Urteil des OLG Brandenburg vom 27.04.2009

OLG Brandenburg: fahrtkosten, freibetrag, heizung, erziehungskosten, unterhalt, anteil, wohnung, wohnkosten, missverhältnis, betriebskosten

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Gericht:
Brandenburgisches
Oberlandesgericht 1.
Senat für
Familiensachen
Entscheidungsdatum:
Aktenzeichen:
9 WF 170/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Quelle:
Normen:
§ 115 Abs 1 S 2 ZPO, § 115 Abs
1 S 3 ZPO, § 127 Abs 2 ZPO, §
39 SGB 8, § 82 Nr 4 SGB 12
Prozesskostenhilfe: Berücksichtigung von Pflegegeld für
Pflegekinder im Rahmen der Einkommensermittlung;
Anrechnung des Kindergeldes auf Pflegegeld und
Erziehungsbeitrag
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts
Cottbus vom 27. April 2009 – Az. 51 F 299/08 – teilweise abgeändert und dem
Antragsgegner – unter Zurückweisung seines Rechtsmittels im Übrigen - für das
Scheidungsverfahren und die bereits anhängige Folgesache Versorgungsausgleich
30,00 EUR
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht
erstattet.
Gründe
Die am 4. Mai 2009 eingegangene sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den
ihm am 29. April 2009 zugestellten Beschluss des Amtsgerichts Cottbus vom 27. April
2009, mit dem ihm Prozesskostenhilfe gegen monatliche Ratenzahlung in Höhe von
75,00 EUR bewilligt worden war, ist nach § 127 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit §§ 567 ff.
ZPO zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel des Antragsgegners nur teilweise Erfolg.
Im Grundsatz zutreffend hat das Amtsgericht den auf den Erziehungsbeitrag
entfallenden Teil des Pflegegeldes für die im Haushalt des Antragsgegners lebenden
Kinder S… und K… E… als Einkommen des Antragsgegners angerechnet. Allerdings ist
der für das Pflegegeld insgesamt in Abzug gebrachte Kindergeldanteil anteilig sowohl auf
das Pflegegeld als auch auf den Erziehungsbeitrag anzurechnen, so dass insgesamt ein
etwas niedrigerer Betrag als anzurechnendes Einkommen verbleibt. Im Einzelnen:
Der Antragsgegner erhält neben Kindergeld in Höhe von 308,00 EUR und einem eigenen
Erwerbseinkommen in Höhe von durchschnittlich 1.521,55 EUR netto für die
Pflegetöchter S… und K… E… ein Pflegegeld von insgesamt 1.207,00 EUR monatlich (Bl.
57 f. des PKH-Heftes). Dieses Pflegegeld setzt sich zusammen aus einem
Grundbedarfssatz („Pflegegeld gem. Altersstufe“) von insgesamt 964,00 EUR (529,00
und 435,00 EUR) und Kosten der Erziehung („Erziehungsbeitrag“) 366,00 EUR (je 183,00
EUR) abzüglich eines Kindergeldanteils von jeweils 82,00 EUR bzw. 41,00 EUR. Von
diesen Einkünften ist der auf die Kosten der Erziehung entfallende Anteil des
Pflegegeldes abzüglich des auf diesen Anteil entfallenden anzurechnenden Kindergeldes
als Einkommen des Antragsgegners im Sinne von § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO zu
berücksichtigen (vgl. dazu OLG Karlsruhe FamRZ 2004, 645; OLG Bremen FamRZ 1998,
759; erkennender Senat, Beschluss vom 27. Oktober 2008, Az. 9 WF 286/08).
Bei dem Pflegegeld handelt es sich ausweislich der Bescheide des Landkreises … um
eine laufende Leistung zum Unterhalt der beiden Kinder D… und K… N… nach § 39 SGB
VIII, durch die „der notwendige Unterhalt des Kindes einschließlich der Kosten der
Erziehung“ sichergestellt wird. Der Antragsgegner kommt für den Bar- und
Betreuungsbedarf der Kinder so auf, als wären es seine eigenen Töchter. Die baren
Aufwendungen können deshalb gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO dadurch
berücksichtigt werden, dass der Antragsgegner von seinem Einkommen den für dieses
Kind in § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO vorgesehenen Betrag absetzt (so wohl Zöller-
Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 115 Rn. 34). Werden zur Sicherstellung des Barbedarfs eines
Pflegekindes öffentliche Leistungen erbracht, hier also ein "Grundbedarfssatz", sind diese
jedenfalls nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (FamRZ 1997, 814;
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jedenfalls nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (FamRZ 1997, 814;
anderer Ansicht Coester, FamRZ 1991, 253/256 Fußnote 25; Wiesner/Wiesner, SGB VIII,
2. Aufl., § 39 Rn. 16 a.E.) wegen ihrer eindeutigen Zweckbestimmung trotz des
Umstandes, dass auf sie nicht das Kind selbst in eigener Person einen Anspruch hat,
gleichwohl allenfalls entsprechend § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO in der Weise zu
berücksichtigen, dass sie den dort festgelegten Unterhaltsfreibetrag vermindern, im
Übrigen aber nicht als Einkommen der Pflegeperson anzusehen sind (vgl. OLG Karlsruhe
a.a.O.; erkennender Senat, a.a.O.). Kosten der Erziehung entstehen demgegenüber
deshalb, weil nicht die Eltern des Minderjährigen diesen betreuen und erziehen und diese
Aufgabe deshalb Dritten (Pflegeeltern; Heimerzieher) gegen Entgelt anvertraut werden
muss (vgl. Wiesner/Wiesner SGB VIII, 2. Aufl., § 39 Rn 14). Daraus folgt allerdings zugleich
auch, dass für derartige Betreuungsleistungen allein ein Erwerbstätigenbonus nicht
einkommensmindernd berücksichtigt werden kann.
Für das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren heißt dies im Einzelnen folgendes:
Von dem Pflegegeld (ohne Abzug Kindergeld) von 712,00 EUR für S… E… entfallen
183,00 EUR (= 26 %) auf die Erziehungskosten, so dass als Einkommen des
Antragsgegners insgesamt lediglich 168,68 EUR (nämlich 183,00 EUR – [82,00 EUR x 26
% =] 21,32 EUR) anzusetzen sind. Von dem Pflegegeld für K… N… von insgesamt
618,00 EUR entfallen gleichfalls 183,00 EUR (= 30 %) auf die Erziehungskosten, so dass
hier ein Einkommen des Antragsgegners von lediglich 170,70 EUR (nämlich 183 EUR –
[41,00 EUR x 30 % =] 12,30 EUR) anzusetzen ist. Das Pflegegeld kann vorliegend daher
insgesamt in Höhe von nur 339,38 EUR als eigenes Einkommen des Antragsgegners
angerechnet werden.
Insgesamt verfügt der Antragsgegner danach über ein nach § 115 Abs. 1 Satz 2 ZPO
Einkommen von 1.860,93 EUR
anrechenbares Pflegegeld zzgl. 1.521,55 EUR Verdienst aus Erwerbstätigkeit).
Von diesem Einkommen sind nachstehende Aufwendungen bzw. Freibeträge
abzusetzen
Es kann für die Pflegekinder kein zusätzlicher Freibetrag nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2
ZPO berücksichtigt werden, weil nach der hier vertretenen Auffassung zur
Zweckbestimmung des Pflegegeldes die Kinder über eigene Einkünfte verfügen, die den
festgelegten Freibetrag übersteigen.
Nach Auffassung des Senates können die vom Antragsgegner mit 114,00 EUR
bezifferten „Werbungskosten“ letztlich doch Berücksichtigung finden. Zwar bietet das
(Beschwerde-)Vorbringen des Antragsgegners – wie das Amtsgericht im Grundsatz
zutreffend in dem angefochtenen Beschluss und in der Nichtabhilfeentscheidung vom
27. Mai 2009 – ausführt, keine konkreten Ausführungen zu berufsbedingten
Aufwendungen in Höhe von auch nur 35,00 EUR. Der erkennende Senat hat jedoch unter
Rückgriff auf den hergereichten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2007 hinreichend
konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsgegner arbeitstäglich 25 km einfache
Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zurückzulegen hat. Das Einkommen ist
um solche Fahrtkosten zur Arbeitsstätte gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 a ZPO i. V. m.
§ 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII als berufsbedingte Aufwendungen zu kürzen. Im
Prozesskostenhilfeverfahren ist hinsichtlich der Fahrtkosten § 3 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2a der
Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII heranzuziehen, sodass 5,20 EUR für
jeden vollen Kilometer, den die Wohnung von der Arbeitsstätte entfernt liegt anzusetzen
sind, jedoch für nicht mehr als 40 Kilometer (Brandenburgisches OLG – 2. Familiensenat,
FamRZ 2008, 158/159) und – für den vorliegenden Fall – begrenzt jedenfalls durch die
vom Antragsgegner selbst vorgenommene Bezifferung.
Nach Auffassung des erkennenden Senates sind schließlich Wohnkosten in Höhe von
insgesamt 1.133,00 EUR zu berücksichtigen. Nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 ZPO sind
die Kosten für Unterkunft und Heizung in ihrer tatsächlichen Höhe vom Einkommen
abzuziehen, soweit sie nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den
Lebensverhältnissen der Partei stehen. Zu den Kosten der Unterkunft zählen
grundsätzlich auch solche Neben- und Betriebskosten, die üblicherweise auf den Mieter
umgelegt werden (str., wie hier Zöller-Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 115 Rdnr. 34;
Kalthoener/Bütt-ner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 4. Aufl., Rdnr.
273 – jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Hierzu gehören etwa auch die
Kosten für Wasser und Abwasser, die dem Antragsgegner nach den hier eingereichten
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Kosten für Wasser und Abwasser, die dem Antragsgegner nach den hier eingereichten
Unterlagen in Höhe von monatlich 22,00 EUR entstehen. Zutreffend hat das Amtsgericht
allerdings festgestellt, dass die Kosten für Strom als allgemeine Lebenskosten in dem
monatlichen Freibetrag enthalten sind, die die Partei nach § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 ZPO
vom Einkommen abziehen darf.
Im Ergebnis der dargestellten Einkommenssituation des Antragsgegners verfügt dieser
folglich über ein - gemäß § 115 Abs. 2 ZPO auf volle Euro abgerundetes -
einzusetzendes Einkommen in Höhe von 51,00 EUR
Prozesskostenhilfe gegen Zahlung monatlicher Raten in Höhe von 30,00
EUR
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO. Von der Erhebung von
Gerichtskosten wird gemäß Ziffer 1812 Satz 2, 2. Alternative der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2
GKG abgesehen.
Die Voraussetzungen der Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 ZPO
liegen nicht vor.
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