Urteil des OLG Brandenburg vom 03.07.2006
OLG Brandenburg: feststellungsklage, vergleich, anfechtung, beendigung, ermessen, gefahr, zwangsvollstreckung, verfügung, vollstreckungsverfahren, link
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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 5.
Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
5 W 57/06
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Kläger zu 1 und 2 wird der Beschluss des Landgerichts
Potsdam vom 3. Juli 2006 – Az. 12 O 450/05 – teilweise dahingehend abgeändert, dass
die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: bis 13.000,00 €
Gründe
I.
Die Parteien stritten in dem Verfahren 12 O 300/04 LG Potsdam über die Wirksamkeit
des am 20. November 2003 beurkundeten Grundstückskaufvertrages. In der mündlichen
Verhandlung vom 5. November 2004 beendeten die Parteien diesen Rechtsstreit durch
Abschluss eines Vergleiches.
Mit Schreiben vom 14. Januar 2005 erklärte die Beklagte gegenüber den Klägern die
Anfechtung dieses Vergleiches mit der Begründung, von den Klägern sei ohne ihr Wissen
vor Abschluss des Vergleiches die Hecke verlängert und versetzt worden. Wäre ihr vor
Abschluss des Vergleiches der Verlauf der Hecke und deren Größe bekannt gewesen, so
hätte sie dem Vergleich nicht zugestimmt, weil der jetzige Verlauf der Hecke zu einer
erheblichen Wertminderung ihres Grundstückes führe.
Daraufhin erhoben die Kläger im vorliegenden Verfahren Feststellungsklage mit dem
Antrag, festzustellen, dass der gerichtliche Vergleich durch die Anfechtungserklärung der
Beklagten nicht nichtig geworden sei. Nachdem die Parteien den
Grundstückskaufvertrag zwischenzeitlich vollzogen haben, haben sie den Rechtsstreit
übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt und wechselseitig Kostenanträge
gestellt.
Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Landgericht die Kosten des vorliegenden
Rechtsstreits den Klägern als Gesamtschuldnern auferlegt und zur Begründung
ausgeführt, die Feststellungsklage sei unzulässig gewesen. Der Streit, ob ein
Prozessvergleich wirksam sei, müsse grundsätzlich in Fortführung des
Ursprungsverfahrens ausgetragen werden. Dies gelte nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofes auch dann, wenn es - wie hier – um die Frage gehe, ob die von
einer Vergleichspartei erklärte Anfechtung rückwirkend zur Unwirksamkeit des
Vergleiches geführt habe. Danach habe für die von den Klägern erhobene
Feststellungsklage ein Rechtsschutzbedürfnis nicht bestanden.
Gegen den ihnen am 7. Juli 2006 zugestellten Beschluss des Landgerichts haben die
Kläger mit am 20. Juli 2006 eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt.
Sie machen geltend, für sie habe nur die Möglichkeit bestanden, nach den allgemeinen
Regeln eine Feststellungsklage zu erheben; die Fortführung des ursprünglichen
Rechtsstreits sei nur mit der Behauptung möglich, der zur Beilegung des Rechtsstreits
geschlossene Vergleich sei unwirksam. Das Landgericht habe auch seine
Hinweispflichten verletzt, denn noch in der mündlichen Verhandlung vom 2. Dezember
2005 habe es seine Rechtsauffassung dahingehend geäußert, dass es die erhobene
Feststellungsklage für zulässig erachte. Die Kosten des Rechtsstreits seien insgesamt
der Beklagten aufzuerlegen, denn noch vor Abschluss des Vergleiches sei in der
mündlichen Verhandlung über die Versetzung der Hecke gesprochen worden.
Das Landgericht hat durch weiteren Beschluss vom 27. Juli 2006 der sofortigen
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Das Landgericht hat durch weiteren Beschluss vom 27. Juli 2006 der sofortigen
Beschwerde nicht abgeholfen und ergänzend ausgeführt, es habe seine ursprünglich
vertretene Rechtsauffassung hinsichtlich der Zulässigkeit der Feststellungsklage
geändert; ein Hinwies hierauf habe an der zu treffenden Kostenentscheidung nichts
mehr ändern können.
II.
Die sofortige Beschwerde der Kläger, über die nach § 568 S. 1 ZPO der Einzelrichter zu
befinden hat, ist zulässig; sie wurde insbesondere rechtzeitig innerhalb der Frist des §
569 Abs. 1 ZPO eingelegt.
In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, die Kosten des Rechtsstreits sind
insgesamt gegeneinander aufzuheben.
1. Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass,
nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, über
dessen Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach
billigem Ermessen zu entscheiden ist und es grundsätzlich billigem Ermessen entspricht,
derjenigen Partei die Kosten aufzuerlegen, die voraussichtlich unterlegen gewesen wäre.
2. Entgegen der Auffassung des Landgerichts war die von den Klägern erhobene Klage
nicht bereits unzulässig, weil es an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis gefehlt
hätte.
a) Nach der auch vom Landgericht zitierten höchstrichterlichen Rechtsprechung kann
durch Fortführung des bisherigen Rechtsstreits lediglich geklärt werden, ob ein
Prozessvergleich aus sachlich-rechtlichen Gründen nichtig oder anfechtbar ist, sofern
durch die Geltendmachung der Nichtigkeit oder der Anfechtbarkeit die Beendigung des
Rechtsstreits durch den Vergleich in Frage gestellt wird (BGHZ 28, 171, 173; BGH NJW
1977, 583; BGH NJW 1999, 2903). Maßgeblich hierfür ist die Erwägung, dass ein nichtiger
Prozessvergleich nicht zur Beendigung des Ursprungsverfahrens geführt hat und daher
einer neuen Klage, jedenfalls soweit mit ihr das ursprüngliche Prozessziel bei
unverändert gebliebenem Streitgegenstand weiterverfolgt werden soll, der Einwand
anderweitiger Rechtshängigkeit entgegenstehen würde (BGH NJW 1999, a. a. O.).
Dagegen ist eine neue Klage nicht schon aus diesem Grund unzulässig, wenn mit ihr die
Beendigung des Ursprungsrechtsstreits gerade nicht in Frage gestellt wird (BGH NJW
1999, a. a. O.).
b) Die Beendigung des Rechtsstreits durch den Vergleich vom 5. November 2004 in dem
Verfahren 12 O 300/04 Landgericht Potsdam wird von den Klägern nicht geltend
gemacht; sie begehren vielmehr die Feststellung der Wirksamkeit und damit der
prozessbeendenden Wirkung dieses Vergleiches. Für eine Fortsetzung des bisherigen
Rechtsstreits ist mit einem solchen Klagebegehren, das mit dem Streitgegenstand des
Vorprozesses nicht identisch ist, kein Raum, der Rechtsstreit soll in der Sache gerade
nicht fortgesetzt werden.
In einem solchen Fall kommt grundsätzlich die Erhebung einer Feststellungsklage in
Betracht (Münchener Kommentar/Wolfsteiner, § 794 ZPO Rdnr. 105 m. w. Nachw. i. V. m.
Münchener Kommentar/Lüke, § 256 ZPO Rdnr. 17; Zöller/Stöber, § 794 ZPO Rdnr. 15a).
c) Für die von den Klägern erhobene Feststellungsklage besteht im Ergebnis auch das
erforderliche Feststellungsinteresse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Ein solches
Feststellungsinteresse besteht dann, wenn dem Recht oder der Rechtslage des Klägers
eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass der Beklagte ein Recht
des Klägers ernstlich bestreitet oder er sich eines Rechts gegen den Kläger berühmt,
und wenn das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft geeignet ist, diese Gefahr zu
beseitigen (m. w. Nachw. Zöller/Greger, § 256 ZPO Rdnr. 7).
Diese Voraussetzungen sind dadurch, dass die Beklagte mit der erklärten Anfechtung
die Wirksamkeit des geschlossenen Vergleichs ernstlich bestritten hat, gegeben. Das
Feststellungsinteresse entfällt nicht ausnahmsweise deswegen, weil den Klägern eine
einfachere und bessere Rechtsschutzmöglichkeit zur Verfügung gestanden hätte.
Zwar hätten die Kläger aus dem gerichtlich geschlossenen Vergleich jedenfalls
hinsichtlich des vollstreckbaren Teils ohne weiteres die Zwangsvollstreckung betreiben
können, auf Grund der von der Beklagten nachdrücklich erklärten Anfechtung wäre dann
aber im Vollstreckungsverfahren – wie auch der Verlauf des vorliegenden Verfahrens
gezeigt hat – ohne weiteres mit Einwendungen der Beklagten zu rechnen gewesen. Die
Möglichkeit der – teilweisen- Vollstreckung schließt damit das Feststellungsinteresse im
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Möglichkeit der – teilweisen- Vollstreckung schließt damit das Feststellungsinteresse im
vorliegenden Fall nicht aus (vgl. BGH JZ 1966, 575; RGZ 100, 123, 126), zumal
hinsichtlich des nicht vollstreckbaren Teils des Vergleiches (etwa Ziffer 3 es Vergleiches
vom 5. November 2004, der eine Vereinbarung über den Bestand der Hecke enthält),
die Möglichkeit einer Vollstreckung ohnehin nicht bestand.
Für die von den Klägern erhobene Feststellungsklage bestand das erforderliche
Feststellungsinteresse; die Klage war nicht schon wegen des fehlenden
Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
3. Damit kommt es für die Frage, wie nach der übereinstimmenden Erklärung der
Erledigung des Rechtsstreits dessen Kosten zu verteilen sind, auf die Begründetheit der
erhobenen Feststellungsklage an.
Dies führt dazu, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben waren,
weil der Ausgang des Rechtsstreits offen war.
Die Beklagte hatte für ihren Vortrag, die Kläger hätten die Hecke versetzt und verlängert
und dies sei ihr vor Abschluss des Vergleiches nicht bekannt gewesen, Zeugenbeweis
angetreten. Demgegenüber hatten die Kläger ihren Vortrag, die Beklagte habe bei
Besuchen im Juli und August 2004 den neuen Standort der Hecke, die im Juni 2004
umgepflanzt worden sein soll, gesehen, ebenso unter Beweis gestellt, wie ihren weiteren
Vortrag, im Rahmen der Vergleichsverhandlungen vom 5. November 2004 sei der
Umstand, dass die Hecke mittlerweile versetzt worden sei, angesprochen worden.
Der Ausgang des Rechtsstreits war danach offen und hing von dem Ergebnis einer noch
durchzuführenden Beweisaufnahme ab, so dass es insgesamt billigem Ermessen
entspricht, unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes die Kosten
des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben. Die sofortige Beschwerde hat danach
insoweit keinen Erfolg, als die Kläger begehren, der Beklagten darüber hinaus insgesamt
die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren war auf die Höhe der
erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits, um deren Verteilung die Parteien streiten,
festzusetzen.
Die Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 92
Abs. 1 ZPO.
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