Urteil des OLG Brandenburg vom 02.12.2008

OLG Brandenburg: wohl des kindes, eltern, elterliche sorge, tagesmutter, anhörung, vorrang, wohnung, auto, geburt, jugendamt

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 2.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
10 UF 204/08
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 1671 Abs 2 Nr 1 BGB, § 1671
Abs 2 Nr 2 BGB
Elterliche Sorge: Übertragung des
Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil unter
Berücksichtigung der in einer Sorgerechtsentscheidung zu
beachtenden Kriterien wie z.B. Förderungs- und
Kontinuitätsgrundsatz
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg
vom 2. Dezember 2008 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Der Beschwerdewert wird auf 3.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der am ….11.2007 geborene S. L. ist das Kind des am ….2.1963 geborenen
Antragstellers und der am ….12.1972 geborenen Antragsgegnerin. Die Eltern sind nicht
verheiratet. Noch vor der Geburt, nämlich am 16.10.2007, erkannte der Antragsteller die
Vaterschaft an. Am selben Tag gaben die Eltern eine Sorgeerklärung ab.
Die Eltern haben stets in getrennten Haushalten gelebt. Bei der Antragsgegnerin lebt
noch deren Tochter aus einer früheren Verbindung A., geb. am ….9.1991.
Das vorliegende Verfahren hat der Antragsteller eingeleitet, indem er unter dem
30.4.2008 beantragt hat, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. zu übertragen.
Am selben Tag hat der Antragsteller einen Antrag auf Umgangsregelung gestellt. Das
Umgangsverfahren hat durch eine vom Senat übernommene Umgangsvereinbarung
vom 23.9.2008 seinen Abschluss gefunden (10 UF 127/08).
Der Antragsteller hat im vorliegenden Verfahren geltend gemacht, aufgrund seiner
selbstständigen Tätigkeit sei er zeitlich flexibel und könne sich ausreichend um S.
kümmern. Anders verhalte es sich mit der Mutter. Sie beabsichtige, eine
Erwerbstätigkeit aufzunehmen und S. zu einer Tagesmutter bzw. in eine Kinderkrippe zu
geben. Dies aber sei nach seiner Auffassung für ein so kleines Kind schädlich. Solange
ein Elternteil, hier er als Vater, für die Betreuung zur Verfügung stehe, solle das Kind
nicht in eine Fremdbetreuung gegeben werden.
Auf Antrag der Mutter hat das Amtsgericht ihr durch einstweilige Anordnung vom
14.10.2008 die Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Betreuung des Kindes in der
Tagespflege allein übertragen.
Durch den angefochtenen Beschluss vom 2.12.2008 hat das Amtsgericht die
einstweilige Anordnung vom 14.10.2008 aufrecht erhalten und unter Abweisung des
Antrags des Antragstellers der Antragsgegnerin das alleinige Recht zur Bestimmung des
Aufenthaltes des Kindes S. L. übertragen. Wegen der Begründung wird auf den
angefochtenen Beschluss Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Vater mit der Beschwerde.
Soweit die einstweilige Anordnung betroffen ist, hat sie der Senat durch Beschluss vom
3.2.2009 (10 WF 256/08) aufgehoben.
Zur Begründung seines Rechtsmittels in der Hauptsache trägt der Vater vor:
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Ihm gehe es nicht darum, das Kind ganz zu sich zu nehmen und es nur besuchsweise
der Mutter zu überlassen. Vielmehr strebe er ein Modell an, bei dem das Kind zwischen
den Eltern wechseln und möglichst gleich viel Zeit bei Vater und Mutter verbringen
könne. Die Mutter hingegen wolle am liebsten keine Kontakte zwischen Vater und Sohn
zulassen, höchstens Besuchskontakte im Rahmen des üblichen Umgangs. Diese
eingeschränkte Bindungstoleranz stelle ein Entwicklungsrisiko für das Kind dar.
Er habe sich bewusst dafür entschieden, dem Kind einen großen Raum in seinem Leben
zu geben und für seine tägliche Betreuung einzustehen. Er lebe in grüner Umgebung in
R., in der Nachbarschaft gebe es Kinder jeden Alters. Er gehe gefühlvoll mit dem Kind um
und habe Spaß daran, S. an seinem Alltag teilnehmen zu lassen, mit ihm zu spielen, zu
musizieren und Ausflüge ans Wasser zu machen.
Die Mutter sei ebenfalls existenziell wichtig für S.. Auch sie liebe das Kind und habe eine
einzigartige und exklusive Beziehung zu ihm. Ein engagierter und liebevoller Vater sei
jedoch eine wertvolle Ressource für S., die nicht jedem Kind zur Verfügung stehe. Das
von ihm vorgeschlagene Modell erlaube beiden Eltern eine Berufstätigkeit, ohne dass S.
bereits jetzt täglich mehrere Stunden außerhalb der Familie betreut werden müsste.
Hiervon könne das Kind nur profitieren.
Der Vater beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses ihm das
Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. allein zu übertragen.
Die Mutter beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt vor:
Das Amtsgericht habe ihr zu Recht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. übertragen.
Eine wechselnde Betreuung des Kindes, wie sie dem Vater vorschwebe, komme nicht in
Betracht.
Der Vater habe im Übrigen durch sein Verhalten dazu beigetragen, dass zwei
Tagesmütter, die während ihrer, der Mutter, Berufstätigkeit die Betreuung des Kindes
hätten übernehmen sollen, die Betreuungsverträge gekündigt hätten. Auch andere
Personen, z.B. Jugendamtsmit-arbeiterinnen, habe der Vater beschimpft.
Wegen des weiteren Vorbringens der Eltern wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen
Bezug genommen. Im Termin vom 3.3.2009 hat der Senat die Eltern und die
Verfahrenspflegerin angehört.
Der Antragsteller hat erklärt:
S. war zuletzt gestern in der Zeit von 6:45 Uhr bis 17:45 Uhr bei mir. Der Umgang wird
so, wie gerichtlich geregelt, durchgeführt.
Wie sich die Betreuung des Kindes während der Berufstätigkeit der Mutter zurzeit
gestaltet, weiß ich nicht. Insbesondere weiß ich nicht, ob inzwischen eine dritte
Tagesmutter tätig ist. Es gibt keine Kommunikation. Die Mutter informiert mich nicht. Ich
unterrichte sie aber über Angelegenheiten des Kindes, schreibe beispielsweise per SMS,
wenn S. wenig gegessen hat oder wenn er schon bei mir gebadet worden ist. Eine
Rückmeldung bekomme ich nicht.
Die Entfernung zwischen der Wohnung der Mutter und meiner Wohnung beträgt 54 km.
Mit dem Auto braucht man für eine Fahrt etwa eine Dreiviertelstunde. Da ich aus
Kostengründen überwiegend öffentliche Verkehrsmittel benutze, bin ich noch länger
unterwegs. Wenn ich nach einem Umgang am Sonntag am folgenden Tag wieder
Umgang mit S. habe, übernachte ich in S. in einem Wohnmobil meiner Eltern.
Seit ich Umgang mit S. habe, habe ich mich höchstens drei bis viermal um mehr als
eine Viertelstunde verspätet. Ich habe dann bei der Antragsgegnerin angerufen,
beispielsweise, als mein Auto defekt war.
Ich bin von Beruf Finanz- und Versicherungsmakler. Nebenher biete ich
Gitarrenunterricht an. Dies greift aber noch nicht so richtig. Bei der Ausübung meiner
Berufstätigkeit habe ich keine festen Termine. Die Zahl der Aufträge kann ich nicht
steuern. Wichtig ist es, vor Ort, das heißt in meiner Wohnung, zu sein. Die Aufträge kann
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steuern. Wichtig ist es, vor Ort, das heißt in meiner Wohnung, zu sein. Die Aufträge kann
ich während S. Mittagschlaf oder an den Wochenenden erledigen.
Mein Modell für S. künftige Betreuung sieht so aus, dass ich ihn am Sonntag
übernehmen und am Dienstag nach der Arbeit zur Mutter bringe würde. Am Mittwoch
würde ich ihn morgens wieder abholen. Am Freitag oder schon am Donnerstag könnte
die Mutter ihn wieder übernehmen und ihn auch am Wochenende haben. Auch alle
Feiertage außer Weihnachten/Silvester könnte S. bei der Mutter verbringen.
Ich habe die beiden Tagesmütter, Frau S. und Frau Lü., kennengelernt. Das
schriftsätzliche Vorbringen der Antragsgegnerin zu meinen Begegnungen mit den
Tagesmüttern trifft nicht zu. Ich habe mich mit beiden sachlich unterhalten und sie nicht
bedroht oder beschimpft. Frau S. hat auf meine spätere Nachfrage, warum sie S.
Betreuung nicht übernehmen wolle, bestätigt, dass sie sich nicht gefährdet gefühlt habe.
Sie hat darauf verwiesen, das Jugendamt habe auf Grund meiner Mitteilung erfahren,
dass sie, wenn sie ihre eigenen Kinder abhole, die betreuten Kinder in ihrem Auto
mitnehme. Sie hat geäußert, wenn das schon so anfinge, könne sie sich vorstellen, wie
es weiter gehe. Das Gespräch mit der zweiten Tagesmutter, Frau Lü., habe ich sogar im
Hinblick auf S. Reaktion auf Band aufgezeichnet. Wir haben uns entspannt unterhalten.
Es ist nicht richtig, dass ich S. bewusst mit Frau Lü. allein gelassen habe. Als S. sich
gerade mit einem Staubsauger beschäftigt hat, bin ich nur einen Schritt aus dem Raum
getreten. Auch Frau Lü. habe ich nach dem Gespräch noch einmal angerufen. Ich habe
sie sogar dazu bewegen wollen, den Betreuungsvertrag aufrecht zu erhalten, damit es
nicht schon wieder einen Wechsel in der Betreuung des Kindes gibt. Sie hat sich auf ihre
Schweigepflicht berufen. Sie hat dann aber später selbst noch einmal angerufen und
nach dem Inhalt der Schriftsätze bezüglich der Begegnung zwischen ihr und mir gefragt.
Sie hat in diesem Zusammenhang geäußert, sie wolle rechtliche Schritte einleiten. Als
ich sie diesbezüglich um eine schriftliche Bestätigung bitten wollte, war nur noch die
Kollegin am Apparat. Man merkte, dass die beiden mit der Sache nichts mehr zu tun
haben wollen.
Ich hole S. an den Umgangstagen während der Woche um 6:45 Uhr ab. Er hat dann
schon etwas gefrühstückt. Ich selbst kann so früh noch nichts essen. Ich frühstücke dann
zu Hause zwischen 9:00 Uhr und 10:00 Uhr, S. möchte auch etwas essen. Er bekommt
ein bis zwei Stullen und Obst. Da er meist morgens im Auto wieder einschläft, ist es um
12:00 Uhr noch zu früh für den Mittagsschlaf. Ich gehe mit ihm noch raus und kaufe
beispielsweise mit ihm ein. Ich gebe ihm mittags eine Kleinigkeit zu essen. Gegen 13:00
Uhr lege ich ihn zum Mittagsschlaf hin. Oft wird er nach einer Stunde wach. Ich lege mich
dann zu ihm, da ich auch noch Schlaf nachzuholen habe. Wir schlafen meist noch
gemeinsam etwa eine Stunde, bis er erneut wach wird. Dann kuscheln wir und er wühlt
im Bett herum. Zwischen 15:30 Uhr und 16:00 Uhr ist sein Essen fertig. Ich versuche,
mit ihm um 17:00 Uhr aufzubrechen, um rechtzeitig zur Mutter zurückzukommen. Wenn
gerade zu der Zeit die Windel voll ist, wechsele ich sie aber noch, so dass es dann zu
einer Verspätung kommt. Schon wegen einer zehnminütigen Verspätung hat mir die
Mutter nun die Zwangsvollstreckung angedroht.
Wenn ich S. abhole, reagiert er meistens erfreut. Es hat allerdings Übergaben gegeben,
bei denen er geweint hat. Dies war immer dann der Fall, wenn gerade eine neue
Fremdbetreuung begonnen hat.
Ich habe S. nach seiner Geburt fast täglich gesehen. Die Mutter hat damals noch
ausdrücklich nachgefragt, ob S. meinen Nachnamen erhalten solle. Wir haben zunächst
beide in B. gewohnt. Die Mutter ist dann nach E., ich bin später nach R. gezogen. Ich
wollte Wohn- und Arbeitsstätte zusammenzuführen, da in B. Wohnung und Büro etwa 10
– 15 Minuten voneinander entfernt waren. Außerdem ging es mir darum, mehr Platz für
S. zu haben. Ich wohne in R. seit Juni 2008 zur Miete.
Ich habe eine starke emotionale Bindung zu S.. Ich bin neben der Antragsgegnerin eine
gleichwertige Bezugsperson für das Kind. S. soll sich nicht noch auf weitere
Bezugspersonen, etwa Tagesmütter, einlassen müssen. Die 17jährige Tochter A. der
Antragsgegnerin ist zwar auch eine Bezugsperson. Sie geht aber nicht immer
kindgerecht mit S. um, wenn sie ihn etwa im Arm hält, während sie im Fernsehen eine
Musiksendung sehr laut eingeschaltet hat.
Das von mir angestrebte Wechselmodel würde zu einem geregelteren Tagesablauf für S.
führen als die derzeitige Situation. Viele Fahrten mit dem Auto würden entfallen.
Wenn es später zu einer Fremdbetreuung kommen sollte, könnte ich eine lange
Eingewöhnungszeit gewährleisten. Ich wäre nämlich immer in der Lage, S. jederzeit
vorzeitig aus der Betreuungseinrichtung abzuholen. Die Antragsgegnerin ist zeitlich u.a.
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vorzeitig aus der Betreuungseinrichtung abzuholen. Die Antragsgegnerin ist zeitlich u.a.
dadurch beansprucht, dass sie ihrer schwerbehinderten Mutter zur Hand gehen muss.
Im Gegensatz zur Antragsgegnerin verfüge ich über die nötige Bindungstoleranz. Erhält
die Antragsgegnerin das Aufenthaltsbestimmungsrecht, so wird es für S. niemals eine
Entspannung geben. Vielmehr ist für die nächsten 17 Jahre mit einem „Krieg“ zu
rechnen. Eine Entspannung kann es nur geben, wenn S. bei mir ist, sonst nicht.
Als ich einmal, weil ich es eilig hatte und das Gartentor geschlossen war, über den Zaun
auf das Grundstück der Antragsgegnerin gesprungen bin, habe ich eine Strafanzeige
wegen Hausfriedensbruchs erhalten.
Die Antragsgegnerin hat erklärt:
Dienstags, mittwochs und freitags, wenn S. nicht beim Vater ist, gibt es im Moment eine
sogenannte Notbetreuung durch zwei Erzieherinnen. Eine solche Betreuung steht nur für
Kinder zur Verfügung, bei denen es Schwierigkeiten gibt. Ich habe, nachdem eine
Tagesmutter die Betreuung aus persönlichen Gründen nicht übernehmen wollte und die
andere den Vertrag wieder gekündigt hat, Kontakt mit unserem Bürgermeister
aufgenommen und so diesen Betreuungsplatz erhalten, und zwar für sechs Monate,
obwohl die Höchstdauer in der Notbetreuung drei Monate beträgt. Für die Zeit ab
1.9.2009 habe ich für S. einen Kita-Platz.
In dieser sogenannten Notbetreuung befinden sich ca. zehn Kinder, davon fünf in S.
Alter. Die anderen sind zwei bis drei Jahre älter. Die Notbetreuung nehme ich erst seit
einer Woche in Anspruch. S. befindet sich in der Eingewöhnungsphase. Im Moment ist er
für eine Stunde dort. Ich bin bislang höchstens die Hälfte dieser einen Stunde nicht
anwesend gewesen.
Ich habe mit meinem Arbeitgeber eine Vereinbarung über Teilzeit geschlossen und
arbeite nun 34 Stunden in der Woche. Für die Eingewöhnung habe ich Urlaub
genommen. Wann S. einen ganzen Tag in der Betreuung bleiben kann, weiß ich noch
nicht. Dies entscheiden die Erzieher. Angestrebt ist eine Eingewöhnung zwischen fünf
und zehn Tagen.
Mein Arbeitsvertrag erlaubt mir flexible Arbeitszeiten. Montags und donnerstags, wenn
S. beim Vater ist, habe ich lange Arbeitstage. An den anderen Tagen arbeite ich
höchstens sechs Stunden. Meine Arbeitsstelle befindet sich in B.. Für eine Strecke
benötige ich etwa 35 Minuten.
Die Kommunikation mit dem Vater ist sehr schlecht. Es ist richtig, dass ich von ihm SMS
erhalten habe, diese bedurften aber keiner Beantwortung. Wenn es zwischen uns
Gespräche gibt, dann kommt es immer wieder zu Streit. Deshalb vermeide ich diese
Gespräche, zumal S. meistens dabei ist.
Umgang mit dem Vater wird es weiter geben. Ich finde es wichtig, dass S. Kontakt zu
seinem Vater behält. Es gab allerdings eine Zeit, in der ich für einen sehr
eingeschränkten Umgang plädiert habe. Dies geschah aber aus Angst. Denn der Vater
hatte die Frage gestellt, was denn wäre, wenn er S. nicht zu mir zurück bringen würde.
Was den derzeitigen Umgang angeht, ist festzustellen, dass die beiden Tage beim Vater
zu einer Unterbrechung von S. normalem Tagesablauf führen. Zuerst wusste ich nicht,
wann S. beim Vater Mahlzeiten einnimmt. Als ich gehört habe, dass die eigentliche
Mittagsmahlzeit erst gegen 16:00 Uhr stattfindet, war ich damit nicht einverstanden.
S. wird morgens und abends noch gestillt. Dies ist für ihn weiterhin wichtig, auch wenn
dabei die Nahrungsaufnahme nicht mehr im Vordergrund steht. Manchmal wird S. auch
nachts noch wach und möchte gestillt werden.
Morgens nach dem Stillen und Aufstehen gibt es ein normales Frühstück. S. möchte
dann meistens noch eine halbe oder eine Stulle essen. Das Mittagessen erhält er
zwischen 11:30 Uhr und 12:00 Uhr, dann macht er seinen Mittagsschlaf.
Meine 17jährige Tochter A. hat sich immer ein Geschwisterchen gewünscht. Als S. dann
geboren wurde, war sie sehr glücklich. Sie kümmert sich viel um ihn. Sie geht mit ihm
spazieren, spielt mit ihm oder badet ihn auch. Ich habe A. aber immer gesagt, dass sie
in Bezug auf S. keine Pflichten übernehmen muss. Sie kann sich um ihn kümmern, wenn
es ihr gefällt. A. befindet sich in der Ausbildung.
Nach S. Geburt wollte der Antragsteller das Kind schnell über Nacht zu sich nehmen. Die
Hebamme und ich haben ihm das verwehrt. Es gab dann einige Nächte, die ich
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Hebamme und ich haben ihm das verwehrt. Es gab dann einige Nächte, die ich
zusammen mit S. beim Vater verbracht habe, obwohl unsere Beziehung keine Zukunft
mehr hatte. Der Vater wollte S. weiterhin täglich sehen. Ich habe mich damals zuviel
unter Druck setzen lassen.
An die Tagesmutter wurde S. seinerzeit auch gegen 6:45 Uhr übergeben. Ich habe ihn
dann gegen 14:30 Uhr wieder abgeholt. Manchmal hat A. ihn schon früher, gegen 14:00
Uhr, abgeholt. Jetzt in der Eingewöhnungsphase der Notbetreuung geht es S. gut. Er
spielt, und zwar auch mit anderen Kindern. Allerdings war ich bisher nicht länger als eine
halbe Stunde weg.
Die erste Tagesmutter, Frau S., hat erklärt, dass es zu einem Vertragsabschluss nicht
kommen werde, weil sie den Vater nach der Begegnung mit ihm als aggressiv
eingeschätzt hat. Frau Lü. war dann zur Übernahme der Rolle als Tagesmutter bereit,
obwohl ich ihr die Vorgeschichte geschildert hatte. Angst hatte sie nicht, zumal sie mit
einer anderen Tagesmutter zusammenarbeitet. Zur Kündigung des
Betreuungsvertrages ist es gekommen, weil sich der Vater nach Aussage von Frau Lü.
„unmöglich“ benommen hat.
Die Verfahrenspflegerin hat erklärt:
Meinem schriftlichen Bericht habe ich eigentlich nichts hinzuzufügen. Die Eltern sind in
wichtigen Punkten unterschiedlicher Meinung, das wirkt sich ungünstig auf S. aus.
Allerdings wirkt das Kind zurzeit noch unbelastet. Es ist freundlich und umgänglich. Es
wird aber später mitbekommen, dass die Eltern nicht miteinander reden können.
Der unregelmäßige Tagesablauf ist für das Kind auch ungünstig. Zu beachten ist, dass
S. sehr auf seine Halbschwester fixiert ist.
II.
Die gemäß § 621 e ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das
Amtsgericht das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. auf die Mutter übertragen und den
Antrag des Vaters, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen,
zurückgewiesen.
Leben Eltern, denen die elterliche Sorge gemeinsam zusteht, nicht nur vorübergehend
getrennt, so kann gemäß § 1671 Abs. 1 BGB jeder Elternteil beantragen, dass ihm das
Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt.
Fehlt es hinsichtlich des Antrags an der Zustimmung des anderen Elternteils, vgl. § 1671
Abs. 2 Nr. 1 BGB, so ist dem Antrag stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass die
Aufhebung der gemeinsamen Sorge und die Übertragung auf den Antragsteller dem
Wohl des Kindes am Besten entspricht, § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Vorliegend richten sich
die Anträge beider Elternteile allein auf die Übertragung des
Aufenthaltsbestimmungsrechts als Teilbereich der elterlichen Sorge (vgl.
Palandt/Diederichsen, BGB, 68. Aufl., § 1671, Rz. 4). Daher hat der Senat auch nur
hierüber zu befinden (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1671, Rz. 18).
Die nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB vorzunehmende Kindeswohlprüfung führt dazu, dass
das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter allein zu übertragen ist. Die Aufhebung
eines Teilbereichs der gemeinsamen elterlichen Sorge ist mit Rücksicht darauf, dass ein
grundsätzlicher Vorrang der gemeinsamen elterlichen Sorge im Verhältnis zur
Alleinsorge eines Elternteils nicht besteht (vgl. BGH, FamRZ 1999, 1646, 1647; FamRZ
2008, 592), dann angezeigt, wenn die Eltern insoweit nicht objektiv kooperationsfähig
bzw. nicht subjektiv kooperationsbereit sind (vgl. KG, FamRZ 2000, 504; Senat, FamRZ
1998, 1047, 1048; FamRZ 2003, 1952, 1953; Johannsen/Henrich/Jaeger, a. a. O., § 1671,
Rz. 36). Beanspruchen die Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht jeweils für sich, so
deuten ihre diesbezüglichen Anträge auf fehlende Kooperationsbereitschaft hin (vgl.
Johannsen/Henrich/Jaeger, a. a. O., § 1671, Rz. 37). Im vorliegenden Fall besteht gerade
im Hinblick auf den Aufenthalt des Kindes Uneinigkeit zwischen den Eltern. Während der
Vater ein Wechselmodel favorisiert, möchte die Mutter, dass sich S. überwiegend bei ihr
aufhält. Die Aufhebung der gemeinsamen Sorge hinsichtlich dieses Teilbereichs des
Aufenthaltsbestimmungsrechts ist daher unter Berücksichtigung des Kindeswohls
erforderlich.
Bei der Frage, welchem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen ist,
sind folgende Gesichtspunkte zu beachten, wobei deren Reihenfolge im Hinblick auf ihren
Stellenwert keine Bedeutung zukommt (vgl. Johannsen/Henrich/Jaeger, a. a. O., § 1671,
Rz. 84):
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- der Wille des Kindes, soweit er mit seinem Wohl vereinbar ist und das Kind nach Alter
und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinne in der Lage ist,
- die Bindungen des Kindes an beide Elternteile und etwa vorhandene Geschwister,
- der Förderungsgrundsatz, nämlich die Eignung, Bereitschaft und Möglichkeit der Eltern
zur Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und Betreuung sowie
- der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Stetigkeit und die Wahrung der Entwicklung des
Kindes abstellt
(vgl. zum Ganzen Johannsen/Henrich/Jaeger, a. a. O., § 1671, Rz. 52, 64 ff., 68 ff., 78 ff.;
Palandt/Diederichsen, a. a. O., Rz. 27 ff.).
Der Senat ist bei der unter diesen Gesichtspunkten vorgenommenen Überprüfung nach
Einholung von schriftlichen Stellungnahmen des beteiligten Jugendamtes und der
Verfahrenspflegerin sowie nach Anhörung der Eltern und der Verfahrenspflegerin zu der
Überzeugung gelangt, dass es dem Wohl des Kindes S. am Besten entspricht, wenn die
Mutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht ausübt.
Ein Kindeswille, der ohnehin regelmäßig erst ab Vollendung des zwölften Lebensjahres
eines Kindes eine relativ zuverlässige Entscheidungsgrundlage bildet (vgl. Senat, FamRZ
2003, 1952, 1954; OLG Brandenburg, 1. Senat für Familiensachen -, FamRZ 2008, 1472,
1474; Johannsen/Henrich/Jaeger, a. a. O., § 1671, Rz. 81), ist vorliegend angesichts des
Alters des Kindes von noch nicht einmal eineinhalb Jahren nicht feststellbar. Diesem
Aspekt kommt vorliegend bei der Kindeswohlprüfung daher keine Bedeutung zu.
S. hat starke Bindungen an beide Elternteile. Dies ergibt sich aus dem Bericht der
Verfahrenspflegerin. Diese hat im Einzelnen beschrieben, wie ungezwungen und mit
welchem Bedürfnis nach körperlicher Nähe sich das Kind sowohl im Umgang mit dem
Vater als auch im Umgang mit der Mutter bewegt.
Nach dem Bericht der Verfahrenspflegerin ist ferner davon auszugehen, dass eine
beachtenswerte Bindung des fast ein Jahr und vier Monate alten S. auch an seine
17jährige Halbschwester A. besteht. Die Bindungen eines Kindes an seine Geschwister
sind bei der Entscheidung über die elterliche Sorge grundsätzlich von großer Bedeutung
(vgl. Senat, OLGR Brandenburg 2008, 867; OLG Celle, FamRZ 1992, 465, 466;
Johannsen/Henrich/Jaeger, a. a. O., § 1671, Rz. 73 f.). Ob die Geschwisterbindung
vorliegend mit Rücksicht auf den großen Altersunterschied ausschlaggebend sein kann,
bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn, wie noch auszuführen ist, spricht
vorliegend der Kontinuitätsgrundsatz entscheidend dafür, das
Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. auf die Mutter zu übertragen.
Unter dem Gesichtspunkt des Förderungsgrundsatzes ergibt sich ein Vorrang des Vaters
jedenfalls nicht. Angesichts des liebevollen Umgangs, den die Eltern nach dem Bericht
der Verfahrenspflegerin mit dem Kind pflegen, kann angenommen werden, dass beide
gleichermaßen erziehungsgeeignet sind. Auch die übrigen insoweit bedeutsamen
Umstände sprechen nicht dafür, dem Vater eher als der Mutter das
Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen. Im Übrigen gibt es den vom Antragsteller
mit Schreiben vom 4.3.2009 genannten Grundsatz "ein Kind gehört zur Mutter"
selbstverständlich nicht.
Beide Elternteile bieten S. ein intaktes Wohnumfeld. Insoweit hat es, insbesondere durch
das Jugendamt, keine Beanstandungen gegeben.
Ebenfalls beide Elternteile gehen liebevoll mit dem Kind um, wie dem Bericht der
Verfahrenspflegerin zu entnehmen ist. Auch ist davon auszugehen, dass beide
gleichermaßen in der Lage sind, dem Kind die notwendigen Anregungen zu geben. Wenn
der Antragsteller demgegenüber nach der Anhörung durch den Senat mit Schreiben
vom 4.3.2009 pauschal behauptet, in der Familie K. gebe es keine Hobbys, es werde
kein Buch gelesen, kein Sport getrieben und keine Urlaubsreise unternommen, so ist
dem entgegen zu halten, dass die Anregungen, von denen ein Kind profitieren kann,
vielfältig sind und weniger ausgeprägte Fähigkeiten und Neigungen des einen Elternteils
in Bezug auf bestimmte Bereiche durch den anderen Elternteil ausgeglichen werden
können. Dies gilt auch nach Trennung der Eltern, insbesondere im Rahmen von
Umgangskontakten.
Beide Elternteile sind berufstätig. Ein allein aus dem Zeitfaktor resultierender Vorrang
des nicht oder nur teilweise berufstätigen Elternteils vor dem voll berufstätigen Elternteil
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des nicht oder nur teilweise berufstätigen Elternteils vor dem voll berufstätigen Elternteil
besteht ohnehin nicht (vgl. Fehmel, FamRZ 1983, 971, 972; OLG Dresden, FamRZ 1997,
49, 50). Auch der Umstand, dass die Mutter, nachdem sie nun wieder eine
Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, S. von einer Tagesmutter bzw. ab September 2009
in einer Kita betreuen lassen möchte, während der Vater die Auffassung vertritt, S. solle
ungeachtet der Berufstätigkeit seiner Eltern weiter zu Hause betreut werden, vermag
keinen Vorrang des Vaters zu begründen.
Zunächst ist schon zweifelhaft, dass der Vater Kindesbetreuung und Erwerbstätigkeit
uneingeschränkt miteinander in Einklang bringen kann, weil sich sein Büro in der eigenen
Wohnung befindet. Das Jugendamt hat in seinem Bericht vom 2.10.2008 bereits darauf
hingewiesen, dass der Vater die Anforderungen, die die Betreuung eines so kleinen
Kindes wie S. an ihn stellt, offenbar unterschätzt bzw. nicht realistisch einschätzt.
Jedenfalls ergibt sich eine Vereinbarkeit nicht allein daraus, dass sich das Büro in der
Wohnung befindet. Zwar hat der Vater bei seiner Anhörung durch den Senat angegeben,
er arbeite nur am heimischen Schreibtisch und könne Aufträge, die er telefonisch
erhalte, auch in den Zeiten erledigen, in denen S. schlafe oder sich bei der Mutter
befinde. Es dürfte aber erforderlich sein, dass der Vater zumindest während der üblichen
Geschäftszeiten durchgängig telefonisch erreichbar und auch in der Lage ist, mit seinen
Kunden bzw. Geschäftspartnern längere Gespräche zu führen. Dies wird durch die
Anwesenheit eines so kleinen Kindes wie S. und die damit einhergehende, oft nicht
planbare Notwendigkeit, dieses zu versorgen, erheblich erschwert.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann nicht davon ausgegangen werden,
dass die Fremdbetreuung eines Kindes von etwa eineinhalb Jahren während der
Ausübung der Berufstätigkeit der Eltern dem Kindeswohl abträglich ist. Der Antragsteller
räumt selbst ein, dass es zu dieser Frage in der Fachliteratur unterschiedliche
Auffassungen gibt. Der Gesetzgeber geht demgegenüber davon aus, dass eine
Betreuung auch kleiner Kinder durch eine Tagesmutter oder in einer Kinderkrippe mit
dem Kindeswohl durchaus in Einklang steht. Hat der Gesetzgeber zunächst einen
Kindergartenplatz ab Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes garantiert (vgl. §
24 SGB VIII in der seit dem 1.1.1996 geltenden Fassung, aber auch das Gesetz zum
qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder -
Tagesbetreuungsausbaugesetz – TAG - vom 27. 12. 2004, BGBl. I S. 3852), so ist er nun
im Interesse einer besseren Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie bestrebt, das
Angebot an Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren im gesamten Bundesgebiet
deutlich auszuweiten (siehe das Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in
Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege vom 10.12.2008 – Kinderförderungsgesetz
– KiföG, BGBl. I, S. 2403).
Anhaltspunkte dafür, dass gerade S. eine Fremdbetreuung nicht verkraften könnte, sind
nicht gegeben. Die Verfahrenspflegerin hat S. als ausgeglichen und fröhlich beschrieben.
Darauf deutet auch die ungezwungene Kontaktaufnahme des Kindes zu beiden
Elternteilen während der Besuche der Verfahrenspflegerin hin. Soweit der Vater von
Verlustängsten des Kindes spricht, lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass allein
infolge der von der Mutter beabsichtigten Fremdbetreuung das Kindeswohl gefährdet
wäre. Weil kleine Kinder regelmäßig starke Bindungen an ihre Eltern haben, ist der
Versuch, eine weitere Bezugsperson in die Betreuung einzubinden, stets mit gewissen
Anlaufschwierigkeiten verbunden. Gerade deshalb sehen Kindertagesstätten, aber auch
Tagesmütter zu Beginn eines Betreuungsverhältnisses eine Eingewöhnungsphase vor.
Der Umstand, dass S., seit die Mutter ihre Erwerbstätigkeit wieder aufgenommen hat,
mit verschiedenen Betreuungspersonen in Kontakt getreten ist, und insoweit stabile
Verhältnisse noch nicht eingetreten sind, begründet ebenfalls keinen Vorrang des
Vaters. Unabhängig von der zwischen den Eltern streitigen Frage, wie sich die Gespräche
des Vaters mit den beiden Tagesmüttern S. und Lü. gestaltet haben, lässt sich jedenfalls
feststellen, dass die Mutter für die Ablehnung der Tagesmütter, S. weiter zu betreuen,
keine Verantwortung trägt.
Eine eingeschränkte Erziehungseignung der Mutter ergibt sich auch nicht im Hinblick
darauf, dass sie ihrer 17jährigen Tochter A. auf deren Wunsch bestimmte Aufgaben bei
der Betreuung und Versorgung S. überlässt. Anhaltspunkte dafür, dass A. diesen
Aufgaben nicht gewachsen ist, bestehen nicht. Allein der vom Antragsteller bei seiner
Anhörung vor dem Senat hervorgehobene Einzelfall, wonach A., während sie S. im Arm
gehalten habe, eine Musiksendung im Fernsehen laut eingestellt gehabt habe, lässt eine
ernsthafte Beeinträchtigung S. nicht erkennen. Im Übrigen kommen jüngere Kinder
naturgemäß mit der jeweiligen konkreten Lebenswelt ihrer älteren Geschwister recht früh
in Berührung.
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Schließlich ist eine verminderte Bindungstoleranz der Mutter im Vergleich zum Vater
nicht zu erkennen. Dass die Mutter kurzzeitig den Umgang des Vaters mit S. auf ein
Minimum reduzieren wollte, hat sie nachvollziehbar mit der Angst, der Vater könne S.
ganz bei sich behalten wollen, begründet. Im Übrigen aber hat sie dem Vater
durchgängig Kontakte mit S. ermöglicht. Dies betrifft zum einen die Zeit unmittelbar
nach der Geburt des Kindes, als die Mutter bereit war, dem Wunsch des Vaters nach
möglichst täglichen Kontakten mit dem Kind zu entsprechen. Wenn es dann auch später
ein Umgangsregelungsverfahren gegeben hat, so bestehen keine Anhaltspunkte dafür,
dass es der Mutter letztlich darum ging, den Umgang des Vaters mit dem Kind zu
unterbinden. Dass bei einem Streit um die konkrete Festlegung von Umgangszeiten
jeder Elternteil auch seinen eigenen Vorteil bzw. die Belange des Kindes, wie sie sich
gerade für ihn darstellen, im Auge hat, liegt in der Natur der Sache. Jedenfalls ist es zu
einer nachhaltigen Umgangsverweigerung durch die Mutter nicht gekommen. Vielmehr
hat der Vater eingeräumt, dass der Umgang durchgängig so, wie er durch die vom
Senat übernommene Umgangsvereinbarung vom 23.9.2008 geregelt ist, stattgefunden
hat.
Allerdings hat der Vater bei seiner Anhörung überdies darauf hingewiesen, die Mutter
schikaniere ihn, indem sie, nachdem er einmal über die verschlossene Gartenpforte
gesprungen sei, eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs gestellt habe. Die
Beanstandung erscheint zwar nicht unberechtigt. Denn ein solches Vorgehen sorgt für
eine Belastung des Verhältnisses der Eltern. Andererseits ist aber zu berücksichtigen,
dass auch der Vater, obwohl er die wichtige Bedeutung der Mutter für das Kind gerade
im Beschwerdeverfahren betont hat, seinerseits auch nicht zur Entspannung beiträgt. So
hat er sich in einer Multimedia Nachricht (MMS), die im Verfahren 2 F 334/08 UG mit
Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 16.5.2008 zur Akte gereicht worden ist,
herabwürdigend über die Mutter geäußert. Auch seine Einschätzung vor dem Senat, eine
Entspannung für das Kind werde es nur geben, wenn er das
Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. erhalte, anderenfalls werde es Krieg geben, deutet
daraufhin, dass er die Fähigkeiten der Mutter im Hinblick auf die Belange des
Kindeswohls abwertet. In Übereinstimmung damit hat das Jugendamt in seiner
Stellungnahme vom 2.10.2008 darauf hingewiesen, der Vater werte die Mutter ab und
sich dagegen auf.
Daher lassen sich die Probleme der Eltern, miteinander zu kommunizieren, nicht nur auf
das Verhalten der Mutter zurückführen. Der Vater ist nicht allein deshalb als eher
kooperationsfähig anzusehen, weil er der Mutter bei bestimmten Gelegenheiten SMS
schickt. Eine hinreichende Kooperationsfähigkeit erweist sich vielmehr gerade darin, den
unmittelbaren Austausch zu suchen und sich im Gespräch selbst ein Stück weit
zurücknehmen zu können. Angesichts der dargestellten Abwertungen der Mutter lässt
sich diese Fähigkeit beim Vater nicht feststellen. Dass er selbst in der Lage wäre, von
seinen Vorstellungen abzurücken, ist nicht erkennbar. So wäre es relativ einfach, den
Ablauf an den Tagen, an denen sich S. bei ihm befindet, etwas anders zu organisieren,
um sicherzustellen, dass die Hauptmahlzeit vom Kind, wie von der Mutter praktiziert, vor
dem Mittagsschlaf eingenommen werden kann. Eine dahingehende Bereitschaft hat der
Vater nicht erkennen lassen.
Schließlich ist zu berücksichtigen, dass es dem Vater bei seinem Begehren, das
Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. allein zu erhalten, nach eigenem Bekunden nicht
darum geht, dass S. weit überwiegend bei ihm lebt und die Mutter Kontakt zu dem Kind
nur im Rahmen regelmäßiger Besuche hat. Das Modell, das dem Vater nach den
Angaben in seiner Anhörung vor dem Senat vorschwebt, geht vielmehr in Richtung eines
Wechselmodells. Gleiches gilt für die nach dem Anhörungstermin mit Schreiben vom
4.3.2009 vorgelegte "Konkrete Regelung, wenn Aufenthaltsbestimmungsrecht bei mir".
Ein Wechselmodell aber stellt so hohe Anforderungen an die Kommunikation und
Kompromissbereitschaft der Eltern (und je nach Alter auch der Kinder), dass die Initiative
hierzu nur von den Eltern selbst ergriffen werden kann (Jaeger, FPR 2005, 70, 72).
Entsprechend kann ein Wechselmodell gegen den Widerstand eines Elternteils nicht
funktionieren (vgl. OLG Dresden, FPR 2004, 619; Jaeger, FPR 2005, 70, 72; Gutjahr, FPR
2006, 301, 302). Im Hinblick darauf hat der Senat bereits entschieden, dass dann, wenn
die Eltern in der Vergangenheit das Wechselmodell praktiziert haben und ein Elternteil
hieran nicht mehr festhalten will, das Aufenthaltsbestimmungsrecht unter dem
Gesichtspunkt des Förderungsprinzips diesem Elternteil zu übertragen ist, da er eher die
Gewähr dafür bietet, dass das bisher praktizierte Wechselmodell beendet wird (Senat,
FamRZ 2003, 1949).
Dass das von ihm während der Anhörung durch den Senat vorgeschlagene Modell, bei
dem der Vater einen Aufenthalt des Kindes bei der Mutter schon ab Donnerstag bis
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dem der Vater einen Aufenthalt des Kindes bei der Mutter schon ab Donnerstag bis
Sonntag für möglich hielt, nicht so funktionieren kann, wie es sich der Antragsteller
vorstellt, wird auch daraus deutlich, dass er der Mutter damit auch unter der Woche
einen ganzen Tage, nämlich den Freitag, zugestehend möchte, an dem sich S. bei ihr
aufhält. Mit Rücksicht auf ihre Berufstätigkeit wäre die Mutter aber am Freitag doch
wieder auf eine Fremdbetreuung, die der Vater ja gerade vermeiden möchte,
angewiesen. Nach den Angaben bei ihrer Anhörung durch den Senat hat die Mutter zwar
angegeben, gerade an den Tagen, an denen sich S. beim Vater befindet, lange zu
arbeiten. Dessen ungeachtet muss sie aber auch an den übrigen Tagen der
Arbeitswoche, wenn auch kürzer, an ihrer Arbeitsstelle erscheinen.
Wenn sich nach alledem unter dem Gesichtspunkt des Förderungsgrundsatzes jedenfalls
kein Vorrang des Vaters ergibt, so spricht der Kontinuitätsgrundsatz entscheidend dafür,
das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. auf die Mutter zu übertragen. Das Kind hat seit
seiner Geburt durchgehend bei ihr gelebt, insbesondere die Nächte dort verbracht. Die
Aufrechterhaltung der bestehenden Situation entspricht, wovon auch das Jugendamt
und die Verfahrenspflegerin ausgehen, dem Wohl des Kindes.
Ist somit das Aufenthaltsbestimmungsrecht für S. allein auf die Mutter zu übertragen ist,
ändert dies nichts an der großen Bedeutung, die der Vater für das Kind behält.
Entsprechend wird der Vater weiterhin regelmäßigen Umgang mit dem Kind haben. Im
Hinblick darauf, dass S. bald abgestillt sein dürfte, rücken Übernachtungen des Kindes,
die nach der vom Senat übernommenen Umgangsregelung vom 23.9.2008 noch nicht
vorgesehen sind, in den Blick. Insoweit erscheint es wünschenswert, dass die Eltern sich
zu einer einvernehmlichen Abänderung ohne Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe bereit
finden werden. Der Vater wird noch stärker als bisher dafür sorgen müssen, dass die
geregelten Übergabezeiten am Ende des jeweiligen Umgangs eingehalten werden. Die
Mutter wiederum wird Überschreitungen dieser Zeiten in begründeten Einzelfällen zu
akzeptieren haben, ohne sogleich die Verhängung von Zwangsmaßnahmen zu
beantragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 Satz 2 FGG.
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