendes Recht ist zu Gunsten des Grundstücks des Klägers
durch den am 29. Juni 2007 protokollierten Vergleich (Bl. 155 d. A.) aber nicht begründet
worden. Das Wegerecht wird mit diesem Vergleich vielmehr sogar nur in einer Breite von
9 m entlang der gemeinsamen Grenze (= östliche Grenze des Grundstücks des Klägers)
gewährt, also in einer geringeren als der zuvor eingetragenen Breite. Die Wegefläche ist,
wie dies auch zuvor eingetragen war, in einem befahrbaren Zustand zu halten. Damit
hat das Wegerecht aber gegenüber dem eingetragenen Recht eine geringere
Ausübungsfläche, nämlich nur eine Breite von 9 m (gerade hierin ist auch ein
Nachgeben des Klägers bei Abschluss des Vergleiches zu sehen), im Übrigen aber den
gleichen Inhalt (Erhalt der Wegefläche in einem befahrbaren Zustand), so dass das zu
Gunsten des Bildhauers K… eingetragene Recht durch diesen Vergleich nicht
eingeschränkt worden ist.
Darauf, ob der Kläger in dem weiteren Verfahren 1 O 146/08 (Landgericht Potsdam) mit
Erfolg die (teilweise) Beseitigung eines Vorgartens verlangen kann, kommt es nicht an.
Entscheidend ist vielmehr, dass sich die dingliche Rechtsposition des Klägers, auf die er
dieses Begehren stützt, durch den abgeschlossenen Vergleich nicht zu seinen Gunsten
verbessert, sondern, weil der Weg nun nur noch ca. 9 m breit ist, insoweit sogar eher
verschlechtert hat.
3.
Keinen Erfolg haben die Beklagten mit ihrem weiteren Einwand, der Vergleich sei nach §
779 Abs. 1 BGB unwirksam, weil der nach dem Inhalt des Vergleichs als feststehend zu
Grunde gelegte Sachverhalt der Wirklichkeit nicht entspreche und der Streit über die
Ungewissheit bei Kenntnis der Sachlage nicht entstanden wäre.
a) Als feststehend zu Grunde gelegt ist der unstreitige Sachverhalt, von dem die
Parteien bei Abschluss des Vergleiches ausgingen, der also von ihnen nach dem Inhalt
des Vergleiches als Grundlage und wesentliche Voraussetzung für die erzielte Beilegung
ihres Streites betrachtet wird und sich außerhalb des Streits in der Ungewissheit befindet
(m. w. N. Palandt/Sprau, 69. Aufl. 2010, § 779 BGB Rn. 15). Unrichtig ist der zu Grunde
gelegte Sachverhalt, wenn die Vorstellung der Parteien – objektiv – von der Wirklichkeit
abweicht (Palandt/Sprau, a. a. O., Rn. 16).
b) Im Kern stützt sich der Einwand der Beklagten darauf, bei Abschluss des Vergleiches
sei den Parteien nicht bekannt gewesen, dass der Vorgarten des Flurstückes 46 in den
von dem Wegerecht erfassten Bereich hineinrage und sie hätten nicht gewusst, dass es
an der östlichen Grenze zu einer Grenzverschiebung des klägerischen Grundstücks zu
Lasten des in dem Wegerecht belasteten Grundstücks gekommen sei (Bl. 198 f. d. A.).
Beide Einwände treffen indes nicht zu.
aa) Es ist bereits nicht ersichtlich und wird von den Beklagten auch nicht hinreichend
konkret vorgetragen, dass dem Vergleichsabschluss als unstreitiger Sachverhalt von
beiden Parteien zu Grunde gelegt worden wäre, der Vorgarten des Flurstückes 46 reiche
nicht in den Bereich des Wegerechtes hinein. Schon hinsichtlich der Vorstellungen des
damaligen gesetzlichen Vertreters der Beklagten stützen sich die Beklagten lediglich auf
bloße Vermutungen. Hinreichend konkrete Anhaltspunkte finden sich aber weder in
diesem Verfahren, noch in dem Verfahren 1 O 146/08 (Landgericht Potsdam). Im
Gegenteil hat der Kläger bereits vor Abschluss des Vergleiches zu einem Zeitpunkt, als
er von der Löschung des Wegerechtes noch keine Kenntnis hatte, geltend gemacht, bei
der Gestaltung des Grünbereiches an der Vorderseite des Hauses auf dem Flurstück 46
sei der Weg in der festgelegten Breite im befahrbaren Zustand zu halten (Schreiben
vom 23. Oktober 2006, Anlage K9 in dem Verfahren 1 O 146/08). Dies sei, so heißt es in
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vom 23. Oktober 2006, Anlage K9 in dem Verfahren 1 O 146/08). Dies sei, so heißt es in
dem genannten Schreiben, insbesondere bei der Neugestaltung der Außenanlagen zu
beachten.
Obwohl zum Zeitpunkt des Schreibens des damaligen gesetzlichen Vertreters der
Beklagten vom 27. September 2007 der gerichtliche Vergleich bereits geschlossen war,
indiziert dieses Schreiben ebenfalls, dass dem gesetzlichen Vertreter die
Vorgartensituation bei Abschluss des Vergleiches bekannt war. In diesem Schreiben
heißt es nämlich lapidar, „dass der Vorgarten, der sich schon immer dort befunden hat,
auch dort bleiben darf“ (Bl. 229, 232 d. A.).
Ein nach § 779 BGB erforderlicher unstreitiger Sachverhalt, wonach der Vorgarten oder
gar die Terrasse des Hauses auf dem Flurstück 46 nicht in dem Bereich des
Wegerechtes hineinrage, ist damit schon nicht schlüssig vorgetragen.
bb) Entsprechend ist eine Grenzverschiebung an der östlichen Grenze des Grundstücks
des Klägers ebenfalls schon nicht objektiv feststellbar. Es ist auch nicht ersichtlich, dass
insoweit unstreitige Vorstellung beider Parteien bei Abschluss des Vertrages gewesen
ist, es habe eine solche Grenzverschiebung nicht gegeben, obwohl sie tatsächlich erfolgt
sei.
Die Beklagte stützt ihr Vorbringen insbesondere auf den Schriftsatz vom 8. August 2008
in dem Verfahren 1 O 146/08 (Bl. 199 d. A. und Bl. 46 ff des Verfahrens 1 O 146/08). Es
wird vorgetragen, es habe 1998/1999 eine Vermessung gegeben und infolge dieser
Vermessung sei die klägerische Grundstücksgrenze in östlicher Richtung, also zu Lasten
des Flurstückes 47 verschoben worden. Abgesehen davon, dass der Kläger vorträgt, es
sei seinerzeit nur um die Grenzpunkte im Norden und Westen gegangen und eine
„Grenzverschiebung“ habe es nicht gegeben (Bl. 118 – 1 O 146/08), lässt sich dem von
den Beklagten in diesem Zusammenhang vorgelegten Fortführungsriss eine solche
Verschiebung nicht entnehmen. Träfe der Vortrag der Beklagten zu, hätte es 1998/1999
eine neue, veränderte Grenzfestlegung geben müssen. Dann hätte es aber auch eine
entsprechende Grenzverhandlung unter Beteiligung der betroffenen Eigentümer des
Flurstückes 47 und eine entsprechende Anerkennung der neuen Grenzen durch die
Beklagten gegeben haben müssen. Hierzu tragen die Beklagten nicht einmal
ansatzweise vor.
Abgesehen davon hatte der gesetzliche Vertreter der Beklagten, Rechtsanwalt S…, in
dem vorliegenden Verfahren ausdrücklich geltend gemacht (Bl. 72 d. A.) die damalige (=
gelöschte) Grundbucheintragung habe anders geschnittene Flurstücke betroffen. Die
Größe der entsprechenden Flurstücke sei nicht mehr mit der damaligen Größe identisch.
Ein unstreitiger und unzutreffender Sachverhalt, es habe keine Veränderungen im
Bereich der Grenzen der betroffenen Grundstücke gegeben, kann danach gerade nicht
festgestellt werden.
4.
Für den weiteren Einwand, der Vergleich verstoße gegen §§ 134, 138 BGB, fehlen bereits
hinreichend konkrete Ansatzpunkte im Vortrag der Beklagten. Allein der Umstand, dass
der damalige gesetzliche Vertreter, Rechtsanwalt S…, zunächst das Flurstück 46 als
gesetzlicher Vertreter der Beklagten an den neuen Eigentümer B… verkauft hatte und
sodann diesen in einem Rechtsstreit gegen Mieter vor dem Amtsgericht Potsdam
vertreten hatte, lässt nicht erkennen, warum der im vorliegenden Verfahren
geschlossene Vergleich sittenwidrig sein könnte, noch ist erkennbar, gegen welches
gesetzliche Verbot Rechtsanwalt S… verstoßen haben könnte. Die Interessen des
Eigentümers B… gegenüber seinen Mietern, die Rechtsanwalt S… in dem Verfahren vor
dem Amtsgericht Potsdam vertreten hatte, haben mit den Interessen der unbekannten
Erben im Verhältnis zu dem Kläger nichts zu tun. Gerade wenn, wie die Beklagten
geltend machen, Rechtsanwalt S… auch die Interessen des neuen Eigentümers B…
vertreten haben sollte, hätte er besondere Veranlassung gehabt, darauf zu achten, dass
keine Rechte begründet werden, die in mögliche Rechtspositionen des von ihm
vertretenen Eigentümers B… eingreifen könnten.
Die Berufung der Beklagten in der Sache bleibt damit insgesamt ohne Erfolg.
C)
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Allerdings war die erstinstanzliche
Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattung der außergerichtlichen Kosten des
Streithelfers des Klägers abzuändern. Der Streithelfer war nämlich zunächst dem
Rechtsstreit auf der Seite der Beklagten beigetreten (Schriftsatz vom 16. Februar 2009),
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Rechtsstreit auf der Seite der Beklagten beigetreten (Schriftsatz vom 16. Februar 2009),
denn ein Beitritt kann ohne weiteres durch Einreichung eines Schriftsatzes erfolgen
(Zöller/Vollkommer, a.a.O., § 74 ZPO Rn. 1 i. V. m. § 70 Abs. 1 ZPO). Erst im Laufe des
Termins vom 20. Februar 2009 hat der Streithelfer einen Wechsel vollzogen und ist dem
Rechtsstreit nunmehr auf der Seite des Klägers beigetreten. In einem solchen Fall
können der unterlegenen Partei aber nur die nach dem Beitrittswechsel angefallenen
Kosten auferlegt werden. Zum Zeitpunkt des Wechsels waren allerdings die
erstinstanzlichen Gebührentatbestände – Verhandlungs- und Terminsgebühr – bereits
entstanden. Damit konnten den Beklagten die außergerichtlichen Kosten des
Streithelfers erster Instanz nicht auferlegt werden.
Dies gilt nicht für die Kosten des Streithelfers zweiter Instanz, die nach seinem Beitritt
auf der Seite des Klägers entstanden sind. Dieser „Beitritt“ (Zöller/Vollkommer, a. a. O.,
§ 70 Rn. 1) ist auch nicht in Wegfall gekommen. Nach erfolgtem Beitritt kann der
Streitverkündende dem Beigetretenen dessen prozessuale Position nicht mehr einseitig
entziehen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 798 Nr. 10, 711,
713 ZPO, § 26 Nr. 8 RGZPO.
Gründe, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten (§ 543 Abs. 2 ZPO), sind
nicht ersichtlich.
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