Urteil des OLG Brandenburg vom 27.06.2006
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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht
11. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
11 Wx 49/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1836a BGB, § 1908i BGB
Berufsbetreuervergütung: Vergleichbarkeit der Ausbildung mit
einer Hochschulausbildung
Tenor
Auf die weitere sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des
Landgerichts Potsdam (5 T 505/05) vom 27. Juni 2006 abgeändert.
In Abänderung des Beschlusses des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel (18 XVII F
5776) vom 25. August 2005 wird die der Beteiligten zu 1. und Beschwerdeführerin für
den Zeitraum vom 23.12.2004 bis zum 13.05.2005 zu gewährende Vergütung auf 1.854,
46 € einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligte zu 1. war Betreuerin des inzwischen verstorbenen Betroffenen. Sie verfügt
über die staatliche Anerkennung als Erzieherin, den Abschluss als Sozialmanagerin
(nach einem Fernlehrgang) sowie die staatliche Anerkennung als Heilpädagogin. Das
Amtsgericht hat ihr für den im Beschlusstenor genannten Zeitraum, ausgehend von
einem in dem Beschwerdeverfahren nicht angegriffenen Zeitaufwand von 51,57
Stunden, eine nach den §§ 1908 i, 1836 a BGB festzusetzende Vergütung gewährt.
Dabei hat es einen Stundensatz von jeweils 23,00 € (netto) zugrunde gelegt. Mit der
dagegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat die Beteiligte zu 1. die Bemessung des
Stundensatzes mit 31,00 € und damit den Höchstsatz begehrt. Zur Begründung hat sie
ihre besondere berufliche Qualifikation angeführt.
Das Landgericht hat aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses, auf die - auch
wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes - Bezug genommen wird, das
Rechtsmittel zurückgewiesen. Es hat dabei im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die
Lehreinrichtung, in der die Beteiligte zu 1. die Voraussetzungen für die staatliche
Anerkennung als Heilpädagogin erlangte, weder als Hochschule noch als
Fachhochschule qualifiziert werden könne, was die Zuerkennung eines Stundensatzes
von 31,00 € ausschließe.
Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1. mit der weiteren sofortigen Beschwerde. Sie
verweist auf ihre rechtliche Argumentation im Beschwerdeverfahren und stellt zunächst
insbesondere ihre langjährige Berufserfahrung sowie die von ihr erworbenen
Vorqualifikationen als Erzieherin und als Sozialmanagerin in den Vordergrund. Sie hat
auf das sich bei der Akte befindende Ausbildungsprogramm des Europäischen
Bildungswerkes für Beruf und Gesellschaft e.V. in B… verwiesen und unter Bezugnahme
auf obergerichtliche Entscheidungen insbesondere des Bayerischen Obersten
Landesgerichts, des Oberlandesgerichts Hamm sowie des Pfälzischen
Oberlandesgerichts geltend gemacht, sie habe deren Kriterien erfüllt, weil die von ihr
besuchte Lehreinrichtung überwiegend wissenschaftliche Lehrstoffe vermittelt habe und
über einen entsprechenden wissenschaftlichen Lehrkörper verfüge.
Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht und Beschwerdegegner ist dem entgegen
getreten und hat die wissenschaftliche Qualität der Ausbildung geleugnet, nachdem er
zunächst dem von der Kammer vertretenen formalen Standpunkt beigetreten war.
II.
Das zulässige Rechtsmittel der Beteiligten zu 1. hat in der Sache Erfolg. Ihr ist entgegen
der Auffassung des Bezirksrevisors sowie des Landgerichts die Erhöhung des
Stundensatzes auf 31,00 € zuzubilligen.
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Für die Vergütung der Beschwerdeführerin ist im verfahrensgegenständlichen
Abrechnungszeitraum noch auf die Vorschrift des § 1 Abs. 1 BVormG abzustellen.
Danach setzt eine Erhöhung des Stundensatzes voraus, dass der Betreuer über
besondere Kenntnisse verfügt, die für die Führung von Betreuungen allgemein nutzbar
sind, und diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre bzw. eine abgeschlossene
Ausbildung an einer Hochschule oder Fachhochschule oder aber durch eine
vergleichbare Ausbildung erworben wurden. Das gilt besonders dann, wenn, wie
vorliegend, der gesetzlich vorgesehene Höchstsatz verlangt wird.
Bereits die Formulierung des Gesetzes macht deutlich, dass die Feststellung einer
vergleichbar qualifizierten Ausbildung nicht eine - formale - Gleichstellung der besuchten
Lehreinrichtung mit mindestens einer Fachhochschule voraussetzt, wovon aber die
Kammer offenbar ausgeht. Damit würde der Regelungsgehalt der Vergütungsvorschrift
verkürzt. Die Beurteilung des Sachverhaltes erfordert vielmehr ein Eingehen auf die
inhaltliche Gestaltung der Ausbildung im Einzelfall. Der Senat nimmt in diesem
Zusammenhang insbesondere auf die Entscheidungen des Bayerischen Obersten
Landesgerichts (BayObLGZ 2000, 248) und des Oberlandesgerichts Hamm (FamRZ
2001, 1398) Bezug. Die Vergleichbarkeit mit einer Ausbildung an einer (Fach-)
Hochschule wird bejaht, wenn die Fachkenntnisse im Rahmen einer staatlich
reglementierten oder zumindest staatlich anerkannten Ausbildung vermittelt werden, die
Ausbildung einen Abschluss aufweist und ihre Wertigkeit der einer (Fach-)
Hochschulausbildung entspricht, also der vermittelte Wissensstoff nach Art und Umfang
dem durch ein Studium erworbenen vergleichbar ist. Diese Vergleichbarkeit ist
gewährleistet, wenn die Ausbildung an einer Einrichtung erfolgt, die einer überwiegend
wissenschaftlichen Lehrstoffvermittlung dient, über einen entsprechenden
wissenschaftlichen Lehrkörper verfügt und die Erlangung graduierter Abschlüsse zum
Ziel hat, deren Erfolg durch eine von einer staatlichen oder staatlich anerkannten Stelle
abgelegten Prüfung belegt ist (vgl. OLG Hamm a.a.O.).
Der Senat schließt sich diesen Ausführungen ohne Einschränkung an. Die Bewertung der
von der Beschwerdeführerin absolvierten Ausbildung anhand der damit aufgestellten
Kriterien führt zu der Feststellung, dass sie eine Ausbildung genossen hat, die derjenigen
an einer Fachhochschule vergleichbar ist. Sie ist Inhaberin eines graduierten
Abschlusses, der staatlich anerkannt wurde. Die von ihr besuchte Fachschule für
Heilpädagogik im Europäischen Bildungswerk für Beruf und Gesellschaft e. V. verfügt, wie
gerichtsbekannt ist, über einen jedenfalls im Wesentlichen wissenschaftlich
ausgebildeten Lehrkörper. Die Leiterin der Einrichtung ist eine promovierte
Wissenschaftlerin. Mindestens zwei der Lehrkräfte sind Diplom-Psychologen. Letzteres ist
angesichts des aktenkundigen Ausbildungsprogramms sowie des von der
Beschwerdeführerin überreichten Abschlusszeugnisses von besondere Bedeutung. Denn
daraus ist ersichtlich, dass in den Lernbereichen II und III Kenntnisse etwa auf den
Gebieten der Psychologie, Heilpädagogik, Sexualpädagogik, Arbeitspädagogik,
Bewegungstherapie und Psychomotorik vermittelt werden. Der von dem Senat rechtlich
zu beurteilende Fall ist mit demjenigen zu vergleichen, der dem OLG Hamm vorgelegt
wurde und Gegenstand der zitierten Entscheidung ist. Darin ist der erfolgreiche
Abschluss an der A…-Z…Schule Höhere Fachschule für Sozialarbeit in Dortmund als
ausreichend erachtet worden. Deren Ausbildungsprogramm ist aktenkundig.
Die gegenteilige Auffassung des Beschwerdegegners, eine vergleichbar qualifizierte
Ausbildung der Beschwerdeführerin im Sinne des § 1 Abs. 1 BVormG sei selbst bei
Beachtung der obergerichtlich aufgestellten Kriterien nicht zu erkennen, wird nicht näher
begründet.
Da die Tatsachen feststehen, auf deren Grundlage die weitere sofortige Beschwerde
Erfolg hat, kann der Senat in der Sache endgültig entscheiden.
Bei Zugrundelegung eines von der Beschwerdeführerin zu beanspruchenden
Stundensatzes in Höhe von jeweils 31,00 € errechnet sich die im Beschlusstenor
genannte Gesamtvergütung einschließlich der gesetzlichen Mehrwertsteuer nach einem
Satz in Höhe von 16 %. Die Differenz zu der von Amts- und Landgericht für angemessen
gehaltenen Vergütung beträgt 478,57 €.
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